BT-Drucksache 14/7299

zu der Beratung der Großen Anfrage der Abg. Kerstin Griese, Hildegard Wester, Iris Gleicke, weiterer Abg. und der SPD sowie der Abg. Christian Simmert, Marieluise Beck, Volker Beck, weiterer Abg. sowie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/5284, 14/6415- "Zukunft gestalten - Kinder und Jugendliche stärken"

Vom 7. November 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7299
14. Wahlperiode 07. 11. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus Haupt, Ina Albowitz, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Heinrich,
Birgit Homburger, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kerstin Griese,
Hildegard Wester, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Christian Simmert, Marieluise Beck (Bremen),
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksachen 14/5284, 14/6415 –

„Zukunft gestalten – Kinder und Jugendliche stärken“

Der Bundestag wolle beschließen:
Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. In den Kindern wird der Grund-
stock für den Aufbau der künftigen Gesellschaft gelegt. Wie immer die Gesell-
schaft der Zukunft auch aussehen mag: Kindern muss heute Unterstützung und
Förderung zuteil werden, um soziale, moralische und kognitive Fähigkeiten
auszubilden, die ihnen helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern
und heute noch nicht absehbare Probleme zu lösen.
1. Kinderarmut
Leider sind gerade Familien mit Kindern erheblichen finanziellen Belastungen
ausgesetzt. Der Beitrag, den sie durch das Erziehen der Kinder leisten, wird
meist nicht in ausreichendem Maße honoriert und ausgeglichen. Das Aufziehen
von Kindern darf nicht zum Sozialhilfebezug und zur Armut führen. Trotzdem
sind Sozialhilfebezug und Armut nicht deckungsgleich. Es ist gerade ein Anlie-
gen der Sozialpolitik auch der letzten Jahre gewesen, Armut zu bekämpfen.
Auf Grund unzureichender staatlicher Leistungen muss niemand in Deutsch-
land heute existentielle Not leiden – auch nicht Kinder. Die Sozialhilfe deckt
nicht nur das physische Existenzminimum ab, sondern ermöglicht auch ein Mi-
nimum an gesellschaftlicher Teilhabe und kulturellem Erleben. Die Definition
von Armut ist überdies schwierig und strittig, was nicht zuletzt auch der letzte
Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt.
Unabhängig von der Definition von Armut dürfen die wirtschaftlichen Pro-
bleme von Familien mit Kindern nicht vernachlässigt werden. Die steigende
Zahl von Kindern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist ein Alarmsignal. Die

