BT-Drucksache 14/9189

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -14/8202- Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2002

Vom 29. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9189
14. Wahlperiode 29. 05. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kersten Naumann, Rolf Kutzmutz, Roland Claus und
der Fraktion der PDS

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/8202 –

Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht 2002
der Bundesregierung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest,
– dass viele der in den Vorjahren kritisierten Mängel im ernährungs- und

agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2002 wiederum nicht behoben
wurden. Zum Beispiel:
– Angaben zu sozialen Aspekten des fortschreitenden Schrumpfungspro-

zesses bei landwirtschaftlichen Betrieben und Arbeitskräften und resul-
tierend aus der BSE-Krise wurden nicht gemacht.

– Die regionale Untersetzung wichtiger Aussagen wurde kaum ausgebaut,
obwohl wie angekündigt, künftig die Agrarwirtschaft stärker regionali-
siert werden soll.

– Auch im diesjährigen Agrarbericht findet sich kein Abschnitt, der sich
mit dem „Agribusiness“ beschäftigt.

– Die immer noch vorhandenen spezifischen Probleme der Landwirtschaft
der neuen Länder werden nicht hinreichend widergespiegelt;

– dass beim agrarpolitischen Neuanfang die verstärkte Orientierung auf Nach-
haltigkeit sich nicht nur auf die Art und Weise der Bodennutzung und Tier-
haltung beziehen darf, sondern auch das langfristige Marktgeschehen, die
Einkommenssituation und die sozialen Bedingungen der Bauernfamilien
und aller in der Landwirtschaft Tätigen einbeziehen muss,

– dass die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland zwar im Durch-
schnitt ein ökonomisch und auch ökologisch akzeptables Intensitätsniveau
aufweist, aber zugleich enorme regionale Unterschiede, die sowohl als Ursa-
che wie auch Ausdruck der Agrarkrise gewertet werden,

– dass die langfristige Sicherung der Produktionsgrundlage Boden ein Schlüs-
selproblem für die Zukunft der Agrarunternehmen aller Formen ist, für des-
sen Lösung die Bundesregierung wegen des beträchtlichen Anteils der
BVVG-Flächen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) an der land-

Drucksache 14/9189 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wirtschaftlichen Nutzfläche der neuen Länder eine besondere Verantwor-
tung trägt.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– in den folgenden Agrarberichten

– die Analyse der Einkommenssituation der Landwirte für alle Rechtsfor-
men und einen Einkommensvergleich mit anderen Berufsgruppen vorzu-
nehmen,

– regionale Analysen aus Bundessicht aufzunehmen, um die Fortschritte
und Probleme bei der Verwirklichung der angekündigten stärkeren Regi-
onalisierung der Agrarwirtschaft auch verfolgen und bewerten zu kön-
nen,

– die Entwicklung der Bedingungen und Leistungen der multifunktionalen
Landwirtschaft darzustellen und abzurechnen,

– einen gesonderten Abschnitt zum Agrar-Industrie-Komplex aufzuneh-
men, denn die Neuausrichtung der Agrarpolitik erfordert, den gesamten
Agribusiness, insbesondere die ökonomische Stellung der Partner und
ihre wechselseitigen Abhängigkeiten, zu analysieren und auf den Prüf-
stand zu stellen – auch damit der politische Ansatz des „magischen
Sechsecks der Agrarwende“ tatsächlich zum Erfolg geführt werden kann;

– ihren Verpflichtungen aus dem Landwirtschaftsgesetz nachzukommen, den
in der Landwirtschaft Erwerbstätigen die Teilnahme an der allgemeinen Ein-
kommens- und Wohlstandsentwicklung zu ermöglichen. Nach wie vor gilt
es, die von der BSE-Krise stark betroffenen Rindermäster und Milchkuhhal-
ter zur finanziellen Entlastung durch Hilfsprogramme zu unterstützen;

– mit ihrer Agrarpolitik die Einheit von ökonomischen, ökologischen und
sozialen Aspekten in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum durch-
zusetzen – angefangen von den Maßnahmen zur Erhöhung der Lebens-
mittelsicherheit über natur- und umweltverträgliches Wirtschaften sowie
einer artgerechten Tierhaltung bis hin zu den sensiblen Fragen der Reform
der Förderpolitik, z. B. der weiteren Entkopplung der Direktzahlungen vom
Produkt, die stärkere Verknüpfung der Tier- und Flächenprämien der EU mit
der Agrarumweltpolitik und einer flächengebundenen Tierhaltung;

