BT-Drucksache 14/676

Energiepolitik für das 21. Jahrhundert - Energiekonzept der Bundesregierung für den Ausstieg aus der Kernenergie

Vom 23. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/676 vom 23.03.1999

Große Anfrage Fraktion der CDU/CSU Energiepolitik für das 21.
Jahrhundert - Energiekonzept der Bundesregierung für den Ausstieg aus
der Kernenergie =

23.03.1999 - 676

14/676

Große Anfrage
der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Gunnar Uldall, Axel E. Fischer
(Hardt), Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Norbert Geis, Eckart von
Klaeden, Dr. Jürgen Gehb, Horst Seehofer, Friedrich Merz, Dr. Michael
Luther, Dr. Peter Paziorek, Dr. Paul Laufs, Cajus Caesar, Marie-Luise
Dött, Georg Girisch, Vera Lengsfeld, Bernward Müller (Jena), Franz
Obermeier, Christa Reichard (Dresden), Dr. Christian Ruck, Hans-Peter
Schmitz (Baesweiler), Werner Wittlich, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Hansjürgen Doss, Erich G. Fritz, Ulrich Klinkert, Elmar Müller
(Kirchheim), Friedhelm Ost,
Dr. Bernd Protzner, Dr. Heinz Riesenhuber, Hartmut Schauerte, Karl-
Heinz Scherhag, Max Straubinger, Matthias Wissmann, Dagmar Wöhrl, Dr.-
Ing. Paul Krüger, Hans Michelbach, Günter Nooke, Katherina Reiche
und der Fraktion der CDU/CSU
Energiepolitik für das 21. Jahrhundert - Energiekonzept der
Bundesregierung für den Ausstieg aus der Kernenergie

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist eine sichere,
wirtschaftlich, ökologisch und sozial verträgliche Energieversorgung
ein bedeutender Standortfaktor. Die Bundesregierung hat den Ausstieg
aus der Kernenergie angekündigt, es bisher allerdings versäumt, ein
Energieprogramm vorzulegen, aus dem deutlich wird, wie der Ausstieg zum
Beispiel klimaverträglich gestaltet werden soll und was an die Stelle
der Kernenergie im Grundlastbereich treten kann. Deutschland ist dabei
zunehmend in globale und europäische Verpflichtungen eingebunden, die
bei der Gestaltung einer nachhaltigen Energiepolitik von Bedeutung
sind.
Wir fragen die Bundesregierung:
1 Prognosen und Bilanzen
1.1 Globale Entwicklung
1.1.1 Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu Vorkommen,
Verfügbarkeit und Reichweite der weltweiten Energiereserven vor, und
wie beurteilt die Bundesregierung die technisch/wirtschaftlichen
Realitäten zu ihrer Nutzung sowie politische Risiken der Verfügbarkeit
der einzelnen Energieträger und die zukünftige Preisentwicklung?
1.1.2 Welche Grenzen sieht die Bundesregierung für die Nutzung
fossiler Energieträger weltweit?
1.1.3 Welche Prognosen zur weltweiten, europäischen und nationalen
Nachfrage nach Primärenergie und Endenergie -- und dabei insbesondere
nach elektrischer Energie für die Jahre bis 2010 und bis 2020 -- legt
die Bundesregierung ihren aktuellen energiepolitischen Vorhaben
zugrunde, und auf welche Rahmendaten bzw. Kriterien bauen diese
Prognosen auf?
1.1.4 Wie beurteilt die Bundesregierung die Prognose der
internationalen Energieagentur, die für das Jahr 2020 eine weltweite
Nachfrage nach elektrischer Energie in Höhe von fast 23 000 Mrd. kWh
erwartet, was einer Steigerung von über 70 % gegenüber 1995 entspricht,
und teilt sie die Annahmen der internationalen Energieagentur zu den
Erzeugungsformen von Energie?
1.1.5 Wie definiert die Bundesregierung, vor dem Hintergrund der
Beschlüsse der Konferenz von Rio de Janeiro, das Prinzip der
Nachhaltigkeit für den Energieversorgungsbereich?
1.2 Europa
1.2.1 Welche internationalen Verpflichtungen, die die
Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist, sind für die nationale
Energiepolitik von Bedeutung?
Welche internationalen und insbesondere europäischen Verpflichtungen
bestehen hieraus für die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit
der friedlichen Nutzung der Kernenergie?
