BT-Drucksache 14/7445

Präventive außenpolitische Konzepte gegen den Terrorismus

Vom 14. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7445
14. Wahlperiode 14. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Dr. Guido Westerwelle,
Ulrich Irmer, Günther Friedrich Nolting, Birgit Homburger,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael
Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt,
Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Ina Lenke, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang
Gerhardt und Fraktion der FDP

Präventive außenpolitische Konzepte gegen den Terrorismus

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Terrorattacke gegen die USA ist auch ein Angriff auf die Grundwerte der
freiheitlichen Staatengemeinschaft, die das friedliche Zusammenleben der
Völker ermöglichen. Dieser massiven Bedrohung unserer Werteordnung muss
entschlossen entgegengetreten werden. Es geht um die Verteidigung der Frei-
heit. Gerade wir Deutschen, zu deren Befreiung von der Schreckensherrschaft
der Nationalsozialisten und später zu deren Wiedervereinigung die dauerhafte
Unterstützung und Solidarität Amerikas Entscheidendes beigetragen haben,
sind besonders aufgerufen, aktiv daran mitzuwirken, die Menschheit von der
Terrorgeißel zu befreien, die Täter vor Gericht zu bringen und auch ihre Gehil-
fen zur Rechenschaft zu ziehen. Angesichts der Gewaltbereitschaft der Gegner
der Freiheit und der Bekundungen der Solidarität mit den Vereinigten Staaten
müssen für die Zukunftsfähigkeit der freien Welt sowohl konkrete Maßnahmen
des Beistandes als auch politische und wirtschaftliche Maßnahmen für die
Problemlösung in Konfliktregionen im Rahmen eines langfristig angelegten
Gesamtkonzeptes ergriffen werden. Es ist daher konsequent, den Bekundungen
der uneingeschränkten Solidarität mit den Vereinigten Staaten konkrete Maß-
nahmen des Beistandes folgen zu lassen. Dazu zählen humanitäre politische
und wirtschaftliche Maßnahmen ebenso wie die Bereitstellung geeigneter mili-
tärischer Fähigkeiten.
Durch den 11. September 2001 ist die Bedeutung der globalen Herausforderun-
gen noch offenkundiger geworden. Entwicklungspolitik, Umweltschutz, inter-
nationale Kriminalität, Terrorismus, Drogenhandel, Migration und Flüchtlings-
elend sind zu gleichrangigen Schwerpunkten der Außenpolitik geworden. Der
so genannte „erweiterte Sicherheitsbegriff“ tritt jetzt ins Zentrum außenpoliti-

