BT-Drucksache 14/8396

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung - 14/7387, 14/7987, 14/8046, 14/8395- Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)

Vom 27. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8396
14. Wahlperiode 27. 02. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Rainer Funke,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr,
Gerhard Schüßler, Rainer Brüderle, Ulrike Flach, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Dr.Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, GudrunKopp, JürgenKoppelin, Dirk Niebel,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Dieter Thomae,
Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 14/7387, 14/7987, 14/8046, 14/8395 –

Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und
zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und
Ausländern (Zuwanderungsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Eine gesetzliche Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung liegt in un-

serem eigenen Interesse.
1. Deutschland ist bisher von einer ungeordneten Zuwanderung betroffen.

Die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt vollzieht sich vornehmlich über
Ausnahmeverordnungen, die Zuwanderung aus humanitären Gründen
entbehrt bisher jeglicher Gesamtkonzeption, die Integrationsmaßnahmen
sind unzureichend. Daher ist es richtig, die Zuwanderung auf den Ar-
beitsmarkt in streng begrenztem Umfang gemäß den eigenen Bedürfnis-
sen zu ordnen, die humanitären Regelungen zu präzisieren und die Integ-
rationsbemühungen zu verstärken. Nur so kann sozialer Zündstoff
vermieden werden.

2. Ein Zuwanderungsgesetz ist aber auf keinen Fall geeignet, Versäumnisse
auf anderen Politikfeldern auszugleichen. Weiterhin besteht dringender
Reformbedarf im Bildungswesen. Es ist vordringlicher, der eigenen
Jugend eine Ausbildung zu vermitteln, die ihr beste berufliche Perspek-
tiven eröffnet, als Arbeitskräfte aus Drittländern anzuwerben. Die Maß-
nahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen
verstärkt werden. Qualifizierung von Arbeitslosen und deren Eingliede-
rung in den Arbeitsmarkt hat Vorrang vor Zuwanderung.

3. Um in einer globalisierten Welt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Volkswirtschaft und damit den Wohlstand und die soziale Absicherung

Drucksache 14/8396 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten, ist eine
flexible Arbeitsmarktordnung erforderlich, die eine schnelle und effi-
ziente Versorgung des deutschen Arbeitsmarktes mit gut ausgebildeten
und motivierten Arbeitskräften gewährleistet.
Dies kann nur über eine tiefgreifende Reform der Arbeitsmarktsbedin-
gungen gelingen. Hierzu hat die FDP-Bundestagsfraktion in dieser Le-
gislaturperiode konkrete Vorschläge vorgelegt: eine mittelstandsfreund-
liche Reform der betrieblichen Mitbestimmung, die notwendige
Flexibilisierung der befristeten Arbeitsverhältnisse und des Tarifrechts,
die Legalisierung tausender betrieblicher Bündnisse für Arbeit zur Siche-
rung von Beschäftigung, eine Reform des Niedriglohnsektors und des
Kündigungsschutzes und die Entbürokratisierung der Zeitarbeit.

4. Bei Zuwanderung gilt das Vorrangprinzip. Auch in den Mangelberufen
darf ein Arbeitsplatz mit einem Zuwanderer nur dann besetzt werden,
wenn eine Besetzung dieses Arbeitsplatzes aus dem deutschen Arbeits-
markt nicht möglich ist. Damit wird eine Verdrängung einheimischer
Arbeitskräfte durch Zuwanderer ausgeschlossen. Zuwanderung nach ei-
nem Punktesystem wird angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt
zunächst keine große praktische Bedeutung entfalten. Andererseits
ermöglicht es eine Zuwanderungsregelung den Unternehmen, bisher un-
besetzbare Arbeitsplätze neu zu besetzen und damit wirtschaftliche Chan-
cen wahrzunehmen. Dies wird – wie die Erfahrungen mit der Green Card
gezeigt haben – zu zusätzlichen neuen Arbeitsplätzen in Deutschland füh-
ren.

5. Im Bereich der humanitären Regelungen ist festzuhalten, dass schon nach
geltendem Recht aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention Personen
vor nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung geschützt
werden müssen. Ein neuer Asylgrund ist damit nicht verbunden, sondern
es wird die geltende Rechtslage noch einmal festgeschrieben.