Welche Konsequenzen haben sie für die Energiepolitik in Deutschland?
1.2.2 Beabsichtigt die Bundesregierung, internationale Verträge
oder Abkommen zu kündigen, die eine Förderung der friedlichen Nutzung
der Kernenergie zum Ziel haben?
Zu welchem Zeitpunkt wäre dies möglich, und mit welchen Folgen für die
insgesamt geregelten Bereiche rechnet die Bundesregierung?
1.2.3 Soll der Ausstieg Deutschlands aus der friedlichen Nutzung
der Kernenergie im nationalen Alleingang erfolgen, oder liegen der
Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß in anderen Mitgliedstaaten der EU
vergleichbare politische Beschlüsse der Regierungsparteien zum Ausstieg
aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie gefaßt wurden, wenn ja, wo
und welche?
1.2.4 Wie bewertet die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der
unmittelbar für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Regelung des
Gemeinschaftsrechts von Artikel 2 Buchstabe c des EURATOM-Vertrages,
der zur Aufgabe der Europäischen Atomgemeinschaft unter anderem
bestimmt, daß "die Investitionen zu erleichtern und insbesondere durch
Förderung der Initiative der Unternehmen die Schaffung der wesentlichen
Anlagen sicherzustellen, die für die Entwicklung der Kernenergie in der
Gemeinschaft notwendig sind", und einer Gesetzesänderung, wonach
anstelle des bisherigen Zweckes -- die Erforschung, die Entwicklung und
die Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken (§ 1 AtomG) -- ein
neuer Zweck gesetzt werden soll, nämlich die Nutzung der Kernenergie
geordnet und sicher zu beenden?
1.2.5 Wie beurteilt die Bundesregierung den aktuellen Stand der
jeweiligen Öffnung der nationalen Strommärkte für ausländische
Anbieter?
1.2.6 Bestehen aufgrund unterschiedlicher Marktöffnungen in den
einzelnen Staaten Benachteiligungen für Länder wie Finnland,
Großbritannien, Schweden und Deutschland, die ihre Strommärkte
vollständig für den Wettbewerb geöffnet haben?
1.2.7 Kann die in der "Binnenmarktrichtlinie Strom" vorgesehene
Reziprozitätsklausel angesichts eines sich zukünftig dynamisch
entwickelnden Stromhandels Wettbewerbsverzerrungen verhindern?
1.3 Deutschland
1.3.1 Welche Anteile regenerativer Energien am
Primärenergieverbrauch, am Wärmemarkt und an der Stromerzeugung in
Deutschland hält die Bundesregierung für die Jahre bis 2010 und bis
2020 für realistisch?
1.3.2 Wie werden sich, nach Annahme der Bundesregierung, die
einzelnen regenerativen Energiequellen (Wasser, Wind, Biomasse,
Photovoltaik) in diesem Zeitraum entwickeln?
1.3.3 Wie beurteilt die Bundesregierung die
Energieeinsparpotentiale in diesem Zeitraum und insbesondere die
Stromeinsparpotentiale bis zum Jahr 2010 bzw. 2020?
1.3.4 Wie werden sich die Energieintensität und das
Bruttoinlandsprodukt in diesem Zeitraum entwickeln?
1.3.5 Ist das geplante Verbot der Nutzung der Kernenergie in
Deutschland mit der Binnenmarktrichtlinie Elektrizität und zentralen
Vorschriften des EU-Vertrages vereinbar, oder stellt es einen
unzulässigen wettbewerbsverfälschenden Eingriff in den liberalisierten
europäischen Markt der Stromerzeuger zu Lasten der deutschen
Stromerzeuger dar?
1.3.6 Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Änderung des
Energiewirtschaftsgesetzes herbeizuführen?
Falls ja:
-- Plant die Bundesregierung, eine Änderung der Klausel zur
Verstromung der ostdeutschen Braunkohle herbeizuführen?
-- Ist seitens der Bundesregierung eine Rechtsverordnung zur Regelung
von Netzzugang und Netzbetrieb geplant?
-- Beabsichtigt die Bundesregierung, die Kommunen in Zukunft vom
Wettbewerb auszunehmen, und welche Regelungen sind dabei geplant?
-- Inwieweit plant die Bundesregierung Veränderungen bei der
Konzessionsverordnung, und welche Auswirkungen hat dies auf die
Stromkunden?
