BT-Drucksache 14/9553

Kurzfristige, nationale Strategieen in der Verbraucherpolitik unzureichend

Vom 26. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9553
14. Wahlperiode 26. 06. 2002

Antrag
der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann, Klaus Haupt,
Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Gudrun
Serowiecki, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Kurzfristige nationale Strategien in der Verbraucherpolitik unzureichend

Der Bundestag stellt fest:
Verbraucherpolitik ist Langfristpolitik. Darüber hinaus ist sie integraler Be-
standteil einer EU-Binnenmarktpolitik, die die Verbraucherrechte, das Recht
auf Information, Erziehung und Wahrung der Verbraucherinteressen, in Artikel
153 EG-Vertrag verankert hat. Nationale Strategien, wie sie z. B. von der jetzi-
gen Bundesregierung verfolgt werden und die vor allen Dingen der kurzfristi-
gen Krisenbewältigung dienen, werden dem Anspruch an eine effiziente und
umfassende Verbraucherpolitik nicht gerecht.
Verbraucherpolitik beruht auf dem Grundgedanken des Wettbewerbs und der
Eigeninitiative. Der Wettbewerb wirkt dem Entstehen und dem Missbrauch zu
starker Machtpositionen auf Seiten der Anbieter entgegen. Er fördert den tech-
nischen Fortschritt, der für die Produktsicherheit von herausragender Bedeu-
tung ist. Der Wettbewerb ist Voraussetzung für eine preisgünstige und qualitativ
optimale Versorgung der Verbraucher. Aufgabe des Staates ist es, durch seine
Wirtschaftspolitik die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für einen
funktionierenden Wettbewerb zu gewährleisten und ein Regelungswerk zu
schaffen, das
1. ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet und die Wirt-

schaft nicht unverhältnismäßig belastet,
2. unkompliziert und flexibel ist, schnell auf das Marktgeschehen reagieren

kann und die Mitwirkung von Interessengruppen ermöglicht,
3. rechtliche Sicherheit bietet und eine wirksame und effektive Durchsetzung

des Rechtes sicherstellt,
4. den umfangreichen und umfassenden verbraucherpolitischen Themenkata-

log Rechnung zollt und diesen angemessen berücksichtigt.
Diese Aufgabe hat die Bundesregierung nicht erfüllt. Sie hat weder ausrei-
chende und auf Dauer angelegte regulierende Maßnahmen ergriffen, noch hat
sie für angemessene Durchsetzungsstrukturen gesorgt, die zumindest eine bun-
deseinheitliche Anwendung gewährleisten. Sie greift auf dirigistische, einsei-
tige Konzepte zurück, die sie national durchsetzt. Verbraucher und Verbrauche-
rinnen, die betroffenen Unternehmen und Interessengruppen werden von ihr

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nicht ausreichend in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess einge-
bunden. Die Märkte und ihre Teilnehmer aber brauchen klare und verlässliche
Regeln. Sie sind darauf angewiesen, dass diese effektiv durchgesetzt werden.
Statt zum wirksamen Verbraucherschutz beizutragen und die Krisen vor allen
Dingen in der Land- und in der Ernährungswirtschaft zu meistern, wird die
Bundesregierung selbst durch Aktionismus und Willkür zum Krisenfaktor. Ver-
braucher und Verbraucherinnen sowie die Wirtschaft können jedoch erst dann
wieder volles Vertrauen gewinnen, wenn die staatlichen Behörden auf der Basis
langfristiger Strategien in der Lage sind, eine Schädigung durch betrügerische,
unehrliche oder unlautere Geschäftsmethoden von vornherein zu unterbinden
und die betreffenden Unternehmen, die so genannten schwarzen Schafe, zu
einer Abkehr von diesen Methoden zu veranlassen.

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
1. Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Die alleinige Zuordnung zu

einem Fachressort bzw. zu einem Fachausschuss im Rahmen der Arbeit der
Bundesregierung bzw. des Deutschen Bundestages genügt nicht. Deshalb
bedarf es einer Änderung der Geschäftsordnung der Bundesregierung und
des Deutschen Bundestages. Fragen der Verbraucherpolitik sollen in den Zu-
ständigkeiten der jeweiligen Bundesministerien und ihrer nachgeordneten
Behörden liegen sowie in den entsprechenden Gremien des Deutschen Bun-
destages behandelt werden. Ziel ist die umfassende Bearbeitung von Ver-
braucherfragen, damit so zur Durchsetzung einer effektiven Verbraucherpo-
litik beigetragen wird.

2. Zur Verwirklichung eines echten Binnenmarktes bedarf es einer stärkeren
Harmonisierung der Verbraucherpolitik in der EU und einer Intensivierung
der Zusammenarbeit der Behörden über einzelstaatliche Grenzen hinaus.
Eine ausschließlich national ausgerichtete Verbraucherpolitik, die sich vor-
rangig der Krisenbewältigung in einzelnen Wirtschaftssektoren widmet, ge-
nügt diesen Anforderungen nicht.

3. Angesichts der Bedeutung der Informationspflichten für den Verbraucher-
schutz ist eine Informationsoffensive notwendig. Eine Schlüsselfunktion ha-
ben hierbei die Unternehmen, denen auferlegt wird, rechtzeitig, eindeutig
und in angemessener Form – auch in Kooperation mit anbieter- und politik-
unabhängigen Einrichtungen wie der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher-
verbände und der Stiftung Warentest – Informationen zur Verfügung zu stel-
len. Dabei ist einer wirksamen Selbstregulierung, die klare bindende
Selbstverpflichtungen gegenüber dem Verbraucher umfasst, laufend aktuali-
siert und entsprechend durchgesetzt wird, der Vorzug vor staatlichen bzw.
ordnungsrechtlichen Eingriffen zu geben. Das von der Bundesregierung vor-
gelegte Verbraucherinformationsgesetz ist daher kein geeignetes Mittel zur
Durchsetzung dieser Ziele.

4. Für die Durchsetzung allgemeiner Pflichten, die möglichst im Rahmen frei-
williger Selbstverpflichtungen oder aber auch gesetzlich festgelegt werden,
sind die zuständigen staatlichen Behörden verantwortlich. Ihre Aufgaben
müssen klar definiert sein. Ihre Position muss gestärkt werden. Dazu bedarf
es einer personellen Verstärkung in den zuständigen Ämtern.

Berlin, den 25. Juni 2002
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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