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scher Prioritäten. Dabei sollte sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik
den Werten und Prinzipien verpflichtet fühlen, die auch für unser verfassungs-
gebundenes innerstaatliches Handeln gelten. Mit der unter amerikanischer
Führung etablierten globalen Koalition gegen Terror eröffnet sich eine Chance
für die gemeinsame Bewältigung dieser wichtigen Zukunftsaufgaben. Dabei
muss auch der menschenrechtliche und transkulturelle Dialog verstärkt werden.
Präventive regionale und multilaterale Zusammenarbeit liegt mehr als je zuvor
im Interesse der nationalen Außenpolitik. Außen- und Sicherheitspolitik sind
feste Bestandteile der Weltinnenpolitik geworden.
Mit seiner eindeutigen und schnellen Reaktion nach dem 11. September 2001
hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) gezeigt, dass er als zentrales
weltinnenpolitisches Instrument alternativlos ist. Als einzige weltumspannende
und handlungsfähige Organisation bieten die Vereinten Nationen einen geeig-
neten Rahmen für die Umsetzung präventiver Strategien. Die politische Zu-
wendung der USA zur Weltorganisation, die Zahlung der rückständigen Bei-
träge, die Verleihung des Friedensnobelpreises an Kofi Annan und die seit
Mazedonien gewährleistete politische Funktionsfähigkeit des Sicherheitsrates
bieten zusammen mit dem neuen weltpolitischen Aufbruch gegen den Terroris-
mus eine günstige Ausgangslage für die weitere Stärkung der Vereinten Natio-
nen. Als drittgrößter Beitragszahler steht Deutschland hier in besonderer Ver-
antwortung. Das VN-System muss in allen seinen Bereichen ausgebaut und
nachhaltig gestärkt werden. Dies bedeutet nicht nur erhebliche zusätzliche fi-
nanzielle Leistungen, es bedeutet auch die Bereitschaft zur Übertragung natio-
naler Kompetenzen auf die multilaterale Ebene. Die Schaffung des Weltstrafge-
richtshofes ist hier ein erster wichtiger Schritt. Weitere müssen folgen. Der
Afghanistan-Einsatz, wie schon vor ihm die Einsätze auf dem Balkan zeigen,
dass es sich bei der zukünftigen weltweiten Streitschlichtung nicht nur um Ak-
tionen einzelner Staaten handeln kann, sondern dass die Staatengemeinschaft
als Ganzes gefordert ist. Wenngleich den regionalen Sicherheitsbündnissen,
insbesondere der NATO, zukünftig eine zentrale Koordinierungsfunktion bei
derartigen Einsätzen zukommt, müssen die Vereinten Nationen zukünftig in die
Lage versetzt werden, unmittelbar und aus eigenen Kräften streitschlichtend
oder friedensschaffend eingreifen zu können. Die in dem so genannten „Bra-
himi-Bericht“ vorgeschlagenen Reformen müssen dringend umgesetzt werden.
Gerade jetzt kommt es darauf an, den internationalen Terroristen die Stirn zu
bieten und Ihnen zu zeigen, dass sie in der Gemeinschaft zivilisierter Staaten
keinen Platz haben. Der VN-Sicherheitsrat hat dies in seiner jüngsten Resolu-
tion bereits klargestellt. Die Generalversammlung sollte ihm zügig folgen und
die Voraussetzungen für die Verabschiedung einer umfassenden UNO-Konven-
tion gegen den Terrorismus schaffen.
Die Terroranschläge haben neue Herausforderungen auch für die Europäische
Union erzeugt. Die Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit und Effizienz der
EU zu stärken, liegt mehr denn je auf der Hand. Daher muss der Schock des
11. September 2001 dafür genutzt werden, die Blockade in der Reform der
europäischen Institutionen endlich aufzubrechen. Handlungsfähige Organe
müssen an die Stelle der Kontaktgruppendiplomatie der großen Mitgliedstaaten
der EU treten. Die EU-Partner müssen gemeinsam Konzepte zur Bekämpfung
des Terrorismus und zu seiner Prävention entwickeln. Eine Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik, (GASP) die diesen Namen verdient, muss
schneller als bisher vorangebracht werden. Dazu gehört auch die Überwindung
der künstlichen Aufgabentrennung zwischen dem Außenkommissar und dem
Hohen Repräsentanten für die GASP. Die EU darf sich nicht selbst lähmen. Der
Verfassungsprozess, der nach dem Europäischen Rat in Laeken im Dezember
anlaufen wird, muss sich daher auch um weitere institutionelle Reformen küm-
mern. Im Mittelpunkt der Bemühungen muss ein wirklicher Durchbruch zur
qualifizierten Mehrheitsentscheidung im Rat stehen.