-- Plant die Bundesregierung, eine Änderung des
Stromeinspeisungsgesetzes herbeizuführen, und wenn ja, in welcher
Weise?
1.3.7 Wie hat sich die Endenergieverwendung in Deutschland seit
1970 (insbesondere für die Jahre 1980/1990/1998), aufgeschlüsselt nach
Energieverwendung (zur Strom-, Wärmeerzeugung und für Verkehr), nach
Energiearten (Gase, Mineralöle, Strom, feste Brennstoffe) und
Nutzenergien, entwickelt?
1.3.8 Auf welches prognostische Datenmaterial baut das
Energiekonzept der Bundesregierung auf, und welche Schlußfolgerungen
zieht sie daraus?
1.3.9 Inwieweit hat sich der Einsatz von Brennstoffen zur Erzeugung
einer Kilowattstunde thermischer Energie bzw. einer Kilowattstunde
elektrischer Energie in den Zeiträumen von 1960 bis 1970, 1970 bis
1980, von 1980 bis 1990 sowie von 1990 bis 1998 verringert?
1.3.10 Welche Kapazitäten standen 1998 zur Erzeugung von
elektrischer Energie zur Verfügung, aufgeschlüsselt nach Kernkraft,
Braunkohle (West/Ost), Steinkohle, Öl, Gas, Wasser, Wind, Solar und
Biomasse?
1.3.11 Wie hoch war die Differenz zwischen der statistisch
vorhandenen und der tatsächlich genutzten Kapazität an den Tagen
maximalen Verbrauches?
Wieviel tatsächliche Reservekapazität stand bei den seit 1990
aufgetretenen größeren Strommengen (z. B. kurzfristiger Ausfall bei
größeren Arbeiten) zur Verfügung?
1.3.12 Welche Kraftwerke können von den vorhandenen Kapazitäten für
die Grund-, Mittel- und Spitzenlast sinnvoll genutzt werden?
1.3.13 Welche Kraftwerkskapazitäten gehen nach Einschätzung der
Bundesregierung im nicht kerntechnischen Bereich wann vom Netz?
2 Wirtschaftliche Aspekte
2.1 Volkswirtschaftliche Kosten
2.1.1 Welche volkswirtschaftlichen Kosten entstehen bei einem
Ausstieg aus der Kernenergie?
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß das
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der
Universität Stuttgart schätzt, daß die Kosten für einen
Kernenergieausstieg bis zum Jahr 2005 ohne Klimaschutzziel je nach
Szenario (KE 40 a bzw. LC) zwischen 130 und 163 Mrd. DM liegen und für
einen Ausstieg mit Klimaschutzziel bis 2005 die Kosten je nach Szenario
auf 135 bis 306 Mrd. DM beziffert (THG-Minderung: 18 % in 2005, 21 % in
2010, 33 % in 2030) bzw. auf 360 bis 998 Mrd. DM (THG-Minderung: 24 %
in 2005, 30 % in 2010, 54 % in 2030), die Ergebnisse dieser Studie, und
welche Konsequenzen zieht sie daraus?
2.1.2 Mit welchen Kosten ist nach Auffassung der Bundesregierung
bei einem klimaneutralen Kernenergieausstieg zu rechnen?
Was kostet dann die Strombereitstellung aus anderen Energieträgern,
bezogen auf eine Kilowattstunde Strom für Grundlastbereich
(Photovoltaik, Geothermie, Biomasse, Windkraft, Wasserkraft)?
2.1.3 Welche Auswirkungen hat der Ausstieg aus der Kernenergie auf
das Strompreisniveau für industrielle, gewerbliche und private
Verbraucher?
Welche Auswirkungen hat dies für energieintensive Unternehmen in
Deutschland im Vergleich zu Unternehmen in den OECD-Staaten?
2.1.4 Mit welchen Auslagerungen dieser Unternehmen aus Deutschland
heraus ist bei steigenden Strompreisen zu rechnen?
Kann die Bundesregierung das ausschließen?
Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um dieser Tendenz
entgegenzuwirken?
2.1.5 Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch den
Kernenergieausstieg vor allem die energieintensiven Branchen getroffen
werden?
2.1.6 Welche energieintensiven Branchen, die bereits durch die
Ökosteuer betroffen sind, werden durch einen Kernenergieausstieg
zusätzlich belastet?