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von der Bundesregierung vorgelegte Umsetzung der Bundesverfassungs-
gerichtsentscheidungen von 1998 – das Familienfördergesetz und das zweite
Familienfördergesetz – geht nicht weit genug. Die Vergünstigungen der Fami-
lien – Kindergelderhöhung und die Erhöhung von Freibeträgen – finanzieren
die Familien zu einem erheblichen Teil mit. So werden hauswirtschaftliche
Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr abzugsfähig sein, Ausbildungsfrei-
beträge gesenkt und für Alleinerziehende der Haushaltsfreibetrag bis 2005 ab-
geschmolzen.
Wirkliche Familienförderung muss den Familien, insbesondere auch in den
unteren Einkommensbereichen, zugute kommen. Gering verdienende Familien
sollen eine höhere Bezuschussung erhalten. Das familiäre Existenzminimum,
welches aus dem existenziellen Sachbedarf des Kindes, dem Betreuungsbedarf
und dem Erziehungsbedarf ab 2002 besteht, soll als Familiengeld zusammen-
gefasst werden. Erreicht das familiäre Einkommen dieses nicht, soll eine Auf-
stockung als Kindergeldzuschlag erfolgen. Zusätzlich sollte es die Möglichkeit
geben, Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben
über die steuerlichen Pauschbeträge hinaus absetzen zu können.
In der Familienpolitik müssen die heute in der Gesellschaft vielfältig gegebe-
nen Lebensentwürfe berücksichtigt und toleriert werden. Der Begriff „Familie“
ist daher weit zu fassen und als jede Gemeinschaft, in der Menschen mitein-
ander leben, füreinander einstehen und in denen Kinder aufwachsen, zu ver-
stehen. Damit sind auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Allein-
erziehende, Getrenntlebende sowie Nichtverheiratete mit Kindern als „Familie“
anzusehen und zu respektieren. Alle diese Gemeinschaften sind gleich zu
behandeln, denn es geht um die Gleichbehandlung der Kinder, nicht um die
Bewertung der Lebensentwürfe der Eltern.
Der Deutsche Bundestag verkennt ferner nicht, dass es in vielfältiger Weise Not
bei Kindern und Jugendlichen gibt. Ebenso vielfältig müssen aber die Ansätze
sein, solcher Not entgegenzuwirken. Dabei müssen Ursachen, wie Drogen,
Gewalt, fehlende Zuneigung etc. ins Blickfeld genommen werden. Hier sind
neben der Bundesregierung, den Ländern und den Kommunen vor allem auch
Kirchen, Schulen und ganz besonders Eltern und jeder einzelne Bürger verant-
wortlich und zur Problemlösung aufgerufen. Das unverzichtbare Engagement des
Einzelnen kann nicht durch Gesetze und staatliche Vorschriften verordnet wer-
den. Kinder und Jugendliche dürfen nicht in einem Umfeld aufwachsen, wo sie
durch Unkenntnis in Gefahren wie beispielsweise Drogenmissbrauch geraten,
und erst recht nicht, wo ihnen Drogen und Alkohol als Ausflucht aus Trost-
losigkeit und Perspektivlosigkeit erscheinen. Statt auf Abschreckung zu setzen,
müssen alle Anstrengungen in eine Präventionsstrategie münden. Diese muss auf
die Förderung der Lebenskompetenz von Kindern und Jugendlichen zielen.
Elternhaus und Schule müssen Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen
vermitteln, die vor Missbrauch und Suchtverhalten schützen, und den Umgang
mit Konflikten. Ein gutes Beispiel ist die Kampagne der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung „Kinder stark machen“. Staatliches Handeln allein
kann dies nicht garantieren – hier ist das Engagement jedes Einzelnen und der
Gesellschaft als Ganzes gefordert.
2. Jugendarbeitslosigkeit – Ausbildung
Den Kindern und Jugendlichen ist der Start ins (Erwachsenen-)Leben so weit
wie möglich zu erleichtern. Keine Gesellschaft kann es sich erlauben, die
Chancen für Jugendliche, in ein erfülltes Erwerbsleben einzutreten, zu er-
schweren und auf die Ressourcen, die junge Leute zu bieten haben, zu verzich-
ten. Unsere Gesellschaft braucht die unkonventionellen Ideen und die unbefan-
gene Perspektive der jungen Generation mehr denn je.

