BT-Drucksache 14/9367

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -14/8996, 14/9354- Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen

Vom 11. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9367
14. Wahlperiode 11. 06. 2002

Änderungsantrag
der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang
Götzer, Volker Kauder, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Rupert Scholz, Dr. Wolfgang
Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann, Andrea Voßhoff, Bernd Wilz
und der Fraktion der CDU/CSU

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 14/8996, 14/9354 -–

Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Zusatzprotokolls
vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung
verurteilter Personen

Der Bundestag wolle beschließen:
1. § 1 wird wie folgt neu gefasst:

㤠1
Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, ein Vollstreckungsersuchen

gemäß Artikel 3 des Zusatzprotokolls vom 18. Dezember 1997 zumÜberein-
kommen über die Überstellung verurteilter Personen (BGBl. 2002 II S. …) zu
stellen, kann der Verurteilte nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes
zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten.“

2. § 3 wird gestrichen; der bisherige § 4 wird § 3.

Berlin, den 7. Juni 2002
Norbert Geis
Ronald Pofalla
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Volker Kauder
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Voßhoff
Bernd Wilz
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

Drucksache 14/9367 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
Zu 1.
Die im Rahmen der Fallkonstellation des Artikels 3 des Zusatzprotokolls vorge-
sehene gerichtliche Zulässigkeitsentscheidung gemäß § 71 Abs. 4 IRG hat eine
überflüssige Verkomplizierung und Verlängerung des ohnehin bereits schwieri-
gen und langwierigen Überstellungsverfahrens zur Folge.
Grundvoraussetzung für eine Überstellung nach Artikel 3 des Zusatzprotokolls
ist eine bestandskräftige Ausweisungsverfügung. Im Falle einer verwaltungs-
gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung vergeht in der Regel bereits bis
zur rechtskräftigen Entscheidung ein erheblicher Zeitraum. Verurteilte, die in
ihrem Heimatland mit ungünstigeren Haftbedingungen zu rechnen haben, wer-
den aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Mittel ausschöpfen, um eine Über-
stellung zu verhindern oder zumindest zu verzögern.
Die Einführung der gerichtlichen Zulässigkeitsentscheidung gemäß § 71 Abs. 4
IRG in den Fällen des Artikels 3 des Zusatzprotokolls wird das Überstellungs-
verfahren erheblich belasten. Durch die in der Denkschrift zu Artikel 3 aufge-
stellte Behauptung, dass es Aufgabe des Urteilsstaats sei, eine Schlechterstel-
lung des Verurteilten gegenüber einer Vollstreckung im Geltungsbereich des
innerstaatlichen Rechts zu verhindern, was durch das nach § 71 Abs. 4 IRG ent-
scheidende Gericht überprüft werden soll, werden darüber hinaus kaum prakti-
kable Forderungen aufgestellt.
Auf Grund der somit durch den vorgeschlagenen § 1 des Entwurfs gegebenen
Möglichkeiten zu einer Verfahrensverzögerung ist damit zu rechnen, dass
Artikel 3 des Zusatzprotokolls nur geringe praktische Relevanz entfalten kann
und allenfalls bei langen Freiheitsstrafen zum Tragen kommt.
Um diese zu erwartende Konsequenz abzumildern, sollte die gerichtliche Zu-
lässigkeitsentscheidung nach § 71 Abs. 4 IRG durch eine Überprüfung nach
den §§ 23 ff. EGGVG ersetzt werden. Dies dürfte den Anforderungen der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 1997 (vgl. BVerfGE
96, 100) genügen. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht den umgekehrten
Fall zu entscheiden, dass die Vollstreckungsbehörde die Überstellung des Ver-
urteilten abgelehnt hat. Die tragenden Gründe dürften aber auch auf die Kon-
stellation des Artikels 3 des Zusatzprotokolls, bei der die Vollstreckungs-
behörde gegen den Willen des Verurteilten eine Überstellung vornehmen will,
übertragbar sein. Auch in diesem Fall hat die Vollstreckungsbehörde, wie sich
insbesondere aus Artikel 3 Abs. 2 des Zusatzprotokolls ergibt, bei ihrer Ent-
scheidung ein Ermessen auszuüben. Für den Anspruch des Verurteilten auf
gerichtlichen Rechtsschutz nach Artikel 19 Abs. 4 GG erscheint eine Überprü-
fung der fehlerfreien Ermessensausübung der Vollstreckungsbehörde ausrei-
chend.
Eine solche Lösung ist vorzugswürdig, da im Gegensatz zu § 71 Abs. 4 IRG
dann nicht in jedem Fall von Amts wegen umfassend über die Zulässigkeit der
Überstellung befunden werden muss, sondern nur in den Fällen und in dem
Umfang, in dem der Verurteilte die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde
anficht. Auch bei einer solchen Lösung ist nicht die Stellung des Ersuchens ge-
richtlich zu überprüfen, sondern lediglich die davor geschaltete vollstreckungs-
rechtliche Entscheidung.
Die Lösung wirkt sich auch vorteilhaft auf die Dauer des gerichtlichen Verfah-
rens aus. Im Gegensatz zu der gerichtlichen Zulässigkeitsentscheidung gemäß
§ 71 Abs. 4 IRG, die gemäß § 55 Abs. 2 IRG der sofortigen Beschwerde unter-
liegt, ist die gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gemäß § 29 EGGVG
unanfechtbar.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9367

Zu 2.
Die Regelung in § 3 Satz 1 des Gesetzentwurfs ist nicht sachgerecht, weil sie
dem Resozialisierungsanspruch Verurteilter zuwiderläuft.
Zweck des Zusatzprotokolls ist es, dass Verurteilte ihre Strafe in dem Land ver-
büßen sollen, in dem sie nach Verbüßung der Strafe mutmaßlich leben werden.
Diesem Anliegen wird § 3 des Gesetzentwurfs nicht gerecht, da der dort ge-
nannte Personenkreis ausreisepflichtig und unmittelbar nach Abschluss der
Strafvollstreckung abzuschieben ist. Auf die Bindungen zu Deutschland kommt
es im Hinblick auf die unanfechtbare und vollziehbare ausländerrechtliche
Maßnahme ebenso wenig an wie bei in Freiheit befindlichen Personen. Maß-
nahmen der Resozialisierung würden daher auf Deutschland bezogen keinen
Sinn mehr machen. Die in Deutschland verbleibende verurteilte Person würde
im Hinblick auf ihren Resozialisierungsanspruch schlechter gestellt als die
überstellte Person. Im Übrigen würde bei ihr eine Erwartungshaltung im Hin-
blick auf ein künftiges Aufenthaltsrecht aufgebaut, der später aus zwingenden
Gründen des Ausländerrechts nicht Rechnung getragen werden könnte.
Für die in § 3 Satz 2 des Gesetzentwurfs enthaltene Regelung besteht bei Weg-
fall von Satz 1 kein Bedürfnis mehr.

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