6. Ein entscheidendes Element der Steuerung und Begrenzung liegt darin,
dass Asylantragsstellung und Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt sich
gegenseitig ausschließen.

7. Herausragende Bedeutung hat die Integration der Zuwanderer. Deshalb
muss die Integrationsaufgabe als Staatsziel in das Grundgesetz aufge-
nommen werden. Diese Aufgabe bezieht sich nicht nur auf Menschen, die
nach einem Zuwanderungsgesetz neu nach Deutschland kommen, son-
dern auch auf die bereits in Deutschland lebenden Ausländer sowie auf
die Spätaussiedler. Entscheidender Ansatzpunkt für die Integration ist die
ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache. Gefördert werden muss
insbesondere auch schon die Vermittlung der deutschen Sprache für Kin-
der im Vorschulalter. Die Kindergärten müssen hierzu in die Lage versetzt
werden. Allerdings können die Kommunen aufgrund ihrer gegenwärtigen
Finanzlage zusätzliche Integrationskosten nicht übernehmen. Diese sind
vielmehr von Bund und Ländern zu tragen. Eine maßvolle Eigenbeteili-
gung der Zuwanderer an den Kosten von Sprachkursen ist zumutbar.
Das Recht auf Erziehung und Bildung muss allen Kindern und Jugendli-
chen, die auf deutschem Boden leben, gleichberechtigt zustehen. Ein-
schränkungen aufgrund des Staatsangehörigkeitsprinzips sowie des
Rechts- bzw. Aufenthaltsstatus der Eltern oder der Kinder sind aufzuhe-
ben.

II. Folgende Probleme sind noch ungelöst:
1. Die Regelungen zum Zugang auf den Arbeitsmarkt müssen so unbürokra-

tisch ausgestaltet werden, dass sie wirklich praktikabel sind. Die Ein-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8396

schaltung einer Vielzahl von Entscheidungsträgern (zum Beispiel Verwal-
tungsausschüsse sowohl der örtlichen Arbeitsämter als auch der
Landesarbeitsämter) steht dieser Zielsetzung entgegen.

2. Für die Umsetzung der entscheidend wichtigen Integrationsaufgabe be-
darf es eines Gesamtkonzepts, das über die Einführung von Sprach- und
Integrationskursen hinausgeht. Entsprechend den Vorschlägen der
Süssmuth-Kommission müssen aufeinander abgestimmte gesetzliche Re-
gelungen des Bundes und der Länder als Grundlage eines geschlossenen,
gesamtstaatlichen Integrationskonzepts erlassen werden.

3. Integrationspolitik setzt schon bei Kindern und Jugendlichen an. Die
Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist
zugleich eine Herausforderung und eine Chance. Die jungen Menschen
können Brücken und Vermittler zwischen den Kulturen bilden. In diesem
Zusammenhang bleibt die Bundesregierung aufgefordert, entsprechend
der Willensbildung im Deutschen Bundestag ihre Vorbehalte gegen die
VN-Kinderrechtskonvention zurückzunehmen.

4. In Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder und Jugendliche,
die nach altem Staatsangehörigkeitsrecht noch keine deutsche Staatsange-
hörigkeit besitzen, sind selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft. Für
sie ist im Ausländerrecht ein genereller Ausweisungsschutz vorzusehen.

5. Jede Erschwerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber führt
zu sozialem Sprengstoff. Dieser kann vermieden werden, indem es Asyl-
bewerbern ermöglicht wird, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.
Ein solcher Vorschlag würde nicht zu einem Anstieg der Asylbewerber-
zahlen führen, da durch den künftigen gegenseitigen Ausschluss von
Asylantrag und Antrag auf Zuwanderung in den Arbeitsmarkt im Gegen-
teil die Asylbewerberzahlen wahrscheinlich sinken werden. Daher ist das
Arbeitsverbot für Asylbewerber aufzuheben.

6. Die Rechtsstellung der Ausländerbeauftragten des Deutschen Bundesta-
ges muss in ihrem Verhältnis zu einer neu zu schaffenden Migrationsbe-
hörde des Bundes neu definiert werden.

Berlin, den 26. Februar 2002
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Max Stadler
Jörg van Essen
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Rainer Funke
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Rainer Brüderle
Ulrike Flach

Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.