BT-Drucksache 14/7789

zu der Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers Tagung des Europäischen Rates in Laeken am 14./15. Dezember 2001

Vom 12. Dezember 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7789
14. Wahlperiode 12. 12. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit
Homburger, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler,
Marita Sehn, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der Abgabe einer Regierungserklärung des Bundeskanzlers
Tagung des Europäischen Rates in Laeken am 14./15. Dezember 2001

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Beim Europäischen Rat in Laeken am 14./15. Dezember 2001 werden die Wei-
chen für das letzte große Reformwerk der Europäischen Union vor ihrer Erwei-
terung um bis zu zwölf Staaten gestellt. Dabei wird nicht nur das Mandat für
den europäischen Verfassungsprozess erarbeitet, der mit der Europäischen
Grundrechte-Charta begonnen hat. Die Europäische Union muss sich darüber
hinaus auch den Herausforderungen der institutionellen Reform stellen, deren
Aufgaben mit dem Europäischen Rat in Nizza im Dezember 1999 nicht oder
nur in höchst unzureichendem Maße gelöst werden konnten. Im Mittelpunkt
der Bemühungen muss ein wirklicher Durchbruch bei den Mehrheitsentschei-
dungen im Rat und ein damit einhergehendes Mitentscheidungsrecht des Euro-
päischen Parlaments stehen. Hieran wird sich die für das Fortbestehen der Eu-
ropäischen Union entscheidende Frage ihrer Handlungsfähigkeit und Effizienz
erweisen. Andernfalls wäre die EU von ihrer institutionellen Struktur her nicht
auf die Erweiterung vorbereitet.
Insgesamt muss der Europäische Rat in Laeken ein klares Signal aussenden,
dass an die Stelle nationaler Egoismen wieder europäisches Denken und Han-
deln tritt sowohl im innergemeinschaftlichen Handeln als auch nach außen,
etwa in Form einer gemeinsamen Antwort auf internationale Krisen. Der Deut-
sche Bundestag erwartet von der Bundesregierung eine deutliche Vorreiterrolle
hierbei, auch durch den Verzicht auf das Einstimmigkeitserfordernis bei Fragen
vordergründig nationalen Interesses.
Der Deutsche Bundestag setzt sich für eine zügige Fortführung und einen Ab-
schluss der Erweiterungsverhandlungen mit den Beitrittskandidaten parallel mit
dem Verfassungsprozess ein. Ziel muss es sein, dass die ersten Beitrittsländer
als Mitglieder der Union an den Wahlen zum Europaparlament 2004 teilneh-
men können. Einziges Kriterium für den Abschluss der Verhandlungen und den
Beitritt eines Kandidaten darf hierbei die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien
sein. Die Fortschrittsberichte der Kommission zum Stand der Verhandlungen

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sind ermutigend, zeigen aber auch noch deutliche Defizite in den Beitrittslän-
dern auf. An deren Überwindung muss nun gezielt gearbeitet werden. Politi-
sche Rabatte darf es nicht geben.
Für den Verfassungsprozess der EU ist das sog. Konventmodell vorgesehen.
Auf Grundlage der Erfahrungen mit dem erfolgreichen Konvent zur Erarbei-
tung der Europäischen Grundrechte-Charta muss hierbei ein möglichst weitge-
hender Einfluss der nationalen Parlamente und des Europaparlaments unter
Einbeziehung der Zivilgesellschaften gesichert werden. Hierzu gehört, dass der
Konvent seine Arbeitsweise selbst bestimmt, seinen vom Europäischen Rat ein-
gesetzten Präsidenten bestätigt und dass im Präsidium des Konvents kein Über-
gewicht der Regierungen entsteht. Da die Beitrittskandidatenländer die Verfas-
sung ebenfalls ratifizieren müssen, müssen sie an ihrer Erarbeitung angemessen
beteiligt werden. Sie müssen spätestens mit Abschluss der Erweiterungsver-
handlungen volles Stimmrecht erhalten.
Der Konvent soll den Auftrag erhalten, einen möglichst weit ausgearbeiteten
Verfassungsentwurf vorzulegen, der Optionen nur da enthält, wo es unvermeid-
lich ist. Auf der Grundlage dieses Textes soll die Regierungskonferenz 2004
möglichst kurze Zeit nach Abschluss der Arbeiten des Konvents beraten und
den Verfassungstext fertigstellen. Am Ende des Prozesses muss ein Referen-
dum der europäischen Bürger und Bürgerinnen über den Verfassungstext ent-
scheiden. Schon durch dieses Verfahren – Konvent und Referendum – wird
eine neue Stufe der europäischen Integration erreicht.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
sich auf dem Europäischen Rat von Laeken für die folgenden Forderungen
aktiv und offensiv einzusetzen:
1. Die „left overs von Nizza“ müssen in das Mandat von Laeken aufgenommen

werden, insbesondere das Ziel, die Mehrheitsentscheidung im Rat zur Regel
zu machen.

2. Das Mandat für den Konvent zur Erarbeitung einer Europäischen Verfas-
sung muss wie folgt ausgestaltet sein:
– Der Konvent muss über seine Arbeitsweise selbst bestimmen können.
– Der Konvent muss den vom Europäischen Rat eingesetzten Präsidenten

bestätigen.
– Im Präsidium des Konvents dürfen die Regierungen kein Übergewicht er-

halten.
– Eine angemessene Beteiligung der Beitrittskandidatenländer muss sicher-

gestellt sein. Spätestens mit Abschluss der Verhandlungen muss ihnen
volles Stimmrecht eingeräumt werden.

– Der Konvent muss beauftragt werden, einen möglichst weit ausgearbeite-
ten Verfassungstext zu erarbeiten, der Optionen nur da vorsieht, wo es
unvermeidlich ist.

3. Die Regierungskonferenz 2004 soll nach möglichst kurzer Pause auf Grund-
lage des Textentwurfs des Konvents den europäischen Verfassungstext fer-
tigstellen.

4. Am Ende soll die Europäische Verfassung den Bürgerinnen und Bürgern in
einem Referendum zur Entscheidung vorgelegt werden.

Berlin, den 11. Dezember 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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