BT-Drucksache 14/8287

Für eine grundlegend neue Organisation der Arbeitsmarktpolitik

Vom 20. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8287
14. Wahlperiode 20. 02. 2002

Antrag
der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle,
Dr. Heinrich L. Kolb, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth),
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Gutmacher,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Gerhard Schüßler, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Für eine grundlegend neue Organisation der Arbeitsmarktpolitik

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Bundesrechnungshof kommt in seinem vorläufigen Bericht (Gz. VI 3-
2001-0453) zu folgendem Ergebnis: „Die von den Arbeitsämtern veröffentlich-
ten Arbeitsmarktstatistiken geben den tatsächlichen Erfolg der Tätigkeit der
Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung der Arbeitsämter nicht zutreffend
wieder. Sie zeigen nach außen ein günstigeres Bild der Arbeitsmarktstrukturen
und des Vermittlungserfolges und beeinträchtigen auch ihre Tauglichkeit als
Grundlage gesetzgeberischer wie auch geschäftspolitischer Entscheidungen der
Selbstverwaltung der Bundesanstalt. Die Qualität der Vermittlung, die Belastung
des mit Vermittlung befassten Personals und der Erfolg arbeitsmarktpolitischer
Instrumente sind damit deutlich geringer als bisher allgemein angenommen.
Eine Überprüfung der von der Bundesanstalt dargestellten Wirkungen ihrer
Arbeitsmarktpolitik erscheint geboten.“
Die Bundesanstalt für Arbeit mit einem Haushaltsetat von 54 Mrd. Euro (2002)
ist in ihrer jetzigen Struktur nicht zukunftsfähig. Deutschland bedarf dringend
einer durchgreifenden Reform der Arbeitsverwaltung, die sich auf die Wirksam-
keit und Effizienz ihrer Organisation und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
konzentriert. Die festgestellten Organisationsmängel der Bundesanstalt für
Arbeit werfen darüber hinaus fundamentale Fragen nach den Verantwortungs-
strukturen im deutschen Sozialsystem und der Kontrolle von Selbstverwaltungs-
körperschaften auf, wenn weder der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit,
noch der Vorstand der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit, noch der
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hierfür die Verantwortung über-
nehmen. Offensichtlich ist – neben der Rechts- und Fachaufsicht des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Sozialordnung – die Selbstverwaltung, also die
Vertreter der öffentlichen Körperschaften sowie die Funktionäre der Gewerk-
schaften und Arbeitgeber, ihrem Kontrollauftrag nicht hinreichend nachgekom-
men, wie er in § 377 SGB III, § 7 Abs. 4 der Satzung der Bundesanstalt für
Arbeit konkretisiert ist.

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Jeder Vertreter der Selbstverwaltung, der die Bundesanstalt für Arbeit beauf-
sichtigt, hat eigene Interessen: Die Politik signalisiert Aktionismus und verlei-
tet so die betroffenen Arbeitslosen zu der Illusion, der Staat allein könne die
Probleme lösen. Die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik verschleiern
das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Sie liegt tatsächlich weit über 5 Millio-
nen Menschen. Die Arbeitgeber werden verleitet, arbeitsmarktpolitische Maß-
nahmen zur Lösung betrieblicher Personalpolitik zu missbrauchen, wenn und
weil das Arbeitsamt Altersteilzeit-Regelungen, Gehaltsaufschläge und Renten-
beiträge mitfinanziert. Die Gewerkschaften schließlich versuchen, mit Hilfe
arbeitsmarktpolitischer Instrumente die Interessen ihrer Mitglieder und haupt-
amtlichen Funktionäre zu bedienen, nicht die der Arbeitslosen. Wenn die
Bundesanstalt für Arbeit Auffanggesellschaften für Konkursbetriebe finanziert
oder den Arbeitsmarkt statistisch entlastet, mindert dies den Druck auf die Ge-
werkschaften, Reformen auf dem Arbeitsmarkt zuzulassen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
die Organisation und Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik nach folgenden
Maßgaben zu reformieren:
Erstens müssen die Vermittlung und Beratung – also die Maßnahmen, die auf
den Ausgleich von Angebot und Nachfrage sowie auf die Überwindung von
qualifikatorischen Diskrepanzen zielen – neu organisiert und soweit als möglich
privatisiert werden. Dabei wird ein bloßes Kurieren der Symptome oder eine
Schein-Privatisierung der Lage der Arbeitslosen nicht gerecht:
– Es muss eine deutliche Umschichtung des Personals erfolgen, um den Anteil

