BT-Drucksache 14/689

Staatsverschuldung

Vom 24. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/689 vom 24.03.1999

Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Staatsverschuldung
=

24.03.1999 - 689

14/689

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans Georg Wagner, Klaus Hagemann, Manfred Hampel,
Iris Hoffmann (Wismar), Siegrun Klemmer, Volker Kröning, Waltraud Lehn,
Lothar Mark,
Dr. Rolf Niese, Gerhard Rübenkönig, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Carsten Schneider, Dr. Emil Schnell, Walter Schöler, Dietmar Schütz
(Oldenburg), Ewald Schurer, Dr. Angelica Schwall-Düren, Antje-Marie
Steen, Uta Titze-Stecher, Hans-Eberhard Urbaniak, Dr. Konstanze Wegner,
Gunter Weißgerber, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Oswald Metzger, Matthias Berninger, Antje Hermenau,
Kristin Heyne, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Staatsverschuldung

Erst der Kassensturz der rot-grünen Bundesregierung hat das ganze
Ausmaß der Beschädigung der Staatsfinanzen durch die abgewählte
Regierung Kohl/Waigel deutlich gemacht. Sie hat eine doppelte Erblast
hinterlassen: zum einen eine strukturelle Deckungslücke im
Bundeshaushalt von rund 20 Mrd. DM, zum anderen einen gewaltigen
Schuldenberg mit enormen Zinsverpflichtungen.
Betrug Ende 1982 die von Kohl übernommene Verschuldung des Bundes und
seiner Sonderrechnungen 349 Mrd. DM, so hatte er bis zu seiner Abwahl
diesen Betrag mit 1 450 Mrd. DM mehr als vervierfacht. Die immense
Verschuldung hat zu einem enormen Anstieg der Zinsausgaben geführt:
reichten 1982 dafür noch 22,1 Mrd. DM, so hatte der Bund 1998 eine fast
vierfach so hohe Zinslast von 80 Mrd. DM zu tragen. Und dies bei
historisch niedrigen Zinssätzen. Diese Zinsenmilliarden fehlen bei der
Bewältigung der vielfältigen sozialen Probleme und der Bemühungen um
eine Absenkung der Abgabenbelastung. Die Schuldenlast der Regierung
Kohl/Waigel belastet aber nicht nur die heutige, sondern auch die
künftige Generation, die auch noch Zinsen wird zahlen müssen für dann
längst vergessene Ausgaben, die nicht solide, sondern auf Pump
finanziert waren.
Nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts hat die Regierung
Kohl/Waigel die Bundesfinanzen durch ihre ausgeuferte Verschuldung in
eine Haushaltsnotlage manövriert. Im Urteil zum Länderfinanzausgleich
sah das Gericht bereits bei einer Zins-Steuer-Quote von 20,6 v. H.
einen Haushalt in Not. 1998 mußten im Bundeshaushalt aber 23,4 v. H.
der gesamten Steuereinnahmen für die Zahlung der Zinsverpflichtungen
aufgewendet werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:
I.
1. a) Wie hoch war in den Jahren 1990 bis 1998 die
Nettokreditaufnahme des Bundes, der Länder (West und Ost getrennt), der
Gemeinden (West und Ost getrennt), der Zweckverbände, des ERP-
Sondervermögens, des Fonds "Deutsche Einheit", des
Erblastentilgungsfonds, des Entschädigungsfonds, des
Bundeseisenbahnvermögens, des Ausgleichsfonds zur Sicherung des
Steinkohleneinsatzes sowie des öffentlichen Gesamthaushalts in Mrd. DM?
b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die entsprechenden Zahlen für
1999 gemäß den im Finanzplanungsrat am 2. Dezember 1998 vorgelegten
Daten oder aufgrund aktuellerer Erkenntnisse?
2. Wie hoch war seit 1990 bis 1998 für jedes einzelne Jahr die
Nettokreditaufnahme des Bundes in Mrd. DM in den einzelnen
aufeinanderfolgenden Finanzplänen des Bundes, die jeweils das jeweilige
Jahr enthalten sowie die Ist-Zahl für das jeweilige Jahr?
3. Wie hoch ist das strukturelle Defizit sowie das konjunkturelle
Defizit im öffentlichen Gesamthaushalt in den einzelnen Jahren von 1990
bis 1998 in der Abgrenzung des Sachverständigenrates zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung?
4. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung unter Berücksichtigung
