BT-Drucksache 14/6896

Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Übergriffe gegen Globalisierungskritiker beim G-8-Gipfel in Genua

Vom 11. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6896
14. Wahlperiode 11. 09. 2001

Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sabine Jünger, Carsten Hübner, Heidi Lippmann,
Ursula Lötzer, Petra Pau, Dr. WinfriedWolf, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission
zur Aufklärung der Übergriffe gegen Globalisierungskritiker beim G8-Gipfel
in Genua

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Forderung nach Einrichtung einer un-
abhängigen internationalen Untersuchungskommission. Die Aufklärung aller
Vorwürfe ist keine inneritalienische Angelegenheit.
Der Deutsche Bundestag verurteilt die Kriminalisierung und Repression von
Kritikern und Kritikerinnen der Globalisierung. Er fordert die Bundesregierung
auf, sich für eine rechtsstaatliche Behandlung aller im Zusammenhang mit
Genua inhaftierten Personen aus der Bundesrepublik Deutschland und für ihre
rasche Freilassung sowie für die Einstellung aller Verfahren einzusetzen. Durch
polizeiliche Misshandlung Verletzte und zu Unrecht Verhaftete sollen entschä-
digt werden. Die Einreiseverbote müssen vollständig aufgehoben werden.
Die schweren Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit Genua
zeigen: Grundrechte sind in Gefahr. Diese Grundrechte zu schützen und auszu-
bauen ist oberstes Gebot. Dazu gehört auch eine Überprüfung der polizeilichen
Zusammenarbeit und des Datenaustausches in der EU. Die Verletzungen inter-
nationaler Vereinbarungen wie z. B. der Europäischen Grundrechtecharta, der
UN-Menschenrechtskonvention und der Anti-Folter-Konvention müssen auf
europäischer Ebene untersucht und verurteilt werden.

Berlin, den 11. September 2001
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Carsten Hübner
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Petra Pau
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

Drucksache 14/6896 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Begründung
Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua ist es zu
zahlreichen polizeilichen Übergriffen und Misshandlungen und erheblichen
Einschränkungen von Grundrechten gekommen.
So wurden bereits im Vorfeld von deutschen Behörden gegen eine größere Zahl
von Personen Ausreiseverbote verhängt. Diese schwerwiegenden Eingriffe in
Grundrechte wie das auf Freizügigkeit, auf Meinungs- und Versammlungsfrei-
heit wurden zum Teil nur mit gerichtlich nicht überprüften Beschuldigungen
begründet oder einfachen politischen Vorwürfen wie Teilnahme an Demonstra-
tionen.
Die den Betroffenen unbekannten Beschuldigungen sind auch an die italieni-
sche Polizei und – zum EU-Gipfel in Göteborg und der Tagung in Salzburg –
vorher an die schwedische und die österreichische Polizei übermittelt worden.
Damit sind grundlegende Fragen des Datenschutzes, der Polizeizusammen-
arbeit und des Schutzes von Grundrechten in der EU aufgeworfen.
In Genua selbst kam es bei den Protesten zu schweren polizeilichen Übergrif-
fen und Misshandlungen sowie zahlreichen Festnahmen. Ein Demonstrant
wurde erschossen, zahlreiche weitere zum Teil erheblich verletzt. Festgenom-
mene wurden misshandelt bis hin zu Folterungen, beschimpft und bedroht, er-
hielten keinen ausreichenden juristischen und ärztlichen Beistand oder Dolmet-
scher. Gegen viele der inzwischen wieder freigelassenen und abgeschobenen
Personen hat die Regierung Einreiseverbote verhängt. Mehrere aus Deutsch-
land nach Italien gereiste Personen sind noch immer in Haft. Ihnen wird auf
Grundlage von fragwürdigen Indizien die Zugehörigkeit zu einem als „terroris-
tische Vereinigung“ eingestuften „schwarzen Block“ vorgeworfen. Die Be-
schuldigten, ihre Eltern und Anwälte bestreiten das und sprechen von konstru-
ierten Vorwürfen, mit denen eine ganze soziale Bewegung, die gegen die
negativen Auswirkungen der Globalisierung gerichtet ist, kriminalisiert und ab-
geschreckt werden solle.
Gleichzeitig stehen weitere Vorwürfe gegen die italienischen Sicherheitskräfte
im Raum, so der Vorwurf der Zusammenarbeit mit Neofaschisten und des Ein-
satzes von Provokateuren, die an den Krawallen beteiligt gewesen sein sollen.
Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Parteien haben eine vollständige
Aufklärung dieser Vorwürfe verlangt.

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