2.1.7 Welche zusätzlichen Gesundheitskosten erwartet die
Bundesregierung z. B. infolge von Allergien und Atemwegserkrankungen
aufgrund des verstärkten Einsatzes fossiler Brennstoffe, und auf
welchen wissenschaftlichen Untersuchungen beruhen diese Annahmen?
Wie sollen zusätzliche gesundheitliche Risiken durch die erhöhte
Freisetzung von Luftschadstoffen verhindert werden?
2.1.8 Wie beurteilt die Bundesregierung die These, wonach sowohl
Mineralöl als auch Kohle und Gas als Rohstoff in der Industrie breite,
nicht energetische Anwendung finden und diese knappen Ressourcen für
diese Zwecke vorrangig anstatt zur Verbrennung verwendet werden
sollten?
2.2 Arbeitsplätze
2.2.1 Welche Arbeitsplatzverluste werden sich im Bereich der
Kernkraftwirtschaft durch den Ausstieg aus der Kernenergie ergeben?
2.2.2 Welche Arbeitsplatzverluste sind mit dem Ausstieg aus der
Kernenergie regional an den Kernkraftwerkstandorten zu erwarten vor dem
Hintergrund der Tatsache, daß der Anteil der Kernkraft an der
Gesamtversorgung in Bayern 60 % und in Schleswig-Holstein sogar 80 %
beträgt?
2.2.3 Welche Arbeitsplatzverluste entstehen in der Volkswirtschaft
durch den Kernenergieausstieg kurz-, mittel- und langfristig?
2.2.4 Wie viele Arbeitsplätze entstehen bei einem deutschen
Kernenergieausstieg im Ausland, da Ersatzkraftwerke europaweit
ausgeschrieben werden müssen?
2.2.5 Wie viele Arbeitsplätze werden nach Meinung der
Bundesregierung in Zukunft im Bereich der Kernenergie direkt und
indirekt in vor- und nachgelagerten Bereichen verlorengehen?
2.2.6 Wie viele Arbeitsplätze werden nach Meinung der
Bundesregierung aufgrund von Verlagerung von Investitionen von
Energieversorgungsunternehmen in Nachbarländer exportiert?
Von welchen Zahlen geht die Bundesregierung hier aus?
Wie ist die zeitliche Entwicklung in den kommenden 4, 10, 20, 30
Jahren?
3 Umwelt
3.1 Klimaschutz
3.1.1 Welche Zielsetzungen ergeben sich für die deutsche
Energiepolitik, wenn man das Prinzip der Nachhaltigkeit zum Maßstab der
Energiepolitik macht?
3.1.2 Wie soll aus der Sicht der Bundesregierung den großen
Anforderungen an den globalen Klimaschutz ausreichend Rechnung getragen
werden?
Mit welchen Argumenten wird die Bundesregierung künftig Länder der
Dritten Welt zu CO2-Reduktionsmaßnahmen veranlassen, während sie selbst
die CO2-Emissionen aufgrund des Kernenergieausstiegs erhöhen wird?
3.1.3 Welche klimapolitischen Ziele liegen der Energiepolitik der
Bundesregierung kurz-, mittel- und langfristig zugrunde, und sind diese
bereits mit den wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen im Konsens
abgestimmt?
3.1.4 Wieviel CO2, NOX, SO2 setzt ein modernes Gas-, Braunkohle-
bzw. Steinkohlekraftwerk modernster Bauart je Kilowattstunde
produzierten Stromes frei?
Rechnet die Bundesregierung in den kommenden Jahren mit technischer
Weiterentwicklung, die eine nennenswerte Veränderung bewirkt?
3.1.5 Mit welcher Zunahme der Säurebildung (NOX, SO2, NH3 usw.)
rechnet die Bundesregierung bei der Substitution der Kernenergie durch
moderne fossile Kraftwerke?
3.1.6 Wie schätzt die Bundesregierung die Risiken des Klimawandels,
der zunehmenden Versauerung der Böden und Wälder und der zunehmenden
Belastung des Menschen aufgrund des Betriebes konventioneller
Kraftwerke im Vergleich zum Sicherheitsrisiko der Kernenergie ein?
3.1.7 Teilt die Bundesregierung die Aussage von Fachleuten, daß
insbesondere Braunkohle, Steinkohle, Mineralöl wie auch Erdgas nur
unter zusätzlichen CO2-Emissionen Kernenergiestrom ersetzen können?
