BT-Drucksache 14/7811

Deutschland braucht gesetzliche Rahmenbedingungen für einen allgemeinen Freiwilligendienst

Vom 12. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7811
14. Wahlperiode 12. 12. 2001

Antrag
der Abgeordneten Gerhard Schüßler, Ina Lenke, Ernst Burgbacher, Birgit
Homburger, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Funke, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Deutschland braucht gesetzliche Rahmenbedingungen für einen allgemeinen
Freiwilligendienst

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die rechtlichen Grundlagen für einen allgemeinen Freiwilligendienst für

Menschen in Deutschland zu schaffen,
2. den grenzüberschreitenden Freiwilligendienst zur Erweiterung der informel-

len Bildungschancen insbesondere junger Menschen und zur Stärkung von
Toleranz, Solidarität und Partizipation im Rahmen des europäischen Auf-
bauwerkes zu erleichtern,

3. den Aufbau der Kooperation gemeinnütziger Dienste zwischen der Europäi-
schen Union, der EFTA und den Beitrittsländern sowie ausgewählten Dritt-
ländern zu unterstützen,

4. rechtliche und institutionelle Hindernisse abzubauen,
5. das gemeinschaftliche Aktionsprogramm „Jugend“ entsprechend dem Be-

schluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Novemer 1998
zu unterstützen,

6. den Beschluss Nr. 1686/98/EG der Europäischen Union umzusetzen.

Berlin, den 11. Dezember 2001
Gerhard Schüßler
Ina Lenke
Ernst Burgbacher
Birgit Homburger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Jörg van Essen

Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin

Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt
und Fraktion

Drucksache 14/7811 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
Das „Internationale Jahr der Freiwilligen 2001“ hat den Blick der deutschen
Öffentlichkeit auf die noch unzureichenden rechtlichen und tatsächlichen Rah-
menbedingungen für einen allgemeinen Freiwilligendienst für Menschen in
Deutschland gelenkt. Auch die seitens des Deutschen Bundestages zu Beginn
der 14. Wahlperiode eingesetzte Enquete-Kommission „Zukunft des Bürger-
schaftlichen Engagements“ konnte an diesem Missstand bis heute nichts
ändern. Dabei haben Menschen, die sich freiwillig im In- und Ausland für
andere Menschen und für die Gesellschaft engagieren, einen Anspruch darauf,
dies in rechtlich gesicherten Rahmen tun zu können. Die Schaffung von
Rechtssicherheit und gesellschaftlicher Anerkennung außerhalb der engen
Grenzen und starren Regelungen des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen
sozialen Jahres (FSJ) und des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen öko-
logischen Jahres (FÖJ) ist gerade im Hinblick auf die unsichere Zukunft des
Zivildienstes von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung.
Ein blühendes Gemeinwohl ist auf die Entfaltung und Integration sowie das ge-
sellschaftliche Engagement gerade junger Menschen angewiesen. Die Stärkung
der Zivilgesellschaft in Deutschland und Europa ist darüberhinaus Grundvo-
raussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Völker. Viele Menschen
sind zu einem solchen Engagement bereit. Will der Staat dieses Potential nutzen,
so muss er sich darüber im Klaren werden, welche gesetzlichen Mindestrege-
lungen dazu notwendig sind und diese klar und eindeutig formulieren.
Rechtsstatus und gesellschaftliche Anerkennung
Der Rechtsstatus des Freiwilligen muss eigenständig bestimmt werden und ist
von einem sonstigen Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis abzugrenzen. Wer
etwa außerhalb der engen Grenzen von FSJ und FÖJ einen jungen Freiwilligen
einsetzen will, hat derzeit praktisch nur die Möglichkeit, eine Art Praktikanten-
vertrag abzuschließen. Damit schafft man aber keine neuen Tätigkeitsfelder für
junge Freiwillige, sondern setzt ihren Einsatz misslichen Fehldeutungen aus.
Erst recht gilt dies für junge Freiwillige, die aus anderen, insbesondere osteuro-
päischen Ländern, nach Deutschland kommen.
Der notwendige Rechtsstatus wird die gesellschaftliche Anerkennung förden.
Wesentlich sind u. a. die Qualitätssicherung des Freiwilligendienstes und die
Beseitigung arbeits-, aufenthalts- und sozialrechtlicher Mobilitätshindernisse
für Freiwillige innerhalb der Europäischen Union sowie der Beitrittsländer.
Das Freiwilligengesetz muss den ordnungspolitischen Rahmen der Zivilgesell-
schaft so gestalten, dass neue Tätigkeitsfelder erschlossen und neue Zielgrup-
pen für diesen Dienst gewonnen werden können. Der Wettbewerb auch um
junge Freiwillige aus anderen europäischen Ländern muss so angeregt werden,
dass Jugendlichen generell ein positives Leitbild und eine gute Praxis von Frei-
willigendiensten vermittelt werden. Die gesellschaftliche Anerkennung des ge-
leisteten Dienstes und der in ihm erworbenen Schlüsselqualifikationen durch
Arbeitgeber oder Ausbilder wird dann nicht ausbleiben.
Soziale Absicherung gewährleisten
Das Freiwilligenjahr soll junge Menschen an das bürgerschaftliche Engage-
ment heranführen. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Grundsatz einer strikter
Trennung von bürgerschaftlichem Engagement und Erwerbsarbeit ist deshalb
in diesen Fällen eine soziale Absicherung ausdrücklich erwünscht, zumal die
Menschen während ihrer Einsatzzeit ausschließlich in diesem Rahmen tätig
sind.
Im Einkommensteuer- und Kindergeldrecht darf der (junge) Freiwillige nicht
dafür „bestraft“ werden, dass er freiwillig einen unentgeltlichen Dienst für die

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7811

Allgemeinheit leistet. Es ist zu prüfen, ob Aufwandsentschädigungen steuer-
und sozialversicherungsfrei gestellt werden sollen.
Freiwilligendienst in Europa
Maastricht, Amsterdam und Nizza haben deutlich gemacht, dass die Integration
der mittel- und osteuropäischen Länder in die Union nur gelingen kann, wenn
auch die junge Generation hier wie dort darin ein Zukunftsprojekt sieht, das
ihre Lebenschancen deutlich verbessert. Deutschland steht hier aus historischen
wie geographischen Gründen vor einer besonderen Herausforderung.
Nachdem Deutschland sich im Beschluss des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 20. Juli 1998 (Nr. 1686/98/EG) verpflichtet hat, das Programm eines
Europäischen Freiwilligendienstes so weit wie möglich zu unterstützen, geht es
auch um europäische Glaubwürdigkeit. Deutschland darf nicht Schlusslicht
sein, sondern muss deutlich vorangehen, wenn es um den Abbau rechtlicher
und administrativer Hindernisse für den Zugang sowie der Hindernisse für die
grenzüberschreitende Mobilität der Freiwilligen geht. Deutschland hat sich für
den Sitz der Freiwilligenagentur der Vereinten Nationen stark gemacht, der
praktische Beitrag von deutscher Seite für diese Freiwilligendienste ist aber
immer noch sehr bescheiden. Vor diesem Hintergrund ist ein neuer Ordnungs-
rahmen für Freiwilligendienste – in Sonderheit Jugendfreiwilligendienste – ge-
rade auch aus europapolitischen und internationalen Gründen unumgänglich.

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