BT-Drucksache 14/9393

Liberale Impulse für eine globale nachhaltige Entwicklung

Vom 12. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9393
14. Wahlperiode 12. 06. 2002

Zugeleitet mit Schreiben nnn

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrich Heinrich, Ulrike Flach,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen
Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Liberale Impulse für eine globale nachhaltige Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mehr als drei Jahrzehnte sind seit Vorlage des ersten Berichts des Club of
Rome über die „Grenzen des Wachstums“ vergangen. Am Vorabend der Konfe-
renz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 steht die Entwick-
lungs- und die Umweltpolitik vor neuen Herausforderungen. Der Weltgipfel
der Vereinten Nationen bietet Raum für eine Bestandsaufnahme, was seit der
Konferenz von Rio de Janeiro für den Schutz und die Erhaltung von Natur und
Umwelt erreicht wurde. Auch auf internationaler Ebene geht es um die Ver-
pflichtung, der Entwicklungs- und Umweltpolitik neue Impulse zu geben, um
in Zeiten der Globalisierung und des rasanten technologischen Fortschritts en-
gagiert Verantwortung für nachfolgende Generationen zu tragen. Unverändert
stehen die politischen Entscheidungsträger in der Pflicht, weiterhin entschlos-
sen und umsichtig die Lebensqualität und damit die Freiheitschancen nachfol-
gender Generationen in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht zu
bewahren und weiterzuentwickeln. Doch entgegen ihrer Ankündigung hat die
Bundesregierung auf der internationalen Konferenz über die Finanzierung von
Entwicklung im März 2002 keinen Finanzplan zur Umsetzung der von ihr ein-
gegangenen Verpflichtungen vorgelegt. Vielmehr ist der Haushalt des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in dieser
Legislaturperiode kontinuierlich gesunken.
Nachhaltigkeitspolitik verlangt nach einem sparsamen und verantwortlichen
Umgang mit knappen Ressourcen und erfordert politische Ernsthaftigkeit und
Verantwortungsbewusstsein. Leitbild ist eine nachhaltige Entwicklung, welche
die ökologischen Belastungen weiter reduziert und die Ressourcenproduktivität

