BT-Drucksache 14/6895

Wirksamer Schutz der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Euro-Umstellung

Vom 11. September 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6895
14. Wahlperiode 11. 09. 2001

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, Dr. Christa Luft,
Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Fraktion der PDS

Wirksamer Schutz der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Euro-Umstellung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. kurzfristig einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Währungsumstel-

lung auf den Euro am 1. Januar 2002 für die Bürgerinnen und Bürger wie
folgt geregelt ist:
A. Sicherstellung, dass für eurobezogene Umstellungen und Dienstleistun-

gen wie z. B. für den Umtausch und die Rückgabe von DM-Münzgeld,
von Banknoten undMünzgeld aus dem Euro-Raum sowie für die Ausgabe
von Euro-Bargeld über die „haushaltsüblichen“ Beträge hinaus durch die
Kreditinstitute kein gesondertes Entgelt in Rechnung gestellt wird,

B. Gewährleistung, dass Bürgerinnen und Bürger ohne Bankkonten DM-
Banknoten und -Münzen in allen Kreditinstituten kostenlos in Euro-
Währung umtauschen können,

2. beim Bundesministerium der Finanzen eine kostenlose Hotline einzurichten,
an die sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Fragen und Kritiken in Bezug
auf die Euro-Umstellung wenden können.

Berlin, den 23. August 2001
Dr. Barbara Höll
Heidemarie Ehlert
Dr. Christa Luft
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Uwe-Jens Rössel
Roland Claus und Fraktion

Drucksache 14/6895 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
Zu 1. A
Die DM verliert mit Ablauf des 31. Dezember 2001 ihre Eigenschaft als ge-
setzliches Zahlungsmittel. Zum 1. Januar 2002 erfolgt die Einführung des Euro
als Bargeld. In Bezug auf den kostenlosen umstellungsbedingten Umtausch
von Banknoten und Münzen existieren – bis auf eine Empfehlung der EU-
Kommission vom 23. April 1998 – keine speziellen Rechtsgrundlagen. Haupt-
inhalt der EU-Empfehlung sind die Entgeltfreiheit bestimmter Leistungen wie
z. B. der Umtausch „haushaltsüblicher“ Beträge von nationalem Bargeld in
Euro, die Schaffung von Transparenz sowie das Verhalten gegenüber Bürgerin-
nen und Bürgern ohne Girokonto. Allerdings greift diese Empfehlung nicht in
unmittelbare nationale Rechtssetzung ein. Deshalb sind die Bürgerinnen und
Bürger auf das Verhalten der Kreditinstitute angewiesen. Seitens der Kredit-
wirtschaft wurde jedoch auf einheitliche Zusagen der Entgeltfreiheit verzichtet.
Die Definition der „haushaltüblichen“ – und damit entgeltfreien – Umtauschbe-
träge obliegt ausschließlich den Banken. So setzt z. B. die Commerzbank den
„haushaltüblichen“ Betrag bei 20 DM fest. Darüber hinausgehende Bargeld-
summen werden nicht entgeltfrei umgetauscht.
Eine Entgeltfreiheit des Währungsumtausches kann aber auch daraus abgeleitet
werden, dass es sich um eine vom Staat im öffentlichen Interesse den Banken
auferlegte Pflicht handelt und daraus erwachsende Aufwendungen nicht auf die
Kunden abgewälzt werden können. In diesem Sinne argumentierte auch der
Bundesgerichtshof in Bezug auf die Entgeltfreiheit der Einrichtung, Verwal-
tung und Änderung von Freistellungsaufträgen.

Zu 1. B
Von der mangelnden Bereitschaft der Kreditwirtschaft, verbindliche Zusagen
über die Entgeltfreiheit des Bargeldumtausches zu leisten, sind insbesondere
Bürgerinnen und Bürger betroffen, denen seitens der Banken ein Girokonto
verweigert wird. Allein nach Kenntnis der Bundesanstalt für Arbeit sind derzeit
rund 90 000 Arbeitslosengeld- bzw. Arbeitslosenhilfeberechtigte und 70 000
Empfängerinnen und Empfänger von Kindergeld ohne Kontoverbindung.
Verantwortlich dafür sind alle Institute der Verbände der Kreditwirtschaft, ein-
schließlich die Sparkassen. Dies zeigt, dass die seit dem Jahr 1995 bestehende
freiwillige Selbstverpflichtung der Kreditinstitute ihr Ziel, jedem Bürger und
jeder Bürgerin auf Wunsch, unabhängig von Art und Höhe der Einkünfte, Zu-
gang zu einem Girokonto zu ermöglichen, nicht erreicht hat. Zweifelhaft ist
deshalb, ob die Kreditinstitute in Bezug auf den Umtausch von Bargeld ihr Ver-
halten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ohne Girokonto überprüfen
und korrigieren. Demzufolge bleibt zu befürchten, dass gerade diese Bürgerin-
nen und Bürger für den Bargeldtausch Gebühren zahlen müssen.
Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang der Verweis der Kreditwirtschaft
auf das Angebot des kostenlosen Umtausches bei den Landeszentralbanken, da
diese in Bezug auf die räumliche Verbreitung, die Öffnungszeiten und die
Kapazitäten nicht mit den Hausbanken zu vergleichen sind.
Nicht zuletzt wird gerade angesichts der genannten Probleme des Bargeldum-
tausches durch Bürgerinnen und Bürger ohne Girokonto deutlich, dass – über
den akuten Handlungsbedarf hinaus – ein gesetzliches Recht auf ein Girokonto
unabdingbar ist.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6895

Zu 2
Die Skepsis der EU-Bürgerinnen und -Bürger in Bezug auf Preiserhöhungen
und zusätzliche Kosten im Rahmen der Euro-Einführung nimmt deutlich zu.
Allein in der Bundesrepublik Deutschland sind gemäß einer EU-Umfrage
68 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Preise beim Währungswechsel
steigen werden. Die Befürchtung, dass es im Handel Versuche geben wird, die
Euro-Einführung zu Preiserhöhungen zu nutzen, wird von der Deutschen Bun-
desbank geteilt. Darüber hinaus fürchten die Bürgerinnen und Bürger, dass die
Kreditinstitute im Zuge der Euro-Bareinführung Vertragsänderungen und Kos-
tenberechnungen zu ihren Ungunsten durchsetzen wollen. Auf diese Bedenken
ist die Bundesregierung bisher noch nicht ausreichend eingegangen. Vielmehr
zieht sie sich auf eine passive Position zurück und ist scheinbar nicht bereit,
sich in den Prozess der Umstellung zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger
einzubringen. So geht Bundesminister der Finanzen Hans Eichel – im Gegen-
satz zur Deutschen Bundesbank – noch immer davon aus, dass es nicht zu
Preissteigerungen kommen wird, und meint, den privaten Anbietern keine Vor-
gaben für die Preisgestaltung machen zu können. Nicht zuletzt diese Haltung
lässt bei zahlreichen Menschen das Gefühl entstehen, dass die Euro-Umstel-
lung auf ihre Kosten umgesetzt wird. Hier kann die Einrichtung einer zentralen
Anlaufstelle, wie z. B. einer Hotline, nützlich sein, um einerseits den Bürgerin-
nen und Bürger im Umgang mit Handel und Banken ein stärkeres Maß an
Sicherheit zu geben und andererseits frühzeitig auf Missbräuche aufmerksam
zu werden.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.