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Als weltweit erfolgreichster Regionalverbund, der die Zone seiner einzigartigen
Stabilität in Kürze auf Mittel- und Osteuropa ausweiten wird, muss die EU
darüber hinaus jenseits der besonderen Verpflichtung der europäischen Nukle-
armächte im Sicherheitsrat eine gemeinsame VN-Politik entwickeln und ge-
meinsame Strategien für die Bewältigung wichtiger globaler Zukunftsaufgaben
erarbeiten und umsetzen. Hierbei ist auch eine umfassende und konstruktive
Antwort auf das Kooperationsgebot von Präsident Wladimir Putin in seiner
Rede im Deutschen Bundestag erforderlich. Globale nukleare Abrüstung und
ein striktes Kontrollsystem gegen ABC-Waffen sind dringlicher als je.
Gerade angesichts der terroristischen Bedrohungen muss die Staatengemein-
schaft insbesondere auch ihren gemeinsamen Willen zur Festigung und Aus-
weitung des Freihandels deutlich machen. Hierzu gehört insbesondere die
Öffnung der europäischen Märkte für die Produkte der Entwicklungsländer.
Das Desaster von Seattle hat gezeigt, dass es zu einer multilateral abgestimmten
Handelspolitik keine Alternative gibt. Mehr Handel und verbesserter Marktzu-
gang für Entwicklungsländer ist die wirkungsvollste Entwicklungshilfe. Dabei
kommt den euroatlantischen Beziehungen eine zentrale Rolle zu. Europa und
Nordamerika können die großen weltweiten Herausforderungen nur meistern,
wenn sie auch in handelspolitischen Fragen näher zusammenrücken.
Parallel zu den erforderlichen Zwangsmaßnahmen gegen den Terrorismus muss
ein besonderes Schwergewicht auf die Versorgung der geschundenen afghani-
schen Zivilbevölkerung mit humanitären Gütern gelegt werden. Humanitäre
Hilfe ist ein wichtiges Zeichen der freien Welt, dass es ihr vorrangig auf trag-
fähige politische Konfliktlösungskonzepte ankommt, und dass sich der militäri-
sche Einsatz nicht gegen die afghanische Bevölkerung richtet. Letztlich bieten
nur politische Lösungen die Voraussetzungen dafür, dass der Terror zurückge-
drängt werden kann. Dabei muss sichergestellt werden, dass dem afghanischen
Volk selbst die Gestaltungshoheit für seine politische Ordnung überlassen wird.
Andererseits kann nicht zugelassen werden, dass Afghanistan erneut in eine
„post-conflict“-Anarchie abgleitet. Bereits jetzt müssen daher zu den Militärak-
tionen flankierende politische Schritte eingeleitet werden.
Präventive Entwicklungshilfe muss wieder die notwendige Priorität in der
Außenpolitik erhalten. Der weltweite Kampf gegen den Terror hat den hohen
politischen Stellenwert der wirtschaftlichen Zusammenarbeit besonders deut-
lich gemacht. Auch Entwicklungspolitik muss sich strategisch erneuern und
durch gezielte Armutsbekämpfung einen maßgeblichen Beitrag zur Beseitigung
von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Missständen leisten, die die
Entstehung von terroristischen Umtrieben begünstigen. Dies bedeutet neben
zusätzlichen finanziellen Leistungen eine Zusammenführung der politischen
Verantwortung für Außen- und Entwicklungspolitik, eine strukturelle Neuaus-
richtung auf effiziente multilaterale Zusammenarbeit, vor allem aber auch eine
an der Armutsbekämpfung orientierte Schwerpunktsetzung.
Die NATO-Verbündeten haben unmittelbar nach den brutalen Terrorakten auf
das World Trade Center und das Pentagon den USA eindrucksvoll ihre Solidari-
tät versichert. Die Atlantische Allianz hat wenig später einmütig und zum
ersten Mal den Bündnisfall festgestellt. Die terroristischen Angriffe auf New
York und Washington wurden als Angriff auf die freie westliche Welt gewertet.
Deshalb ist die NATO gefordert. Politische und militärische Planung, Organisa-
tion, Koordination und Führung des Kampfes gegen den Terrorismus unter
Ausschluss der NATO wäre der falsche Weg. Die Qualitäten des Bündnisses,
während des Kalten Krieges eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dürfen nicht
ungenutzt bleiben. Deutschland, das im Kalten Krieg die Hauptlast der west-
lichen Verteidigung neben den USA trug, wird auch in Zukunft seiner Ver-
antwortung im Rahmen des Bündnisses gerecht werden müssen. Nachdem
deutsche Außen- und Sicherheitspolitik bei der Überwindung des Kalten

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Krieges, bei den Ostverträgen und im Rahmen der KSZE eine wesentliche
Rolle gespielt hat, wird sie auch bei der Bewältigung der großen globalen Her-
ausforderungen eigene konzeptionelle Lösungen erarbeiten müssen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
bei der Erarbeitung präventiver außenpolitischer Konzepte gegen den Terroris-
mus folgende Schwerpunkte zu setzen:
1. Stärkung der Vereinten Nationen

Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit den Partnern in der Europäi-
schen Union während der 56. Generalversammlung eine Initiative zur Stär-
kung der Vereinten Nationen als zentralem Instrument zur Bewältigung der
neuen globalen Herausforderungen ergreifen. Im Zentrum dieser Initiative
sollte u. a. stehen:
– eine zügige Umsetzung der VN-Reformen,
– eine Aufwertung der Generalversammlung durch Stärkung seiner Aus-

schüsse und Kommissionen,
– eine weitere Stärkung der Stellung des Generalsekretärs,
– der Ausbau der entwicklungspolitischen und humanitären VN-Organisa-

tionen zu schlagfähigen Präventionsinstrumenten,
– die Regionalisierung der Verantwortung des VN-Sicherheitsrates durch

Übertragung von Kompetenzen an regionale Abmachungen im Sinne von
Kapitel VIII VN-Charta,

– die Stärkung friedenserhaltender und friedensschaffender Maßnahmen
durch den Aufbau permanenter Blauhelmkapazitäten im Sinne des
Brahimi-Berichts. In diesem Zusammenhang sollten die innenpolitischen
Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dem Generalsekretär und dem
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen unter Wahrung der verfassungs-
rechtlichen Rechte und Pflichten des Deutschen Bundestages militärische
Kontingente zur Teilnahme an friedenserhaltenden und friedensschaffen-
den Maßnahmen zur Verfügung zu stellen,

– ein gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Union eingebrachter
Resolutionsentwurf zur Verabschiedung einer umfassenden und weltweit
verbindlichen UNO-Anti-Terror-Konvention, in der alle bisher verab-
schiedeten relevanten regionalen und sektoralen Konventionen zusam-
mengeführt werden.

2. Die Handlungsfähigkeit und Effizienz der Europäischen Union als
internationaler Akteur stärken
Die Bundesregierung sollte hierzu insbesondere darauf hinwirken, dass
– handlungsfähige Organe der EU an die Stelle der Kontaktgruppendiplo-

matie treten und die kleinen und mittelgroßen Mitglieder der EU voll-
berechtigt in die Konsultationen mit einbezogen werden.

– ein europäischer Sondergipfel einberufen wird, bei dem europäische
Rückendeckung für die Teilnahme einzelner Mitglieder an militärischen
oder sonstigen Aktionen gegeben wird und auf dessen Tagesordnung eine
konzeptionell angelegte Politik für die Nach-Taliban-Zeit, aber auch für
Bau einer gerechten Weltordnung stehen.

– im Rahmen des post-Nizza-Prozesses zur Erarbeitung einer europäischen
Verfassung die weitere institutionelle Reform der EU vorangetrieben
wird, insbesondere die weitere Ausweitung von Mehrheitsentscheidun-
gen im Rat.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/7445

– die Aufgabenbereiche des für die Außenbeziehungen der EU zuständigen
Kommissionsmitgliedes und des Hohen Repräsentanten für die Gemein-
same Außen- und Sicherheitspolitik zusammengeführt werden.

3. Ein umfassendes politisches „post-Taliban“-Konzept
Parallel zu der andauernden Militärintervention in Afghanistan sollten fol-
gende politische Schritte für die Gestaltung eines „post-Taliban“-Prozesses
mit folgenden Elementen eingeleitet werden:
– Vorbereitung und Umsetzung eines umfassenden humanitären Hilfspro-

gramms für die unter der menschenverachtenden Taliban-Politik und der
militärischen Auseinandersetzung leidenden afghanischen Zivilbevölke-
rung,

– Einberufung einer großen Ratsversammlung („Loya Jirga“) unter Einbe-
ziehung sämtlicher Stämme und Volksgruppen einschließlich der Exil-
Afghanen unter Koordinierung der Vereinten Nationen, Ausarbeitung
einer Verfassung,

– kontinuierliche Unterstützung des Prozesses durch die Staatengemein-
schaft durch eine vom VN-Sicherheitsrat mandatierte, zentrale Rolle der
Vereinten Nationen,