3.1.8 Unterstützt die Bundesregierung die These, daß Kernenergie
aufgrund der CO2-freien Energieherstellung dem Nachhaltigkeitsgedanken
eher entspricht als die Verbrennung von fossilen Energieträgern --
auch, weil nicht erneuerbare Ressourcen ohne zwingenden Grund über das
bisherige Maß hinaus verbraucht und damit kommenden Generationen
vorenthalten werden?
3.1.9 Wie hoch bewertet nach Kenntnis der Bundesregierung die
Wissenschaft die externen Effekte für die Umwelt, die durch zusätzliche
Schadstoffemissionen und CO2-Ausstoß von fossilen Energieträgern
entstehen?
3.1.10 Wie sollen Umweltschäden bei der notwendigen zusätzlichen
Gasförderung (Methanemissionen usw.) in die Betrachtung einfließen?
3.1.11 Hält die Bundesregierung einen Kernenergieausstieg angesichts
der zusätzlichen CO2- und Schadstoffemissionen durch
Kernenergiesubstitution für nachhaltig?
3.1.12 Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, angesichts
der Tatsache, daß, um das Klimaziel einer 25%igen CO2-Reduktion bis zum
Jahr 2005 zu erreichen, ausgehend vom heutigen Status quo, jährlich ca.
130 Mio. t CO2 eingespart werden müssen und im Falle eines
Kernenergieausstieges der CO2-Ausstoß voraussichtlich jährlich um
zusätzliche 128 Mio. bis 160 Mio. t reduziert werden müßte, die
Verpflichtungen von Kyoto einzuhalten, wenn der ausfallende CO2-freie
Kernenergiestrom jedenfalls zum Teil durch Stromerzeugung auf Basis
fossiler Energieträger mit entsprechender CO2-Emission ersetzt werden
muß?
Welche zusätzlichen Maßnahmen müssen somit getroffen werden, damit das
Ziel der Bundesregierung vor dem Hintergrund einer Notwendigkeit
fossiler Energieträger erreicht werden kann?
3.2 Sicherheit
3.2.1 Welche neuen, wissenschaftlich untermauerten Erkenntnisse
liegen vor, die die Bundesregierung zu der Bewertung führen, daß
Kernenergie künftig nicht mehr in Deutschland betrieben werden darf und
neue, mit einer nahezu inhärenten Sicherheit ausgestattete
Kernkraftwerke nicht gebaut werden dürfen?
3.2.2 Wie beurteilt die Bundesregierung die Sicherheitsstandards in
Kernkraftwerken, die in europäischen Nachbarländern in Betrieb sind?
3.2.3 Ist aus Sicht der Bundesregierung Kernenergie in Frankreich
grundsätzlich sicherer als in der Bundesrepublik Deutschland?
Entsprechen die Kontrollen und Sicherheitsstandards in Kernkraftwerken
in Frankreich den Standards der Bundesrepublik Deutschland?
3.2.4 Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß -- vor dem
Hintergrund der Tatsache, daß die Reaktorsicherheitskommission (RSK)
und die Strahlenschutzkommission (SSK) sich bislang international hohes
Ansehen und führende Fachkompetenz erworben haben -- die Auflösung
beider Institutionen im Dezember 1998 durch Bundesminister Jürgen
Trittin eine große Lücke in deren Tätigkeitsfeldern gerissen hat und
zugleich international für Irritationen sorgte?
Welchen Zweck verfolgt die Bundesregierung mit der Neubesetzung dieser
Institutionen zur Sicherheit der Kernkraftwerke?
3.2.5 Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß in bezug auf
die Sicherheit von Kernkraftwerken in Deutschland und im Ausland diese
Institutionen mit national und international erfahrenen Fachleuten
besetzt werden müssen, und wenn ja, hält sie es nicht für sinnvoll, die
bisherigen Mitglieder dieser Institutionen im Amt zu belassen?
3.2.6 Ist seitens der Bundesregierung grundsätzlich an ein
Importverbot von Elektrizität aus Kernkraftwerken aus dem Ausland
gedacht, um eine Ausweitung des Baues von "Billigreaktoren" im Ausland
zu vermeiden?
Hält die Bundesregierung dies für rechtlich zulässig, ohne bestehende
bilaterale bzw. internationale völkerrechtliche Verträge zu brechen?
