BT-Drucksache 14/7326

Gemeindefinanzen reformieren - Gewerbesteuer abschaffen - Fianzkraft der Gemeinden stärken

Vom 7. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7326
14. Wahlperiode 07. 11. 2001

Antrag
der Abgeordneten Gerhard Schüßler, Dr. Hermann Otto Solms, Ina Albowitz,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K.
Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich
Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Gemeindefinanzen reformieren – Gewerbesteuer abschaffen –
Finanzkraft der Gemeinden stärken

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Gewerbesteuer ist eine im internationalen Vergleich nahezu unbekannte
Sonderbelastung für die Unternehmen in Deutschland. Sie wirkt wettbewerbs-
verzerrend, weil Exporte belastet und Importe nicht belastet sind.
Für die Gemeinden stellt die Gewerbesteuer ihre Haupteinnahmequelle dar.
Das Aufkommen betrug im Jahr 2000 rund 52,9 Mrd. DM. Da die Bemes-
sungsgrundlage für die Gewerbesteuer die Erträge der Unternehmen sind, ist
die Steuer stark konjunkturabhängig. So beklagen gerade in letzter Zeit viele
Kommunen in Folge der sich abschwächenden Konjunktur erhebliche Gewer-
besteuerausfälle. Finanzielle Planungssicherheit ist also nicht gegeben. Zwar
steht das Aufkommen aus der Gewerbesteuer den Kommunen zu. Durch die
Gewerbesteuerumlage wird aber auch diese Steuer quasi zu einer Gemein-
schaftsteuer.
Die Gewerbesteuer ist ein Fremdkörper in unserem Steuersystem. Sie ist als
Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung abzuziehen und mindert so nicht
nur ihre eigene, sondern auch die Bemessungsgrundlage für Einkommen- und
Körperschaftsteuer. Wird die Bemessungsgrundlage bei Einkommen- und Kör-
perschaftsteuer verbreitert, erhöht sich die Gewerbesteuerbelastung, da der von
den Gemeinden festzusetzende Hebesatz nicht automatisch sinkt. Steuersen-
kungen bei der Gewerbesteuer durch den Gesetzgeber haben in der Vergangen-
heit häufig zur Erhöhung der Hebesätze durch die Gemeinden geführt, die häu-
fig nicht bereit oder in der Lage waren, die Steuerausfälle zu kompensieren.
Durch das Steuersenkungsgesetz der Koalition wurde erreicht, dass Personen-
gesellschaften und Einzelunternehmen ihre Gewerbesteuerschuld zumindest
anteilig mit der Einkommensteuer verrechnen können. Im Ergebnis werden sol-
che Unternehmen vollständig entlastet, die mit Sitz in Gemeinden mit einem
Hebesatz von höchstens 360 haben. Über diesem Hebesatz bleibt eine Restbe-
lastung. Einen Hebesatz von 360 und höher haben aber nur rund 10 % der
Gemeinden, so dass heute für Personengesellschaften und Einzelunternehmen

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eine Gewerbesteuerbelastung nur in wenigen großen Städten mit hohen Hebe-
sätzen bleibt. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist das äußerst
bedenklich. Darüber hinaus ist es unwirtschaftlich, dass der Gesetzgeber den
Unternehmen die aufwendige Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die
Gewerbesteuer zumutet, wenn er die Belastung sofort wieder neutralisiert.
Gewerbesteuer kann nur in Höhe der auf gewerbliche Einkünfte entfallenden
Einkommensteuer verrechnet werden. Die Begrenzung dieser pauschalen An-
rechnung ist wirtschaftspolitisch fragwürdig und verfassungsrechtlich bedenk-
lich. Ist die Einkommensteuerschuld wegen kleiner Gewinne gering oder in
Folge von Verlusten gleich Null, bleibt es bei der Gewerbesteuerbelastung, de-
ren Höhe zudem von Dauerschuldzinsen und anderen Hinzurechnungen ab-
hängt.
Die Erhebung der Gewerbesteuer ist aus den genannten Gründen nicht mehr zu
rechtfertigen. Ihr Wegfall muss einhergehen mit einer umfassenden Reform der
Gemeindefinanzen. Die Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung
der Kommunen, zu deren Wahrung das Grundgesetz ihnen eine wirtschafts-
kraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht garantiert, muss dabei im Vor-
dergrund stehen. Auch die Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer,
die als Ausgleich zur Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer geschaffen wurde,
ist ausbaufähig.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf;
unter Beteiligung der Gemeinden eine gesetzliche Regelung zu erarbeiten, die
nachfolgende Eckpunkte berücksichtigt:
1. Die Gewerbesteuer wird im Rahmen einer umfassenden Finanzreform zwi-

schen Bund, Ländern und Gemeinden abgeschafft.
2. Die Gemeinden erhalten als finanziellen Ausgleich und zur weiteren Stär-

kung ihrer Finanzkraft einen Zuschlag auf die Einkommen- und Körper-
schaftsteuer, verbunden mit einem eigenen Hebesatzrecht. Ihr Anteil an der
Umsatzsteuer wird erhöht.

3. Im Rahmen einer echten Steuerreform werden die Steuertarife soweit abge-
senkt, dass einschließlich des gemeindlichen Besteuerungsrechts eine Spit-
zenbelastung von höchstens 35 % erreicht wird. Eine Unterscheidung zwi-
schen gewerblichen und nicht gewerblichen Einkünften entfällt. Die
Körperschaftsteuerbelastung wird angepasst.

Berlin, den 7. November 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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