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Auch in Zukunft muss es darauf ankommen, der nachwachsenden Generation
Optionen zu geben, durch eigene Arbeit am gesellschaftlichen Reichtum teilzu-
haben. Das Ideal eines selbstbewussten, starken und solidarischen Individuums,
das für eine rationale Weiterentwicklung der Gesellschaft unverzichtbar ist,
kann nur so erreicht werden. Es reicht nicht, für die heute aktive Generation die
Beschäftigung zu sichern. Auch junge Menschen müssen in den Ausbildungs-
und Arbeitsmarkt integriert werden, ohne in gesellschaftliche Nischen, selbst
in Verbindung mit einer staatlichen Alimentation, abgeschoben zu werden.
Es darf nicht schon bei Kindern der Eindruck der Perspektivlosigkeit in dieser
Gesellschaft entstehen. Jugendarbeitslosigkeit darf es in keiner Gesellschaft ge-
ben. Sie ist mit allen erfolgversprechenden Mitteln zu bekämpfen. Es ist aller-
dings nicht damit getan, ein mit der heißen Nadel gestricktes Sofortprogramm
für 100 000 Jugendliche in die Welt zu setzen, das aber 400 000 Jugendliche,
die ebenfalls auf Arbeits- oder Ausbildungsplatzsuche sind, dabei außen vor
lässt. Dieses Programm wird weder den Ursachen noch den Folgen der Jugend-
arbeitslosigkeit gerecht.
In erster Linie sind in breitem Umfange die allgemeinwirtschaftlichen Rah-
menbedingungen zu verbessern. Die Anreize für potentielle Arbeitgeber Aus-
zubildenden einen Ausbildungsplatz zu geben, sind zu erhöhen. Es darf keine
Last sein, junge Leute auszubilden. Die Schaffung von Anreizen liegt nicht zu-
letzt darin, auch gute Wirtschaftspolitik zu machen, mit der Einführung eines
vereinfachten, dreigegliederten Steuersystems mit einem Steuersatz von 15, 25
und 35 %. Nur wo sich Investitionen lohnen, wird auch tatsächlich investiert.
Auf der anderen Seite sind die Voraussetzungen bei den Jugendlichen selbst zu
verbessern, damit diese erfolgreich einen Ausbildungsplatz erhalten. Eine ver-
besserte Bildungspolitik, mit flexibilisierten Strukturen, verkürzten Ausbil-
dungszeiten und höherem Qualitätsstandard ist zu erreichen. Ebenfalls muss
die Chancengerechtigkeit verbessert werden. Hochbegabte aus allen Bildungs-
schichten müssen frühzeitig erkannt und vom Staat individuell gefördert wer-
den. Ebenso ist natürlich die individuelle Förderung von Lern- und Leistungs-
schwachen sowie von Kindern mit Behinderungen unabdingbar.
3. Lebensumfeld der Kinder:
Deutschland muss kinderfreundlicher werden. Wichtig für die Entwicklung und
das Aufwachsen von Kindern ist ein intaktes Lebensumfeld, welches nicht per-
fekt und problemlos sein, aber Lösungen anbieten muss. Dies beginnt bereits
beim äußeren Umfeld, in dem Kinder aufwachsen. Der Entfaltungsraum für
Kinder in der Gesellschaft wird immer mehr eingeschränkt. Kinder brauchen
mehr Lebensraum im unmittelbaren Wohnumfeld, etwa Spielplätze, Rückzugs-
räume etc., wobei die alterspezifisch differenzierten Bedürfnisse zu berücksich-
tigen sind. Bei Planung und Entscheidung über solche Plätze müssen Kinder
stärker als bisher beteiligt werden. Von besonderer Bedeutung ist die Verbesse-
rung der Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr. Durch gezielte Verkehrser-
ziehungs- und -aufklärungsarbeit muss die Zahl getöteter und verunglückter
Kinder im Straßenverkehr weiter vermindert werden. Sicherheit im Straßenver-
kehr muss aber nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den erwachsenen
Verkehrsteilnehmern ansetzen. Auch Erwachsene müssen stärker für die beson-
dere Gefährdung von Kindern im Straßenverkehr sensibilisiert und zu einem
kindgerechten Verkehrsverhalten erzogen werden. Statt einer unreflektierten
flächendeckenden Ausweisung von Tempo-30-Zonen sollte eine an Gefahren-
zonen ausgerichtete punktuelle Ausweisung solcher Zonen erfolgen. Dies
erhöht die Aufmerksamkeit des Autofahrers und damit die Sicherheit der
Kinder am effektivsten.
Gute Wohnbedingungen sind für das Aufwachsen der Kinder und ihrer Fami-
lien unabdingbar. Die Sicherstellung einer quantitativ und qualitativ aus-
reichenden Wohnraumversorgung ist daher zu gewährleisten. Dabei geht es vor

