BT-Drucksache 14/7491

zu der dritten Beratung des GE der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung - 14/6378, 14/6878, 14/7469, 14/7490 - E eines G zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuRegG)

Vom 15. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7491
14. Wahlperiode 15. 11. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Marita Sehn, Birgit Homburger, Ulrich Heinrich, Ernst
Burgbacher, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Walter Hirche, Ulrich Irmer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 14/6378, 14/6878, 14/7469, 14/7490 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes
und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften
(BNatSchGNeuregG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der für das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der
Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften federfüh-
rende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deut-
schen Bundestages hat sich im Rahmen einer Anhörung von Sachverständigen
am 24. September 2001 mit dem Entwurf einer Novelle des Bundesnatur-
schutzgesetzes befasst. Die anwesenden Experten haben in großer Zahl gegen-
über der Regierungsvorlage begründete Bedenken geäußert.
Um erfolgreich zu sein, braucht Naturschutz die Akzeptanz der Menschen, ins-
besondere der direkt betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Dies erreicht man
vor allem durch Kooperation. Im Gegensatz dazu steht der Gesetzentwurf der
Bundesregierung, der eine vordringlich dirigistische Ausrichtung hat. Natur-
schutz soll vor allem durch Nutzungseinschränkungen, also durch staatliche
Auflagen erreicht werden, anstatt für einen effektiven Umwelt- und Natur-
schutz eine möglichst breite Akzeptanz zu suchen. Möglichkeiten zum koope-
rativen Naturschutz werden nicht nur nicht erweitert, sondern zurückgenom-
men. Trotz zu erwartender starker Regulierung und einer damit einhergehenden
höheren Belastung ist kein einheitlicher und ausreichender Ausgleich für Na-
turschutzleistungen gewährleistet, die von den Land- und Forstwirten erbracht

Drucksache 14/7491 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

werden. Dies ist sowohl aus umweltpolitischen als auch aus eigentumspoliti-
schen Aspekten nicht akzeptabel. Es gilt stattdessen, beim Naturschutz freiwil-
lige Maßnahmen und den Vertragsnaturschutz in den Vordergrund zu stellen.
Zusätzlicher Dirigismus ist nicht sachdienlich und belastet die naturschutzrele-
vanten Wirtschaftsbereiche unnötig.
Auch die Belange des Tourismus werden in dem Gesetzentwurf nur unzurei-
chend berücksichtigt, was auf diesen hemmend wirkt und dessen Entwicklung
beeinträchtigt. So wird das Ziel einer erfolgreichen Partnerschaft zwischen
Naturschutz, Tourismus und Regionalentwicklung deutlich geschwächt. Damit
ergeben sich für touristische Zentren, die überwiegend im ländlichen Raum an-
gesiedelt sind, unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen. Insbesondere
die Aufhebung der bisherigen Gleichrangigkeit des Fremdenverkehrszweckes
neben dem Erholungszweck für die Ausweisung von Naturparken wird die
Tourismusbranche und die ländlichen Räume in ihrer Entwicklung hemmen.
Durch Hemmnisse für die Bereitstellung und Entwicklung von Strukturmaß-
nahmen kann der Tourismus sein großes arbeitsmarkt-, wirtschafts- und struk-
turpolitisches Potenzial nur eingeschränkt entfalten. Überdies werden sport-
liche Betätigungen in der Natur durch weitreichende Auflagen eingeschränkt.
Tatsächliche Probleme im Naturschutz ergeben sich weniger aus einem Mangel
an Regulierung als vielmehr daraus, dass die Naturschutzverwaltungen organi-
satorisch, personell und finanziell schon derzeit kaum in der Lage sind, ihre
Aufgaben sinnvoll wahrzunehmen. Zur Behebung solcher Defizite trägt die
Novelle jedoch nichts bei, im Gegenteil: Mit der Abkehr vom anthropozentri-
schen Ansatz und einer Zurückstufung des Vertragsnaturschutzes zugunsten
ordnungsrechtlicher Maßnahmen dient der Gesetzentwurf nicht einem dem
Nachhaltigkeitsgrundsatz verpflichteten Interessenausgleich und untergräbt die
Akzeptanz für Maßnahmen des Naturschutzes.
Mit Blick auf die inhaltlichen Kernpunkte der Gesetzesnovelle ist insbesondere
die unzureichende qualitative Spezifikation des so genannten Biotopverbundes
ökologisch kritikwürdig, da eine nähere Spezifizierung der aus fachlicher Sicht
erhaltenswerten Biotope und der zu schützenden Tier- und Pflanzenarten unter-
bleibt. Die flächenbezogene Definition des Biotopverbundes erscheint willkür-
lich und undifferenziert. Rein quantitative Vorgaben ohne hinreichend präzise
qualitative Kriterien nützen dem Naturschutz nichts. Die geplanten Vorgaben
zum Biotopverbund sind insoweit naturschutzfachlich umstritten, in der Praxis
kaum umzusetzen und führen zu erheblicher Bürokratie. Eine zusätzliche Defi-
nition der „guten fachlichen Praxis“ in der Umweltgesetzgebung vermindert
überdies die Rechtsklarheit. Dies ist dem Naturschutz nicht dienlich, zumal in
Deutschland eine weitreichende und vor allem auf den Schutz der Natur- und
Umwelt ausgerichtete Fachgesetzgebung besteht. Die vorgeschlagenen zusätz-
lichen Regelungen zur guten fachlichen Praxis in der Land- und Forstwirtschaft
sind deshalb kontraproduktiv. Die Formulierung konkreter Standards für die
landwirtschaftliche Bodennutzung sollte weiterhin grundsätzlich dem land- und
forstwirtschaftlichen Fachrecht vorbehalten sein, das insofern sachnäher und
deshalb auch deutlich dynamischer fortentwickelt werden kann. Durch die De-
finition konkreter Standards der guten fachlichen Praxis im Naturschutzrecht
werden zudem die bestehenden Fördermöglichkeiten, insbesondere nach den
Agrarumweltprogrammen, gefährdet.
Die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes steht außerdem in Widerspruch
zu einem der zentralen Gedanken des Raumordnungsgesetzes, wonach länd-
liche Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume mit eigenständiger Bedeutung
zu entwickeln sind. Durch die Novelle wird der ländliche Raum massiv in sei-
nen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Es entsteht der
Eindruck, dass dem ländlichen Raum einseitig die Funktion eines ökologischen
Reserveraums zugewiesen wird, während die wirtschaftliche Entwicklung vor
allem in städtischen Ballungsgebieten stattfindet. Die geplante Gesetzesnovelle

