BT-Drucksache 14/9352

Zukunft Meer - Für eine verantwortungsbewusste Nutzung der Meerestechnologie

Vom 11. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9352
14. Wahlperiode 11. 06. 2002

Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Matthias Wissmann,
Ulrich Adam, Dietrich Austermann, Otto Bernhardt, Klaus Brähmig,
Peter Harry Carstensen (Nordstrand), Anke Eymer (Lübeck), Albrecht Feibel,
Klaus Francke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Jürgen Gehb,
Peter Götz, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Susanne Jaffke,
Ulrich Klinkert, Dr. Martina Krogmann, Werner Kuhn, Dr. Norbert Lammert,
Helmut Lamp, Vera Lengsfeld, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Angela
Merkel, Elmar Müller (Kirchheim), Bernd Neumann (Bremen), Friedhelm Ost,
Dr. Bernd Protzner, Thomas Rachel, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber,
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Hartmut Schauerte, Karl-Heinz Scherhag, Dietmar
Schlee, Michael von Schmude, Max Straubinger, Angelika Volquartz, Andrea
Voßhoff, Dagmar Wöhrl, Peter Kurt Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU

Zukunft Meer – Für eine verantwortungsbewusste Nutzung der Meerestechnologie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Meerestechnik bietet große Zukunftschancen, auch und gerade für unser
Land. Das Marktvolumen der Offshore-Industrie wird weltweit auf mehr als
80 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. Der Anteil Deutschlands daran in Höhe von
rund 1 Mrd. Euro entspricht dabei keineswegs dem technischen, betrieblichen
und investiven Potenzial.
Auch die Meeresumwelttechnik bietet Chancen. Weltweit gibt es etwa 8 000
Öl- und Gas-Plattformen, die im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte entsorgt wer-
den müssen. Allein in der Nordsee sind es 700 Plattformen, für deren Beseiti-
gung oder Umnutzung mit einem zweistelligen Milliarden-Betrag gerechnet
wird.
Für den Bau von Offshore-Windparks gehen Experten von einem Investitions-
volumen von ca. 25 Mrd. Euro über die nächsten 20 Jahre allein in den deut-
schen Seegebieten aus. Nicht eingerechnet ist hierbei der Bedarf an For-
schungsaktivitäten, insbesondere zur Weiterentwicklung der Anlagentechnik
eingeschlossen Gründung, Netzanbindung und Montage sowie der begleiten-
den ökologischen Untersuchungen.
Unter den Einschätzungen der globalen Erwärmung und des Klimaschutzes
wird das Aufgabenfeld des „Integrierten Küstenzonen-Managements“ eine
neue Bedeutung gewinnen.
Natürlich hat auch die traditionelle Maritime Wirtschaft für die Bundesrepublik
Deutschland eine eminente Bedeutung. Der klassische Schiffbau hat sich in-
zwischen zu einem hoch innovativen Industriesektor entwickelt, der mit seinen

Drucksache 14/9352 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Spezialschiffen einen weltweiten Markt anspricht. In Europa ist Deutschland
das Schiffbauland Nummer 1.
Vier Beispiele, um das Innovationspotential von Werften zu verdeutlichen:
– Die Flensburger Schiffbaugesellschaft produziert mit ihren hoch innovativen

Ro-Ro- und Ro-Pax-Fähren global nachgefragte „schwimmende Landstra-
ßen“.

– Weltweit die einzigen mit Brennstoffzellen betriebenen U-Boote werden bei
HDW in Kiel hergestellt.

– Mit dem „Forschungsschiff der Zukunft“ entwickelt die Lindenau-Werft,
ebenfalls in Kiel, derzeit ein modular und damit flexibel konstruiertes For-
schungsschiff, das es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat.

– Die Kvarner-Werft in Rostock lieferte 2001 mit der Offshore-Bohrplattform
„Stena Don“ seit Jahren wieder die erste Bohrplattform aus Deutschland ab,
ein Koloss mit 32 700 Tonnen Wasserverdrängung.