3.2.7 Welche Sicherheitsstandards im Vergleich zu deutschen
Kernkraftwerken erfüllen heute z. B. tschechische, rumänische,
russische und ukrainische Kernkraftwerke hinsichtlich Bauart und
tatsächlichem Betrieb?
3.2.8 Hält es die Bundesregierung bezüglich der europäischen
Sicherheit nicht auch für zielführender, unsichere Reaktortypen in
Osteuropa nachzurüsten anstatt sichere Kernkraftwerke in Deutschland
abzuschalten?
3.2.9 Hält es die Bundesregierung für denkbar und vertretbar,
Kernenergiestrom aus den benannten Ländern Osteuropas zu importieren?
3.2.10 Welche sachlichen Gründe kann die Bundesregierung nennen, die
weltweit sichersten Kernkraftwerke abzuschalten und Strom statt dessen
zu importieren?
Könnte mit der Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke das Niveau der
internationalen Sicherheitsstandards sinken, insbesondere, da der
Einfluß Deutschlands in internationalen Gremien sinkt?
3.2.11 Wie soll angesichts eines steigenden Energiebedarfs in
Entwicklungs- und Schwellenländern, der zu einem großen Teil durch den
Neubau von Kernkraftwerken aufgefangen werden wird, der internationale
Einfluß der Bundesrepublik Deutschland auf das Sicherheitsniveau von
Kernkraftwerken aufrechterhalten werden?
4 Energieversorgung
4.1 Substitution/Potential erneuerbarer Energien
4.1.1 Welches Konzept hat die Bundesregierung zur Sicherstellung
der Energieversorgung nach dem Ausstieg aus der Kernenergie,
insbesondere im Strombereich?
4.1.2 Welche Energieträger hält die Bundesregierung zur Erzeugung
von Strom in der Grundlast anstelle von Kernenergie für geeignet?
Wie wirkt sich das auf die nationale CO2-Bilanz aus?
4.1.3 Welche ökobilanzielle Bewertungen liegen der Bundesregierung
zu den übrigen Energieträgern (Stein- und Braunkohle, Öl, Gas,
Photovoltaik, Wasser, Wind und Biomasse) vor, und wie sehen diese im
einzelnen aus?
4.1.4 Wieviel Quadratmeter Solarfläche braucht man zur Substitution
der erzeugten Strommenge eines Kernkraftwerkblockes, beispielsweise in
Neckarwestheim?
Wie hoch sind die Kosten einer gesicherten Lieferung dieser
Kilowattstunde unter Berücksichtigung von Speicher- oder Backup-
Systemen?
Wie viele Kilowattstunden ließen sich heute in Deutschland theoretisch
maximal aus Solarenergie herstellen?
4.1.5 Welche Perspektiven sieht die Bundesregierung zur Lösung des
Speicherproblems bei Solarzellen?
4.1.6 Welche erneuerbaren Energien sind in ihrem Potential bereits
heute voll ausgeschöpft bzw. bieten für die Zukunft technisch wenig
Potential?
Wie sieht das im einzelnen aus?
4.1.7 Welchen Anteil an der Stromproduktion können erneuerbare
Energien aus Sicht der Bundesregierung in den nächsten vier Jahren
realistischerweise erreichen?
Welches Potential ergibt sich in 10 Jahren, welches Potential in 15
Jahren, welches in 25 Jahren?
Wie beziffert die Bundesregierung die entstehenden Kosten?
4.1.8 Welche erneuerbaren Energien will die Bundesregierung aus
welchem Grund und in welchem Umfang fördern?
4.1.9 Mit welchen Maßnahmen und Instrumenten will die
Bundesregierung die alternativen Energien künftig fördern?
4.2 Kosten der Energieversorgung (Verbraucher)
4.2.1 Wie soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung eine
dauerhaft günstige Versorgung mit Strom für die Verbraucher zur
Verfügung gestellt werden?
Mit welchen Preisanstiegen ist für die Verbraucher beim Ausstieg zu
rechnen?
4.2.2 Wie soll die Schere in der Preisdifferenz zwischen Strom aus
Kernenergie (3 bis 7 Pfennige pro kWh) und Strom aus Solarenergie (1,40
DM bis 1,60 DM pro kWh) in Zukunft geschlossen werden?
4.2.3 Was kostet eine Kilowattstunde aus Solar-, Wasser-, Wind- und
Kernenergie bzw. französischer oder tschechischer Kernenergie bei
gleicher Versorgungssicherheit?