Drucksache 14/9393 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

erhöht. Nachhaltigkeit als ein Prinzip der Gerechtigkeit zwischen den Generati-
onen erfordert, dass nachfolgende Generationen die gleichen Chancen zur wirt-
schaftlichen Entfaltung haben wie die heute lebenden Generationen. Jede Ge-
neration ist verpflichtet, die Freiheitschancen Nachgeborener zu bewahren und
nicht durch Verbindlichkeiten und Verschwendung zu riskieren. Dabei geht es
nicht allein um die Menge und Qualität natürlicher Ressourcen. Zu dem für
nachfolgende Generationen zu bewahrenden Erbe gehören auch wirtschaftli-
che, soziale und kulturelle Errungenschaften.
Nachhaltigkeitspolitik muss sich der internationalen Verantwortung stellen, die
mit den Chancen und Risiken der Globalisierung verbunden ist. Die Auswei-
tung und Intensivierung internationaler Handelsbeziehungen steigert den Wohl-
stand in den Industrie- und den Entwicklungsländern. Die ungleiche Verteilung
von Wohlstand und Freiheitschancen zwischen den Staaten und innerhalb der
Länder stellt eine besondere soziale und politische Herausforderung dar. Wohl-
stand und Frieden erfordern politische Stabilität, die nur durch Chancengleich-
heit gesichert werden kann. Den Entwicklungsländern ist deshalb ein fairer Zu-
gang zu den Märkten zu gewähren, den es durch Technologietransfer und
funktionsfähige internationale Finanzmärkte sowie durch einen Abbau von
Subventionen und Protektionismus abzusichern gilt. Zunehmend wichtige Be-
reiche der internationalen Zusammenarbeit betreffen auch Hilfestellungen sei-
tens der Industrieländer in den Bereichen von Bildung und Ausbildung sowie
bei der Schaffung eines geeigneten institutionellen Ordnungsrahmens für Poli-
tik, Staat und Wirtschaft in den Entwicklungsländern.
Um im Kontext einer globalisierten Weltwirtschaft wirksamen Umweltschutz,
wirtschaftlichen Wohlstand und Chancen zur wirtschaftlichen Entwicklung für
alle Menschen und Länder zu gewährleisten, muss die Staatengemeinschaft auf
marktwirtschaftliche Mechanismen setzen. Diese gewährleisten, dass wirt-
schaftliche Dynamik und technischer Fortschritt Potentiale zur Kostensenkung
aufdecken und auch Chancen für neue Arbeitsplätze entstehen. Durch geeig-
nete Rahmenbedingungen muss der Nachhaltigkeitsgedanke auf ein liberales
marktwirtschaftliches Ordnungsprinzip verpflichtet werden. Umwelt- und ent-
wicklungspolitische Ziele sollen dabei stets mit minimalem Aufwand realisiert
werden, so dass mit gegebenen Mitteln ein möglichst großer Nutzen für Um-
welt und Entwicklung erreicht wird. Veränderte Rahmenbedingungen des Welt-
handels geben keinen Anlass, die wirtschaftlichen Chancen, die mit der Globa-
lisierung verbunden sind, zu beschneiden, im Gegenteil: Die Erfahrung der
vergangenen Jahrzehnte lehrt, dass ein besonders verantwortungsloser Raubbau
an natürlichen Ressourcen, eine Umweltverschmutzung in katastrophalem Aus-
maß sowie Armut und soziale Spannungen vor allem in solchen Ländern zu be-
obachten waren und sind, in denen es keine freiheitlichen Strukturen für Markt
und Gesellschaft gibt. Länder, die sich gegenüber dem Welthandel abschotten
und auf politischen Dirigismus setzen, versagen durchweg und insbesondere
auf diesen Gebieten politischer Lenkung. Zur Bekämpfung von Armut gilt es,
die Welthandelsorganisation (WTO) durch eine neue Welthandelsrunde zu stär-
ken, eine weitere Liberalisierung der Agrar- und Textilmärkte im Interesse der
ärmsten Entwicklungsländer zu erwirken und Fortschritte im Hinblick auf das
langfristige Ziel einer globalen Wettbewerbsordnung unter dem Dach der WTO
zu erreichen. Dabei geht es im Interesse einer effizienten weltwirtschaftlichen
Entwicklung auch um eine Fortentwicklung der Funktionsfähigkeit internatio-
naler Finanzmärkte. Weitere wichtige Schwerpunkte einer nachhaltigen Ent-
wicklung liegen in der Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit
Wasser, Nahrung und Energie sowie beim Klimaschutz.
Für eine umweltverträgliche, gerechte und wirtschaftlich tragfähige Nutzung
des Wassers hat die Wasserwirtschaft einen multifunktionalen Auftrag zu erfül-
len. Wasser ist für jedes Ökosystem lebensnotwendig und bildet zudem eigene
Lebensräume in der Umwelt. Menschen benötigen Wasser als Lebensmittel, für

