BT-Drucksache 14/7193

Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten Schutz der Intimsphähre

Vom 18. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7193
14. Wahlperiode 18. 10. 2001

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Hans-Michael
Goldmann, Klaus Haupt, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich
Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Dieter Thomae,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten Schutz der Intimsphäre

A. Problem
Gegenwärtig besteht eine strafrechtliche Lücke im Bereich der Verletzung des
persönlichen Lebens und Geheimbereiches durch Bildaufnahmen. Anders als
die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) und der Verletzung
des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB), des unbefugten Ausspähens von Daten
(§ 202a StGB) sowie der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) ist
der höchstpersönliche Lebensbereich vor unbefugten Bildaufnahmen und opti-
schen Beobachtungen nicht ausreichend strafrechtlich geschützt. Dieses hat
auch die Antwort der Bundesregierung auf die die schriftliche Frage des Abge-
ordneten Jörg van Essen (Drucksache 14/6117, S. 6) ergeben.

B. Lösung
Schaffung eines neuen Tatbestandes der Verletzung der Intimsphäre durch
Beobachtung.

C. Alternativen
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage des Abge-
ordneten Jörg van Essen zwar darauf hingewiesen, dass sie eine Änderung der
Vorschrift erst gemeinsam mit einer weiteren Überarbeitung des Besonderen
Teils des Strafgesetzbuches beabsichtigt. Es ist gegenwärtig nicht erkennbar,
wann ein entsprechender Gesetzentwurf seitens der Bundesregierung einge-
bracht werden wird.

D. Kosten
Keine

Drucksache 14/7193 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zum verbesserten Schutz der Intimsphäre

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 201 wird folgender § 201a eingefügt:

㤠201a
Verletzung der Intimsphäre durch Beobachtung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geld-
strafe wird bestraft, wer die Intimsphäre einer anderen
Person dadurch verletzt, dass er
1. sie unbefugt auf einen Bildträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem

Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt die Intim-

sphäre einer anderen Person dadurch verletzt, dass er sie
mit einem Bildaufnahmegerät oder anderen technischen
Mitteln beobachtet.

(3) Die Tat ist nur strafbar, wenn sie geeignet ist, be-
rechtigte Interessen der verletzten Person zu beeinträch-
tigen. Die Tat nach Absatz 1 Nr. 2 ist nicht rechtswidrig,
wenn sie zur Wahrnehmung überragender öffentlicher
Interessen begangen wird.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft,

wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst
besonders Verpflichteter die Intimsphäre verletzt (Ab-
sätze 1 und 2).
(5) Der Versuch ist strafbar.
(6) Die Bildaufnahmegeräte oder anderen technischen

Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat,
können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“

2. In § 205 Abs. 1 wird nach der Angabe „… Abs. 1 und 2“
die Angabe „, des § 201a Abs. 1 und 2“ eingefügt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 18. Oktober 2001

Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Hans-Michael Goldmann
Klaus Haupt
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7193