der eigentlichen Vermittler substantiell zu erhöhen. Es kann nicht so bleiben,
dass die Bundesanstalt für Arbeit in ihren 10 Landesarbeitsämtern, 181
Arbeitsämtern und 660 Geschäftsstellen mit rd. 90 000 Mitarbeitern für die
eigentliche Kernaufgabe, die Vermittlung von Arbeit, nur rd. 10 Prozent der
personellen Ressourcen einsetzt. Diese falsche Gewichtung in der Personal-
struktur besteht, obwohl das Gesetz ausdrücklich den Vorrang der Vermitt-
lung in Arbeit vor den Ersatzleistungen statuiert, § 4 Abs. 1 SGB III.
Arbeitsvermittler sollen vermitteln, nicht verwalten. Zudem müssen die
Arbeitsvermittler von vermittlungsfremden Tätigkeiten entlastet werden.

– Der Begriff der Vermittlung in § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist zu präzisieren.
Eine genauere Definition ist insbesondere geboten, wenn die Arbeitsämter
mit den privaten Vermittlungsdiensten um die Vermittlung von Arbeitslosen
konkurrieren. Als vermittelt könnte etwa nur derjenige angesehen werden,
der nach sechs Monaten noch im ersten Arbeitsmarkt integriert ist.

– Die über § 37 Abs. 2 SGB III geschaffene, aber bislang nur zurückhaltend in
Anspruch genommene Möglichkeit, private Vermittlungsdienste einzuschal-
ten, muss durch ein erfolgsabhängiges Prämiensystem erweitert werden. Die
öffentlichen Arbeitsvermittler erhalten für jeden vermittelten Arbeitslosen
eine Prämie. Diese steigt mit der Vermittlungsschwere des Arbeitslosen und
kann auch von privaten Vermittlern im Wettbewerb mit den staatlichen
Agenturen erhalten werden. Wer etwa jemanden für mindesten sechs Monate
in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt, erhält eine Pauschale. Dies erhöht den
Anreiz für die Arbeitsvermittlung zu einem effizienteren Einsatz öffentlicher
Ressourcen.

– § 37a SGB III sollte dem Arbeitslosen einen Rechtsanspruch einräumen,
wonach er sogleich mit Beginn der Arbeitslosigkeit die Wahl hat, einen pri-
vaten oder einen öffentlichen Vermittler einzuschalten. Gegenwärtig müssen
Arbeitslose sich im ersten halben Jahr der Erwerbslosigkeit von den Arbeits-
ämtern registrieren, vermitteln und beraten lassen, um ihren Anspruch auf
Unterstützung nicht zu verlieren. Bislang ist gemäß § 37a SGB III die

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Arbeitsverwaltung erst nach sechsmonatiger erfolgloser Tätigkeit verpflich-
tet, einen privaten Arbeitsvermittler einzuschalten. Grundsätzlich bleibt ein
staatlicher Rahmen erforderlich, um etwa besonders schwer vermittelbare
und gering qualifizierte Arbeitslose zu integrieren oder um bei persönlichen
Problemen, die mit der Arbeitslosigkeit einhergehen, zu helfen. Die Bundes-
anstalt für Arbeit sollte sich nun mehr nicht länger als der einzige Anbieter
auf dem Markt betrachten. Der Vorschlag hingegen, auch Weiterbildungs-
trägern die Vermittlung zu eröffnen, ist abzulehnen. Auch sollten die Ar-
beitsämter zur Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet
werden. § 296 SGB III muss reformiert werden, der es Arbeitslosen verbie-
tet, auf eigene Rechnung einen privaten Vermittler zu beauftragen.