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allem um gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die zur Schaffung von
familiengerechtem Wohnraum beitragen. Staatliche Alimentierungen werden
allein nicht nachhaltig kinderfreundlichen Wohnraum schaffen.
Auch das „innere“ Lebensumfeld der Kinder darf nicht vernachlässigt werden.
Den Gefahren für Kinder, die durch die neuen Medien – Internet – ungehinder-
ten Zugang zu pornographischen und gewaltverherrlichenden Darstellungen er-
halten, muss unbedingt begegnet werden. Die ungefilterte Betrachtung solcher
Darstellungen und die dadurch bedingte Annahme dieser negativen Vorbilder
führt sehr oft zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft bei Kindern. Dabei müssen
die Erzieher und Lehrer in Schulen und sonstigen pädagogischen Einrichtun-
gen in dieser Hinsicht geschult und ausgebildet werden, damit Kinder den rich-
tigen Umgang mit diesen Medien und den dort präsentierten Inhalten erlernen.
4. Gewalt in der Erziehung
Kinder müssen gewaltfrei erzogen werden. Es ist leider Realität, dass Gewalt
gegen Kinder in ihren verschiedenen Erscheinungsformen körperlicher, psychi-
scher und sexueller Misshandlungen und auch der Kindesvernachlässigung in
beträchtlichem Umfange existiert und dazu noch von einer hohen Dunkelziffer
gekennzeichnet ist. Daran ändert allein ein gesetzlich verankertes Gewaltverbot
und ein Rechtsanspruch auf gewaltfreie Erziehung nichts. Die bestehenden ge-
setzlichen Tatbestände sind klar. Misshandlungen sind sowohl strafrechtlich
sanktioniert als auch neben psychischen Misshandlungen als unzulässige Er-
ziehungsmethoden zivilrechtlich stigmatisiert. Es muss stärker als bisher bei
den Eltern angesetzt werden und ihnen deutlich gemacht werden, dass weder
psychische noch körperliche Strafen in der Erziehung etwas zu suchen haben.
In den Köpfen der Eltern und Erziehungsberechtigten muss ein Umdenkpro-
zess stattfinden, der durch die Politik in Gang gebracht werden muss. Dabei ist
intensive Aufklärungsarbeit von hoher Bedeutung. Eltern müssen auch durch
die Kinder- und Jugendhilfe mehr Unterstützung erhalten, wenn Probleme bei
der Erziehung nur durch Gewalt lösbar scheinen. Diesem Präventivauftrag
muss die Kinder- und Jugendhilfe neben der konkreten Hilfe in der akuten Situ-
ation sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsenen gerecht werden.
Dazu müssen entsprechende Mittel bereitstehen. Trotz allgemeinen Sparzwan-
ges sind dies Investitionen in die Zukunft, die sich bezahlt machen.
5. Sexueller Missbrauch von Kindern
Sexueller Missbrauch von Kindern ist abscheulich. Schätzungsweise über
2 Millionen Kinder sind weltweit Opfer von sexuellem Missbrauch, von Kin-
derprostitution, Kinderhandel und Kinderpornographie. Kinder sind in jeder
Gesellschaft die schwächsten Glieder.
Besonders unmenschlich ist es, wenn sie von denen verraten werden, denen sie
ganz besonders vertrauen: Eltern und Betreuungspersonen. Von den engsten
Bezugspersonen im Stich gelassen, sind sie in ihrem Leiden dann völlig allein.
Wer Kinder sexuell missbraucht und egal in welcher Form an ihrem Miss-
brauch verdient, wer wegschaut und nicht sehen will, was in seiner Umgebung
geschieht, lädt schwere Schuld auf sich. Die Täter müssen hart bestraft werden.
Wir alle haben die Pflicht, uns im Kampf gegen die Scheußlichkeit des sexuel-
len Missbrauchs von Kindern zusammen zu schließen und gemeinsam alles
daran zu setzen, um wehrlose Kinder vor einem Schicksal zu bewahren, das sie
erniedrigt, demütigt, quält, ihnen die Kindheit nimmt und den weiteren Lebens-
weg vergiftet.
6. Soziales Engagement der Jugendlichen
Besonders in Schulen ist der Wunsch, ehrenamtlich tätig zu werden weit ver-
breitet. Dieser Wunsch ist dringend zu fördern. Im Rahmen des bürgerschaft-
lichen Engagements werden eigene Kompetenz, Verantwortung und Kreativität

