BT-Drucksache 14/6973

Staatlich verordnetes Bio-Siegel auf dem Prüfstand

Vom 25. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6973
14. Wahlperiode 25. 09. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gudrun Kopp, Ulrich Heinrich, Marita Sehn, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van Essen, Horst Friedrich (Bayreuth),
Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut
Haussmann, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Carl-Ludwig
Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Staatlich verordnetes Bio-Siegel auf dem Prüfstand

Am 5. September 2001 hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, Renate Künast, ein neues Bio-Siegel vorgestellt. Die-
ses soll bis Ende dieses Jahres durch ein Gesetzgebungsverfahren rechtlich
verankert werden. Ziel des neuen, staatlich verordneten Öko-Siegels ist die
Kennzeichnung der nach den Standards der EG-Öko-Verordnung produzierten
Lebensmittel, das die Erzeuger und Verarbeiter zu einer umwelt- und artgerech-
ten Produktionsweise verpflichtet. Die Nutzung des neuen Bio-Siegels ist frei-
willig.
Zurzeit gibt es in Deutschland bereits neun eigenständige, privatwirtschaftlich
organisierte Kennzeichen, die die ökologischen Anbauverbände erfolgreich in
den Markt eingeführt haben. Damit werden ökologische Produkte gekennzeich-
net, die in Deutschland in 12 740 Öko-Betrieben auf einer Fläche von 3,2 % der
gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche angebaut werden. Darüber hinaus
sind im Lebensmittelhandel weitere ca. 100 Bio-Zeichen eingeführt.
Das von der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft, Renate Künast, vorgestellte Bio-Siegel ist ein zusätzliches Kennzei-
chen in dem bereits heute unübersichtlichen Markt der Bio-Zeichen. Durch
seine Einführung will die Bundesregierung neue Impulse für den Absatz von
Bioprodukten geben und für mehr Transparenz und Vertrauen in die Qualität
der Lebensmittel sorgen. Dem staatlich verordneten Bio-Siegel für Ökopro-
dukte, für dessen Vermarktung 15 Mio. DM staatliche Finanzmittel im Bundes-
haushalt 2002 vorgesehen sind, soll ein zweites Siegel für konventionell herge-
stellte Lebensmittel folgen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit hat die Bundesregierung die EU-Partner über die Einführung

eines national begrenzten Öko-Siegels informiert?
2. Inwieweit hat die Bundesregierung versucht, ein EU-weites Öko-Siegel ein-

zuführen zur europaweiten Vereinheitlichung der Bestimmungen?

Drucksache 14/6973 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung zur Bereitschaft
der Nutzung des Öko-Siegels
a) bei den Ökobauern,
b) bei den Verarbeitern,
c) beim Handel?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Bereitschaft der
Privathaushalte, zusätzlich Ökoprodukte zu kaufen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftliche Möglichkeit und
mentale Bereitschaft, verstärkt Ökoprodukte zu kaufen
a) von Alleinerziehenden mit 1 Kind mit einem monatlichen Einkommen

von 3 000 DM,
b) von Auszubildenden/Studenten mit einem monatlichen Einkommen von

1 500 DM,
c) von einer Familie (Partner und 2 Kinder) mit einem monatlichen Ein-

kommen von 6 000 DM?
6. Welche Aktivitäten sind seitens der Bundesregierung im Rahmen der Infor-

mationskampagne zur Einführung des Bio-Siegels geplant, für die im
Haushalt 2002 15 Mio. DM bereitgestellt sind?

7. Welche weiteren Schritte hat die Bundesregierung eingeleitet, um das Ziel
verwirklichen zu können, den Anteil des ökologischen Landbaus auf 20 %
bis 2010 zu steigern?

8. Wie unterscheidet sich das Qualitätsniveau der Produkte aus den neun öko-
logischen Anbauverbänden von denjenigen Produkten, die den Standards
der EG-Öko-Verordnung entsprechen (jeweils differenziert nach den neun
unterschiedlichen Marken)?

9. Wer wird die Standards der EG-Öko-Verordnung kontrollieren
a) bei den Ökobauern,
b) bei den Verarbeitern,
c) beim Handel?

10. Hält die Bundesregierung die jährliche Kontrolle über die Einhaltung der
Standards der EG-Öko-Verordnung für ausreichend, um einen eventuellen
Missbrauch auf allen Ebenen zu verhindern?

11. Inwieweit hat die Bundesregierung sichergestellt, dass die zuständigen
Stellen, die bereits heute Arbeitsengpässe verzeichnen, den durch die Ein-
führung des Öko-Siegels zusätzlichen Arbeitsanfall bewältigen können?

12. Ist die Einführung des Öko-Siegels an eine Zertifizierung der nach ökologi-
schen Prinzipien produzierenden Unternehmen gebunden
a) in der Landwirtschaft,
b) in der Verarbeitung,
c) im Handel?
Falls ja, wer ist für die Durchführung der Zertifizierung verantwortlich und
wie lange soll das Zertifizierungsverfahren längstens dauern?

13. Plant die Bundesregierung ein gesondertes Zertifizierungsverfahren für
diejenigen Betriebe, die nur teilweise ihre Produktionsverfahren auf ökolo-
gischen Anbau umstellen, und welche Abgrenzungsmaßnahmen sind inner-
betrieblich vorgesehen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6973

14. Reicht bei diesen Betrieben eine jährliche Kontrolle nach Auffassung der
Bundesregierung aus?

15. Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung bei Umstellung der Wirt-
schaftsweise nach den Standards der EG-Öko-Verordnung (differenziert
ausweisen unter Bezug auf Fläche in Hektar/auf Vieheinheiten in Groß-
vieheinheit/GV) sowie für die Verarbeitungsebene und den Handel?

16. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Qualität von
Produkten vor
a) aus ökologischem Anbau nach dem Standard der EG-Öko-Verordnung,
b) aus Produkten nach konventionellen Herstellern?

17. Bestehen nach Erkenntnis der Bundesregierung signifikante Qualitätsun-
terschiede zwischen den Bioprodukten nach dem Standard der EG-Öko-
Verordnung, den Produkten aus den ökologischen Landanbauverbänden so-
wie den Produkten aus konventioneller Herstellung?

18. Wie gestalten sich die Vorbereitungen zur Einrichtung des Bundesamtes für
Verbraucherschutz, insbesondere was Kosten und zeitlichen Rahmen anbe-
langt?

19. Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung eines Siegels für
konventionell erzeugte Agrarprodukte?

20. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass, mit Einführung zweier
unterschiedlicher staatlicher Qualitätssiegel die deutschen landwirtschaft-
lichen Erzeugnisse in zwei Klassen unterteilt werden und damit eine staat-
lich verordnete Marktsegmentierung vorgenommen wird?

Berlin, den 24. September 2001
Gudrun Kopp
Ulrich Heinrich
Marita Sehn
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche

Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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