BT-Drucksache 14/9289

Konsequenzen für den Bund durch Sparmaßnahmen des Berliner Senats im Forschungsbereich

Vom 5. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9289
14. Wahlperiode 05. 06. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Flach, Ernst Burgbacher, Birgit Homburger,
Horst Friedrich (Bayreuth), Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Jörg van Essen, Hans-Michael Goldmann, Ulrich Heinrich,
Walter Hirche, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich
Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Konsequenzen für den Bund durch Sparmaßnahmen des Berliner Senats
im Forschungsbereich

In Berlin gibt es drei große Universitäten, sieben Fachhochschulen, vier künstle-
rische Hochschulen, eine Berufsakademie und zahlreiche Private Hochschulen.
Berlin gehört zu den forschungsintensivsten Regionen Europas. Im Rahmen der
gemeinsamen Forschungsförderung durch Bund und Länder nach Artikel 91b
Grundgesetz (GG) fließen über 500 Mio. Euro pro Jahr in außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen.
In Berlin befinden sich drei Einrichtungen der Hermann-von-Helmholtz-
Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, fünf Institute, eine Außenstelle
und ein Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, drei Institute der Fraunhofer-
Gesellschaft und 16 Einrichtungen (einschließlich Außenstellen) der Wissen-
schaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz. Diese Institutionen werden
von Bund und Sitzland anteilig kofinanziert (im Regelfall 50 : 50, aber auch bis
zu 90 % Bundesförderung). Jeder eingesparte Euro im Landeshaushalt hat
damit Ausfälle von Bundeszuwendungen zufolge.
Der Forschungsverbund Berlin e. V. ist mit 1 100 Beschäftigten die größte
außeruniversitäre Wissenschaftseinrichtung in den neuen Bundesländern und
Berlin. Der Forschungsverbund warb im Jahr 2001 25 Mio. Euro an Dritt-
mitteln ein. Jede vierte Stelle wurde so finanziert. Der Forschungsverbund be-
fürchtet, für die nächsten zwei Jahre Mittelkürzungen in Höhe von 2,5 Mio.
Euro zu erleiden.
Der Berliner Senat aus SPD und PDS hat im Doppelhaushalt 2002/2003
massive Einsparungen bei Bildung und Wissenschaft vorgenommen, die
dramatische Auswirkungen auf den Forschungsstandort Berlin haben werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es zu, dass die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edel-

gard Bulmahn, am 22. Januar 2002 auf der Festveranstaltung zum 10-jähri-
gen Bestehen des Forschungsverbundes Berlin e. V. erklärt hat: „Zehn
Jahre nach ihrer Neugründung nehmen die Einrichtungen des Verbundes

Drucksache 14/9289 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

heute im nationalen und internationalen Vergleich führende, teilweise Spit-
zenpositionen ein“ (Forschungsverbund Berlin e. V. Journal Nr. 51, März
2002)?

2. Wenn ja, sieht die Bundesregierung die nationale und internationale
Bedeutung des Forschungsverbundes durch die Einsparungen des Berliner
Senats gefährdet?

3. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Deutschen Instituts für Wirt-
schaftsforschung (DIW), dass jeder vom Senat für die Wissenschaft ausge-
gebene Euro eine Nachfrage von fast vier Euro nach sich zieht?

4. Ist die Bundesregierung vor den Sparbeschlüssen durch den Berliner Senat
über die zu befürchtenden Auswirkungen informiert worden, z. B. in der
Bund-Länder-Kommision für Bildungsplanung und Forschungsförderung?

5. Ist die Bundesregierung bereit, mit dem Berliner Senat in Verhandlungen
über eine Veränderung des Schlüssels der Gemeinschaftsfinanzierung ein-
zutreten?

6. Wie hoch ist die Summe der Mittel aus der Kofinanzierung des Bundes für
die Institute der Leibniz-Gemeinschaft, die dem Land Berlin aufgrund der
Einsparungen im Landeshaushalt im Jahr 2002 und im Jahr 2003 ent-
gehen?

