BT-Drucksache 14/8187

Rahmenbedingungen einer europäischen und nationalen Umwelthaftung

Vom 5. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8187
14. Wahlperiode 05. 02. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrike Flach, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia
Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto
Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion
der FDP

Rahmenbedingungen einer europäischen und nationalen Umwelthaftung

Einem Richtlinienentwurf der EU-Kommission folgend soll für Unternehmen
und Mitgliedstaaten der Europäischen Union künftig eine umfassende Haf-
tungsverpflichtung für Umweltschäden eingeführt werden. Diese betrifft Schä-
den aus den Bereichen Wasserverschmutzung und Beeinträchtigung der Was-
serqualität sowie ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigungen, welche als deren
Folge oder als Folge von Bodenverunreinigungen eintreten. Dabei geht es nicht
allein um die Freisetzung gefährlicher Substanzen, sondern auch um mögliche
negative Folgen beispielsweise von Lärm, Hitze oder Vibrationen. Überdies ist
eine Haftungsverpflichtung für Schäden an der biologischen Vielfalt in gesamt-
europäischen und nationalen Schutzgebieten vorgesehen. Die Haftungsver-
pflichtung soll auch dann greifen, wenn kein unmittelbar Geschädigter auszu-
machen ist. Umweltbezogene Schadensersatzansprüche sollen insoweit aus
dem Bereich des Zivilrechts in das Öffentliche Recht überführt werden: Im
Zweifel, zum Beispiel bei höherer Gewalt, Zahlungsunfähigkeit eines Haf-
tungsverpflichteten oder dann, wenn sich der Verursacher nicht ermitteln lässt,
sollen die Mitgliedstaaten für sämtliche Kosten haften. Diese staatliche „Aus-
fallhaftung“ soll auch für den Fall gelten, dass es zu Umweltschäden kommt,
obwohl das Unternehmen über eine behördliche Betriebsgenehmigung verfügte
und nachweisen kann, dass alle gesetzlichen Auflagen eingehalten worden
sind.
Medienberichten zufolge hat die Bundesregierung insbesondere die „Ausfall-
haftung“ des Staates kritisiert und auf „unüberschaubare zusätzliche finanzielle
und sonstige Risiken“ hingewiesen (Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 22. Ja-
nuar 2002). Verschärft würden diese Risiken dadurch, dass nach den Vorstel-
lungen des Richtlinienentwurfs Umweltverbände die Behörden gerichtlich zur
Sanierung belasteter Standorte zwingen könnten. Dabei soll die Höhe eines
Schadensersatzes nach den Vorstellungen der EU-Kommission an den Kosten
der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes orientiert sein. Bei irrever-
siblen Schäden soll der Aufwand für Kompensationsmaßnahmen an anderer
Stelle zugrunde gelegt werden. Die finanzielle Gesamtbelastung durch die Haf-

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tungsregelung veranschlagt die EU-Kommission in der Gemeinschaft auf min-
destens 1,5 Mrd. Euro im Jahr.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten Richtlinienentwurf der

EU-Kommission zur Umwelthaftung aus ökologischer, ökonomischer und
rechtlicher Sicht?

2. Welche konkreten „unüberschaubaren zusätzlichen finanziellen und sonsti-
gen Risiken“ erkennt die Bundesregierung mit Blick auf den jüngsten
Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Umwelthaftung und wie ge-
denkt sie, diesen Risiken zu begegnen?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeiten einer privatwirt-
schaftlichen Versicherung von Umwelthaftungsrisiken und einer in diesem
Zusammenhang finanziellen Bewertung von Umweltschäden?

4. Liegen der Bundesregierung Schätzungen über die absehbare Höhe zuge-
höriger Versicherungsprämien vor?

5. Wenn ja, wie lauten diese Schätzungen und aus welchen Erfahrungen bzw.
Untersuchungen sind diese abgeleitet?

6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, einem Verursacher gege-
benenfalls die Verantwortlichkeit beispielsweise für eine Schädigung der
biologischen Vielfalt nachzuweisen?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, Haftungsobergrenzen
für Umweltrisiken vorzusehen?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die vorgesehene „Ausfallhaftung“ des
Staates?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die damit verbundenen Risiken für die
öffentlichen Haushalte und auf welche Weise gedenkt sie, diesen Risiken
Rechnung zu tragen?

10. Wie bewertet die Bundesregierung eine Form der finanziellen Vorsorge für
Umwelthaftungsschäden, wonach Haftungsverpflichtete Zwangsbeiträge
in einen obligatorischen Umweltfonds zu entrichten hätten?

11. Werden derartige Fondslösungen zur Deckung von Umwelthaftungsrisiken
in anderen Ländern, beispielsweise in den USA, gegenwärtig praktiziert
und welche Erfahrungen wurden dort gesammelt?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung, derartige obligatorische Fonds zur
Deckung von Umwelthaftungsrisiken einzurichten?

13. Wenn nein, wie gedenkt die Bundesregierung statt dessen, die finanziellen
Risiken einer umfassenden Haftpflicht für Umweltschäden abzusichern?

14. Wenn ja, welche Branchen sollen davon gegebenenfalls betroffen sein?
15. Liegen der Bundesregierung Schätzungen über die absehbare Höhe solcher

Zwangsbeiträge für haftungsverpflichtete Unternehmen vor und wie lauten
diese gegebenenfalls?

16. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu der Frage, ob eine Um-
welthaftpflicht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf freiwil-
liger oder demgegenüber obligatorischer Basis eingeführt werden soll?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die vorgesehenen Regelungen zur Um-
welthaftung aus wettbewerbspolitischer Sicht im Allgemeinen sowie mit
Blick auf die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen im Besonderen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8187

18. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um vor diesem Hinter-
grund den besonderen Belangen von Handwerksbetrieben sowie von klei-
nen und mittleren Unternehmen in Deutschland angemessen Rechnung zu
tragen?

19. In welcher Form hat die Bundesregierung ihre Vorstellungen zur Gestal-
tung der Rahmenbedingungen für eine Umwelthaftung auf europäischer
Ebene bisher eingebracht und welche künftigen Aktivitäten sind geplant?

Berlin, den 30. Januar 2002
Birgit Homburger
Marita Sehn
Ulrike Flach
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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