BT-Drucksache 14/7615

Förderung der Innovation im Mittelstand

Vom 26. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7615
14. Wahlperiode 26. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Heinz Riesenhuber, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Klaus
Brähmig, Dr. Hansjürgen Doss, Albrecht Feibel, Klaus Francke, Dr. Hans-Peter
Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Jürgen Gehb, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken,
Ulrich Klinkert, Dr. Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld,
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Elmar Müller (Kirchheim), Bernd Neumann
(Bremen), Friedhelm Ost, Dr. Bernd Protzner, Thomas Rachel, Hans-Peter Repnik,
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Anita Schäfer, Hartmut Schauerte, Karl-Heinz
Scherhag, Dietmar Schlee, Max Straubinger, Andrea Voßhoff, Matthias Wissmann,
Dagmar Wöhrl und der Fraktion der CDU/CSU

Förderung der Innovation im Mittelstand

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Kleine und mittlere Unternehmen tragen entscheidend zum Aufbau neuer

Arbeitsplätze bei. Das gilt insbesondere für den innovativen Mittelstand.
Deutschlands Wirtschaft wendet für Forschung und Entwicklung rd. 60
Mrd. DM pro Jahr auf. Hierzu trägt der Bund rd. 4 Mrd. DM bei.

2. Die internen Forschungsaufwendungen mittelständischer Unternehmen wer-
den auf ca. 8 Mrd. DM geschätzt, der Bund unterstützt die Forschung kleiner
und mittelständischer Unternehmen mit rd. 1 Mrd. DM pro Jahr.
Dieser relativ geringe staatliche Beitrag ist auch ordnungspolitisch wohl be-
gründet: Der innovative Unternehmer kämpft am besten für sein eigenes
Geld.

3. Dennoch haben die staatlichen Hilfen einen guten Sinn. Die Überwindung
von Marktschwellen kann auch in der klassischen Ordnungspolitik staat-
liches Handeln erfordern. Das gilt insbesondere für kleinere und mittlere
Unternehmen, die jeweils allein nicht über die kritische Masse verfügen
könnten, um neue Technologien und strukturellen Wandel erfolgreich aufzu-
nehmen.

4. Die Neugründung technologieorientierter Unternehmen – in Produktion wie
in Dienstleistung – ist für die Innovation unserer Wirtschaft von besonderer
Bedeutung. Sie bringen den schnellsten Technologietransfer aus der Wissen-
schaft, sie müssen sich in sehr dynamischen Märkten behaupten, sie tragen
wesentlich zum Strukturwandel unserer Wirtschaft bei, ob sie nun selbstän-
dig bleiben oder auch dann, wenn sie übernommen werden.

5. Die Zahl der jährlichen Neugründungen von Unternehmen liegt heute (ge-
mäß Arbeitsbericht 2000 des Institutes für Mittelstandsforschung) niedriger
als beim Start der derzeitigen Bundesregierung, nachdem sie unter der

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früheren Bundesregierung seit 1983 bis 1998 ständig angestiegen war. Die
Zahl der Unternehmenskonkurse insbesondere im mittelständischen Bereich
steigt an. Die Forschungskapazität der mittelständischen Wirtschaft ist
zumindest in ihrem Wachstum gefährdet.

6. In Einsicht in die volkswirtschaftliche Bedeutung von Bildung, Wissen-
schaft und Forschung hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung
vom 10. November 1998 versprochen: „Wir werden die Investitionen in
Forschung und Bildung in den nächsten fünf Jahren verdoppeln.“
Im weiteren Verlauf wurden als Grundlage für die Verdopplung „For-
schungsinvestitionen“ von 5 Mrd. DM festgelegt, obwohl die Ausgaben der
Bundesregierung für Forschung und Entwicklung gemäß Bundesfor-
schungsbericht 2000 16,8 Mrd. DM betrugen, für Bildung und Forschung
insgesamt ca. 21 Mrd. DM.

7. Bei der angekündigten Verdopplung der Forschungsaufwendungen in den
kommenden fünf Jahren sollte pro Jahr zusätzlich 1 Mrd. DM für Forschung
verfügbar gemacht werden.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion stellt die
Bundesregierung fest, dass von dieser zusätzlichen 1 Mrd. DM pro Jahr im
Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi)
für das Jahr 2000 zusätzlich 200 Mio. DM für Forschung und Entwicklung
eingestellt werden sollten, in jedem der Folgejahre jeweils zusätzlich wei-
tere 300 Mio. DM (Drucksache 14/1851 vom 25. Oktober 1999). Diese soll-
ten in erster Linie den kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute
kommen.

8. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betrugen im Haushalt 1998
des BMWi, dem letzten Haushalt der alten Bundesregierung, 1,32 Mrd. DM
(dabei wurden die von der neuen Bundesregierung aus dem Haushalt des
BMBF in den Haushalt des BMWi übertragenen Titel dem Haushalt des
BMWi zugerechnet). Der Haushalt 2002 sieht für die Forschungstitel im
Haushalt des BMWi 1,41 Mrd. DM vor. Berücksichtigt man, dass hierin eine
Steigerung der Mittel zur Abdeckung der Ausfälle aus dem BTU-Programm
in Höhe von ca. 150 Mio. DM enthalten ist, dann stellt man fest, dass die
Ansätze für Forschung und Entwicklung im Haushalt des BMWi nicht nur
nicht gestiegen, sondern sogar gefallen sind.
Im Gegensatz dazu hatte die Bundesregierung für 2002 eine Steigerung um
800 Mio. DM insgesamt versprochen, selbst wenn man die Steigerung der
Haushaltsmittel für Forschung im Jahre 1999 mit Null annimmt.

9. Somit entspricht die Förderung der Forschung und Entwicklung in kleinen
und mittleren Unternehmen weder den volkswirtschaftlichen Notwendigkei-
ten noch den Versprechen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers.

II. Daher fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung und
insbesondere den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie auf,
folgende Maßnahmen zu ergreifen:

1. Im nächsten Haushaltsentwurf sowie der nächsten mittelfristigen Finanzpla-
nung sind die versprochenen, zusätzlichen Mittel zur Förderung von For-
schung und Entwicklung, insbesondere zur Förderung der kleinen und mitt-
leren Unternehmen, in den Haushalt des BMWi einzustellen.

2. Dem Deutschen Bundestag ist umgehend ein Konzept zum sinnvollen Ein-
satz dieser zusätzlichen Mittel vorzulegen, denn es ist sicher davon auszuge-
hen, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie diese Kon-
zepte gemäß den Ankündigungen der Bundesregierung in den vergangenen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7615

Jahren erarbeitet hat. Die geringeren Ansätze im Haushalt waren stets mit
der Knappheit der Mittel, nie mit dem Mangel an Konzepten begründet wor-
den. Die entsprechenden zusätzlichen Haushaltstitel sind einzurichten.

3. Innerhalb der derzeitigen Haushaltsstruktur sind insbesondere folgende
Haushaltstitel besser zu dotieren:
Indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit und
Unternehmensgründungen
Angesichts der Wirksamkeit von Pro Inno, der Antragslage und der Tat-
sache, dass es im Sommer 2001 beinahe zu einem Antragsstopp gekommen
wäre, ist eine massive Aufstockung dieses Teils des Fördertitels dringend
notwendig. Auch die unabhängigen Experten der Kommission zur System-
evaluierung der wirtschaftsintegrierenden Forschungsförderung des BMWi
kamen in ihrem jüngst vorgelegten Bericht zum gleichen Ergebnis.
Aus Pro Inno wird auch ein Netzwerk von Kontaktbüros in MOE-, asiati-
schen und lateinamerikanischen Ländern gefördert. Unter dem Gebot von
Einsparungen droht im Jahr 2002 die Schließung von 4 der insgesamt etwa
22 Kontaktbüros. Dabei wäre gerade dieses Netzwerk ausbauwürdig, um
den KMU den Zutritt zu ausländischen Technologiemärkten und -koopera-
tionen zu verschaffen. Besonders wichtige Länder wie Japan, die USA oder
auch westeuropäische Staaten sind bislang noch überhaupt nicht abgedeckt.
Industrielle Gemeinschaftsforschung
Der Haushaltsansatz wurde für 2002 gegenüber 2001 um über 2 % reduziert.
Damit wird der Antragsstau bei diesem gerade für den industriellen Mittel-
stand wichtigen Förderungsinstrument weiter anschwellen. Die Haushalts-
mittel für die AiF sollten stabilisiert werden, indem ihr etwa die gleichen
Aufwüchse zugestanden werden, wie sie die großen Wissenschaftsorganisa-
tionen erwarten dürfen.
Forschung und Entwicklung in den neuen Ländern
Die Kürzung gegenüber 2001 um ca. 10 Mio. Euro bewirkt, dass weniger
Unternehmen gefördert werden können und dadurch eine nicht unwesent-
liche Zahl zukunftswichtiger Arbeitsplätze im FuE-Bereich des Wirtschafts-
sektors der neuen Bundesländer gefährdet wird. Eine Reduzierung der För-
derung der wirtschaftsnahen Forschung ist deshalb nicht akzeptabel. Ohne
ausreichende Innovationen kommt es zu Verzögerungen beim Aufbau einer
selbsttragenden Wirtschaft, vorhandene Wettbewerbsnachteile können nicht
mehr ausgeglichen werden. Die vorgesehene Kürzung stellt somit das Be-
kenntnis der Bundesregierung, den Aufbau Ost zur Chefsache zu machen,
ernsthaft in Frage.
Netzwerkmanagement in den neuen Bundesländern (NEMO)
Die Maßnahme wird als sinnvoll erachtet im Sinne des dringend benötigten
„coaching“ von KMU in den neuen Bundesländern. Auch wenn nunmehr
erhebliche UMTS-Mittel in die BMBF-Initiativen InnoRegio und „Inno-
vative regionale Wachstumskerne“ fließen, bleibt NEMO ein eigener sinn-
voller Ansatz.
Beteiligung am Innovationsrisiko von Technologieunternehmen
Die Mittel zur Beteiligung am Innovationsrisiko von Unternehmen sind aus-
reichend zu dotieren, um die seit 1998 anwachsenden Kreditausfälle (ein-
schließlich der Ausfälle aus Insolvenzen) hinreichend abzudecken. Eine
generelle Zurückhaltung bei der Bewilligung neuer Zusagen wegen anstei-
gender Kreditausfälle wäre gerade jetzt nicht zu rechtfertigen.

