BT-Drucksache 14/7117

Differenzen zwischen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt

Vom 9. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7117
14. Wahlperiode 09. 10. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Norbert Geis, Erwin Marschewski (Recklinghausen),
Wolfgang Bosbach, Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Volker Kauder,
Ronald Pofalla, Hans-Peter Repnik, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Rupert Scholz,
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann, Andrea Voßhoff,
Bernd Wilz und der Fraktion der CDU/CSU

Differenzen zwischen Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt

Medienberichten zufolge ist es im Zusammenhang mit der Verfolgung islamis-
tischer Terrorstrukturen in Deutschland zu Differenzen zwischen dem Bundes-
kriminalamt (BKA) und dem Generalbundesanwalt gekommen. Danach soll
dem Generalbundesanwalt bereits im Januar 2000 derart brisantes Tatsachen-
material über den islamistischen Extremismus in Deutschland vorgelegt wor-
den sein, dass aus Sicht des BKAs genügender Anlass zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens bestand. Der Generalbundesanwalt soll hingegen einen
entsprechenden Anfangsverdacht verneint haben. Er soll ein Tätigwerden sei-
ner Behörde auch sechs Monate später abgelehnt haben, als das BKA weiteres
Material vorlegte, welches die Annahme strafbarer Handlungen erhärtete. In
der ARD-Sendung „Kontraste“, die am 4. Oktober 2001 mit dem Tenor „Hat
Kay Nehm versagt?“ ausgestrahlt wurde, erklärte der Sprecher des BKAs
mehrfach, dass die seinerzeit gesammelten Erkenntnisse aus Sicht seiner
Behörde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angezeigt hätten. Dem
Vernehmen nach soll es sich insbesondere um Erkenntnisse über die Terroror-
ganisation Osama Bin Ladens gehandelt haben, bis hin zu Hinweisen auf min-
destens zwei Personen, die inzwischen als mutmaßliche Attentäter der An-
schläge vom 11. September 2001 identifiziert worden sind, sowie auf einen
mutmaßlichen Drahtzieher der terroristischen Anschläge, der sich bis zum
9. September 2001 in Deutschland aufgehalten haben soll. Es stellt sich daher
die Frage, ob die Vorbereitung der Anschläge aufgedeckt worden wäre, wenn
der Generalbundesanwalt die aus Sicht des BKAs gebotenen strafprozessualen
Maßnahmen ergriffen hätte.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:
1. Ist der dargestellte Sachverhalt zutreffend?
2. Gab es in den vergangenen drei Jahren weitere Differenzen zwischen dem

BKA und dem Generalbundesanwalt hinsichtlich der Bewertung von Vor-
gängen über den islamistischen Extremismus, und falls ja, welche?

3. War die Entscheidung des Generalbundesanwalts, von der im Jahr 2000
zweifach angeregten Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen,
nach Sach- und Rechtslage zwingend?

4. Hält das BKA an seiner Gegenauffassung fest, dass ein Ermittlungsverfah-
ren bereits im Jahre 2000 hätte eingeleitet werden müssen?

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5. Was hat den Sprecher des BKAs dazu bewogen, mit dieser Gegenauf-
fassung im Oktober 2001 an die Öffentlichkeit zu treten, und wie wird die-
ser Schritt durch die Bundesregierung bewertet?

6. Hat das BKA dem Bundesministerium des Innern (BMI) über die Vorgänge
im Jahr 2000 berichtet, und falls ja, hat sich dieses der Annahme eines
strafrechtlich relevanten Anfangsverdachts angeschlossen?

7. Hat sich das Bundesministerium der Justiz (BMJ) mit den Differenzen zwi-
schen BKA und Generalbundesanwalt befasst, und falls ja, wann hat es
sich damit befasst und zu welcher Auffassung ist es gelangt?

8. Haben die Differenzen über die Notwendigkeit der Einleitung eines Ermitt-
lungsverfahrens zu personellen oder organisatorischen Konsequenzen ge-
führt, und falls ja, zu welchen?

9. Welche Formen strafprozessualer Maßnahmen wären im Falle der Einlei-
tung eines Ermittlungsverfahrens in Betracht gekommen und welche Maß-
nahmen, die allein im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens möglich gewe-
sen wären, wurden seitens des BKAs angeregt (bitte jeweils im Einzelnen
aufführen)?

10. Seit wann wird seitens des BMJ die Ergänzung des Strafgesetzbuches
(StGB) um einen Paragraphen 129b erwogen?

11. Hat die Bundesregierung das BKA einerseits sowie den Generalbundes-
anwalt andererseits um Stellungnahmen zur Erweiterung des Anwendungs-
bereichs der §§ 129, 129a StGB gebeten, und falls ja, wann und mit
welchem Ergebnis?

12. Hätte der Sachverhalt, den das BKA im Jahr 2000 ermittelt hatte, nach
Maßgabe einer Vorschrift, wie sie in dem Regierungsentwurf eines Straf-
rechtsänderungsgesetzes vorgesehen ist (§ 129b StGB-E), die Möglichkeit
zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens eröffnet?
Falls ja, weshalb hat sich die Bundesregierung erst nach dem 11. Septem-
ber 2001 veranlasst gesehen, eine solche Gesetzesänderung auf den Weg zu
bringen?

13. Ist die Entscheidungsfreiheit der Bundesregierung bezüglich einer Ergän-
zung des Strafgesetzbuches um einen Paragraphen 129b durch etwaige
Vorbehalte seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor dem
11. September 2001 beeinflusst worden, und wenn ja, inwiefern?

14. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Vorschrift des § 129a StGB u. a.
durch das Kabinettsmitglied Renate Künast (z. B. in der WDR-Sendung
„Joachim Gauck“ vom 4. April 2001) als „Gesinnungsstrafrecht“ bezeich-
net wird, und falls ja, wie bewertet sie diese Einschätzung?

15. Ist der Kabinettsbeschluss vom 19. September 2001, der auf die Erweite-
rung des Anwendungsbereichs der §§ 129, 129a StGB abzielt, von der
Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft,
Renate Künast, mitgetragen worden?

16. Stimmt die Bundesregierung mit der Auffassung überein, dass der Anwen-
dungsbereich sowohl der §§ 129, 129a StGB als auch des § 129b StGB-E
eingeschränkt werden sollte, wie dies durch den rot-grünen Minderheits-
senat des Landes Berlin unter dem 25. September 2001 im Bundesrat ge-
fordert worden ist (Bundesratsdrucksache 725/2/01)?

17. Welchen Wahrheitsgehalt und welchen Hintergrund hat die Meldung der
Nachrichtenagentur dpa vom 8. Oktober 2001, wonach der Bundesminister
des Innern, Otto Schily, sowie der Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7117

Walter Steinmeier, dem Generalbundesanwalt nahe gelegt hätten, die Er-
mittlungen engagierter (als bislang) voranzutreiben?

Berlin, den 9. Oktober 2001
Norbert Geis
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Wolfgang Bosbach
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Volker Kauder
Ronald Pofalla
Hans-Peter Repnik
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Voßhoff
Bernd Wilz
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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