Begründung

A. Allgemeines
In der heutigen durch die elektronische Datenverarbeitung
und die schnelle Verbreitung von Text-, Bild- und Toninfor-
mationen bestimmten Zeit besteht eine immer höhere Be-
drohung für das Rechtsgut des persönlichen Lebens- und
Geheimbereiches. Das Recht jeder Persönlichkeit, seine In-
timsphäre gegenüber der Außenwelt zu beschützen, ist in
immer stärkerem Maße bedroht. Es ist die Aufgabe des
Staates, diesen von den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes
auch von Artikel 8 der Konvention zum Schutz der Men-
schenrechte und Grundfreiheiten geschützten Bereich im
Zweifel auch unter einem besonderen strafrechtlichen
Schutz zu stellen. Allerdings hat das Strafgesetzbuch bisher
darauf verzichtet, das unbefugte Aufnehmen des Bildes von
Menschen und die Veröffentlichung solcher Aufnahmen
unter Strafe zu stellen. Sinn der strafrechtlichen Regelungen
im Bereich der Verletzung des persönlichen Lebens und
Geheimbereiches ist es, die für den Bürger in einer freiheit-
lichen Demokratie bestehende Notwendigkeit eines effek-
tiven lückenlosen Schutzes sicherzustellen. Die Unverletz-
lichkeit des persönlichen Lebens- und Geheimbereiches ist
ein selbständiges hochrangiges Rechtsgut, welches eines
besonderen Schutzes bedarf. Denn nur dann kann der Ein-
zelne sich zu einer verantwortungsvollen Persönlichkeit ent-
wickeln, wenn ihm hierfür ein freier Raum vor der Gemein-
schaft, dem Staat sowie anderen einzelnen Personen ge-
währleistet wird.
Der Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches hat ur-
sprünglich in § 146 Abs. 2 und 3 StGB vorgesehen, auch
unerlaubte Bildaufnahmen etc. unter strafrechtlichen Schutz
zu stellen. Mag Ende der 60iger Jahre hierfür noch kein
drängendes Bedürfnis bestanden haben, so hat insbesondere
die Digitalisierung, speziell das Internet, erheblich mit dazu
beigetragen, dass die Verbreitung von Bildaufnahmen inner-
halb kürzester Zeit und auch von Personen, die nicht zum
öffentlichen Leben gezählt werden können, erheblich zuge-
nommen hat. Hinzu kommt, dass durch neue technische
Entwicklungen, insbesondere die Möglichkeit der Verklei-
nerung von Bildaufnahmegeräten aber auch der Möglich-
keiten, auf große Entfernungen detaillierte Aufnahmen vor-
zunehmen, die Intimsphäre in weit häufigerem Maße ver-
letzt wird, als dieses noch vor Jahren der Fall war.
Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in
seinem Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 diese Problematik
angesprochen (Bundestagsdrucksache 14/5555, S. 22) und
die nach seiner Meinung bestehende Strafbarkeitslücke
gerügt. So berichtet der Bundesbeauftragte für den Daten-
schutz, dass im Internet Fotos von Personen veröffentlicht
werden, die weder von der Aufnahme noch von der Veröf-
fentlichung Kenntnis haben. Dabei bewegten sich diese
Personen nur zum Teil in der Öffentlichkeit, zum Teil aber
in Bereichen, in denen sie sich bewusst der Öffentlichkeit
entziehen wollten und deshalb auch gar nicht mit der
Aufnahme von Bildern rechnen können oder müssen. Auf-
gezählt werden durch den Bundesbeauftragten für den
Datenschutz hier Privatwohnungen, Umkleidekabinen in
Schwimmbädern oder in Geschäften. Der Gesetzgeber ist

auch aufgefordert, den Wertungswiderspruch aufzulösen,
dass die Veröffentlichung von heimlichen Tonaufnahmen
unter Strafe gestellt ist, während es für den ebenso tiefen
Eingriff in die Persönlichkeitsrechte durch Nutzung oder
Veröffentlichung von Bildaufnahmen dann gilt, wenn dieses
in Verbindung mit anderen bereits bestehenden Straftaten
geschieht.
Das Bundesministerium der Justiz hat den Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz bisher auf Nachfragen mitge-
teilt, dass es die Problematik seit längerem aufmerksam be-
obachtet. Reaktionen des Bundesministeriums der Justiz im
Hinblick auf eine gesetzgeberische Tätigkeit sind bisher
nicht erkennbar.

