BT-Drucksache 14/9169

Fehlgeschlagene Immobilienfinanzierungen

Vom 24. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9169
14. Wahlperiode 24. 05. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Ostrowski, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Fehlgeschlagene Immobilienfinanzierungen

Während bislang die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) davon
gekennzeichnet war, dass eine Durchsetzung der berechtigten Ansprüche der
Verbraucher gegenüber den finanzierenden Banken nur erfolgreich war, wenn
von Verbraucherseite zweifelsfrei eine enge Verflechtung zwischen Kreditinsti-
tut und Vertrieben nachgewiesen wurde, erbrachten die Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 13. Dezember 2001 (C-481/99) und
des BGH vom 9. April 2002 (Az. XI ZR 91/99) einen neuen rechtlichen Ansatz.
Allerdings sind dabei die Rechtsfolgen des Widerrufs hinsichtlich des Dar-
lehens- und des Kaufvertrages noch nicht abschließend geklärt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schlüsse zieht die Bundsregierung aus der EuGH-Auffassung, dass

die sechsmonatige Widerrufsfrist gemäß § 355 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB) für den Fall einer unterbliebenen Widerrufsbelehrung gegen die
Rechtslage nach der Haustürgeschäfterichtlinie von 1985 85/577/EWG ver-
stößt, und wie begründet die Bundesregierung diese?

2. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung – unter Berücksichtigung
der Tatsache, dass der EuGH die Beschränkung des Widerrufs auf ein Jahr
für unzulässig hält – zur Einführung einer unbefristeten Widerrufsmöglich-
keit bis zur vollständigen Erbringung der gegenseitigen Leistungen, und wie
begründet die Bundesregierung ihren Standpunkt?

3. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung zur Tatsache, dass der
Ausschluss der Haustürwiderrufsvorschriften für Realkredite gemäß § 491
Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 312a BGB europarechtswidrig ist, und wie begründet
die Bundesregierung ihren Standpunkt?

4. Worin sieht die Bundesregierung die Gründe, dass die entsprechenden Vor-
schriften der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Regelungen des Haus-
türwiderrufsgesetzes und des Verbraucherkreditgesetzes bislang nicht richt-
linienkonform ausgelegt wurden, obwohl diese Möglichkeit bestand?

5. Welche konkreten gesetzgeberischen Schritte wird die Bundesregierung
wann ergreifen, um die aktuelle Gesetzeslage in der notwendigen und gebo-
tenen Klarheit neu zu fassen?

6. Was hält die Bundesregierung davon, ein zwingendes Schiedsverfahren in
bankrechtlichen Streitigkeiten einzuführen, in dem unbürokratisch, kosten-
mindernd und zeitnah Streitigkeiten zwischen Kreditinstituten und ihren
Kunden beigelegt werden können, und wie müsste nach Auffassung der
Bundesregierung das Schiedsgericht organisiert sein, um z. B. anhand einer
streng neutralen Besetzung zu ausgewogenen Entscheidungen zu gelangen,
und wie begründet die Bundesregierung ihren Standpunkt?

Drucksache 14/9169 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

7. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung zur Einführung einer
Umkehr der Beweislast bei den darlehensfinanzierten Immobilienerwer-
ben, und teilt sie die Auffassung, dass diese der tatsächlichen Situation
besser Rechnung trägt als das bisherige Prozessrecht, in welchem dem Ver-
braucher der Beweis auch für Sachverhalte obliegt, deren Beweisbarkeit
sich seinem Einfluss entzieht, und wie begründet die Bundesregierung
ihren Standpunkt?

8. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung zur gesetzlichen Stär-
kung der öffentlichen Aufsicht im Bankenrecht, auch unter Berücksich-
tigung der Tatsache, dass die Reform der Finanzdienstleistungsaufsicht
lediglich eine organisatorische Umstrukturierung darstellt, ohne dass das
der Aufsicht zugrunde liegende materielle Recht wie z. B. das Kredit-
wesengesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz und das Wertpapier-
handelsgesetz geändert und damit die materiell-rechtlichen Kompetenzen
im Verbraucherschutz gestärkt wurden, und wie begründet die Bundes-
regierung ihren Standpunkt?

9. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung zu der Tatsache, dass
eine Beschwerde der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom
24. September 1997 gegen ein deutsches Kreditinstitut wegen Verwendung
von Darlehensverträgen auf die Finanzierung von Erwerbermodellen das
Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen (BAKred) lediglich dazu veranlasste,
ausschließlich die Stellungnahme des Kreditinstituts zur Kenntnis zu neh-
men und ansonsten keine weiteren Konsequenzen gezogen wurden?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in diesem Fall die öffentliche
Aufsicht sachgerecht gewährleistet war, und wie begründet die Bundes-
regierung ihren Standpunkt und ihre Auffassung?

10. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung zur Auffassung von Ver-
brauchern und deren Rechtsvertretern, dass das förmliche Aufsichtsver-
fahren nicht transparent genug ist und die Berufung auf Verschwiegenheit
bei Auskunftsersuchen zum Fortgang des Aufsichtsverfahrens ein falsches
Verständnis des Datenschutzes darstellt, da die Verbraucher ein berechtig-
tes Interesse daran haben, welche Ergebnisse die behördliche Ermittlungs-
und Sanktionstätigkeit ergeben hat, und wie begründet die Bundsregierung
ihren Standpunkt?