Drucksache 14/7615 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
4. Zur strategischen Planung ist ein Gesamtkonzept zur Förderung des innova-
tiven Mittelstandes vorzulegen. Das letzte entsprechende Konzept stammt
vom Dezember 1997, und es ist (auch entsprechend den Forderungen aus
der Wirtschaft) ein Gesamtkonzept erforderlich, um eine rationale Ausein-
andersetzung mit Parlament, Wissenschaft und Wirtschaft zu ermöglichen
und schließlich Planungssicherheit zu gewährleisten.

5. Es ist klarzustellen, wie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
sich die bei Amtsantritt der Bundesregierung angekündigte Konzentration
der Fördermaßnahmen vorstellt, die durch Zusammenfassung der Pro-
gramme in drei „Förderlinien“ keineswegs erreicht wurde. Dabei ist insbe-
sondere zu klären, ob unterkritisch gering finanzierte Programme wie „Inno-
net“ oder das Modellprojekt „Förderung der kommerziellen Nutzung von
Informations- und Kommunikationstechnik durch kleinere und mittlere Un-
ternehmen“ angemessen dotiert werden können.

6. Die Dynamik der Gründungen ist nicht zu behindern, wie dies z. B. durch
die Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze bei der Besteuerung des Wert-
zuwachses von Beteiligungen (von 10 % auf 1 %) geschehen ist, die das
Engagement von Business Angels erheblich beeinträchtigt hat.

7. Um Start-up-Unternehmen wegen ihrer hohen Anlaufverluste nicht in die
steuerliche Falle des § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz laufen zu lassen,
muss die Vorschrift zielgenauer gefasst werden. Unternehmensgründungen
dürfen in Deutschland steuerlich nicht behindert werden.

8. Gemäß mehrfacher Ankündigungen des BMWi ist die Besteuerung von
Aktienoptionen so zu gestalten, dass insbesondere junge Firmen und ihre
Mitarbeiter insofern in Deutschland keine schlechteren Standortbedingungen
vorfinden als in anderen Ländern.

Berlin, den 26. November 2001
Dr. Heinz Riesenhuber
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Klaus Brähmig
Dr. Hansjürgen Doss
Albrecht Feibel
Klaus Francke
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Kurt-Dieter Grill
Ernst Hinsken
Ulrich Klinkert
Dr. Martina Krogmann
Dr. Norbert Lammert
Vera Lengsfeld
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

Elmar Müller (Kirchheim)
Bernd Neumann (Bremen)
Friedhelm Ost
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans-Peter Repnik
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Karl-Heinz Scherhag
Dietmar Schlee
Max Straubinger
Andrea Voßhoff
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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