7. Wie hoch ist die Summe der Mittel aus der Kofinanzierung des Bundes für
die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft, die dem Land Berlin aufgrund
der geplanten Einsparungen im Landeshaushalt entgehen?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass z. B. beim Fraun-
hofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration aufgrund der
Finanzierung Bund : Land von 90 : 10 sogar pro eingesparten Euro des
Landes neun Euro des Bundes nicht zur Verfügung stehen?

9. Wie hoch ist die Summe der Mittel aus der Kofinanzierung des Bundes für
die Berliner Institute der Helmholtz-Gemeinschaft, die dem Land Berlin
aufgrund der geplanten Einsparungen im Landeshaushalt entgehen?

10. Wie hoch ist die Summe der Mittel aus der Kofinanzierung des Bundes für
die Berliner Institute der Max-Planck-Gesellschaft, die dem Land Berlin
aufgrund der geplanten Einsparungen entgehen?

11. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Verlust von Arbeitsplätzen bei
Forschungsinstitutionen in Berlin, die anteilig durch den Bund gefördert
werden?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, dass aufgrund der Sparmaß-
nahmen des Senats das Nachwuchsgruppenkonzept des Forschungsinstitu-
tes für Molekulare Pharmakologie in Buch nicht umgesetzt werden kann,
das der Bund und der Wissenschaftsrat als vorrangig ansehen?

13. Hält die Bundesregierung die Befürchtungen des Fraunhofer-Instituts für
Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) für gerechtfertigt, durch die
Kürzungen von Landesmitteln (und über die Kofinanzierung ebenso hohen
Bundesmitteln) Arbeitsplätze abbauen, die Dienstleistungen und die Vor-
laufforschung reduzieren zu müssen?

14. Sieht die Bundesregierung eine Gefahr für den Fortbestand des For-
schungszentrums Linearbeschleuniger BESSY, wenn der für 2002 zuge-
sagte zusätzliche Finanzierungsanteil des Landes Berlin in Höhe von
3 Mio. Euro nicht gezahlt wird?

15. Welche Auswirkungen auf die bundesweite Forschungslandschaft hätte
eine Schließung von BESSY?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9289

16. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, ob und in wel-
chem Umfang es zu Abwanderungen von Wissenschaftlern an gemein-
schaftsfinanzierten Instituten gekommen ist?

17. Wie wirken sich die Berliner Sparbeschlüsse an den Hochschulen auf die
vom Bund finanzierte Ausstattung der im 5. Hochschulrahmengesetz
beschlossenen Juniorprofessuren aus?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen des Haushaltsexperten
des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Dieter Vesper, das Land
Berlin benötige Hilfe des Bundes in Höhe von zwei Mrd. Euro jährlich?

19. Trifft es zu, dass der Bund bereits gezahlte Zuschüsse zwischen 51 und
76 Mio. Euro für das Universitätsklinikum Benjamin Franklin zurückfor-
dern wird?

20. Hält die Bundesregierung es für vereinbar, wenn das Land Berlin einerseits
in Verhandlungen mit dem Bund über eine Finanzierung von Kulturein-
richtungen (z. B. Museumsinsel) eintritt, andererseits aber auf Mittel des
Bundes aus der Kofinanzierung von Forschungsinstitutionen verzichtet?

21. Ist die Bundesregierung bereit, das Land Berlin aufzufordern, die gemein-
same Forschungsförderung aus den Sparmaßnahmen auszunehmen?

22. Wie steht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der dramatischen
Ergebnisse der PISA-Studie dazu, dass das Land Berlin über 1000 Lehrer-
stellen und eine Mio. Euro weniger für Lehr- und Lernmittel an berufs-
bildenden Schulen zur Verfügung stellen will?

Berlin, den 4. Juni 2002
Ulrike Flach
Ernst Burgbacher
Birgit Homburger
Horst Friedrich (Bayreuth)
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Hans-Michael Goldmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.