– Mittelfristig sollte die Bundesanstalt für Arbeit in eine reine Versicherungs-
anstalt umgewandelt werden. Arbeitslose erhielten dann Vermittlungsgut-
scheine, deren Wert gestaffelt für Problemgruppen wie Geringqualifizierte
und Langzeitarbeitslose höher ausfällt. So kann es für Vermittler attraktiv
werden, Arbeitslose auch aus Problemgruppen zu vermitteln. Dieser Gut-
schein wäre Teil der Versicherungsleistung und würde die Wertschätzung
der Vermittlungsleistung stärken, die bisher als kostenlos empfunden wird.
Die Betroffenen können sich mit diesem Gutschein auch an private Arbeits-
vermittler wenden, die ihrerseits imWettbewerb um diese Gutscheine stehen.
Finanziert würden die Gutscheine aus den Einsparungen bei einer ver-
schlankten Bundesanstalt für Arbeit und entbehrlich werdenden Unterstüt-
zungszahlungen, wie es bereits einige Kommunen bei der Vermittlung von
Sozialhilfeempfängern praktizieren.

Zweitens muss damit eine grundlegende Organisations- und Finanzreform der
Arbeitsverwaltung einhergehen:
– Die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit aus Vertretern der öffent-

lichen Körperschaften, Gewerkschaften und Arbeitgebern (§ 377 SGB III)
wird abgeschafft. Aus dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-
nung werden dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die in
der Abteilung II – Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung, Auslän-
derbeschäftigung – und in der Abteilung III – Arbeitsrecht, Arbeitsschutz –
angesiedelten Zuständigkeiten übertragen, sodass die Bundesanstalt für Ar-
beit nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie wird. Der Leiter dieser Dienststelle ist dem Bundesminister
politisch verantwortlich (Antrag der FDP-Fraktion vom 30. Januar 2002,
Bundestagsdrucksache 14/8142).

– Der Verwaltungsaufbau der Bundesanstalt für Arbeit in eine Hauptstelle in
Nürnberg, 10 Landesarbeitsämtern und 181 Arbeitsämtern muss reformiert
werden. Die Bundesanstalt für Arbeit muss schlanker, effizienter und leis-
tungsorientierter sowie stärker in den Leistungswettbewerb mit privaten
Dienstleistern gestellt werden. Querschnittsaufgaben wie etwa die Daten-
verarbeitung sollten in Tochtergesellschaften ausgegliedert werden, deren
leistungsorientierte Entlohnung nicht an beamtenrechtlichen oder tarifver-
traglichen Rahmenbedingungen scheitert. Notwendig ist ein unabhängiges,
externes und effektives Controlling aller Arbeitsfelder.

– Die 10 Landesarbeitsämter, deren Name fälschlicherweise vermuten lassen
könnte, es handele sich um Landesbehörden, sind abzuschaffen. Ihre weni-
gen eigenen Fachaufgaben wie der Lizensierung privater Arbeitsvermittler
und Arbeitnehmerverleiher, der Abwicklung von Werkvertragsabkommen
oder die offensichtlich nicht funktionierende Fachaufsicht über die Arbeits-
vermittlung können auf die örtlichen Arbeitsämter bzw. die Hauptstelle in
Nürnberg verlagert und ihre qualifizierten Mitarbeiter im operativen Ge-
schäft sinnvoller eingesetzt werden. Das Zulassungsverfahren für private

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Arbeitsvermittler muss einer anderen Aufsichtsstelle zugeordnet werden,
denn es kann nicht sein, dass die Bundesanstalt für Arbeit, die im Wettbe-
werb zu privaten Arbeitsvermittlern steht, gleichzeitig über deren Zulassung
entscheidet (§ 294 SGB III).