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9393

grundlegende Bedürfnisse und als wirtschaftliche Ressource, beispielsweise in
der Landwirtschaft, in der Industrie, in der Fischerei, für den Verkehr und in der
Freizeit. Eine zukunftsorientierte Wasserwirtschaft muss deshalb Umwelt, Ge-
sellschaft und Wirtschaft im Zusammenhang betrachten. Wie Luft und Boden
ist Wasser eine Ressource, die nicht vermehrt und nicht durch andere ersetzt
werden kann. Die Bedeutung der globalen Wasserressourcen als internationales
Kollektivgut ist offensichtlich. Dessen Bewirtschaftung erfordert wirksam kon-
trollierte und effiziente institutionelle Arrangements, die einen verschwen-
derischen Umgang mit Wasser und dessen unnötige Verschmutzung verhin-
dern. Grundwasserschutz hat hierbei hohe Priorität, weil das Grundwasser
weltweit immer mehr durch eine mengenmäßige Überbeanspruchung und qua-
litative Verschlechterung gefährdet ist. Eine nachhaltige Nutzung von Wasser
muss deshalb durch Vereinbarungen auf internationaler Ebene gesichert wer-
den.
Dringender Handlungsbedarf besteht mit Blick auf den Schutz der Wälder und
Meere als Reservoir globaler Artenvielfalt. Der Schutz der Meere und Küsten
bleibt – trotz einiger Erfolge, die seit den ersten internationalen Abkommen im
Meeresschutz zu verzeichnen sind – eine der großen Herausforderungen. Alar-
mierend sind weiterhin die Auswirkungen einer schonungslosen Ausbeutung
der Fischfauna sowie die Ausrottung vieler Arten im Lebensraum Meer. Die
Schäden, die den Küstenregionen durch Verschmutzung und Überdüngung der
Meere sowie durch ineffizient übermäßige Nutzung maritimer Ressourcen zu-
gefügt werden, sind häufig irreparabel. Nicht zuletzt durch Überschwemmungs-
katastrophen wurden ökologisch wertvolle Küstenregionen weltweit stark ge-
schädigt oder zerstört. Maßnahmen zu einem verbesserten Schutz der Meere
erfordern die Kooperation der Staatengemeinschaft und müssen auf internatio-
naler Ebene abgestimmt, verbindlich festgeschrieben und fortlaufend weiterent-
wickelt werden. Bestehende Schutzgebiete müssen auch in Zukunft unangetas-
tet bleiben und der Bestand an Schutzgebieten an geeigneten Stellen
weiterentwickelt werden. Der Artenreichtum und die Fischbestände der Welt-
meere müssen auf der Grundlage Roter Listen für Flora und Fauna sowie mit
Hilfe wirksam überwachter Fangquoten und ökologisch verträglicher Fangsys-
teme geschont und gesichert werden. Auch mit Blick auf die Süßwasserreserven
geht es um einen besseren Schutz der für die Trinkwasserversorgung relevanten
Gebiete sowie um technologische Verbesserungen bei der Landbewässerung
und Trinkwassergewinnung. Der sowohl auf der südlichen als auch auf der
nördlichen Hemisphäre voranschreitenden Zerstörung der Wälder muss Einhalt
geboten werden. Dem dramatischen Verlust von Waldflächen steht in der
Summe kein Zugewinn an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche gegenüber, im
Gegenteil. Eine Ausweitung der Wüsten und der Verlust von Ackerland ver-
schärfen die bestehenden und die für die Zukunft absehbaren Ernährungspro-
bleme einer wachsenden Weltbevölkerung. Moderne Nutzungsmethoden und
Technologien sind – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Leistungspotentiale der
Gentechnik – für eine nachhaltige Land-, Forst- und Weidewirtschaft unver-
zichtbar. Nachhaltigkeitspolitik muss deshalb die Chancen nutzen und weiter-
entwickeln, die sich aus der Biotechnologie und der Anwendung gentechnischer
Verfahren in der Humanmedizin („Rote Gentechnik“), der Landwirtschaft
(„Grüne Gentechnik“) und der industriellen Produktion („Graue Gentechnik“)
ergeben. Insbesondere der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen bietet
zahlreiche Ansatzmöglichkeiten, um einen Beitrag zur Lösung zentraler Pro-
bleme der weltweiten Umwelt-, Agrar-, Verbraucher- und Entwicklungspolitik
zu leisten.
Umweltpolitische Herausforderungen betreffen zunehmend die internationale
Staatengemeinschaft. Dies ist in kaum einem Bereich so augenfällig, wie bei
den weltweiten Bemühungen zum Klimaschutz. Beim internationalen Klima-
schutz geht es auch um konkrete Solidarität zwischen den Ländern dieser Erde

