BT-Drucksache 14/7110

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte erhalten und ausbauen

Vom 11. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7110
14. Wahlperiode 11. 10. 2001

Antrag
der Abgeordneten Ina Albowitz, Dr. Günter Rexrodt, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Jörg van Essen, Ulrike Flach, Gisela Frick, Birgit Homburger,
Gudrun Kopp, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Cornelia Pieper,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der FDP

Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte
erhalten und ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die ehemalige Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen wird als

Gedenkstätte des Bundes und des Landes Berlin zur Erinnerung an die
zweite deutsche Diktatur unter der Herrschaft der SED dauerhaft erhalten.

2. Die bereits von der Enquête-Kommission „Überwindung der Folgen der
SED-Diktatur im Prozesse der deutschen Einheit“ des 13. Deutschen Bundes-
tages empfohlene und in der Konzeption der künftigen Gedenkstättenför-
derung des Bundes aus dem Jahre 1999 bestätigte politische Zielsetzung der
wissenschaftlich und pädagogischen Aufarbeitung der SED-Diktatur wird
bekräftigt.

3. Der Bund stellt die für den Erhalt und den Ausbau der Gedenkstätte Hohen-
schönhausen erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung. Er tritt mit
dem Land Berlin in Gespräche über dessen finanzielle Beteiligung ein.

4. Zur kurzfristigen Sicherung des Betriebs und der laufenden Unterhaltungs-
kosten werden die Zuwendungen des Bundes an die Gedenkstätte Hohen-
schönhausen im benötigten Umfang erhöht.

Berlin, den 11. Oktober 2001
Ina Albowitz
Dr. Günter Rexrodt
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Birgit Homburger
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/7110 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
1. Ausgangssituation
Die Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen gehört neben der Zen-
trale der Staatssicherheit in der Normannenstraße und der Mauergedenkstätte
Bernauer Straße zu den wichtigsten Gedenkstätten für die Opfer der SED-Dik-
tatur in Berlin.
Die Gründung der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen erfolgte am 1. De-
zember 1995 als gemeinsame Einrichtung von Bund und Land. Die Aufgaben-
stellung der Gedenkstätte wurde im Stiftungsgesetz folgendermaßen definiert:
Die Gedenkstätte, „die zugleich die Funktion eines Dokumentations- und Be-
gegnungszentrums hat“, soll „die Geschichte der Haftanstalt Berlin-Hohen-
schönhausen in den Jahren 1945–1989 … erforschen, in Führungen, Ausstel-
lungen, Veranstaltungen und Publikationen über Funktion und Geschichte des
Gefängnisses … informieren und zur Auseinandersetzung mit den Formen und
Folgen von politischer Verfolgung und Unterdrückung unter den Bedingungen
kommunistischer Diktatur“ (§ 2 Stiftungserrichtungsgesetz) anregen. Am Bei-
spiel dieses Haftortes soll sie zugleich über das System der politischen Justiz in
der Deutschen Demokratischen Republik unterrichten. Als authentische Stätte
politischer Verfolgung ist sie zudem ein Ort des Gedenkens an die Opfer der
kommunistischen Gewaltherrschaft in Ostdeutschland.
Ein Arbeitsausschuss, der sich aus Vertretern der Opferverbände und Fach-
leuten aus Forschung und Bildung zusammensetzte, erarbeitete die Konzeption
für die Gestaltung und Nutzung der Gedenkstätte. Sie sieht zunächst einen
Rundgang durch die wichtigsten Stationen des historischen Geländes vor: das
„U-Boot“, der bis 1960 genutzte Gefängnistrakt im Keller der ehemaligen
Großküche mit bunkerartigen, fensterlosen Zellen, der auch über besondere
Wasserzellen zur Folter bzw. Folterandrohung verfügte sowie den 1960/61 er-
richteten neuen Gefängniskomplex mit dem Vernehmertrakt.
Von 1995 an wurde die Gedenkstätte über eine Anschubfinanzierung anteilig
vom Bund und dem Land Berlin zu je 50 % gefördert, seit 1998 durch eine För-
derung nach dem gleichen Finanzierungsschlüssel.
Am 27. Juli 1999 legte die Bundesregierung ihr „Konzept der künftigen Ge-
denkstättenforschung des Bundes“, die „Gedenkstättenkonzeption“, vor (Bun-
destagsdrucksache 14/1569). Darin wird in Bezug auf die Gedenkstätte Hohen-
schönhausen ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass der Zuwendungsbedarf
für den Betrieb ab der Umsetzung der Konzeption und Fertigstellung der Dau-
erausstellung steigen wird“ (S. 19). Von Seiten des Bedarfsträgers wurde da-
mals ein Finanzierungsbedarf bis 2000 allein für Investitionen und Sonderpro-
gramme (ohne Betrieb) von rund 4,5 Mio. DM angegeben.
Die Stiftung „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ erhält seither jährliche
Mittel in Höhe von ca. 2 Mio. DM, von denen allein 1 Mio. DM für Personal-
ausgaben erforderlich sind. Die Mittel werden zu gleichen Teilen vom Bund
und vom Land Berlin aufgebracht. Stiftungsratsvorsitzende ist die Berliner
Kultursenatorin.
Die Kosten für baulichen Erhalt, Sanierung und Umbau der Gedenkstätte wer-
den nicht aus dem Haushalt der Gedenkstätte genommen, sondern von Bund
und Land zu gleichen Teilen zur Verfügung gestellt und von der Berliner
Senatsbauverwaltung verwaltet.
Bis zum 1. Oktober 2001 wurde die Gedenkstätte von insgesamt mehr als
250 000 Besuchern aufgesucht, davon rund 66 000 seit Jahresbeginn, was
einem Zuwachs von 35 % gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr ent-
spricht. Die Gedenkstätte ist bislang nur im Rahmen geführter Rundgänge zu
besichtigen, die überwiegend von Zeitzeugen durchgeführt werden.