– durch eine gezielte Struktur- und Förderpolitik dazu beizutragen, dass die
Disproportionen zwischen übernutzten Standorten, auf denen die Repro-
duktion der natürlichen Ressourcen beeinträchtigt bzw. gefährdet ist (wie in
Teilen Nordwestdeutschlands), und Standorten, die ihre Potenzen entspre-
chend den natürlichen und ökonomischen Möglichkeiten und den sozialen
Erfordernissen bei weitem nicht nutzen (wie in Ostdeutschland), schritt-
weise verringert werden können, auch wegen der angestauten ökologischen
und sozialen Probleme und als ein Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisie-
rung Ostdeutschlands;

– ein integriertes Rahmenkonzept zur Entwicklung und Förderung der „struk-
turschwachen ländlichen Räume mit erheblichen Entwicklungsproblemen“
auszuarbeiten. Das Konzept hat eine vorrangige Verbesserung der Infra-
struktur als entscheidende Voraussetzung für Investitionen zur Stärkung der
Potentiale für Wertschöpfung und Beschäftigung zu ermöglichen, auf die
Schaffung und Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe zu setzen und dazu
beizutragen, dass die derzeit bestehenden Hemmnisse bei der Verzahnung
der beiden Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ und „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut-
zes“ beseitigt werden und helfen, die erforderliche Finanzausstattung solida-
risch zu sichern;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9189

– den Problemkreis Bodenreform trotz Vermögensrechtsergänzungsgesetz
nicht als voll geregelt anzusehen, sondern vielmehr die nach Abschluss der
Privatisierung der BVVG-Flächen auf Basis der Flächenerwerbs-VO ver-
bleibende „Agrar-Restfläche“ in einer Größenordnung von bis zu 100 000
Hektar in Ostdeutschland den Landgesellschaften für eine aktive Struktur-
politik zu übertragen. Die Landgesellschaften sollten diese Flächen vorran-
gig an tierreiche, aber flächenarme Betriebe über die 18 Jahre hinaus ver-
pachten bzw. auf Basis eines Kauf-Pacht-Modells, das der angespannten
Eigenkapitalsituation Rechnung trägt, vergeben, auch als eine Bedingung
zur Sicherung von Arbeit und Einkommen in strukturschwachen ländlichen
Räumen;

– die komplizierte Frage der LPG-Altkredite noch in dieser Legislaturperiode
abschließend zu regeln und dafür kurzfristig die Möglichkeiten eines Mixes
von pauschaler und Einzelfalllösung zu prüfen;

– die Einführung einer staatlich (durch Bund und Länder) flankierten Mehr-
gefahrenabsicherung als Instrument gegen unkalkulierbare Risiken (Dürre,
Seuche etc.), für mehr Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb und
zur Erhöhung der Eigenverantwortung der Betriebe in Angriff zu nehmen;

– in der Europäischen Gemeinschaft konsequent dafür einzutreten, dass
– eine Harmonisierung der Produktions-, Gesundheits-, Umwelt- und Hy-

gienestandards erfolgt,
– mit der Agenda-Halbzeitbewertung die Brüsseler Beschlüsse nicht grund-

sätzlich infrage gestellt werden. Zur langfristigen Vorbereitung des Ent-
wicklungsabschnittes ab dem Jahr 2007 ist in die Halbzeitbewertung eine
über die konkreten Prüfaufträge hinausgehende Gesamtbewertung der
GAP, insbesondere des Systems der Agrarförderung vorzunehmen,

– mit der Osterweiterung der EU sind längerfristigen Übergangsregelun-
gen, u. a. auf dem Arbeits- und Bodenmarkt auszuhandeln und ein För-
dersystem zu vereinbaren, so dass alle Beitrittsländer in die EU nicht als
Mitglieder zweiter Klasse behandelt werden.

Berlin, den 27. Mai 2002
Kersten Naumann
Rolf Kutzmutz
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.