BT-Drucksache 14/9061

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung)

Vom 15. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9061
14. Wahlperiode 15. 05. 2002

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gerhard Schüßler, Dr. Hermann Otto Solms,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Günter Rexrodt,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Carl-Ludwig
Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
(Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung)

A. Problem
Die Rechtsauffassung zur Besteuerung freiwillig gewährter Trinkgelder ist
überholt.

B. Lösung
Klarstellung, dass freiwillig gewährte Trinkgelder kein Lohn von dritter Seite
sind.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten der öffentlichen Haushalte
Gering

Drucksache 14/9061 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes

Der Deutsche Bundestag hat mit Zustimmung des Bun-
desrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Einkommensteuergesetzes

Das Einkommensteuergesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 16. April 1997 (BGBl. I S. 821), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. § 3 Nr. 51 wird gestrichen.
2. Dem § 19 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Freiwillig gezahlte Trinkgelder gehören nicht zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.“

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt rückwirkend zum 1. Januar 2002 in
Kraft.

Berlin, den 15. Mai 2002

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9061

Begründung

1. Allgemeines
Freiwillige Trinkgelder von Dritten an Arbeitnehmer sind
nach geltendem Recht Arbeitslohn von dritter Seite und da-
her als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteu-
ern. Der Gesetzgeber gewährt in § 3 Nr. 51 EStG einen Frei-
betrag von 2 400 DM.
Mit einer Erhöhung der Freibeträge könnte zwar eine ge-
wisse Verbesserung erzielt werden. Dennoch bliebe das ei-
gentliche Problem bestehen, dass die Höhe des Trinkgeldes
vom Finanzamt geschätzt wird und auf der Basis dieser
Schätzung zusätzlich Sozialabgaben entrichtet werden müs-
sen.
Rechtsprechung und Verwaltung stufen freiwillige Trink-
gelder als Arbeitslohn ein, weil sie im wirtschaftlichen Zu-
sammenhang mit dem Dienstverhältnis zufließen. Diese
Voraussetzung liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs
vor, wenn der Arbeitnehmer das Trinkgeld wirtschaftlich als
Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachten
kann. Das sei bei Trinkgeldern der Fall. Der Bundesfinanz-
hof ist darüber hinaus der Auffassung, dass selbst aus Sicht
des Kunden keine vom Dienstverhältnis losgelöste, aus pri-
vaten Motiven erfolgte Schenkung an den Trinkgeldemp-
fänger, sondern ein zusätzliches Entgelt für die entge-
gengenommene Dienstleistung vorliege.
Diese Auffassung ist überholt. Das sehen mittlerweile alle
politischen Parteien ein. Maßstab für ein Trinkgeld ist heute
die Qualität einer Dienstleistung, die ausschließlich vom
Kunden beurteilt wird. Ein Trinkgeld wird nicht als zusätzli-
ches Entgelt für die erhaltene Dienstleistung gewährt. Der
Kunde honoriert damit vielmehr seine Zufriedenheit mit der
Qualität der Dienstleistung, die ausschließlich an die Person
des Dienstleistenden gebunden ist. Damit stellen Trinkgel-
der keinen Arbeitslohn mehr dar. Diese gesellschaftliche
Entwicklung muss sich im Einkommensteuergesetz wider-
spiegeln.
Auch aus Sicht des Empfängers ist das Trinkgeld kein zu-
sätzliches Entgelt für seine Leistung an den Arbeitgeber.
Dafür spricht bereits der Umstand, dass der Arbeitnehmer
ein Trinkgeld weder einkalkulieren noch vom Arbeitgeber
einfordern kann. Das Trinkgeld wird vielmehr als besondere

persönliche Belohnung seitens des Dienstleistungsempfän-
gers angesehen, die nicht im Zusammenhang mit dem
Dienstverhältnis zum Arbeitgeber steht.
Damit sind die rechtlichen Anforderungen an die Einstu-
fung von Trinkgeldern als Arbeitslohn nicht gegeben.
Gegen eine Besteuerung von Trinkgeldern spricht auch,
dass die Gleichheit der Besteuerung bei allen Trinkgeld-
empfängern nicht gewährleistet ist. Die Finanzverwaltung
ist auf die Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen an-
gewiesen und hat daneben keinerlei Kontrollmöglichkeit
hinsichtlich der Höhe der Trinkgelder. Das Bundesverfas-
sungsgericht bezweifelt aus diesem Grund die Rechtmäßig-
keit einer solchen Steuerbelastung. In der Praxis wird die
Höhe der Trinkgelder in der Regel geschätzt, wobei in erster
Linie die Gastronomie betroffen ist. Da heute in vielen
Dienstleistungsbereichen die Zahlung von Trinkgeldern üb-
lich ist, kommt es im Ergebnis zu einer ungleichen Besteue-
rung. Dieses nicht zu behebende Vollzugsdefizit spricht
ebenfalls grundsätzlich gegen die Besteuerung von Trink-
geldern.

2. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuerge-

setzes)
Zu Nummer 1 (§ 3 Nr. 51)
Da Trinkgelder keinen Arbeitslohn darstellen, ist die Steuer-
befreiung überflüssig.
Zu Nummer 2 (§ 19 Abs. 1 des EStG)
Mit der Änderung wird klargestellt, dass freiwillig gezahlte
Trinkgelder keinen Arbeitslohn darstellen und damit nicht
steuerbar sind.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Es ist angesichts des Meinungswandels der parlamentari-
schen Mehrheit angemessen, das Gesetz rückwirkend zum
1. Januar 2002 in Kraft treten zu lassen.

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