BT-Drucksache 14/6975

Bildungssektor als Bestandteil des WTO-Welthandelsabkommens über den Dienstleistungssektor (GATS)

Vom 25. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6975
14. Wahlperiode 25. 09. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Birgit Homburger, Horst Friedrich
(Bayreuth), Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van
Essen, Hans-Michael Goldmann, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Gudrun Kopp, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Carl-Ludwig
Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Bildungssektor als Bestandteil des WTO-Welthandelsabkommens über den
Dienstleistungssektor (GATS)

Laut Statistik der Welthandelsorganisation (WTO) entfallen – mit steigender
Tendenz – über 20 Prozent des Welthandels auf Dienstleistungen. In den USA,
Australien oder in Neuseeland ist Bildung als Dienstleistung zum wesentlichen
Exportgut geworden. Dieser Handel mit Bildung soll ausgeweitet und libera-
lisiert werden. Die WTO bereitet dafür ein Welthandelsabkommen vor, das
nach der gescheiterten Konferenz von Seattle im November 2001 in Doha
weiterberaten werden soll. Die Hochschulen, vor allem aber private Bildungs-
anbieter sollen die Garantie erhalten, in anderen Ländern Filialen eröffnen,
eigene Lehrangebote und die damit verbundenen Diplome und Zertifikate ver-
kaufen zu können.
Dies ist auch dringend notwendig, damit Bildung durch Wissens- und Techno-
logietransfer den Wettbewerb und damit nationale Märkte stärkt. Die „Vereini-
gung der Technologiemanager an amerikanischen Universitäten“ wies beispiels-
weise für die USA nach, dass amerikanische Hochschulen bereits 1998 mit
7 460 Lizenz- und Optionsvereinbarungen ein Einkommen von 725 Mio. Dollar
erzielten.
Bei In-Kraft-Treten dieses Abkommens werden die staatlichen Hochschulen
gegenüber privaten Bildungsanbietern in eine Wettbewerbssituation geraten,
auf die sie sich unter den gegenwärtig obwaltenden Umständen nicht einstellen
können.
Daraus schlussfolgern Gewerkschaften, dass bald Markt und Mode die wissen-
schaftliche Arbeit in Hochschulen und Forschungseinrichtungen bestimmen
und deren Eigenständigkeit – individuell wie institutionell – gefährdet sei. Sie
befürchten, dass Querdenker oder auch die nicht so marktgängigen Fachberei-
che es dann schwerer haben würden, sich zu behaupten und Wissenschaft ihre
kritisch-aufklärerische Funktion verliere. Außerdem brächte die ungebremste
Kommerzialisierung des Bildungssektors soziale Ungerechtigkeiten mit sich,
da die „Ware Bildung“ dem freien Handel unterworfen und durch keine Finan-
zierungsmodelle für einkommensschwächere Familien abgesichert sei.
Bislang fehlt ein Weißbuch über deutsche Positionen zu den GATS-Verhand-
lungen (GATS: General Agreement of Trade in Services) und eine öffentliche
Diskussion. Weder liegen Informationen über das bevorstehende Verfahren vor,

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noch ist dieses irgendwie transparent gestaltet. Der 3. Weltkongress der Bil-
dungs-Internationale, die weltweit fast 25 Millionen Beschäftigte repräsentiert,
hat in Bangkok gefordert, den Bildungsbereich aus den Verhandlungen über ein
Welthandelsabkommen für den Dienstleistungssektor so lange herauszuneh-
men, wie nicht wirksame Formen einer Partizipation gefunden werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Mit welchen Positionen gehen das Bundesministerium für Wirtschaft und

Technologie und das Bundesministerium für Bildung und Forschung in die
europäischen Abstimmungsprozesse?

2. Bis wann ist die Formulierung eines Weißbuches der deutschen Positionen
zu den GATS-Verhandlungen geplant?

3. Welche Ziele verfolgt aus Sicht der Bundesregierung die Europäische
Union, die ja für alle EU-Mitgliedstaaten die WTO-Verhandlungen führt?

4. Haben die Bundesländer bisher eigene Interessen geäußert?
5. Sollen künftig ausländische Bildungsanbieter und ihre Privathochschulen

nach deutschem Recht beispielsweise mit Mitteln der Hochschulbauförde-
rung gefördert werden?

6. Sollen Studiengänge und Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten
von deutschen Akkreditierungs-Agenturen oder vom American Board of
Engineering zertifiziert werden?

Berlin, den 24. September 2001
Ulrike Flach
Cornelia Pieper
Birgit Homburger
Horst Friedrich (Bayreuth)
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Hans-Michael Goldmann
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Gudrun Kopp
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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