BT-Drucksache 14/7082

Halbierung der Erhaltungssubventionen für die deutsche Steinkohle bis 2005 - Ende jeglicher Subventionierung der deutschen Steinkohle nach 2005 - 15,4 Milliarden DM für Investitionen in die Zukunft Deutschlands gewinnen

Vom 10. Oktober 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/7082
14. Wahlperiode 10. 10. 2001

Antrag
derAbgeordnetenUlrike Flach,Dr.WernerHoyer, Paul Friedhoff, InaAlbowitz, Jörg
vanEssen,GudrunKopp,Günther FriedrichNolting, Detlef Parr, GerhardSchüßler,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Guido Westerwelle, Birgit Homburger, Walter Hirche,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-JoachimOtto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Dr. HermannOtto Solms,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Halbierung der Erhaltungssubventionen für die deutsche Steinkohle bis 2005 –
Ende jeglicher Subventionierung der deutschen Steinkohle nach 2005 –
15,4 Mrd. DM für Investitionen in die Zukunft Deutschlands gewinnen

Der Bundestag wolle beschließen:
Mit dem Bundesgesetz zur Neuordnung der Steinkohlesubventionen (Steinkoh-
lebeihilfengesetz) aus dem Jahre 1997 hat sich der Bund bereit erklärt, für den
Zeitraumvon1997bis 2005die deutscheSteinkohlemit einemGesamtbetragvon
55,30 Mrd. DM zu subventionieren. Insgesamt soll der deutsche Steinkohlen-
bergbau für den genannten Zeitraummit 69,18 Mrd. DM subventioniert werden.
Das Gesetz war 1997 ein Kompromiss, der nach massiven, nicht ganz gewalt-
freienDemonstrationenderGewerkschaften inBonn beschlossenworden ist.Die
vergangenen vier Jahre haben gezeigt, dass die Haushaltslage sich weiter ver-
schlechtert hat und die innere und äußere Sicherheitslage nur durch Steuererhö-
hungen aufrechterhalten wird. Das Argument der Energieversorgungssicherheit
ist in den globalen Märkten noch weniger stichhaltig als zum Zeitpunkt des Ver-
tragsabschlusses.
Vom heutigen Zeitpunkt an wird die deutsche Steinkohle damit bis zum Jahre
2005 weiterhin mit insgesamt 25,7Mrd. DM subventioniert. Diese Subventions-
zusagen des Bundes und der Länder binden enorme finanzielle Ressourcen für
einen nicht zukunftsfähigen Wirtschaftszweig, der hier niemals in die Nähe der
Wettbewerbsfähigkeit kommen kann. Eine derartig struktur-konservierendeVer-
wendung volkswirtschaftlicher Ressourcen verhindert bei der ohnehin schwieri-
gen finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte eine jetzt notwendige und
neue politische Prioritätensetzung imBundeshaushalt zu Gunsten zukunftsträch-
tiger und dringend notwendiger Investitionen in die wirtschaftliche Zukunft, in
InnovationenundWirtschaftsförderung sowie in dieKernbereicheder Infrastruk-
tur Bildung und Verkehr.
Angesichts der chronischen Unterfinanzierung des bundesdeutschen Bildungs-
systems, die durch Lehrermangel, Personalnot an den Hochschulen, Unterrichts-
ausfall, marode Schul- und Hochschulbauten, schlechte Unterrichtsbedingungen

