BT-Drucksache 14/8113

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Finanzverwaltung (Nachfrage)

Vom 29. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8113
14. Wahlperiode 29. 01. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll und der Fraktion der PDS

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Finanzverwaltung (Nachfrage)

Durch eine Verwaltungsgerichtsklage einer Nürnberger Finanzbeamtin sowie
durch Presseveröffentlichungen wurde bekannt, dass die Firma Diehl Stiftung
& Co einen Steuererlass in Höhe von 60 Mio. DM erhielt. Dieser geht auf die
Auffassung des Unternehmens und der Oberfinanzdirektion Nürnberg zurück,
wonach in den neunziger Jahren veräußerte Unternehmensanteile dem Privat-
vermögen der Unternehmenseigner zuzuordnen sind. Laut den Presseberichten
teilte die Finanzbeamtin diese Ansicht nicht und forderte eine steuerliche Be-
rücksichtigung. Nachdem sie der Anweisung der Oberfinanzdirektion Nürn-
berg, der Firma Diehl Stiftung & Co die Steuer in Höhe von 60 Mio. DM zu er-
lassen, nicht gefolgt war, wurde sie von dem Fall abgezogen. Daraufhin reichte
die Finanzbeamtin Klage ein.
In die Auseinandersetzung war auch das Bundesamt für Finanzen involviert.
Nachdem dieses anfänglich die Meinung der Finanzbeamtin vertrat, schloss es
sich später der Auffassung der Firma Diehl Stiftung & Co und der Oberfinanz-
direktion Nürnberg an. Inzwischen hat laut Presseberichten (vgl. Nürnberger
Nachrichten vom 27. November und 22./23. Dezember 2001, Süddeutsche Zei-
tung vom 23. November 2001) das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
den Fall überprüft. Nach Darstellung des BMF ist der Verzicht auf die Steuer-
nachzahlung des Rüstungskonzerns Diehl Stiftung & Co rechtens. Allerdings
verweigert die Bundesregierung bisher Auskunft über die Weise, in der sowohl
das Bundesamt für Finanzen als auch das BMF selbst in den Fall des Steuerer-
lasses einbezogen sind. In ihrer Antwort auf eine entsprechende Kleine An-
frage der Fraktion der PDS (Bundestagsdrucksache 14/7959) begründet die
Bundesregierung die Nichtbeantwortung aller Fragen mit der Pflicht zur Wah-
rung des Steuergeheimnisses, obwohl sich eine Reihe von Fragen nicht auf die
steuerlichen Verhältnisse der Firma Diehl Stiftung & Co, sondern auf die
Handlungsweise der Bundesbehörden bezog.
Die Weigerung der Bundesregierung, die Fragen zu beantworten, ist um so be-
dauerlicher, als dass dadurch die in Presseberichten geäußerten Vermutungen,
dass die Meinung der Bundesbehörden eher durch „politische Interessen“ als
durch „steuerrechtliche Überzeugungen“ beeinflusst sind, nicht ausgeräumt
werden können. In den Presseberichten wird ein Zusammenhang zwischen den
durch die Bundesregierung im Januar 2000 verschärften Rüstungsexport-Richt-
linien und der damit einhergehenden Erschwernis von Rüstungsexporten für die
Firma Diehl Stiftung & Co gesehen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was beinhaltet die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses gemäß § 30

der Abgabenordnung (AO)?

Drucksache 14/8113 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sich die Vorschrift des § 30 AO
(Pflicht der Wahrung des Steuergeheimnisses durch Amtsträger) auch auf
Aussagen über die Tätigkeit und Verantwortlichkeit der Finanzverwaltung
beziehen (Antwort bitte mit Begründung)?

3. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 1
der Kleinen Anfrage der Fraktion der PDS „Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger in die Finanzverwaltung“ (Bundestagsdrucksache 14/7911) nach
dem Aufwand der Mitwirkung des Bundesamtes für Finanzen an der
Außenprüfung auf die Verhältnisse bzw. Betriebs- oder Geschäftsgeheim-
nisse des Steuerpflichtigen?

4. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 2
der genannten Kleinen Anfrage nach der Haltung des Bundesamtes für
Finanzen im Dezember 1999 auf die Verhältnisse bzw. Betriebs- oder Ge-
schäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

5. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 3
der genannten Kleinen Anfrage nach der Haltung des Bundesamtes für
Finanzen im Januar 2001 auf die Verhältnisse bzw. Betriebs- oder Ge-
schäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

6. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 7
der genannten Kleinen Anfrage nach dem Zustandekommen der Meinung
betroffener Finanzbediensteter, der Steuererlass an die Firma Diehl Stif-
tung & Co sei „politisch motiviert“, auf die Verhältnisse bzw. Betriebs-
oder Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

7. Inwieweit beziehen sich nach Auffassung der Bundesregierung die Fra-
gen 9 und 10 der genannten Kleinen Anfrage nach der Anforderung
entsprechender Unterlagen durch das BMF auf die Verhältnisse bzw.
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

8. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 11
der genannten Kleinen Anfrage nach dem Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger in die Finanzverwaltung auf die Verhältnisse bzw. Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

9. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 12
der genannten Kleinen Anfrage nach dem Vertrauen der Beamtinnen und
Beamten in die übergeordneten Finanzbehörden auf die Verhältnisse bzw.
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

10. Inwieweit bezieht sich nach Auffassung der Bundesregierung die Frage 13
der genannten Kleinen Anfrage nach der Notwendigkeit der Offenbarung
von nach § 30 AO erlangten Kenntnissen zur Richtigstellung von in der
Öffentlichkeit verbreiteten unwahren Tatsachen auf die Verhältnisse bzw.
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Steuerpflichtigen?

11. Welche Position bezieht die Bundesregierung zu den in Presseberichten
verlautbarten Vermutungen, bei der Bestätigung der Rechtmäßigkeit des
Steuererlasses durch das BMF handele es sich um übergeordnete politische
Interessen im Zusammenhang mit der Verschärfung der Rüstungsexport-
Richtlinien?

12. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Fall des Steuerverzichts in
Höhe von 60 Mio. DM zugunsten der Firma Diehl Stiftung & Co – hier ins-
besondere das Agieren des Bundesamtes für Finanzen sowie des BMF –
geeignet ist, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Finanzver-
waltung zu erschüttern?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 24. Januar 2002
Dr. Barbara Höll, Roland Claus und Fraktion

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