4.2.4 Wie kann durch die Bundesregierung gewährleistet werden, daß
gerade Familien, Rentner und Studenten, die bereits im Rahmen der
Ökosteuer belastet werden, nicht zusätzlich im Rahmen des
Kernenergieausstiegs durch steigende Strompreise betroffen werden?
4.2.5 Soll nach dem Willen der Bundesregierung Strom in Zukunft
bewußt künstlich verteuert werden, um so durch stark steigende Preise
nicht konkurrenzfähige Energieträger, wie z. B. die Solarzelle, ggf.
konkurrenzfähiger zu machen?
4.2.6 Beabsichtigt die Bundesregierung, deutschen Verbrauchern den
Bezug von Strom aus Kernkraftwerken jenseits der deutschen Grenze zu
verbieten bzw. deren Bezug einzuschränken?
5 Forschung
5.1 Was unternimmt die Bundesregierung, um diesen Notwendigkeiten
nachzukommen, die sich daraus ergeben, daß es sowohl aus
energiewirtschaftlichen Gründen als auch im Interesse der langfristigen
Sicherstellung der Beschäftigung und Qualifikation am Standort
Deutschland einer kontinuierlichen Förderung von Forschung und
Entwicklung bedarf, damit künftig nicht Arbeitsplätze in großem Umfang
ins Ausland verlorengehen?
5.2 In welcher Weise wird die Bundesregierung die für den Erhalt
unserer wirtschaftlichen Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit bei der
zukünftigen Energieversorgung erforderlichen Forschungsaktivitäten in
Forschungsinstitutionen, an Hochschulen und in der Industrie fördern?
5.3 Was unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, daß auch
künftig in ausreichendem Umfang qualifiziertes Nachwuchspersonal zur
Gewährleistung des erforderlichen hohen Maßes an Sicherheit und zum
Strahlenschutz der Beschäftigten und der Umwelt beim Betrieb der
kerntechnischen Anlagen und Einrichtungen, für deren spätere Stillegung
sowie für die Entsorgung zur Verfügung stehen kann?
5.4 Wie und in welcher Höhe plant die Bundesregierung vor diesem
Hintergrund, die deutsch-französische Gemeinschaftsforschung am
Druckwasserreaktor sowie die Forschungsbereiche der Aktinid-
Verbrennung, der sicherheitstechnischen Betreuung laufender Reaktoren,
der Kernfusionsforschung und der Stillegung von Reaktoren in
Deutschland zukünftig zu fördern?
5.5 In welcher Weise wird die Bundesregierung eine kontinuierliche
Fortsetzung der nuklearen Sicherheitsforschung unterstützen, um
sicherzustellen, daß auch künftig die Sicherheit der betriebenen
Anlagen weiter verbessert werden kann?
5.6 Mit welcher Entwicklung der Arbeitsplatzzahlen in den betreffenden
nuklearen Forschungsanlagen rechnet die Bundesregierung auf der Basis
dieser Zielsetzungen in den kommenden zehn Jahren und längerfristig?
5.7 Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die
derzeit im Kernforschungsbereich in Deutschland vorhandenen Kenntnisse
und Fähigkeiten weiter auszubauen und langfristig zu erhalten?
5.8 In welcher Form wird sich die Bundesregierung als derzeitige
Inhaber in der Europäischen Ratspräsidentschaft auf europäischer Ebene
dafür einsetzen, die in Deutschland vorhandenen kerntechnischen
Forschungsbereiche auszubauen und ggf. neue Forschungsbereiche in
Deutschland anzusiedeln?
Besteht die Gefahr, daß deutsches Know-how in Zukunft aus dem Ausland
zugekauft wird?
5.9 In welcher Form plant die Bundesregierung, die Forschungsarbeiten
auf dem Gebiet der Kernspaltung stärker und wirksamer zu intensivieren
und international zu integrieren?
5.10 Wie viele Institute und Wissenschaftler befassen sich nach
Kenntnis der Bundesregierung an deutschen Hochschulen und anderen
Forschungseinrichtungen mit der Kerntechnik bzw. -forschung?
5.11 Wie hat sich in den letzten zwei Dekaden die Zahl der Studenten an
deutschen Hochschulen entwickelt, die kerntechnische Studiengänge
belegt haben, und wie viele junge Menschen sind heute in solchen
Studiengängen eingeschrieben?