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7491

trägt auch dem Gedanken einer gerechten Lastenteilung nicht hinreichend
Rechnung. Während der Nutzen des Naturschutzes der gesamten Gesellschaft
zugute kommt, werden die Lasten einseitig bestimmten Gruppen aufgebürdet.
Naturschutz ist aber eine Aufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung und
nicht nur eine Verpflichtung für Land- und Forstwirte, Grundstückseigentümer
und den ländlichen Raum.
Die geplante Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes entbehrt überdies einer
fachlich fundierten Grundlage. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf
eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 14/6733) erklärt, dass
sie über Kenntnisse bezüglich der finanziellen Folgen einer Ausweisung von
Schutzgebieten nicht verfügt. Akzeptanz für den Naturschutz kann aber nur
erreicht werden, wenn auch die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen ab-
schätzbar sind. Nachhaltigkeit umfasst neben ökologischen und sozialen auch
ökonomische Aspekte. Eine in diesem Sinne nachhaltige Naturschutzgesetz-
gebung ist nicht ohne eine möglichst genaue Abschätzung der ökologischen,
sozialen und ökonomischen Folgen möglich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
– den vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des

Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer
Rechtsvorschriften zurückzuziehen,

– die bestehende Ausgleichsregelung und die gute fachliche Praxis nach Vor-
gabe der land- und forstwirtschaftlichen Fachgesetze zu erhalten und weiter-
zuentwickeln und sicherzustellen, dass die bestehende Ausgleichsregelung
von den Ländern umgesetzt wird,

– sicherzustellen, dass für Tourismus, Sport und Regionalentwicklung keine
Hemmnisse für deren Entwicklung aufgebaut werden, welche zu schwer-
wiegenden gesamtgesellschaftlichen Belastungen führen können, ohne den
Naturschutz zu stärken,

– Maßnahmen zu ergreifen, welche dienlich sind, bestehende Vollzugsdefizite
im Naturschutz zu beseitigen,

– zur Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz die Vorrangstellung des
Vertragsnaturschutzes zu erhalten und dieses Instrument im Sinne des um-
weltpolitischen Kooperationsprinzips unter Wahrung der Eigentumsrechte
Beteiligter und Betroffener gegenüber Maßnahmen des Ordnungsrechtes zu
fördern und weiterzuentwickeln,

– die Anforderungen des ländlichen Raumes und seiner Bewohner sowie der
Wirtschaft zu berücksichtigen und einer weiteren Schlechterstellung des
ländlichen Raumes gegenüber den städtischen Ballungsgebieten entgegen-
zuwirken,

– eine umfassende Studie über die ökonomischen Aspekte des Naturschutzes
in Auftrag zu geben, in welcher die wirtschaftlichen Folgen des Naturschut-
zes dargestellt werden und auf dieser Grundlage auf eine sozial gerechte
gesellschaftliche Lastenverteilung beim Naturschutz hinzuwirken.

Berlin, den 14. November 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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