Drucksache 14/9393 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und um Fragen der Generationengerechtigkeit. Schon in wenigen Jahrzehnten
wird mehr als die Hälfte aller Treibhausgasemissionen auf die heutigen
Schwellen- und Entwicklungsländer entfallen. Die ökologischen und ökonomi-
schen Chancen, die ein moderner Klimaschutz auch für diese Länder bietet,
dürfen nicht verspielt werden. Durch Emissionszertifikate und deren weltwei-
ten Handel wird insbesondere auch für die weniger entwickelten Länder eine
attraktive Möglichkeit erschlossen, substanzielle Beiträge zum globalen Klima-
schutz zu leisten und zugleich aktiv und in eigener Verantwortung am Welthan-
del teilzunehmen und auf diese Weise ihre wirtschaftliche Situation zu verbes-
sern. Ein weltweiter Emissionshandel unter Rückgriff auf alle flexiblen
Instrumente des Kyoto-Protokolls ist insoweit auch eine große Chance für die
entwicklungspolitische Zusammenarbeit.
Klimaschutz ist auf nationaler wie auf internationaler Ebene eng verbunden mit
der Frage, wie die Energieversorgung bei drastisch zunehmender Weltbevölke-
rung und steigendem Wirtschaftswachstum in den heutigen Entwicklungslän-
dern sichergestellt werden kann. Bald werden dort Milliarden zusätzlicher
Menschen – anders als heute – überwiegend in Städten leben und Zugang zu
bezahlbarer Energie verlangen. Daraus entstehende Probleme markieren zen-
trale Herausforderungen für die Zukunft. Ziel nachhaltiger Energiepolitik ist
eine nachhaltig zukunftsfähige und effiziente Energieversorgung. Eine konse-
quente Verringerung der Treibhausgasemissionen ist im Interesse des Erdkli-
mas geboten. Im Vordergrund steht das Ziel, unverzüglich Maßnahmen zur Ver-
minderung der weltweiten Treibhausgasemissionen zu ergreifen. Entscheidend
ist, dass für die aufgewendeten finanziellen Mittel soviel Emissionen wie mög-
lich vermieden werden. Klimaschutz muss deshalb gerade auch dort betrieben
werden, wo er zu den geringsten Kosten realisiert werden kann. Es ist Aufgabe
nachhaltiger Energiepolitik, die gleichrangige Verwirklichung von Wirtschaft-
lichkeit, Versorgungssicherheit sowie Umwelt- und Sozialverträglichkeit
durchzusetzen. Mit einem umfassenden Emissionshandel werden externe Kos-
ten der Energiebereitstellung bei der Preisbildung berücksichtigt und In-
novationen angestoßen. Nachhaltige Klimapolitik setzt auf Energieeinsparung,
auf eine Erhöhung der Energieeffizienz sowie auf eine Förderung erneuerbarer
Energien. Technologien zur wirksamen und wirtschaftlichen Nutzung regenera-
tiver bzw. nicht-erschöpflicher Energieträger sind Zukunftstechnologien für
den Klimaschutz. Große Chancen zur Nutzung nicht-fossiler Energieressourcen
bestehen in klimatisch geeigneten Regionen und insbesondere in Ländern, wo
für die Energieversorgung keine ausreichende Netzinfrastruktur vorhanden ist.
Der großmaßstäbliche Einsatz regenerativer Energiequellen durch eine Erhö-
hung der Wirkungsgrade und die Reduzierung der Produktionskosten – etwa im
Bereich der Solarthermie, der Photovoltaik und der Biomasse – ist voranzubrin-
gen. Auch wenn der wirtschaftliche Einsatz bestimmter Energietechnologien in
Deutschland nicht bzw. nur mit hohen Subventionen möglich ist, sollten diese
als Beitrag der Industrienationen für die sonnenreichen Regionen der Erde ver-
standen werden. Die Entwicklung von Materialien, Trägersubstanzen und
Strukturen zur Verbesserung des Kosten/Leistungsverhältnisses bei der Photo-
voltaik ist dabei unverzichtbar für die Kompetenz des Wirtschaftsstandortes
Deutschland. Die beim Einsatz regenerativer Energien zu berücksichtigenden
Umweltbelange gehen über den Bereich der klimapolitisch motivierten Emissi-
onsminderung hinaus. Namentlich gehören zu einem nachhaltig zu
bewirtschaftenden Naturerbe beispielsweise auch berechtigte Anliegen im
Landschafts- und Naturschutz. Außerdem verlangen globale Probleme der En-
ergie- und Umweltpolitik innovative Impulse aus Forschung und Technologie.
Eine Verringerung energiebedingter Emissionen kann nur erreicht werden,
wenn durch emissionsarm oder emissionsfrei nutzbare Energieträger Potentiale
zur Energieeffizienzsteigerung und zur Energieeinsparung verfügbar und wett-
bewerbsfähig gemacht werden. Deshalb muss die zugehörige Grundlagenfor-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9393

