BT-Drucksache 14/911

zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1999 - Drsn. 14/300 Anlage, 14/760, 14/601 bis 14/621, 14/622, 14/623, 14/624 - hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

Vom 3. Mai 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/911 vom 03.05.1999

Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. zur dritten Beratung des
Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1999 14/300 14/760 14/601 14/621 14/622
14/623 14/624 hier: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung =

03.05.1999 - 911

14/911

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Gisela Frick, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann, Joachim
Günther, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter
Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich
L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Jürgen W. Möllemann, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Cornelia Pieper, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Edzard Schmidt-
Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr.
Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Guido
Westerwelle, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.
zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1999
- Drucksachen 14/300 Anlage, 14/760, 14/601 bis 14/621, 14/622, 14/623,
14/624 -
hier: Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die am 1. April
1999 in Kraft getretenen Neuregelungen zu den 630-DM-Jobs und die am 1.
Januar 1999 in Kraft getretenen neuen Vorschriften zur
"Scheinselbständigkeit" sofort aufzuheben.
Bonn, den 3. Mai 1999

Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
Begründung
Das seit dem 1. April 1999 geltende 630-DM-Gesetz und die seit 1.
Januar 1999 geltende Neuregelung zur sog. "Scheinselbständigkeit"
gefährden zunehmend Arbeitsplätze. Die F.D.P.-Fraktion ist der Ansicht,
daß diese Neuregelungen daher aufgehoben werden müssen und daß die
Rechtslage wiederhergestellt werden muß, die bis zum Inkrafttreten
dieser Gesetze gegolten hat, damit der rasante Arbeitsplatzabbau zu
Lasten von Millionen von Geringverdienern gestoppt werden kann.
A. Im Bereich der 630-DM-Jobs rollt eine in Deutschland nie dagewesene
Kündigungswelle
Von den Neuregelungen der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sind
nicht nur private Haushalte, Wirtschaftsunternehmen, Sportvereine,
Universitäten, Volks- und Fachhochschulen, Wohlfahrtsverbände, Vereine
und soziale Einrichtungen betroffen, sondern vor allem auch viele
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf das Zubrot durch ein
geringfügiges Beschäftigungsverhältnis angewiesen sind. Das Gesetz hat
keine Anreize für sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
geschaffen, sondern zu einer Kündigungswelle geführt, die ganze
Branchen wie Zeitungsverlage, Gebäudereiniger und Gastronomie stark
belastet und vor allem mittelständische Unternehmen gefährdet. Der
bürokratische Aufwand ist für Bürger und Unternehmen eine Zumutung. Die
Behörden sind mit der administrativen Umsetzung der komplizierten
Regelungen überfordert. Für viele Arbeitnehmer lohnt sich die Annahme
eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr. Dies gilt
insbesondere für diejenigen, die einen solchen Job neben einer
sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt haben. In
diesen Fällen ist der 630-DM-Job in vollem Umfang steuer- und
sozialabgabenpflichtig. Das führt dazu, daß viele Arbeitnehmer statt
bislang 630 DM netto oft nur noch rd. 350 DM netto ausgezahlt bekommen.
In der Praxis kommt dies einer Abschaffung der geringfügigen
Nebenbeschäftigung gleich.
Nicht weniger dramatisch ist die Situation vieler geschiedener Frauen
mit Kind. Wenn sie unterhaltsberechtigt sind, müssen sie bei einem