5.12 Welche beruflichen Perspektiven werden sich aus Sicht der
Bundesregierung mittel- und langfristig für junge Wissenschaftler aus
diesen Bereichen in Deutschland ergeben, und welche Aktionen plant die
Bundesregierung, um diese Perspektive zu verbessern?
5.13 Ist die Bundesregierung der Meinung, daß für die Zukunft die
Option der Kernenergie weiter offengehalten werden muß?
5.14 Ist die Bundesregierung der Meinung, daß mit dem EPR ein neues
Reaktorkonzept vorliegt, das in der Zukunft in Europa verstärkt zur
Anwendung kommen wird?
5.15 Welche Rolle spielen innovative Entwicklungen im Bereich der
Kernenergie aus Jülich, Karlsruhe usw. aus Sicht der Bundesregierung
für die Energieversorgung?
5.16 Hält die Bundesregierung HTR-Reaktoren, vor dem Hintergrund des
Baus von Reaktoren in China und Südafrika, auch in Deutschland für
anwendbar?
Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, im Hinblick auf die dort im
Bau befindlichen Anlagen, die Erfahrungen in diesem Bereich auch in
Deutschland zu nutzen?
5.17 Trifft es nach Meinung der Bundesregierung zu, daß es in Zukunft
ein Nachwuchskräfteproblem im Forschungsbereich "Sicherheit in
Kernkraftwerken" geben wird?
Wie soll dem entgegengewirkt werden?
5.18 Wie werden die Ergebnisse des wissenschaftlichen Rates zur
Bewertung der Energieforschung in Deutschland in der künftigen
Forschungspolitik berücksichtigt werden?
6 Änderung der Sicherheitsphilosophie
6.1 Hält die Bundesregierung die von ihr zur Begründung des bisherigen
Gesetzesentwurfs zur Atomrechts-Novelle zugrunde gelegte "Änderung der
Sicherheitsphilosophie" unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
für ausreichend, um in die durch unbefristete Betriebsgenehmigungen
begründeten schutzwürdigen Vertrauenspositionen der Anlagenbetreiber
entschädigungslos eingreifen zu können?
6.2 Gibt es gegenüber der bisher die Einschätzung von Risiken und
Gefahren der friedlichen Nutzung der Kernenergie prägenden
Bewertungskriterien eine Änderung der technisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisse, des gesetzeskonkretisierenden kerntechnischen Regelwerks,
des Anlagen- und Betriebszustandes oder der Rechtsprechung, die eine
Veränderung der bisherigen Risikobewertung rechtfertigt?
6.3 Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der -- bisher
nicht aufgegebenen -- Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Kalkar-
Beschluß vom 8. August 1978, BVerfGE 49, 89 ff.), das mit der
friedlichen Nutzung der Kernenergie verbundene Risiko sei "nach den
Grundsätzen der praktischen Vernunft ein sozialadäquat hinnehmbares
Restrisiko"?
6.4 Welcher wissenschaftliche Risikovergleich zwischen den
verschiedenen Energiegewinnungen und -anwendungen liegt der
Bundesregierung als Grundlage für ihre Entscheidungen im Rahmen der
Energiepolitik zugrunde?
Bonn, den 19. März 1999
Kurt-Dieter Grill
Gunnar Uldall
Axel E. Fischer (Hardt)
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Norbert Geis
Eckart von Klaeden
Dr. Jürgen Gehb
Horst Seehofer
Friedrich Merz
Dr. Michael Luther
Dr. Peter Paziorek
Dr. Paul Laufs
Cajus Caesar
Marie-Luise Dött
Georg Girisch
Vera Lengsfeld
Bernward Müller (Jena)
Franz Obermeier
Christa Reichard (Dresden)
Dr. Christian Ruck
Hans-Peter Schmitz (Baesweiler)
Werner Wittlich
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Hansjürgen Doss
Erich G. Fritz
Ulrich Klinkert
Elmar Müller (Kirchheim)
Friedhelm Ost
Dr. Bernd Protzner
Dr. Heinz Riesenhuber
Hartmut Schauerte
Karl-Heinz Scherhag
Max Straubinger
Matthias Wissmann
Dagmar Wöhrl
Dr.-Ing. Paul Krüger
Hans Michelbach
Günter Nooke
Katherina Reiche
Dr. Wolfgang Schäuble, Michael Glos und Fraktion

23.03.1999 nnnn

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