B. Begründung der einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)
Zu Nummer 1
Es ist äußerst unbefriedigend, wenn die Veröffentlichung
von heimlichen Tonbandaufnahmen unter Strafe gestellt
wird, die mindestens ebenso tiefen Eingriffe in die Persön-
lichkeitsrechte darstellende Veröffentlichung oder Nutzung
von heimlichen Bildaufnahmen jedoch bisher nicht.
Eine Strafbarkeit, die alleine aufgrund anderer strafrechtli-
cher Regelungen gegeben ist, wie etwa der Hausfriedens-
bruch (§ 123 StGB), reicht nicht aus. Auch die völlig veral-
tete Regelung des § 33 Kunsturhebergesetz beseitigt nicht
die bestehende Strafbarkeitslücke.
Wegen der Vergleichbarkeit des Eingriffs mit der in § 201
StGB unter Strafe gestellten heimlichen Aufnahme des
nicht öffentlich gesprochenen Wortes wird die Regelung als
neuer § 201a StGB eingefügt.
Die Formulierungen und der Strafrahmen orientieren sich
wesentlich an denjenigen des § 201 StGB.
Bisher taucht der Begriff der Intimsphäre in der Gesetzge-
bung nicht auf. Allerdings hat sich das Bundesverfassungs-
gericht im Rahmen der Fortentwicklung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts mit der Entwicklung dieses der Men-
schenwürde erwachsenen Persönlichkeitsrechts befasst.
Das Gebot der Achtung der Intimsphäre des Einzelnen hat
seine Grundlage in dem durch Artikel 2 Abs. 1 GG verbürg-
ten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der
Menschenwürde nach Artikel 1 Abs. 1 GG.
Im Rahmen der so genannten Dreistufentheorie ist zwischen
Sozial-, Privat- und Intimsphäre zu unterscheiden.
Der Gesetzentwurf will ausdrücklich nur den engen Bereich
der Intimsphäre unter den strafrechtlichen Schutz gegenüber
unbefugten Beobachtungen und Aufnahmen stellen. Dem-
nach ist die Intimsphäre im Sinne dieses Gesetzentwurfs der
letzte unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung.
Insoweit findet es auch Berücksichtigung, inwieweit ein
Wille des Betroffen besteht, den beobachteten Lebenssach-
verhalt geheimhalten zu wollen. Schließlich muss der beob-
achtete Sachverhalt höchstpersönlichen Charakter haben

Drucksache 14/7193 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und es ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang er die
Sphäre anderer Personen oder der Gemeinschaft berührt.
Auch wenn eine abstrakte Umschreibung der Intimsphäre
nicht möglich ist, sind beispielhaft jedoch Tagebuchauf-
zeichnungen und etwa die Gestaltung des Geschlechtsle-
bens grundsätzlich Teil dieser Intimsphäre.
Der Täter muss stets unbefugt handeln, also rechtswidrig,
also etwa ohne gesetzliche Erlaubnis. Dieses spielt etwa –
insoweit allerdings nur für den Absatz 4 bedeutsam – eine
Rolle bei strafprozessualen Maßnahmen etwa nach § 100c
StPO.
Bedeutsamer sind jedoch die Fälle der Einwilligung des
Betroffenen.
Absatz 3 Satz 1 ist eine Bagatellklausel, die den Anwen-
dungsbereich des § 201a auf strafwürdige Fälle beschränkt.
Absatz 3 Satz 2 trägt der Notwendigkeit Rechnung, dass
sich aus Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes ein Rechtferti-
gungsgrund ergeben kann. Dieses ist dann der Fall, wenn
die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der
Öffentlichkeit und deren Meinungsbildung die Nachteile
des Rechtsbruches überwiegen. Es muss sich also um erheb-
liche Missstände handeln und ein überragendes öffentliches
Interesse an deren Aufdeckung bestehen.
Absatz 4 ist ein Qualifikationstatbestand für Amtsträger
(§ 11 Nr. 2 StGB) und besonders Verpflichtete (§ 11 Nr. 4
StGB) und anders als die Absätze 1 und 2 ein Offizialdelikt.
Gemäß Absatz 5 ist der Versuch strafbar.
Absatz 6 trägt dafür Sorge, dass nicht nur die Einziehung
nach § 74 StGB möglich ist, sondern auch bei Dritten ge-
mäß § 74a StGB.
Zu Nummer 2
Nummer 2 regelt die Erforderlichkeit des Strafantrags in
den Fällen des § 201a Abs. 1 und 2.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Artikel 2 bestimmt den Zeitpunkt, zu dem der Gesetzent-
wurf in Kraft treten soll.

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