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2. Laufende Haushaltsprobleme
So erfreulich das gestiegene Interesse der Öffentlichkeit ist, um so verständli-
cher ist die dadurch entstandene finanzielle Schieflage des Haushalts der Ge-
denkstätte. Insbesondere die starke Zunahme der Zahl der Führungen und die
Einführung der Sonntagsöffnung ab dem 1. April 2001, aber auch die verstärkte
Nachfrage nach schriftlichen Informationen sowie der Anstieg der Betriebskos-
ten nach Ingangsetzung einer Grundbeheizung haben im Jahr 2001 zu beträcht-
lichen Mehrausgaben geführt. Nach überschlägigen Schätzungen werden allein
für Führungen in diesem Jahr rund 440 000 DM erforderlich sein, im Jahr 2002
sogar ca. 585 000 DM. Um die sich abzeichnende Zahlungsunfähigkeit abzu-
wenden, wurde im Mai 2001 ein Kostenbeteiligungsmodell eingeführt, demzu-
folge alle neu angemeldeten Besuchergruppen 4 DM pro Erwachsenen für die
Führung zahlen müssen. Schüler und Einzelbesucher sind weiterhin kostenfrei.
Für 2001 wird daraus mit Einnahmen in Höhe von 98 000 DM gerechnet. Für
2002 würden sich Einnahmen in Höhe von 191 880 DM ergeben. Aufgebracht
werden müssten demnach für 2001 insgesamt 342 000 DM und für 2002 ins-
gesamt 393 000 DM. Bei weiter steigenden Besucherzahlen würden sich die
Ausgaben ebenfalls weiter erhöhen. Da es im Haushalt der Gedenkstätte für
Führungen keinen eigenen Haushaltstitel gibt, müssen diese aus dem Titel
„Veranstaltungen“ finanziert werden, der Ausgaben in Höhe von 250 000 DM
für sämtliche Veranstaltungen der Gedenkstätte vorsieht. Angesichts der
begrenzten Haushaltsmittel muss die Gedenkstätte, die Zahl der Besucher
kontingentieren und interessierte Besucher zurückweisen, wenn die jährlichen
Finanzmittel nicht aufgestockt werden. Besonders dramatisch ist, dass mittler-
weile aus dem laufenden Haushalt kein Geld mehr für Ausstellungen, Informa-
tionsmaterial, Forschung, Projekte oder Lehr- und Unterrichtsmaterial zur Ver-
fügung steht. Im Juni 2001 wurde deshalb bei der Berliner Kultursenatorin ein
Antrag auf Erhöhung der Zuwendungen um 327 000 DM gestellt, über den je-
doch bisher nicht entschieden wurde. Wegen der bevorstehenden Wahlen zum
Berliner Abgeordnetenhaus ist nicht mit einer Entscheidung noch innerhalb
dieses Jahres zu rechnen.
Um alle gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen zu können, ist nach
Berechnungen der Gedenkstätte ein jährlicher Gesamthaushalt in Höhe von 3,8
Mio. DM notwendig.
3. Einrichtung einer Dauerausstellung
Da die Gedenkstätte bisher nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden
kann, ist die Einrichtung einer Dauerausstellung für interessierte Einzelbesu-
cher geplant. Die Kosten für Konzeptionierung und Realisierung dieser Aus-
stellung betragen nach dem vom Beirat der Stiftung Gedenkstätte Hohenschön-
hausen verabschiedeten Konzept 5,8 Mio. DM, deren Finanzierung bislang
ungeklärt ist.
4. Baukosten
Nach einer neuen Berechnung durch die Berliner Senatsbauverwaltung sind die
Kosten für Erhalt, Sanierung und Umbau der Gedenkstätte mit 49,8 Mio. DM
zu veranschlagen. Da die in der mittelfristigen Finanzplanung eingestellten 10
Mio. DM für die bauliche Sicherung der Gedenkstätte bereits weitgehend ver-
baut sind, ergibt sich eine Finanzierungslücke von rund 39 Mio. DM. Es ist völ-
lig ungeklärt, wie diese für den Erhalt des Gebäudes erforderlichen Finanzmit-
tel aufgebracht werden sollen.
Die gesamte finanzielle Lage der Gedenkstätte macht die Aufrechterhaltung
des laufenden Betriebs zunehmend schwieriger. Bis heute haben weder die im
Stiftungsrat vertretene Bundesregierung noch die Landesregierung von Berlin
reagiert. Ohne eine spürbare Erhöhung der staatlichen Zuwendungen steht je-

Drucksache 14/7110 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
doch die Umsetzung der Projektkonzeption in Frage, droht den Gebäuden der
Verfall, steht das Vorhaben der Aufarbeitung der Geschichte des menschenver-
achtenden politischen Systems der DDR insgesamt auf dem Spiel.

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