BT-Drucksache 14/7911

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Finanzverwaltung

Vom 17. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7911
14. Wahlperiode 17. 12. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll und der Fraktion der PDS

Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Finanzverwaltung

Durch die Verwaltungsgerichtsklage einer Nürnberger Finanzbeamtin sowie
durch die Presseveröffentlichungen (Nürnberger Nachrichten, Süddeutsche Zei-
tung) wurde bekannt, dass die Firma Diehl Stiftung & Co einen Steuererlass in
Höhe von 60 Mio. DM erhielt. Dieser Steuererlass geht entsprechend der Presse-
berichte auf die Auffassung des Unternehmens und der Oberfinanzdirektion
Nürnberg zurück, wonach in den neunziger Jahren veräußerte Unternehmensan-
teile dem Privatvermögen der Unternehmenseigner zuzuordnen sind.
Laut diesen Presseberichten teilte die Finanzbeamtin im Rahmen einer Außen-
prüfung diese Auffassung nicht, woraus entsprechend eine steuerliche Berück-
sichtigung resultierte. Daraufhin wurde sie von der Oberfinanzdirektion Nürn-
berg angewiesen, die Auffassung der Firma Diehl Stiftung & Co und der
Finanzbehörde anzuerkennen, was einen Verzicht auf Steuereinnahmen in Höhe
von 60 Mio. DM bedeutete. Laut Presseberichten betonte die Nürnberger
Finanzbehörde wiederholt, dass ein solches Vorgehen „politisch gewollt“ sei.
Nachdem die Finanzbeamtin dieserWeisung nicht gefolgt war, wurde sie als Be-
triebsprüferin von dem Fall abgezogen.
In diese Auseinandersetzung ist auch das Bundesamt für Finanzen involviert.
Nachdem dieses sich noch im Dezember 1999 der Auffassung der Finanzbeam-
tin anschloss, stimmt es seit Beginn des Jahres 2001 dem Steuerverzicht zu. In
der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks vom
6. Dezember 2001 auf die schriftlichen Fragen 25 bis 27 der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll (Bundestagsdrucksache 14/7881) verweigert die Bundesregie-
rung die Auskunft über die Weise, in der die dem Bundesministerium der Finan-
zen (BMF) unterstellte Behörde in den bekannt gewordenen Fall des Steuererlas-
ses einbezogen ist. Sie beruft sich dabei auf das Steuergeheimnis. EinAmtsträger
verletzt das Steuergeheimnis, wenn er die Verhältnisse eines anderen oder ein
fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis unbefugt offenbart oder verwertet.
In der Auskunft, die das BMF erbringen sollte, wurde jedoch die Handlungs-
weise des Bundesamtes für Finanzen abgefragt, nicht die steuerlichen Verhält-
nisse der Firma Diehl Stiftung & Co. Darüber hinaus kann die Offenbarung der
Kenntnisse zulässig sein, wenn dies „zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit
verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwal-
tung erheblich zu erschüttern“ erforderlich ist. Diese Entscheidung trifft, nach-
dem der Steuerpflichtige gehört wurde, die zuständige oberste Finanzbehörde –
die Oberfinanzdirektion Nürnberg – gemeinsammit dem BMF.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie gestalteten sich Art und Umfang (Zeit- und Personalaufwand) der Mit-

wirkung des Bundesamtes für Finanzen an der Außenprüfung der Firma
Diehl Stiftung & Co?

Drucksache 14/7911 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
2. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Presseveröffentlichungen
zu, nach denen der damalige stellvertretende Präsident des Bundesamtes für
Finanzen im Dezember 1999 in einen Schreiben an das Finanzamt Nürn-
berg-Ost den Steuererlass an die Firma Diehl Stiftung & Co ablehnte?

3. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Presseveröffentlichungen
zu, nach denen das Bundesamt für Finanzen seit Januar 2001 die Haltung der
Oberfinanzdirektion Nürnberg unterstützt und dem Steuerverzicht zu-
stimmt?

4. Liegt nach Kenntnis der Bundesregierung dem Bundesamt für Finanzen der
Schlussbericht über die Prüfung der Firma Diehl Stiftung & Co vor?

5. Wenn ja, seit wann liegt nach Kenntnis der Bundesregierung dem Bundes-
amt für Finanzen der Schlussbericht über die Prüfung vor?

6. Welche Kenntnis besitzt die Bundesregierung darüber, dass – laut Pressever-
öffentlichungen – seitens der Firma Diehl Stiftung & Co im Rahmen des be-
nannten Besteuerungsverfahrens verschiedene Vorschläge an die Finanzbe-
hörden unterbreitet wurden, nur einen Teil der Beteiligungen zu besteuern?

7. Wie können nach Meinung der Bundesregierung betroffene Finanzbediens-
tete zu der Ansicht gelangen, dass die Entscheidung über den Steuerverzicht
der Oberfinanzdirektion Nürnberg und des Bundesamtes für Finanzen „poli-
tisch motiviert“ war?

8. Treffen die Presseveröffentlichungen zu, nach denen das BMF überprüfen
wird, ob der vom Bundesamt für Finanzen und von der Oberfinanzdirektion
Nürnberg befürwortete Steuerverzicht rechtlich korrekt war?

9. Wurden seitens des BMF bereits entsprechende Unterlagen von dem Bun-
desamt für Finanzen und der Oberfinanzdirektion Nürnberg angefordert?

10. Wenn Frage 9 mit Nein beantwortet wurde, wann wird das BMF entspre-
chende Unterlagen anfordern?

11. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Fall des Steuerverzichts in
Höhe von 60 Mio. DM zugunsten der Firma Diehl Stiftung & Co geeignet
ist, dasVertrauen der Bürgerinnen undBürger in die Finanzverwaltung zu er-
schüttern?
Wenn nein, warum nicht?

12. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Fall des Steuerverzichts in
Höhe von 60 Mio. DM zugunsten der Firma Diehl Stiftung & Co geeignet
ist, das Vertrauen der Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten, z. B. der Be-
triebsprüferinnen und -prüfer sowie der Steuerfahnderinnen und -fahnder, in
die übergeordneten Finanzbehörden zu erschüttern?
Wenn nein, warum nicht?

13. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Notwendigkeit entstehen
könnte, während und/oder nach Abschluss der Prüfung des Steuerverzichts
durch das BMF eineOffenbarung von nach § 30 der Abgabenordnung (Steu-
ergeheimnis) erlangten Kenntnissen vorzunehmen, um in der Öffentlichkeit
verbreitete unwahre Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Ver-
waltung zu erschüttern, richtig zu stellen?

Berlin, den 12. Dezember 2001
Dr. Barbara Höll
Roland Claus und Fraktion

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