der Maastricht-Kriterien langfristig die anzustrebende Defizitquote als
dauerhaft tolerierbare Kreditfinanzierung in Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP), und wie hoch veranschlagt sie die Quote
mittelfristig?
5. Wie hoch sind für die Jahre 1990 bis 1998 jeweils
a) die private Ersparnis absolut,
b) die private Sparquote,
c) das Kapitalmarktaufkommen,
d) der Kapitalexport,
e) der Kapitalimport,
f) der Anteil der Nettokreditaufnahme des öffentlichen
Gesamthaushalts am Kapitalmarktaufkommen?
6. Wie hoch sind die Werte in Deutschland für die Jahre 1990 bis
1998, und welchen Wert wird nach derzeitigem Erkenntnisstand das Jahr
1999 aufweisen:
a) der Finanzierungssaldo des öffentlichen Gesamthaushalts,
b) die Defizitquote des öffentlichen Gesamthaushalts,
c) die einzelnen Umrechnungspositionen zwischen Finanzstatistik und
volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung,
d) das Staatsdefizit in der Maastricht-Abgrenzung,
e) die Staatsdefizitquote in der Maastricht-Abgrenzung,
f) das Bruttoinlandsprodukt?
Wie hoch sind die Staatsdefizitquoten 1995 bis 1998 in den übrigen EU-
Staaten, und welche Zahlen werden nach derzeitigem Erkenntnisstand für
1999 erwartet?
7. Wie lauten die Deckungsquoten des Bundes, der Länder West, Länder
Ost, Gemeinden West, Gemeinden Ost, der Länder und Gemeinden insgesamt
sowie des öffentlichen Gesamthaushalts in den Jahren 1990 bis 1998
sowie nach derzeitigem Erkenntnisstand im Jahr 1999?
8. Wie hoch sind Ausgaben, Nettokreditaufnahmen und
Kreditfinanzierungsquoten in den einzelnen Bundesländern in den Jahren
1990 bis 1998, und wie hoch werden sie 1999 gemäß den vorliegenden
Haushaltsplänen sein?
9. Wie haben sich die investiven Ausgaben des Bundes sowie im
öffentlichen Gesamthaushalt in den Jahren 1990 bis 1998 entwickelt
a) absolut,
b) in Relation zu den jeweiligen Gesamtausgaben,
c) in Relation zur jeweiligen veranschlagten Nettokreditaufnahme,
d) in Relation zur jeweiligen tatsächlichen Nettokreditaufnahme?
10. Wie hoch ist die Nettoneuverschuldung des Bundes in den Jahren
1990 bis 1998, und wie erklären sich etwaige Differenzen zur
Nettokreditaufnahme?
11. Wie hoch waren beim Bund in den Jahren 1990 bis 1999 die zum
Jahresanfang jeweils aus dem Vorjahr übertragenen nicht ausgeschöpften
Kreditermächtigungen aus früheren Jahren?
12. Wie hoch waren die Gewinnabführungen der Deutschen Bundesbank in
den einzelnen Jahren von 1983 bis 1998 sowie in diesem Zeitraum
insgesamt, und wieviel davon floß in den Bundeshaushalt?
II.
13. a) Wie hoch war in den Jahren 1990 bis 1998 jeweils am
Jahresende in Mrd. DM der Schuldenstand der einzelnen in Frage 1
genannten Haushalte und Institutionen, und wie hoch schätzt die
Bundesregierung diese Werte zum Ende des Jahres 1999 ein?
b) Wie hoch war bzw. wird die Verschuldung in Prozent des BIP sowie
pro Kopf in den einzelnen Jahren für den öffentlichen Gesamthaushalt
sein?
14. Welche Tilgungsbeträge sind gemäß den Fälligkeitenstrukturen im
Zeitraum 1999 bis 2003 in den einzelnen Jahren beim Bund, beim
Erblastentilgungsfonds, beim Fonds "Deutsche Einheit", beim ERP-
Sondervermögen sowie dem Bundeseisenbahnvermögen fällig?
15. Wie hoch sind die im Bundeshaushalt ausgebrachten Verpflichtungen
für Übernahme bzw. Erwerb privatfinanzierter Schienenstrecken,
Bundesautobahnen und Bundesstraßen nach einzelnen Maßnahmen sowie
insgesamt?
16. Wie hoch sind in Deutschland die Werte für die Jahre 1990 bis
1998, und welchen Wert wird nach derzeitigem Erkenntnisstand das Jahr
1999 aufweisen:
a) der Schuldenstand des öffentlichen Gesamthaushalts,
b) die Schuldenstandquote des öffentlichen Gesamthaushalts in Prozent
des BIP,
c) die einzelnen Umrechnungspositionen zwischen finanzstatistischem
Schuldenstand und Schuldenkriterium nach dem Maastricht-Vertrag,
