BT-Drucksache 14/797

UN-Sondergeneralversammlung - 5 Jahre nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo - Aktive Bevölkerungspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit

Vom 20. April 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/797 vom 20.04.1999

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN VN-Sondergeneralversammlung
- 5 Jahre nach der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo
- Aktive Bevölkerungspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit =

20.04.1999 - 797

14/797

Antrag
der Abgeordneten Gabriele Fograscher, Adelheid Tröscher, Günter
Oesinghaus, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Peter Struck und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster-Loßack,
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
VN-Sondergeneralversammlung - 5 Jahre nach der Konferenz für
Bevölkerung und Entwicklung in Kairo - Aktive Bevölkerungspolitik in
der Entwicklungszusammenarbeit

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Weltbevölkerung wächst. Im Herbst dieses Jahres werden mehr als 6
Milliarden Menschen auf dieser Erde leben. Die Gründe sind nicht mehr
allein hohe Geburten- und Fertilitätsraten. Durch verbesserte
Gesundheits- und Lebensbedingungen in vielen Ländern sterben weniger
Mütter und Kinder. Die Lebenserwartung der Menschen steigt.
Zwar sinkt die durchschnittliche Geburtenrate, dennoch wächst die
Weltbevölkerung pro Jahr um ca. 80 Millionen. Eine hohe Zahl der
weltweit 1,05 Milliarden Jugendlichen hat oft keinen Zugang zu
Aufklärung und Familienplanung. So ist die Zahl unerwünschter und zu
früher Schwangerschaften weltweit mit einem Anteil von 15 % am
Bevölkerungswachstum viel zu hoch.
Weiteres Wachstum der Bevölkerung ist nicht alleinige Ursache von
Unterentwicklung, hat aber krisenverschärfende Wirkung. Dies beruht
einerseits darauf, daß das Bevölkerungswachstum auf Knappheiten (z. B.
Wassermangel, Verlust fruchtbaren Landes) trifft, und andererseits
darauf, daß ein verstärkter Druck auf die sozio-ökonomische Entwicklung
(weltweite Arbeitslosigkeit) besteht. Bevölkerungswachstum verstärkt
direkt und indirekt den Wanderungsdruck und damit Migration,
insbesondere das Abwandern vom Lande in die Städte, die für den Zustrom
nicht gerüstet sind. Die Verstädterung kann die Slumbildung, damit
einhergehend das Wiederaufflammen von Krankheiten, das Zerbrechen
gewachsener sozialer Strukturen und die Zunahme von Kriminalität,
begünstigen.
Eine Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums löst nicht alle
Probleme, erleichtert aber Problemlösungen für eine zukunftsfähige
menschenwürdige Entwicklung. Die Industrieländer haben sich in Kairo
1994 verpflichtet, zum globalen Prozeß der Sicherung der Lebenschancen
künftiger Generationen beizutragen.
Auf der Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung 1994 in Kairo ist ein
Aktionsprogramm beschlossen worden, das alle bevölkerungsrelevanten
Fragen anspricht. Experten haben für die Finanzierung dieses Bereiches
etwa 17 Mrd. US-Dollar geschätzt, doch gab es keine finanzielle
Verpflichtung der teilnehmenden Staaten.
II. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Absicht der Bundesregierung,
- die Ziele des Aktionsprogramms mit jährlich 450 Mio. DM zu
unterstützen,
- ihrer Verantwortung für die multilaterale
Entwicklungszusammenarbeit verstärkt Rechnung zu tragen,
- den Abwärtstrend des Einzelplanes 23 (Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu stoppen,
- die entwicklungspolitische Arbeit der
Nichtregierungsorganisationen (NRO) verstärkt zu unterstützen,
- die primäre Gesundheitsversorgung von Frauen und Mädchen, deren
wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie Grund- und Ausbildung verstärkt zu
fördern und damit einen integrativen Ansatz zu verfolgen.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Beschlüsse von der Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung
1994 in Kairo zu bestätigen und zu bekräftigen,
2. die EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um die Umsetzung des
Aktionsprogramms von Kairo voranzutreiben,
3. der reproduktiven Gesundheit im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit eine wichtigere Rolle zukommen zu lassen und
sie zu einer Querschnittsaufgabe weiterzuentwickeln,
4. die Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer besonders zu
unterstützen, die bisher Familienplanungsmaßnahmen aus eigener Kraft
vor allem in ländlichen Gebieten nicht flächendeckend anbieten können,
5. die Finanzierung für Maßnahmen, wie sie in Kapitel 13 Nr. 15 des
Aktionsplans von Kairo beschrieben sind, soweit identifizierbar, zu
erhöhen und den Beschluß des Deutschen Bundestages aus der 12.
Wahlperiode (Drucksache 12/8162) umzusetzen,
6. bevölkerungspolitisch relevante Maßnahmen, die schwerpunktmäßig in
Maßnahmen der allgemeinen Gesundheitsversorgung integriert sind,
nachvollziehbar darzustellen,
7. Maßnahmen, die Einfluß auf das Bevölkerungswachstum haben, zu
intensivieren, insbesondere
- Strukturverbesserung im ländlichen Raum,
- Zugang von Frauen und Mädchen zu Bildungs- und
Ausbildungsmaßnahmen,
- Verbesserung der Einkommensmöglichkeiten für Frauen und Mädchen,
- Verbesserung der rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen
Stellung der Frau,
- Zugang zu Methoden und Leistungen der Familienplanung und
Empfängnisverhütung für Männer und Frauen sowie Aufklärung über HIV-
Infektionen und andere Geschlechtskrankheiten,
- Entwicklung und Ausbau von sozialen Sicherungssystemen,
- Verbesserung der reproduktiven Gesundheitsversorgung,
8. die Sexualaufklärung von Jugendlichen in Entwicklungsländern
verstärkt zu fördern,
9. die Fortsetzung der Arbeit des VN-Bevölkerungsfonds (UNFPA)
weiterhin zu ermöglichen und bei der besseren Koordinierung zwischen
den VN-Organisationen mitzuarbeiten,
10. die Einbeziehung und finanzielle Unterstützung der deutschen NRO
sowie der NRO in den Partnerländern, die auf dem Gebiet der
bevölkerungspolitischen Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, zu
verstärken,
11. die eklatanten Diskriminierungen von Frauen und Mädchen, die sich
z. B. in der Form von Abtreibung weiblicher Föten, der Tötung und
Vernachlässigung weiblicher Neugeborener sowie genitaler Verstümmelung
und massiver Verletzung von Frauenrechten zeigen, ausdrücklich zu
verurteilen,
12. Zwangsmaßnahmen zur Geburtenkontrolle vehement abzulehnen.
Bonn, den 20. April 1999
Gabriele Fograscher
Adelheid Tröscher
Günter Oesinghaus
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Dr. Peter Struck und Fraktion
Dr. Angelika Köster-Loßack
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

20.04.1999 nnnn

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