– Einbindung der Regionalorganisationen benachbarter Staaten wie die
Organisation Islamischer Staaten (OIC), den Golfkooperationsrat (GCC)
und die Arabische Liga in die Verantwortung für die Umsetzung des post-
Taliban-Prozesses,

– Einsetzung eines Hohen VN-Beauftragten für politischen und wirtschaft-
lichen Wiederaufbau,

– eine VN-geführte politische und wirtschaftliche Übergangsadministra-
tion,

– Bildung einer Übergangsregierung unter VN-Ägide und repräsentative
Berücksichtigung aller Ethnien,

– Übernahme zentraler Verantwortung der Europäischen Union für die
Koordinierung von bi- und multilateralen „post-conflict“-Maßnahmen,
insbesondere der humanitären Nothilfe, Rückführung von Flüchtlingen
und Wiederaufbau,

– Erarbeitung eines politischen Gesamtkonzeptes im Rahmen der Gemein-
samen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zur Stabilisierung der
Region, insbesondere der benachbarten zentralasiatischen Transformati-
onsländer,

– Erarbeitung eines „Stabilitätspaktes für Zentralasien“ unter Führung der
Europäischen Union mit den Kernaufgaben: Konflikt- und Krisenpräven-
tion, vertrauensbildende Maßnahmen, Stärkung rechtsstaatlicher und der
grundlegenden menschenrechtssichernden Strukturen, Ausbau regiona-
ler Zusammenarbeit, Repatriierung von Flüchtlingen und wirtschaftlicher
Wiederaufbau,

– vorrangige Einbindung Pakistans in den Stabilisierungsprozess durch
umfassende Wirtschaftshilfe bei verstärkten internationalen Bemühun-
gen, auch gegenüber Indien, um die Lösung des Kaschmirkonfliktes.

4. Politische Stabilisierung durch das KSZE/OSZE-Modell
Das bewährte KSZE/OSZE-Modell (vertrauensbildende Maßnahmen, Stär-
kung rechtsstaatlicher Strukturen, regionale Zusammenarbeit, Abrüstung
und Rüstungskontrolle, Konfliktverhütung, Minderheitenschutz und Flücht-
lingsrückkehr, Krisenbewältigung und Frühwarnung) sollte Grundlage einer
dauerhaften politischen Lösung der Konflikte nicht nur in der zentralasiati-

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schen Region um Afghanistan, sondern auch im Nahen Osten und auf dem
Balkan werden.
Insbesondere sollte die Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union
verstärkte Anstrengungen für eine dauerhafte Friedensregelung im Nahen
Osten an Hand des Mitchellplanes unternehmen sowie sich für die Einberu-
fung einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten
(KSZNO) mit dem Ziel einer auch unter Einbeziehung der Arabischen Liga
erarbeiteten, belastbaren Friedensformel, die dem Terrorismus den Nähr-
boden entzieht, einsetzen. Grundlage hierfür sind sowohl das unantastbare
Existenzrecht Israels als auch die Schaffung eines unabhängigen Palästinen-
serstaates.

5. Internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit
Die Bundesregierung muss:
– den seit Jahren rückläufigen Trend des Anteils der wirtschaftlichen Zu-

sammenarbeit am Bundeshaushalt umkehren und umfassende zusätzliche
Mittel zur Verfügung stellen.

– Projekte der Armutsbekämpfung in den Mittelpunkt der wirtschaftlichen
Zusammenarbeit mit dem Ziel stellen, auch den Nährboden austrocknen,
auf dem der Terrorismus gedeiht.

– einen Schwerpunkt auf effiziente bi- und multilaterale Projekte sowohl
im Rahmen der Europäischen Union als auch im Rahmen der Vereinten
Nationen setzen.

– Konsequenzen aus der zunehmenden außenpolitischen Bedeutung der
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ziehen und die politische Ver-
antwortung für beide Politikbereiche in einem Ressort zusammenführen.