– In den örtlichen Arbeitsämtern müssen als Jobcenter mehr Funktionen ge-
bündelt werden, in dem Zeitarbeitsfirmen, Bildungs- und Therapieangebote
ebenso verfügbar sind wie etwa eine Schuldnerberatung. Ziel muss es sein,
dass keiner, der sich arbeitslos meldet, ohne Arbeits- oder Qualifizierungs-
angebot, gemeinnützige Tätigkeit oder Therapieangebot das Jobcenter
wieder verlässt. Die Wahl des geeigneten Instrumentes zur Arbeitsplatzver-
mittlung wird von Ort zu Ort anders ausfallen. Langfristig ist daher die
Überlegung zu prüfen, den Arbeitsämtern Globalhaushalte zuzuweisen, die
auch den Personalhaushalt umfassen. Außer für die gesetzlich definierten
Lohnersatzleistungen erhalten die örtlichen Arbeitsämter weitgehende Auto-
nomie. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung wird durch die Hauptstelle
der Bundesanstalt für Arbeit gewährleistet.

– Die Bundesanstalt für Arbeit muss von sachfremden Aufgaben, wie die
Auszahlung des Kindergeldes, die Ausbildungsberatung, den Kampf gegen
illegale Beschäftigung, die Umschulung, allgemeine sozial- und struktur-
politische Aufgaben wie die berufliche Bildung, Arbeitsbeschaffungsmaß-
nahmen, das Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, sowie
die in den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit verschobenen Programme
(Beschäftigungshilfen für Langzeitarbeitslose, Strukturanpassungsmaßnah-
men-Zuschuss), befreit werden, damit eine verschlankte Bundesanstalt für
Arbeit sich auf ihre eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren kann. Dadurch
kann der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 6,5 Prozent deut-
lich gesenkt werden (Antrag der FDP-Fraktion vom 13. November 2001;
Bundestagsdrucksache 14/7453).

– Die Arbeitslosenhilfe muss mit der Sozialhilfe zu einem System mit einer
Leistung, klaren Zuständigkeiten, eingleisigen Verfahren und schlankerer
Verwaltung zusammengefasst werden. Es gibt keine überzeugende Begrün-
dung dafür, warum es in Deutschland mehrere steuerfinanzierte Fürsorge-
leistungen für einen Tatbestand, nämlich den der Arbeitslosigkeit, gibt. Bis-
lang werden die Kosten wie auf Verschiebebahnhöfen zwischen den Arbeits-
ämtern und den Kommunen hin- und hergeschoben, das Verfahren ist
ineffektiv und für den Steuerzahler zu teuer. Voraussetzung ist hierfür ein
dauerhafter föderaler Finanzausgleich (Antrag der FDP-Fraktion vom 9. Mai
2001, Bundestagsdrucksache 14/5983).

Drittens sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und die hierfür aufgewandten
Mittel von rd. 22 Mrd. Euro (2002) dringend auf Umfang, Wirksamkeit und
Effizienz zu überprüfen, denn Arbeitsmarktpolitik ist nur dann effektiv und ef-
fizient, wenn es ihr gelingt, mit möglichst geringem Mitteleinsatz Arbeitslosig-
keit zu vermeiden oder möglichst rasch zu beenden. Dies gilt in besonderem
Maße für die beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen (§ 77 SGB III), deren
Mittel einem Verteilungskartell der Selbstbedienung gleich zu wesentlichen
Teilen in Weiterbildungswerke der Gewerkschaften und Arbeitgeber fließen, da
diese nicht hinreichend zielgenau auf die Arbeitsmarktnachfrage und Eigen-
schaften der Teilnehmer zugeschnitten sind und eine wirksame Qualitäts- und
Erfolgskontrolle, wenn überhaupt, noch in den Anfängen steckt. Gleicherma-
ßen gilt dies für die öffentlich subventionierte, unfaire Konkurrenz für mittel-
ständische Unternehmen und Existenzgründer durch Arbeitsbeschaffungs-
(§ 260 SGB III), und Strukturanpassungsmaßnahmen (§ 272 SGB III), etwa im
Bereich des Garten- und Landschaftsbaus, des Handwerks und der Bauwirt-
schaft, die keine Brücken in den ersten Arbeitsmarkt bauen. Die FDP-Fraktion

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hat hierzu Reformvorschläge vorgelegt (Antrag der FDP-Fraktion vom 4. Juni
2001; Bundestagsdrucksache 14/6621).

