BT-Drucksache 14/8115

Mit Nachdruck auf mittelstandsgerechte Eigenkapitalrichtlinien (Basel II) hinwirken

Vom 30. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8115
14. Wahlperiode 30. 01. 2002

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, Dr. Uwe-
Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, Rolf Kutzmutz und der Fraktion der PDS

Mit Nachdruck auf mittelstandsgerechte Eigenkapitalrichtlinien (Basel II)
hinwirken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Neufassung der Eigenkapitalrichtlinien von 1988 im Basel II-Akkord zielt
darauf, die bislang gültige und von der Bonität des Kreditnehmers unabhängige
Unterlegung mit Eigenkapital der Banken risikoadäquater zu gestalten. Dabei
soll eine differenzierte Besicherung der Forderungen realisiert werden. Diese
Neufassung ist insbesondere für international agierende Banken dringend er-
forderlich. Damit wird ein Beitrag zur Stabilisierung des Bankensystems und
der Finanzmärkte geleistet. Insofern ist die vorgesehene Weiterentwicklung der
Eigenkapitalrichtlinien positiv zu bewerten.
Allerdings erweist es sich als notwendig, im weiteren Verlauf des Basel II-Pro-
zesses noch abzusehende Härten für kleine und mittlere Unternehmen beim
Zugang zu Fremdkapital zu vermeiden bzw. auszugleichen – ohne das grund-
sätzliche Ziel zu unterlaufen. Es geht um eine Mittelstandskomponente der
Neufassung der Eigenkapitalrichtlinien, da gerade viele KMU – aufgrund
geringer Eigenkapitalquoten – eine hohe Kreditabhängigkeit nachweisen. So
betrugen 1996 bei westdeutschen Unternehmen mit Jahresumsätzen von unter
5 Mio. DM die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten rund 40 Prozent
der Bilanzsumme. Bei Unternehmen mit Jahresumsätzen in Höhe von 5 bis 10
Mio. DM betrug dieser Anteil 34 Prozent sowie bei Unternehmen mit Umsät-
zen in Höhe von 10 bis 25 Mio. DM rund 31 Prozent an der Bilanzsumme. Die
Kreditabhängigkeit der ostdeutschen Unternehmen ist deutlich höher. Bezogen
auf die Bilanzsumme ergab sich 1997 eine durchschnittliche Kreditquote von
knapp 66 Prozent.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
für die von Wirtschafts- und Bankenverbänden, von kleinen und mittelstän-
dischen Unternehmern vorgetragenen und auch in der Öffentlichkeit diskutier-
ten Mängel und Unzulänglichkeiten der bisher vorliegenden Ergebnisse des
Basel II-Prozesses in der weiteren Arbeit auf adäquate Lösungen zu drängen.
Ausgehend vom Antrag aller Fraktionen des Deutschen Bundestages „Fairer
Wettbewerb bei Basel II – Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung
und Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute und Wert-
papierfirmen“ (Bundestagsdrucksache 14/6196) sollte die Bundesregierung
verstärkt darauf hinwirken, dass die Chancengleichheit im Wettbewerb zwi-

Drucksache 14/8115 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

schen nationalen und international tätigen Kreditinstituten sowie zwischen Kre-
ditinstituten verschiedener Institutsgruppen in Deutschland aufrechterhalten
und Wettbewerbsnachteile für kleine und mittlere Unternehmen vermieden
werden. Letzteres trifft insbesondere auf die eigenkapitalschwachen Unterneh-
men zu, wozu die meisten in den neuen Ländern gehören.
Handlungsbedarf im Sinne einer mittelstandsgerechten Neufassung des Basler
Regelwerkes besteht, weil
– die vom Basler Ausschuss vorgeschlagenen Risikogewichte im internen

Ratingansatz auch nach ihrer Überarbeitung auf Basis der bisherigen Risiko-
gewichte zu einer im Durchschnitt deutlich höheren Eigenkapitalbelastung
für die Kreditinstitute bei unverändertem Kreditrisiko und damit zur Ver-
schlechterung der Kreditkonditionen für einen Großteil kleiner und mittlerer
Unternehmen führen können;

– die gegenwärtig vorgesehenen Regelungen für Langfristkredite, die sich in
Deutschland und anderen europäischen Ländern als stabilisierendes Element
des Finanzsystems erweisen, unangemessen hohe Eigenkapitalzuschläge
nach sich ziehen und damit die bisherigen Finanzierungspreise für kleine
und mittlere Unternehmen gefährden;

– das Problem der Doppelberücksichtigung erwarteter Verluste nach wie vor
nicht befriedigend gelöst ist;

– nicht die Möglichkeit besteht, von der Anwendung des internen Rating-
ansatzes auch nur teilweise Gebrauch machen zu dürfen, was z. B. einen
schrittweisen Übergang vom bestehenden zum nächst höheren Ratingansatz
auf Grund der komplexen Konstruktion des neuen Basler Regelwerks sowie
die Herausnahme einzelner Kreditarten, Geschäftsbereiche oder Tochter-
unternehmen aus dem internen Rating (weil es sich nicht lohnt oder nicht
ausreichend zeitnah erfolgen kann) erheblich erschwert bzw. unmöglich
macht;

– sich für Existenzgründer die Finanzierungssituation verschlechtert, da Basel
II sehr stark auf den Risikogehalt abstellt und die Banken infolge des Feh-
lens qualifizierter Daten insbesondere für Existenzgründer vorsichtig agie-
ren müssen;

– nach gegenwärtigem Verhandlungsstand Formen der bisher zulässigen Be-
sicherung von Krediten nicht mehr bzw. nicht ausreichend auf die Eigen-
kapitalbestimmungen angerechnet werden sollen, wie z. B. Sachsicherheiten
oder Sicherungsübereignungen.

Wegen der zum jetzigen Verhandlungsstand noch erkennbaren stärkeren Belas-
tung der kreditabhängigen kleinen und mittleren Unternehmen sollten als Maß-
nahmen u. a. die Zuordnung von Krediten an kleinere und mittlere Unterneh-
men in das so genannte Retail-Portfolio, die Berücksichtigung der Größe der
Unternehmen bei der Berechnung der Risikogewichte, die Definition eines
eigenständigen „Mittelstands-Portfolios“, die Anerkennung von Sachsicher-
heiten und die Verbriefung von Forderungen in Betracht gezogen werden. Eine
Lösung für Existenzgründerinnen und Existenzgründer muss entweder durch
Sonderregelungen im Rahmen des internen Ratings oder durch ein entspre-
chendes öffentliches Förderinstrumentarium geschaffen werden, das die entste-
henden Nachteile für die Betroffenen ausgleicht.
Weiterhin muss aufgrund der höheren Kreditabhängigkeit der ostdeutschen
Unternehmen von den Banken sowie den spezifisch transformationsbedingten
höheren Unternehmensrisiken deren derzeit zu erwartender Zusatzbelastung
entgegengewirkt werden, da die nach Risiken differenzierte Eigenkapitalunter-
legung steigende Kreditkosten oder eine restriktive Kreditvergabe bis zur -ver-
weigerung nach sich ziehen wird. Darüber hinaus könnte ein anderer Modus

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8115

der Fördermittelausreichung (ohne Zwischenschaltung von Hausbanken) der
besonderen Situation ostdeutscher Unternehmen Rechnung tragen.

Berlin, den 28. Januar 2002
Dr. Christa Luft
Dr. Barbara Höll
Heidemarie Ehlert
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Dietmar Bartsch
Rolf Kutzmutz
Roland Klaus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.