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als Grundlage für eine selbstbewusste Lebensführung erlebt. Schulen müssen
mehr als Orte des Erlebens und Erlernens alltäglichen Engagements für die Ge-
sellschaft und nicht mehr nur als klassische Lehranstalten gesehen werden.
Dazu muss den Schulen umfangreiches Informationsmaterial über die verschie-
denen Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements bereit gestellt werden.
Des Weiteren müssen ehrenamtsbehindernde Verwaltungsvorschriften verein-
facht und eine Ehrenamtspauschale eingeführt werden.
Wichtig ist auch ein umfassendes Freiwilligengesetz vorzulegen, in dem die
Unterschiede in der bisherigen Gesetzgebung zum freiwilligen sozialen bzw.
ökologischen Jahr ausgeräumt werden. Hierbei sollte auch besonders den
Jugendlichen z. B. mit Hauptschulabschluss verstärkt die Chance gegeben
werden, sich – auch im Ausland – sozial zu engagieren. Gerade für die weniger
privilegierten Jugendlichen ist dies eine Möglichkeit, Solidarität, Toleranz,
Selbstbewusstsein und Eigeninitiative zu trainieren. Dies ist auch ein wichtiger
Beitrag zum Kampf gegen Rechtsradikalismus. Wer im Alltag den Umgang mit
Jugendlichen aus anderen Ländern erlebt hat, ist weniger empfänglich für into-
lerante und ausländerfeindliche Inhalte.
7. VN Kinderrechtskonvention
Die Vorbehaltserklärung der Bundesregierung ist sachlich obsolet. Symbolisch
wirkt sie aber wie ein Vorbehalt gegen Fortschritte in der Kinderrechtsdiskus-
sion. Das belastet den Dialog mit den Kinderrechtsorganisationen. Der Bundes-
tag fordert daher die Bundesregierung zu einer umgehenden Rücknahme der
Erklärung auf.
Nachdem der Deutsche Bundestag das Kindschaftsrecht reformiert hat, ist ein
wesentlicher Bestandteil der Vorbehaltserklärung gegenstandslos geworden.
Die jetzt an der Regierung befindlichen Parteien haben in der letzten Legisla-
turperiode als Opposition vehement gegen die Vorbehaltserklärung gekämpft.
Der Bundestag erwartet, dass sie diese politische Haltung nun auch umsetzen.
Die verbliebenen möglichen Diskrepanzen zwischen deutschem Recht und den
Aussagen der Kinderrechtskonvention sind überbrückbar. Vieles ist ohnehin in-
terpretationsfähig, bedarf also keiner Vorbehaltserklärung. Die unmittelbare
Rechtswirksamkeit kann ohnehin nicht durch eine Erklärung der Exekutive
verhindert werden, sondern nur durch eine entsprechende rechtliche Ausle-
gung. Der Vorbehalt bezüglich des Sorgerechts ist durch den in der Konvention
vorgesehenen Vorrang des Kindeswohls im Einklang mit dem reformierten
Kindschaftsrecht.
8. Für die Zukunft Gerechtigkeit schaffen
Aktive Jugendpolitik bedeutet auch, Generationengerechtigkeit durch Erhalt
der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensgrundlage für künftige
Generationen herzustellen. Wir laufen in Deutschland Gefahr, die Wohltaten
von heute durch Hypotheken zu Lasten kommender Generationen zu finanzie-
ren. Soziale Gerechtigkeit heißt auch, zwischen den Generationen Gerechtig-
keit herzustellen. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, jährlich eine
Generationenbilanz vorzulegen. Diese muss auf der Sollseite die Leistungen
für Bildung und Ausbildung darstellen; Auf der Habenseite die Belastungen
durch Staatsverschuldung, Pensionslasten und Generationenverträge wie die
gesetzliche Rentenversicherung. Eine solche Generationenbilanz leistet zweier-
lei: sie ist Anerkennung der Lebensleistung der Älteren und gleichzeitig ein
wichtiger Baustein bei der Zukunftssicherung unserer Kinder.

Berlin, den 7. November 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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