schung verstärkt werden. In internationaler Kooperation gilt es, nach neuen
Möglichkeiten der Energieerzeugung sowie der Behandlung und des Verbleibs
der Rückstands- und Abfallprodukte des Energieumwandlungsprozesses zu
suchen. Hierzu zählt die Nutzung regenerativer Energieträger sowie die Ent-
wicklung und der Einsatz innovativer und inhärent sicherer Kernreaktoren. Als
leistungsfähige Standorte für Forschung und Entwicklung tragen die Industrie-
länder eine besondere Verantwortung auch für die technologischen Standards,
die weltweit zur Verfügung stehen und genutzt werden können. Nachhaltig ist,
was dazu beiträgt, die technisch und wirtschaftlich nutzbare Ressourcenbasis
zu erweitern – durch technischen Fortschritt und durch die Entwicklung effizi-
enter institutioneller Arrangements zur Nutzung dieser Ressourcenbasis. Auch
Deutschland ist hier in der Pflicht. Der Verzicht auf Wissen ist nicht nachhaltig.
Eine Begrenzung der Optionenvielfalt im Stadium der Forschung und eine ein-
seitige Ausrichtung der Forschung auf erneuerbare Energien, wie es die derzei-
tige Bundesregierung praktiziert, führt zu nicht vertretbaren Einschränkungen
möglicher Entwicklungspfade und zu einer Gefährdung des Forschungs-, Tech-
nologie- und Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Allgemein hat sich die Energieforschung zu einem Hochtechnologiebereich
entwickelt, der gleichwertig neben der Informations- und Kommunikati-
onstechnik und der Biotechnologie steht. Die Sicherheitsforschung für die
Kernenergie, insbesondere zu inhärent sicheren Reaktoren und zum erweiterten
Schutz gegen Einwirkungen von außen, zu verbessertem Strahlenschutz und
zur gesicherten Entsorgung ist verstärkt voranzutreiben. Eine langfristige For-
schung und Entwicklung zur Erschließung der Kernfusion als neue Primärener-
giequelle und deren industriellen Anwendung ist unbedingt zu sichern. Ferner
ist die Optimierung der Wasserstofftechnologie als wichtige Option für die En-
ergiesysteme des 21. Jahrhunderts voranzutreiben. Die Weiterentwicklung der
Brennstoffzellentechnologien sowohl zur stationären Nutzung als auch als
Brennstoffzellenantrieb und zur automobilen Stromversorgung ist eine heraus-
ragende Aufgabe.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– sich für eine Aufwertung der für Umwelt und nachhaltige Entwicklung zu-

ständigen internationalen Organisationen, namentlich der Vereinten Natio-
nen, der EU, der Welthandelsorganisation, der Weltbankgruppe und der Re-
gionalbanken und für eine verbesserte Effizienz und Koordination ihrer
Strukturen einzusetzen,

– sich für eine effizientere Gestaltung der Arbeit der Kommission für Nach-
haltige Entwicklung (CSD) und für eine Restrukturierung der Globalen Um-
weltfazilität (GEF) unter Wirtschaftlichkeitskriterien einzusetzen und für
eine Optimierung insbesondere der Strukturen des Umwelt- und des Ent-
wicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNEP und UNDP) sowie da-
für einzutreten, dass diese Einrichtungen zum Zweck einer organisatori-
schen Straffung langfristig unter dem gemeinsamen Dach einer globalen
Umweltorganisation bzw. zu einer Umweltorganisation der Vereinten Natio-
nen zusammengeführt werden,

– im Interesse einer nachhaltigen weltwirtschaftlichen Entwicklung auf eine
Stärkung der WTO durch eine neue Welthandelsrunde hinzuwirken, sich im
Interesse der ärmsten Entwicklungsländer für eine weitere Liberalisierung
insbesondere der Agrar- und Textilmärkte einzusetzen und Impulse zur Ent-
wicklung einer globalen Wettbewerbsordnung unter dem Dach der WTO so-
wie zur Fortentwicklung der Funktionsfähigkeit internationaler Finanz-
märkte zu setzen,