11. Wie viele von den in der Homepage der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BAFin) genannten rund 1 000 Mitarbeiter arbeiten im
Sektor Bankenaufsicht und wie viele Fachkräfte sind in der BAFin in Be-
zug auf die Bankentätigkeit für den Verbraucherschutz zuständig?

12. Hält die Bundesregierung die personelle Besetzung angesichts der von der
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. nach eigenen Angaben vorsichtig
geschätzten 300 000 Geschädigten und vor dem Hintergrund der Stellen-
zahl des ehemaligen BAKred im Jahr 2000 von 663 Stellen für Beamte,
Angestellte und Arbeiter und hierbei 10 bis 13 Stellen seit 1998 im zentra-
len Referat für Kundenbeschwerden für angemessen, und was gedenkt die
Bundesregierung zu tun, um den Stellenwert des Verbraucherschutzes auch
in personeller Hinsicht in der neuen BAFin zu stärken?

13. Welchen Standpunkt bezieht die Bundesregierung dazu, eine einheitliche
Deklarationspflicht für die jeweiligen Chancen und Risiken unterschied-
licher Produkte am Kapitalmarkt, die für institutionelle Anleger bereits
Standard ist, auch im Bereich der privaten Anleger einzuführen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9169

14. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf bzw.
Handlungsbedarf der Justizverwaltung vor dem Hintergrund der von dem
Oberverwaltungsgericht der freien Hansestadt Bremen mit Urteil vom
25. Oktober 1998, Az.: 1 BA 32/88 und dem Verwaltungsgericht Berlin
mit Urteil vom 20. März 1991, Az.: 1 A 213.89 festgestellten Aufgaben
des Staates, für ein angemessenes Veröffenlichungswesen zumindest von
obergerichtlichen Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen und
auch bei Veröffentlichungen von Gerichtsentscheidungen durch privat-
wissenschaftliche Nebentätigkeit der Richter darüber zu wachen und gege-
benenfalls organisatorisch sicherzustellen dass der Gleichbehandlungs-
grundsatz gewahrt ist, nachdem ein Bundesrichter Anfang 2001 in der
Fachzeitschrift „Wertpapier-Mitteilungen“, WM Heft 4/2001, S. 195, 196
zu einem im Kern verbraucherfreundlichen BGH-Urteil (Az.: IX ZR 279/
99) Hinweise für die Rechtsgestaltung der Banken sowie prozessuale Ar-
gumentationshilfen für die Banken gegeben hat, anhand derer die Rechts-
folgen des Urteils verhindert werden können?

15. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf bzw.
Handlungsbedarf der Justizverwaltung angesichts der öffentlichen Wahr-
nehmung des Vorfalls wie z. B. in der „Frankfurter Rundschau“ vom
13. März 2001, S. 10, im Zusammenhang mit der Sicherung der richterli-
chen Unabhängigkeit bzw. des Vertrauens der Bürger in die richterliche
Unabhängigkeit verletzt?
Wenn nein, warum nicht?

16. Sieht die Bundesregierung gesetzgeberischen Handlungsbedarf bzw.
Handlungsbedarf der Justizverwaltung angesichts der öffentlichen Wahr-
nehmung der in der „ZEIT“ vom 27. März 2002 gemachten Angaben über
Bundesrichter, die Seminare abhielten und dafür von den veranstaltenden
Banken Honorare erhielten, im Zusammenhang mit der Sicherung der rich-
terlichen Unabhängigkeit bzw. des Vertrauens der Bürger in die richter-
liche Unabhängigkeit?
Wenn nein, warum nicht?

17. Welche Meinung hat die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Richter
bei entgeltlichen Seminartätigkeiten und entgeltlichen privatwissenschaft-
lichen Veröffentlichungen für Firmen, Verbände und Interessenvereinigun-
gen dazu zu verpflichten, die Beiträge in gleicher Qualität und Ausmaß
unentgeltlich den in der Rechtsfrage gegenüberstehenden Interessenten zur
Verfügung zu stellen?

18. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei der Prüfung zivil-
rechtlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit dem keiner Aufsicht unter-
liegenden Geschäftsfeld „Immobilienberatung“ gelangt, die sie in ihrer
Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestags-
drucksache 14/6732) ankündigte?

19. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei der Prüfung der Frage
gelangt, wie enttäuschte Anleger bei Beratungsfehlern effizient abgesichert
werden können, die sie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Frak-
tion der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache 14/6732) ankündigte?

20. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei der Überprüfung der
rechtlichen Situation der Anleger bei Immobilienanlagegeschäfte insge-
samt gelangt, die sie in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion
der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache 14/6732) ankündigte?

Drucksache 14/9169 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

21. Zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung bei der in ihrer Antwort
auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestagsdruck-
sache 14/6732) angekündigten Prüfung des Problems gelangt, dass begrün-
dete Schadensersatzansprüche vielfach ins Leere gehen, weil Verkäufer
oder Vertrieb nicht mehr aufzufinden oder zahlungsunfähig sind?

22. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Internetinitiative www.immo-
betrug.de eine Statistik der Schadensfälle ständig vervollständigt, die auf
Meldungen von Geschädigten (Fragebogen) beruht und nachweisbar
bereits 27 196 so genannte Opferimmobilien erfasst, und betrachtet die
Bundesregierung diese Fälle als „belastbare Zahlen“?
Wenn nein, warum nicht?

23. Hält es die Bundesregierung für erforderlich, auf eigenen Wegen zu „be-
lastbaren Zahlen“ zu kommen?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 17. Mai 2002
Christine Ostrowski
Roland Claus und Fraktion

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