d) der Schuldenstand in der Maastricht-Abgrenzung,
e) die Staatsschuldenquote in Prozent des BIP in der Maastricht-
Abgrenzung?
Wie hoch sind die Staatsschuldenquoten in der Maastricht-Abgrenzung
1997, 1998 und 1999 (voraussichtlich) in den übrigen EU-Staaten?
17. Wie hoch sind die Schulden der Länder und Gemeinden (GV) aus
Kreditmarktmitteln 1990 bis 1998 für die einzelnen Länder
a) absolut,
b) in DM je Einwohner,
c) mit den jährlichen Veränderungsraten?
18. Wie hoch sind die Schulden der Länder aus Kreditmarktmitteln für
1990 bis 1998 für die einzelnen Länder
a) absolut,
b) in DM je Einwohner,
c) mit den jährlichen Veränderungsraten?
19. Wie hoch sind die Schulden der Gemeinden (GV) aus
Kreditmarktmitteln 1990 bis 1998 für die einzelnen Länder
a) absolut,
b) in DM je Einwohner,
c) mit den jährlichen Veränderungsraten?
III.
20. Wie hoch sind die Zinsausgaben (einschließlich Zinserstattungen)
der in Frage 1 genannten Haushalte und Institutionen im einzelnen sowie
insgesamt in den Jahren 1990 bis 1998, und wie hoch werden sie nach
derzeitigem Erkenntnisstand im Jahr 1999 sein
a) absolut,
b) in DM je Einwohner?
Wie entwickelten sich die Zinserstattungen aus dem Bundeshaushalt an
die einzelnen Sondervermögen in den Jahren 1990 bis 1998?
21. Wie hoch ist der Anteil der Zinsausgaben einschließlich
Zinserstattungen an den Gesamtausgaben (Zins-Last-Quote) sowie der
Anteil der Zinsausgaben einschließlich Zinserstattungen an den
Steuereinnahmen (Zins-Steuer-Quote) bei den in Frage 1 genannten
Haushalten und Institutionen in den Jahren 1990 bis 1998, und wie sehen
diese Kenngrößen 1999 gemäß den Soll- bzw. Entwurfszahlen aus?
22. a) Wie hoch sind die Zinsausgaben, die Steuereinnahmen
(korrigiert um Ausgleichsleistungen im Länderfinanzausgleich und um
Bundesergänzungszuweisungen -- ohne Sonder-Bundesergänzungszuweisungen
für das Saarland und Bremen) sowie die daraus resultierenden Zins-
Steuer-Quoten der einzelnen Länder in den Jahren 1990 bis 1998 gemäß
den vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Kriterien zur Feststellung
einer Haushaltsnotlage?
b) Wie hoch sind die Zins-Steuer-Quoten für Berlin in den Jahren 1990
bis 1998, wenn auch die mittelbare Verschuldung, die infolge der
Wohnungsbauförderung über das Instrument der Aufwandssubventionen
aufgelaufen ist, durch Einbeziehung der entsprechenden
Schuldendiensthilfen in Form von Zuschüssen und Aufwandsdarlehen
berücksichtigt wird?
23. a) Wie hoch sind die Einnahmen des Bundes in den Jahren 1990 bis
1998 sowie im bisherigen Verlauf des Jahres 1999 aus dem Über-Pari-
Verkauf von Schuldentiteln (Agio)?
b) Welche Einnahmen in welcher Höhe flossen in diesen Jahren außerdem
den einzelnen Schuldendiensttiteln (z. B. aus Stückzinsen) zu?
IV.
24. Wie hoch ist das Finanzergebnis der einzelnen
Sozialversicherungszweige in den Jahren 1990 bis 1998, und welche
Ergebnisse erwartet die Bundesregierung für 1999?
25. Wie hoch waren die Zuwendungen des Bundes an die einzelnen
Sozialversicherungszweige 1990 bis 1998, und wie hoch werden sie nach
derzeitigem Erkenntnisstand 1999 sein?
26. Wie hoch waren die Beitragssätze in den einzelnen
Sozialversicherungszweigen 1982 sowie in den einzelnen Jahren seit 1993
bis heute?
Bonn, den 24. März 1999
Hans Georg Wagner
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Iris Hoffmann (Wismar)
Siegrun Klemmer
Volker Kröning
Waltraud Lehn
Lothar Mark
Dr. Rolf Niese
Gerhard Rübenkönig
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Dietmar Schütz (Oldenburg)
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Antje-Marie Steen
Uta Titze-Stecher
Hans-Eberhard Urbaniak
Dr. Konstanze Wegner
Gunter Weißgerber
Dr. Peter Struck und Fraktion

Oswald Metzger
Matthias Berninger
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

24.03.1999 nnnn

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