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sowie durch eine dadurch bedingte unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit
zum Ausdruck kommt, erscheint eine Mobilisierung der Subventionsgelder für
die Modernisierung der bundesdeutschen Wissenschafts- und Bildungseinrich-
tungen und damit für eine zukunftsgerechte Qualifizierung der jungen Genera-
tionen dringend notwendig und volkswirtschaftlich betrachtetweitaus sinnvoller,
als der mit den Subventionsmilliarden betriebene künstliche Erhalt eines in
Deutschland nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaftszweiges ohne Zukunft. Nur
durch ein modernes und leistungsfähigesWissenschafts- und Bildungssystem ist
die notwendige Grundlage dafür gelegt, dass die deutschenWirtschaftsstandorte
künftig Maßstäbe bei Dienstleistungs- und Warenangeboten setzen können.
Zudem ist es erforderlich, den Wirtschaftsstandort Deutschland, insbesondere
auch in den Bundesländern mit veralteten Industriestrukturen, durch moderne
und leistungsfähige Verkehrswege und damit durch den Bau- und Ausbau von
Straßen, Autobahnen sowie durch moderne und zukunftsweisende Verkehrssys-
teme attraktiver und leistungsfähiger zumachen.Nur so kanndie Standortqualität
der Bundesrepublik Deutschland im internationalenWettbewerb verbessert wer-
den und nur so wird Deutschland für internationale Investoren und damit für die
Schaffung zusätzlicher und wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze attraktiver.
Die derzeitige Lage ist dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen in Deutsch-
land insgesamt eine neue politische Prioritätensetzung für mehr Bildung,Wissen-
schaft und Forschung sowie für mehr Mobilität einfordern. Auch bei den politi-
schenParteien sowiebeiden InteressensverbändenausdenBereichenBildungund
Verkehr besteht hinsichtlich dieser Notwendigkeit Einvernehmen. Was fehlt ist
eine finanzpolitischeAntwort auf dieseHerausforderung. Dabei sind denBürgern
angesichts der bereits heute viel zu hohen Belastungen von Wirtschaft und Ge-
sellschaft durch Steuern und Abgaben, weitere Steuer- und Abgabenerhöhungen
zur Finanzierung der notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht mehr zumutbar.
Auch eine Erhöhung der staatlichen Kreditaufnahme zur Finanzierung der ge-
nannten Aufgaben fällt angesichts der Überschuldung der öffentlichen Haushalte
aus und würde nur zukünftige Steuererhöhungen nach sich ziehen und damit eine
schwere Hypothek für die Zukunftschancen der jungen Generation darstellen.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, den bislang
vorgesehenen Subventionsplan bzw. die bislang für die Subventionierung des
deutschen Steinkohlenbergbaus vorgesehenen finanziellen Ressourcen zu Guns-
ten besserer Bildungschancen für die junge Generation und für mehr Mobilität
aufzuheben und mit den Ländern neu zu verhandeln. Nur durch eine solche
ebenso mutige wie notwendige finanzpolitische Antwort auf die Herausforde-
rungen der Gegenwart kann Deutschland die Zukunft gewinnen.
Der Deutsche Bundestag möge beschließen:
1. Die Bundesregierung tritt unverzüglich mit den Landesregierungen der Län-

derNordrhein-Westfalen und Saarland, der RAG sowiemit denGewerkschaf-
ten über das Gesetz zur Neuordnung der Steinkohlesubventionen (Steinkoh-
lebeihilfegesetz) und die Verpflichtungsermächtigungen der Bundesländer in
Verhandlungen. Sie verfolgt dabei folgende Zielsetzungen:
– Der für den Zeitraum 2002 bis einschließlich 2005 vorgesehene Gesamt-

subventionsbetrag seitens des Bundes und der Länder wird halbiert (Ver-
doppelung der Anpassungsgeschwindigkeit).

– Seitens desBundeswird letztmalig für das Jahr 2005 einSubventionsbetrag
in Höhe von 2 Mrd. DM gewährt. Nach 2005 erfolgt keine Subventionie-
rung des deutschen Steinkohlebergbaus mehr. Die Kosten für die Folge-
schäden des Bergbaus werden vom Bund übernommen.

– Zur Umsetzung der durch die Subventionskürzungen bedingten Perso-
nalanpassungsmaßnahmen werden betriebsbedingte Kündigungen nicht
mehr ausgeschlossen.

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2. Mit den frei werdenden Mitteln erhalten der Bundeshaushalt und der Landes-
haushalt Nordrhein-Westfalenmehr Spielräume für Zukunftsaufgaben, insbe-
sondere für die Bereiche Bildung und Verkehr.

Berlin, den 10. Oktober 2001
Ulrike Flach
Dr. Werner Hoyer
Paul Friedhoff
Ina Albowitz
Jörg van Essen
Gudrun Kopp
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Guido Westerwelle
Birgit Homburger
Walter Hirche
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Die deutsche Steinkohle ist ein nicht wettbewerbsfähiger Energieträger und wird
dies trotz aller Produktivitätsfortschritte bleiben. Aufgrund desWettbewerbsvor-
teils der Importkohle in einer Größenordnung von 200 DM pro Tonne wird sich
niemals auch nur eine einzige subventionsfreie Tonne deutsche Steinkohle zu
Wettbewerbspreisen am Markt verkaufen lassen.
Wider Erwarten hat sich die Europäische Kommission für eine Fortsetzung der
Kohlesubvention im Rahmen der ursprünglich 2002 auslaufenden Regelung für
die Förderung der Steinkohle im Rahmen des Vertrages der Gemeinschaft für
Kohle undStahl (EGKS) ausgesprochen.Danach sinddegressiv ausgestalteteBei-
hilfen des Bundes noch bis 2007 möglich. Dieser Zeitraum soll dazu genutzt wer-
den, die nicht rentablen Zechen zu schließen und so eine bedingte Mindestwett-
bewerbsfähigkeit ohne Entlassungen zu garantieren. Über das Jahr 2007 hinaus