Ein Umsatzpotential ähnlicher Größenordnung wird auch von der Schiffbauzu-
liefer-Industrie erbracht, die besonders in Süddeutschland beheimatet ist. Mit
einer breiten Palette innovativer Produkte vom Schiffsantrieb bis hin zu den
modernsten Navigations- und Positionierungssystemen entfällt auf diese Zulie-
ferindustrie bis zu 70 Prozent der Wertschöpfung eines Schiffsneubaus. Globa-
lisierung und Wachstum des Welthandels finden ihren deutlichen Niederschlag
im Wachstum von Schifffahrt und Hafenumschlag. Davon profitieren auch die
Häfen in Deutschland. Neue Technologien für Ausrüstung, Umschlag und Ent-
sorgung erschließen zusätzliche Wachstumspotentiale.
Ein weiterer Bereich der Meerestechnik mit hohen Wachstumschancen ist die
maritime Aquakultur, Blaue Biotechnologie, „nachhaltige Produktionstechnik“
oder auch Marikultur genannt. Bei 11,8 Prozent lag die jährliche durchschnittli-
che Wachstumsrate in den letzten 15 Jahren. Auf verschiedenen Gebieten der
Biotechnologie vollzieht sich zur Zeit eine rasante Entwicklung, die neue
Chancen für Wirtschaft und Wissenschaft eröffnet. Dazu gehört auch, dass sich
die moderne Biotechnologie immer mehr mit nachwachsenden Rohstoffen und
Mineralstoffgewinnung aus dem Meer befasst, z. B. für die medizinische Nut-
zung. Die Gewinnung von Nahrungsmitteln aus dem Meer beschränkt sich
nicht mehr nur auf die Fischwirtschaft: Aquakultur und maritime Bioressour-
cen bieten anspruchsvolle Zukunftsaufgaben und müssen Antworten liefern auf
den weltweiten Rückgang der Fischbestände, auf die Umwelt-, Hygiene- und
Qualitätsprobleme sowie die sich aus dem intensiven fish- und shrimp-farming
ergebenden sozialen Konfliktpotenziale.
Derzeit werden weltweit über 150 Fischarten, etwa 40 verschiedene Schalen-
tiere und mehr als 70 Muschel- bzw. Weichtierarten neben zahlreichen Algen,
Wasserpflanzen, Fröschen, Schildkröten und Krokodilen in Aquakultur
erzeugt. Der Weltmarkt für Fisch sowie Krusten- und Schalentieren belief sich
1999 nach Statistiken der FAO (Food and Agriculture Organization) auf ins-
gesamt knapp 126 Mio. Jahrestonnen. Davon entfielen ca. 33 Mio. t auf die
Aquakultur; fast 30 Prozent der maritimen Nahrungsmittelproduktion. In die-
sen Zahlen ist die immer wichtiger werdende Aufzucht von Pflanzen/Algen
noch nicht enthalten. Die gesamte Aquakulturproduktion hat sich in den Jahren
1990 bis 1999 um 150 Prozent erhöht, die Produktion ist heute mehr als zwei-
einhalbmal so groß wie vor zehn Jahren. Die Zahlen zeigen eindrucksvoll das
wirtschaftliche und technologische Potenzial der Aquakultur.
Ähnlich hohe Entwicklungspotentiale weltweit liegen in der Hydrographie, der
marinen Umweltschutztechnik und als Grundlage, um die Offshoretechnik
überhaupt nutzen zu können, die Unterwassertechnik, wie Seekabel, Öl- und
Gaspipelines und die dazugehörige Logistik.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9352

Die Grundlagenforschung darf nicht von vornherein durch Verbote und überzo-
gene Auflagen eingeschränkt werden; auch nicht unter dem Vorzeichen von
Klima- und Umweltschutz. Das gilt auch für die Neuentwicklung von Meeres-
technologien. Damit würden wir unseren Universitäten, Hochschulen und For-
schungsinstituten sowie Unternehmen gleich zu Beginn ihre Entwicklungs-
chancen rauben, überlassen den schnell wachsenden Weltmarkt anderen
Ländern und verhindern die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeitsplätze.
Grundlagenforschung in allen Feldern muss möglich sein und gefördert wer-
den, sonst wandern unsere klügsten Köpfe weiter ins Ausland ab.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Bereich

Meerestechnik mit System auszubauen;
2. die Forschungsförderung für die Grundlagenforschung und für anwendungs-

bezogene Projekte zu erweitern sowie die Vereinfachung der Bewilligungs-
verfahren von Forschungs- und Entwicklungsanträgen zu optimieren;

3. eine politische und finanzielle Unterstützung für die Installation von Pilotan-
lagen vorzunehmen;

4. die klein- und mittelständischen Unternehmen der Meeresforschungstechnik
bei der Bündelung und internationalen Vermarktung ihrer Produkte und
Systeme zu unterstützen;

5. die Teilnahme deutscher Firmen an den Programmen internationaler Organi-
sationen – insbesondere bei internationalen Umweltprojekten – wie Welt-
bank, UNO und UNIDO durch zielgerichtete Information potentieller deut-
scher Teilnehmer intensiver zu fördern;

6. ein Gesamtkonzept zum Ausbau der Meerestechnologie bei Berücksichti-
gung von Umwelt-, Klimaschutz- und Finanzierungsbedingungen unter dem
Thema „Zukunft Meer“ zu erstellen.

Berlin, den 11. Juni 2002
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Matthias Wissmann
Ulrich Adam
Dietrich Austermann
Otto Bernhardt
Klaus Brähmig
Peter Harry Carstensen (Nordstrand)
Anke Eymer (Lübeck)
Albrecht Feibel
Klaus Francke
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Kurt-Dieter Grill
Peter Götz
Ernst Hinsken
Klaus Hofbauer
Susanne Jaffke
Ulrich Klinkert
Dr. Martina Krogmann
Werner Kuhn
Dr. Norbert Lammert

Helmut Lamp
Vera Lengsfeld
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Dr. Angela Merkel
Elmar Müller (Kirchheim)
Bernd Neumann (Bremen)
Friedhelm Ost
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Hartmut Schauerte
Karl-Heinz Scherhag
Dietmar Schlee
Michael von Schmude
Max Straubinger
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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