BT-Drucksache 14/9094

Anwendungsdefizit geltenden Rechts bei der Darstellung von Gewalt

Vom 15. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9094
14. Wahlperiode 15. 05. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Rainer Funke, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Hans-Michael Goldmann,
JoachimGünther (Plauen), Dr. KarlheinzGuttmacher, KlausHaupt, Ulrich Heinrich,
Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Anwendungsdefizit geltenden Rechts bei der Darstellung von Gewalt

Nach dem ersten Schock nach dem Amoklauf von Erfurt am 26. April 2002
rückt die Frage nach dem Warum einer solchen Tat ins Blickfeld. Verwiesen
wird auf die freie Zugänglichkeit zu gewaltverherrlichenden Videos und Com-
puterspielen, ja, allgemein auf den zu freizügigen Umgang unserer Gesellschaft
mit Gewaltdarstellungen, die unserer Jugend täglich Szenarien grausamster Ge-
walt vor Augen führen, die, wie angenommen wird, eine Verrohung zur Folge
haben und zur Nachahmung anregen. Dieser Erkenntnis folgend, wird der Ruf
nach dem Gesetzgeber laut, der die Gefahr bannen soll.
Übersehen wird dabei, dass eine ganz ähnliche Debatte bereits in den 70er Jah-
ren stattfand und durch das 4. Strafrechtsreformgesetz von 1973 u. a. zum Er-
lass des § 131 Strafgesetzbuch (StGB) führte, der die Herstellung und Verbrei-
tung von Darstellungen exzessiver „Brutalität“ verbietet. Eine gesetzliche
Grundlage für den Kampf gegen zunehmende Gewaltbereitschaft in unserer
Gesellschaft besteht also seit 30 Jahren. Um so unerklärlicher ist es, dass § 131
StGB in der Realität so gut wie nicht angewendet wird. Der Leipziger Groß-
kommentar zum Strafgesetzbuch nennt zuletzt 19 Verurteilungen pro Jahr. De
facto wird diese Strafrechtsnorm also von der deutschen Strafverfolgung nicht
in Anspruch genommen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass eine Schaffung weiterer Straf-

normen bzw. eine Verschärfung von Gesetzen, bei gleichzeitiger Nichtaus-
schöpfung bestehender Regelungen, ein Weg in die richtige Richtung sein
kann?

2. Wie kann dem eklatanten Anwendungsdefizit deutscher Gesetze, in diesem
Fall des § 131 StGB, begegnet werden?

3. Könnte das Anwendungsdefizit bestehender Gesetze ein Indiz dafür sein,
dass eine Situation der Übernormierung besteht?

Drucksache 14/9094 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
4. Würde die Abschaffung ohnehin nicht angewandter Gesetze dazu führen,
dass andere Vorschriften im Strafgesetzbuch konsequenter angewandt wer-
den?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Polizeiverantwortlichen, dass
im Rahmen einer „Deeskalationspolitik“ der Staat Freiräume für Gewalt im
öffentlichen Leben belassen sollte?

Berlin, den 14. Mai 2002
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Jörg van Essen
Dr. Max Stadler
Rainer Funke
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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