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dürfen solche unrentablen Zechen nicht degressiv gestaffelt bezuschusst werden.
Bis längstens zum Jahr 2010 dürfen alle übrigen Zechen gefördert werden.
Spätestens 2004 muss die Bundesregierung nach dem Willen der Europäischen
Kommission mit den Bundesländern ein neues, wettbewerbsfähiges Kohlekon-
zept aushandeln. An dieser Entscheidung erkennt man den Willen der Europäi-
schen Union, die Steinkohlesubvention zwar noch fortzuführen, allerdings ist
nunmehr ein Ende absehbar.
Vor dem Hintergrund der dauerhaft fehlenden Wettbewerbsfähigkeit der deut-
schen Steinkohle und der Tatsache, dass die Europäische Kommission keine un-
bedingte Planungssicherheit über das Jahr 2007 hinaus gebenwollte, entlarvt sich
die von der Bundesregierung dargelegte Vorstellung vom lebensfähigen Stein-
kohlebergbau als „Lebenslüge des Bergbaus“, die gegenüber den imBergbauBe-
schäftigten und deren Angehörigen unverantwortbar ist.
Vielmehr muss man den oftmals noch jungen Bergbaubeschäftigten jetzt offen
und ehrlich sagen, dass sie die Chance ihrer zumeist sehr guten beruflichen Qua-
lifikation aktiv nutzen sollten.
Die bewusste und dauerhafte Subventionierung eines niemals wettbewerbsfähi-
gen Produktes ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht länger in der zwi-
schen Bund und Land vereinbarten Größenordnung zu verantworten. Dies des-
halb nicht, weil dadurch enorme volkswirtschaftliche und finanzielle Ressourcen
in einen vergangenheitsorientierten Wirtschaftszweig fehlgeleitet werden und
damit zwangsläufig die finanziellen Mittel für dringend notwendige Zukunfts-
investitionen mit den Schwerpunkten Bildung und Verkehr fehlen.
Wie in jeder Wirtschaftsbranche, die strukturellen Veränderungen unterliegt und
betriebsbedingte Kündigungen vornehmen muss, so muss dieses personalwirt-
schaftliche Instrument auch für denBergbau gelten dürfen. Dabei ist zu bedenken,
dass die Bergbaubeschäftigten durchschnittlich nicht älter als 35 Jahre alt und zu
einem Großteil beruflich sehr gut qualifiziert sind. Mit der notwendigen Bereit-
schaft zur beruflichenVeränderung sowie zur räumlichenMobilität bieten sich da-
mit auchdenbislangnoch imBergbauBeschäftigtengute beruflichePerspektiven.
Auszugehen ist von einer fortschreitenden Öffnung der internationalen Energie-
märkte und großen Steinkohlevorräten in der Welt. Auszugehen ist daher auch
von langfristig günstigen Weltmarktpreisen, wodurch eine Fortsetzung der Er-
haltungssubventionen für den deutschen Steinkohlenbergbau über das Jahr 2005
hinaus volkswirtschaftlich nicht mehr verantwortbar erscheint.
Angesichts einer weltweit vernetzten Energieversorgung kann das traditionelle
Argument der nationalen Versorgungssicherheit demgegenüber vernachlässigt
werden. Als heimischer Primärenergieträger ist subventionsfreie Braunkohle
verfügbar. Im Übrigen wurde der deutsche Steinkohlenbedarf von 66 Mio. Ton-
nen SKE im Jahr 2000 bereits zu 28,8 Mio. Tonnen SKE durch Importkohle ge-
deckt. In wenigen Jahren wird mehr Importkohle als heimische Steinkohle in
Deutschland verbraucht werden. Die RAG ist als einer der größten Steinkohle-
produzenten und Steinkohlehändler derWelt längst im internationalen Steinkoh-
legeschäft durch Unternehmensbeteiligungen engagiert. Die RAG ist zugleich
größter deutscher Anbieter für Bergwerksausrüstung. Sie kann die Bergbautech-
niken auch in ihren ausländischen Bergwerken testen und präsentieren. Ohnehin
ist zu berücksichtigen, dass die für deutsche Steinkohlenbergwerke benötigte
Technikwegender großenUnterschiedebei denFörderbedingungennur begrenzt
auf andere Lagerstätten übertragbar ist.
Die Aufhebung und Neuverhandlung des Steinkohlebeihilfegesetzes in vorge-
legter Formwürde den Bund aus der Finanzierungsaufgabe nach 2005 entlassen.

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