– die sich seit dem 11. September 2001 bietenden günstigen Voraussetzun-
gen für eine verstärkte internationale Kooperation für eine gemeinsame
Bewältigung der großen handelspolitischen Herausforderungen nutzen
und sich im Rahmen der Europäischen Union für die möglichst baldige
Einberufung einer umfassenden neuen Welthandelsrunde einsetzen. Da-
bei sollte sie insbesondere belastbare, WTO-konforme euroatlantische
Streitschlichtungsinstrumente entwickeln.

– in diesem Rahmen darauf drängen, dass der EU-Kommission endlich ein
Mandat zur WTO-Verhandlungsführung erteilt wird und die hierfür erfor-
derlichen Beschlüsse mehrheitlich zustande kommen können.

– bei den WTO-Verhandlungen vor allem auf die Beseitigung noch beste-
hender Marktzugangsbeschränkungen für die Entwicklungsländer und
auf den Abbau noch bestehender tarifärer und nichttarifärer Handels-
beschränkungen für die Entwicklungsländer bestehen und ihnen somit die
Nutzung der sich aus der Globalisierung ergebenden Chancen ermög-
lichen.

– die Europäische Zentralbank ermutigen, ihre Politik einer engeren Zu-
sammenarbeit und Abstimmung mit der Federal Reserve und anderen
Zentralbanken mit dem Ziel einer Stabilisierung der internationalen
Finanzmärkte zu verstärken.

6. Interkultureller Dialog und Menschenrechte
Der wirksame Schutz von Menschen- und Minderheitsrechten und der
Dialog der Kulturen müssen im Zentrum einer präventiven Strategie gegen
Terrorismus stehen. Die Bundesregierung muss daher:
– im Rahmen der Reform der Auswärtigen Kulturpolitik (AKP) einen pro-

grammatischen Schwerpunkt auf den transkulturellen Dialog, insbeson-

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dere zwischen den Regionen, Religionen und Kulturen legen. Die AKP
muss durch Verbreitung neuer pluralistischer Bildungsinhalte, Kulturdia-
log und Einbindung der Zivilgesellschaft in offene Netzwerke der inter-
nationalen Zusammenarbeit einen Beitrag zum Abbau von Feindbildern
und Vorurteilen und damit auch zur Bekämpfung des Terrorismus leisten.
In diesem Rahmen ist es unabdingbar, das Auswärtige Amt, die politi-
schen Stiftungen, die Mittler der Kulturpolitik (Goethe-Institute, DAAD,
Kulturstiftung etc.) und andere einschlägig tätige Nichtregierungsorgani-
sationen finanziell nicht weiter zu beschneiden, sondern im Gegenteil
wieder stärker zu fördern.

– den globalen Menschenrechtsdialog mit dem Ziel verstärken, die mentale
Kluft zwischen aufgeklärter Moderne und fundamentalistischem Traditi-
onalismus zu überbrücken und die Kultur der Intoleranz durch die Kultur
der Toleranz zu ersetzen, damit sich die inneren Konflikte in diesen
Gesellschaften nicht gewaltsam nach außen entladen.

7. Militärische Maßnahmen
Der Kampf gegen den Terrorismus erfordert auch militärische Maßnahmen.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf:
– sich dafür einzusetzen, dass die NATO nach der Feststellung des Bünd-

nisfalles nun die ihr zustehende Rolle bei Planung, Koordination und
Führung der gemeinsamen politischen und militärischen Aktivitäten
übertragen erhält.

– das Mandat für den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Rahmen der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus ständig zu überprüfen und
im Rahmen einer Regierungserklärung, spätestens nach sechs Monaten,
über den Stand der Entwicklungen zu berichten. Der Deutsche Bundestag
behält sich das Recht vor, gegebenenfalls in der Mandatsfrage eine
erneute Entscheidung zu treffen.

– in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass ein Höchstmaß an Trans-
parenz gewährleistet und das Parlament und die Öffentlichkeit umfassend
über die Umsetzung des Mandats unterrichtet werden.

Berlin, den 13. November 2001
Dr. Helmut Haussmann
Dr. Guido Westerwelle
Ulrich Irmer
Günther Friedrich Nolting
Birgit Homburger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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