BT-Drucksache 14/7612

Für ein faires Rentenrecht für das ehemalige mittlere medizinische Personal

Vom 27. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7612
14. Wahlperiode 27. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Klaus Haupt, Jürgen Türk, Dr. Irmgard Schwaetzer, Ina
Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-
Jortzig, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Für ein faires Rentenrecht für das ehemalige mittlere medizinische Personal

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
In der rentenrechtlichen Aufarbeitung nach der Wiedervereinigung sind die
Menschen bislang nicht berücksichtigt worden, die im ehemaligen mittleren
medizinischen Dienst der DDR gearbeitet haben und in der Regel ein ver-
gleichsweise geringes Einkommen hatten – dies, obwohl sie verantwortungs-
volle Tätigkeiten mit erheblichen Belastungen innehatten. Häufig war es ihnen
nicht möglich, der damaligen Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutre-
ten. Gleichwohl wird im Rentenüberleitungsgesetz jedenfalls denjenigen, die
erst nach dem 1. Januar 1997 in Rente gingen, der für sie an sich vorgesehene
Steigerungssatz für die Rentenberechnung vorenthalten. Hier empfiehlt sich
eine Gleichstellung der Personen, die ab dem 1. Januar 1997 in das Rentenalter
eintraten, mit den anderen Rentnern.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
im Rentenrecht eine Regelung einzufügen, die den im § 47 RentenVO der DDR
für das ehemalige mittlere medizinische Personal der DDR vorgesehenen
besonderen Steigerungsbetrag von 1,5 Punkten bei der Berechnung aller, insbe-
sondere jener Personen, die ab dem 1. Januar 1997 in das Rentenalter eintraten,
berücksichtigt.

Berlin, den 27. November 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/7612 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands waren auch Regelungen für die Über-
leitung der Anwartschaften der so genannten Bestandsrentner und für jene zu
treffen, die in Zukunft in das Rentenalter eintreten würden. Die vorgenomme-
nen gesetzlichen Regelungen hatten zu berücksichtigen, dass es sich bei den
erworbenen Anwartschaften der DDR-Bürger um solche handelt, die durch den
Abschluss des Einigungsvertrages, wie zuletzt in der Entscheidung des Bundes-
verfassungsgerichts vom 28. April 1999 hervorgehoben, dem Eigentumsschutz
unterliegen.
Das Einkommen des mittleren medizinischen Personals der ehemaligen DDR
war im Vergleich zum damaligen Durchschnittsverdienst gering. Dies gilt ins-
besondere vor dem Hintergrund, dass diese verantwortungsvolle Tätigkeiten
übernahmen und erheblichen Belastungen, nicht zuletzt durch zwei- oder drei-
schichtigen Dienst auch an Wochenenden und Feiertagen, ausgesetzt waren. In
der Regel waren es Frauen, die das mittlere medizinische Personal in der ehe-
maligen DDR bildeten. Ihr geringes Einkommen bedeutete zugleich, dass ihnen
der Zugang zu der seit dem 1. März 1971 bestehenden so genannten Freiwilli-
gen Zusatzrentenversicherung (FZR) verwehrt war. Um dieser Rentenvorsorge
beitreten zu können, musste der Schwellenwert von 600 Mark der DDR über-
schritten werden. Daher liegt in der Bestimmung des § 47 der RentenVO der
DDR ein wesentlicher Grund, dass das mittlere medizinische Personal gehalten
werden konnte. Diesen wurde ein besonderer Steigerungsbetrag von 1,5 Punk-
ten bei der Rentenberechnung zugesichert.
Nach der Wiedervereinigung wird das mittlere medizinische Personal im Hin-
blick auf ihre Anwartschaften unterschiedlich behandelt, je nach Zeitpunkt des
Eintritts in das Rentenalter:
a) Renteneintritt bis 31. Dezember 1991: Der in § 47 der RentenVO der DDR

vorgesehene Rentensteigerungsbetrag wurde den ehemaligen Beschäftigten
nach der Wende bis zum 31. Dezember 1991 gezahlt. Für die bis zu diesem
Zeitpunkt in Rente gegangenen Personen, die so genannten Bestandsrentner,
wurde dieser Rentensteigerungsbetrag weiterhin angewandt. Dabei fand ge-
mäß § 307a SGB VI ein Vergleich statt. Sofern sich herausstellte, dass die
nach den Vorschriften der DDR-Verordnung berechnete Rente höher war als
die nach den Vorschriften des SGB VI errechnete Rente, wurde die Diffe-
renz als so genannter Auffüllbetrag weitergezahlt. Seit dem 1. Januar 1996
wird dieser Auffüllbetrag bei den jährlichen Rentensteigerungen abge-
schmolzen.

b) Renteneintritt nach dem 31. Dezember 1991: Bei denen, die nach dem
31. Dezember 1991 in Rente gingen, gab es eine Besitzstandsregelung in
Artikel 2 § 35 RÜG, worin der vormalige Rentensteigerungsbetrag für die
Beschäftigten des mittleren medizinischen Personals weiterhin geregelt war.
Auch im Fall eines Renteneintritts nach dem 31. Dezember 1991 fand eine
so genannte Vergleichsberechnung statt. Für den Fall, dass die nach DDR-
Recht berechnete Rente höher war als die nach dem SGB VI bemessene,
wurde bei den Rentenzugängen bis zum 31. Dezember 1993 ein Renten-
zuschlag gezahlt. Dieser wurde ab dem 1. Januar 1996 bei jeder Rentenan-
passung um 20 %, mindestens aber um 20 DM, abgeschmolzen. Gegebenen-
falls erhielten die Rentner mit einer Rente nach Artikel 2 RÜG einen
Übergangszuschlag nach § 319b SGB VI, der bei jeder Rentenanpassung
sofort abgeschmolzen wurde.

c) Renteneintritt ab dem 1. Januar 1997: Demgegenüber findet bei Personen,
die erst zum 1. Januar 1997 in Rente gingen, der Rentensteigerungsbetrag
des § 47 RentenVO der DDR bei der Berechnung der Altersrente oder einer
sonstigen Rente aus dem SGB VI keine Berücksichtigung mehr. Der Wegfall

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7612

dieses Steigerungsbetrages führt bei Personen, die zeitnah nach dem 1. Ja-
nuar 1997 eine Rente nach dem SGB VI beziehen, zu einer nicht unbeträcht-
lichen Schmälerung. Die Verkürzung der Rente durch den Wegfall des Stei-
gerungsbetrages führt, je nach Versicherungsbiographie, zu eine Minderung
von bis zu 500 DM monatlich und teilweise sogar mehr. Ein nachvollziehba-
rer Grund ist nicht erkennbar, weshalb man denen, die ab dem 1. Januar
1997 in das Rentenalter eintraten, den Steigerungsbetrag des § 47 RentenVO
der DDR vorenthält. Unter Berücksichtigung des Postulats, dass durch ge-
setzgeberische Eingriffe in Rentenanwartschaften diese durchschnittlich um
nicht mehr als 10 % gemindert werden dürfen (Bundesverfassungsgericht
vom 1. Juli 1981 [1 BvR 847/77]), wird eine Gleichstellung der Personen,
die ab dem 1. Januar 1997 in das Rentenalter eintraten, mit den anderen
Rentnern empfohlen.

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