– in Anbetracht der auf dem Millenniumgipfel 2000 und anläßlich der Welt-
konferenz zur Finanzierung von Entwicklung in Monterrey übernommenen

Drucksache 14/9393 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Verpflichtung eine Umkehr des gegenwärtigen Abwärtstrends im Einzelplan
23 des Bundeshaushaltsplans umzusetzen und die Ausgaben für die öffentli-
che Entwicklungszusammenarbeit dem 0,7 Prozent-BSP-Ziel der Vereinten
Nationen anzunähern,

– baldmöglichst einen konkreten Plan für die Umsetzung des von ihr veröf-
fentlichten „Aktionsprogramms 2015“ zur Armutsbekämpfung vorzulegen,
um so die entwicklungspolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands zu wahren,

– gegenüber der EU auf eine konzertierte Aktion zur gemeinsamen Erreichung
der angekündigten Ziele zur Armutsreduktion und zur Aufstockung der ent-
wicklungspolitischen Zusammenarbeit hinzuwirken,

– auf europäischer Ebene nachdrücklich für eine Konkretisierung und Weiter-
entwicklung der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie einzutreten,

– mit Blick auf die weltweiten Aktivitäten multinationaler Unternehmen pri-
vate Initiativen zu fördern und Kooperationsangebote aufzugreifen, welche
die Ziele nachhaltigen Wirtschaftens im Rahmen marktlicher Mechanismen
und freiwilliger Selbstverpflichtungen fördern,

– sich im Eindruck der Empfehlung der Bonner Wasserkonferenz und der
Ziele der Agenda 21 auf internationaler und supranationaler Ebene für eine
Sicherung der Wasserversorgung einzusetzen und sich aktiv und konstruktiv
an der Entwicklung effizienter institutioneller Arrangements zu beteiligen,
die einen verschwenderischen Umgang mit Wasser und dessen unnötige
Verschmutzung verhindern,

– den Schutz der bedrohten Flora und Fauna sowie ökologisch bedeutsamer
Meeres- und Küstenregionen auf internationaler Ebene zu verbessern und
weiterzuentwickeln,

– die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Technologietransfer zu sichern
und zu verbessern, indem Forschung und Entwicklung insbesondere in den
Bereichen der Energietechnik und der Biowissenschaften in Deutschland ge-
fördert werden,

– sich international – insbesondere mit Blick auf Australien, Russland und die
USA – für eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls einzusetzen,

– insbesondere im Bereich der internationalen Klimapolitik eine Vorbildfunk-
tion einzunehmen und für Deutschland ein klimapolitisches Gesamtkonzept
unter Nutzung der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zu ent-
wickeln und dieses Konzept mit den europäischen Initiativen zum Klima-
schutz abzustimmen,

– auf dem Wege bilateraler Zusammenarbeit die Initiative zu ergreifen und
durch geeignete Rahmenabkommen den Einbezug der Entwicklungsländer
in den internationalen Klimaschutz voranzubringen,

– das Angebot der USA zu einer Verstärkung von Forschung und Entwicklung
im Bereich klimarelevanter Vorgänge und Techniken aufzugreifen, die inter-
nationale Zusammenarbeit auch in dieser Hinsicht voranzutreiben und sich
an laufenden internationalen Forschungsprojekten zu beteiligen, welche u. a.
die Möglichkeiten und ökologischen Auswirkungen einer Rückhaltung und
Entsorgung von Treibhausgasen untersuchen und

– die Förderung von Forschung und Entwicklung zu verstärken, um eine wis-
senschaftliche Fundierung und Erarbeitung von Konzepten zu unterstützen,
welche die Verringerung von Treibhausgasemissionen auch für den Ver-
kehrsbereich und für die Landwirtschaft zum Gegenstand haben.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9393

Berlin, den 1. Juni 2002
Birgit Homburger
Marita Sehn
Ulrich Heinrich
Ulrike Flach
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.