Viertens muss hierfür die Evaluierung der Arbeitsmarktpolitik deutlich verbes-
sert werden. Zwar gibt die seit 1998 veröffentlichte so genannte Verbleibsquote
aus der Eingliederungsbilanz der Bundesanstalt für Arbeit den Anteil der Teil-
nehmer an den einzelnen Maßnahmen an, die 6 Monate nach dem Austritt nicht
mehr als arbeitslos registriert sind, § 11 SGB III. Ob diese für eine substantielle
Maßnahmenevaluation im eigentlichen Sinne brauchbar ist, muss bezweifelt
werden. Die Evaluationsforschung muss durch die Bereitstellung adäquater In-
dividualdaten, über die die Bundesanstalt für Arbeit bereits verfügt, gefördert
werden. Auch muss die Möglichkeit geschaffen werden, die Beschäftigten-
statistik mit der Vermittlungs-, Arbeitslosigkeits- und Arbeitsförderungsstatis-
tik zu verknüpfen, um die Erwerbsverläufe ehemaliger Programmteilnehmer
längerfristig zu verfolgen. Die Datenverarbeitung sollte so organisiert werden,
dass ein Datenzugang für die externe Arbeitsmarktforschung an den Univer-
sitäten und den unabhängigen Forschungsinstituten möglich wird. Die mit der
Produktion und Kontrolle der Daten betraute Einheit sollte, soweit möglich,
von der operativen Vermittlung getrennt werden. Das Institut für Arbeitsmarkt-
und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit darf nicht mehr die Hauptlast
der Evaluation tragen. Diese sind im Wettbewerb öffentlich auszuschreiben.

Fünftens muss die Zeitarbeit (AÜG) liberalisiert werden, da sich seine Brücken-
funktion zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht nur in beschäftigungs-
politisch erfolgreichen Ländern, sondern auch in Deutschland bewährt hat.
Früher für notwendig gehaltene Beschränkungen der Nutzung von Arbeit-
nehmerüberlassung oder zwingende Bestimmungen für das Leiharbeitsverhält-
nis müssen daher im Interesse einer noch häufigeren Nutzung der gewerbsmä-
ßigen Arbeitnehmerüberlassung gelockert oder aufgehoben werden. Soziale
Nachteile für Leiharbeitnehmer sind daraus nicht zu erwarten. Die FDP-Frak-
tion wird hierzu eine Gesetzesinitiative vorlegen, welche folgendes Maßnah-
men-Bündel enthält:
– Erlaubnisfreiheit der Arbeitnehmerüberlassung für Arbeitsgemeinschaften

zwischen Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftszweige und mit unter-
schiedlichen Tarifverträgen.

– Die zulässige Höchstdauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an den-
selben Entleiher wird auf 36 Monate erweitert.

– Streichung des Tarifvertragsvorbehalts für die erlaubnisfreie Arbeitnehmer-
überlassung zwischen Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Ver-
meidung von Kurzarbeit und Entlassungen.

– Das Verbot, die Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer
und Verleiher auf die Dauer der erstmaligen Überlassung an einen Entleiher
zu beschränken, wird aufgehoben.

– Die Beschränkung für befristete Arbeitsverträge zwischen Leiharbeitnehmer
und Verleiher wird abgeschafft.

– Das Verbot, einem gekündigten Leiharbeitnehmer nicht vor Ablauf einer
Frist von drei Monaten erneut einzustellen, wird abgeschafft.

– Die schriftliche Anzeigepflicht eines Arbeitgebers mit weniger als 50
Beschäftigen, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen einen
Arbeitnehmer an einen Arbeitgeber bis zu 36 Monate überlässt, wird abge-
schafft.

– Die Verpflichtung nach Ablauf des 12. Monats der Überlassung dem Zeit-
arbeitnehmer die im Entleihbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer des Ent-

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leihers geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu
gewähren, wird gestrichen.

– Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung wird durch eine Klarstellung
erleichtert und entbürokratisiert.

Berlin, den 19. Februar 2002
Dirk Niebel
Dr. Irmgard Schwaetzer
Rainer Brüderle
Dr. Heinrich L. Kolb
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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