Hinzuverdienst von 630 DM heute oft 120 DM Steuern und mehr zahlen. Die
verheiratete Frau hingegen, die einen 630-DM-Job ausübt, bekommt die
volle Summe ohne Steuerabzug netto ausbezahlt.
Anstatt die vom Bundesarbeitsminister geforderte "Ordnung am
Arbeitsmarkt" herzustellen, löst die rot-grüne Bundesregierung
lediglich Willkür und Chaos aus. Die Folge ist ein dramatischer
Arbeitsplatzabbau. Im Handel sind rd. 175 000 Arbeitsplätze gefährdet.
Im Reinigungshandwerk sind es 140 000, im Verkehrsbereich 100 000, auf
dem Bau 70 000 und bei den Zeitungsverlegern rd. 60 000. Die
Neuregelungen haben sich damit als Arbeitsplatzvernichtungsprogramm in
einer Größenordnung von mehr als einer halben Million Arbeitsplätzen
entpuppt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag spricht sogar von 700
000 Arbeitsplätzen. Die Dunkelziffer derer, die in Schwarzarbeit
abwandern, dürfte noch höher sein. Arbeitsplatzvernichtung und immensem
bürokratischem Aufwand steht eine nahezu wertlose soziale Sicherung der
Betroffenen gegenüber. Für jedes Jahr geringfügige Beschäftigung
erwirbt ein Arbeitnehmer einen Rentenversicherunganspruch von 4,17 DM
im Monat. Um diesen Anspruch geltend machen zu können, muß der
Arbeitnehmer eine Wartezeit von 42 Jahren und zwei Monaten erfüllen. Es
wird von den Betroffenen zu Recht als Hohn empfunden, dies als ersten
Schritt in Richtung einer eigenständigen Sicherung darzustellen.
B. Die Neuregelungen zur sog. "Scheinselbständigkeit" behindern und
vernichten selbständige Existenzen
Als ebenso verheerend für die Entwicklung des Arbeitsmarktes in
Deutschland haben sich die seit dem 1. Januar 1999 geltenden
Neuregelungen zur sog. "Scheinselbständigkeit" erwiesen. Die neuen
Vorschriften haben statt Transparenz nur Rechtsunsicherheit gebracht
und Auftraggeber wie Selbständige verunsichert. Existenzgründer fangen
regelmäßig allein an und haben zu Beginn ihrer Tätigkeit nur einen
Auftraggeber. Als Folge der Neuregelung jedoch kündigen Unternehmen die
Zusammenarbeit mit Ein-Personen-Firmen massenhaft auf. Sie fürchten,
noch Jahre später für die Abführung von Sozialversicherungsabgaben in
Anspruch genommen zu werden, wenn eine Betriebsprüfung zum Ergebnis
kommt, der Auftragnehmer sei in Wirklichkeit "scheinselbständig"
gewesen. Die neuen Vorschriften bedeuten daher für viele Selbständige
das Ende ihrer beruflichen Existenz.
Klassische Freiberufler finden sich plötzlich in der Rolle des abhängig
Beschäftigten wieder. Der Einstieg in diese Berufe ist von der rot-
grünen Bundesregierung für viele verriegelt worden.
Bei den sog. "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen" hat die rot-grüne
Bundesregierung quasi über Nacht eine 20%ige Sozialabgabelast
eingeführt, die ebenfalls die Existenzen dieser anerkannt selbständigen
Unternehmen in Frage stellt. Die Einbeziehung dieser Personen in die
gesetzliche Rentenversicherung konterkariert die Forderung nach
stärkerer eigenverantwortlicher Absicherung im Alter.
Die Zahlen belegen einen rasanten Arbeitsplatzabbau als Folge dieses
rot-grünen Wirkens. Wir müssen davon ausgehen, daß allein in diesem
Jahr rd. 50 000 Ein-Personen-Unternehmen mitsamt ihrem
Arbeitsplatzpotential für die Zukunft aufgeben müssen. Die neuen
Vorschriften haben in vielen Bereichen unseres Wirtschaftslebens bei
Existenzgründern, Unternehmensberatern, Handels- und
Versicherungsvertretern, Musikerziehern, Kurierdiensten, Speditionen,
Werbeagenturen, Softwarespezialisten, Universitäten, Volks- und
Fachhochschulen, Ingenieur- und Architektenbüros, also gerade bei der
"neuen Mitte" und ihren Auftraggebern eine beispiellose Verunsicherung
ausgelöst, die bestehende Arbeitsplätze vernichtet, neue Arbeitsplätze
verhindert und viele Betroffene in den finanziellen Ruin treibt.

03.05.1999 nnnn

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