BT-Drucksache 14/6700

Konsequenzen aus der Festnahme eines hohen Europol-Beamten und aus dem Urteil gegen einen BND-Beamten (Nachfrage)

Vom 17. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6700
14. Wahlperiode 17. 07. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Konsequenzen aus der Festnahme eines hohen Europol-Beamten und aus
dem Urteil gegen einen BND-Beamten (Nachfrage)

In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der PDS
zu den „Konsequenzen aus der Festnahme eines hohen Europol-Beamten und
aus dem Urteil gegen einen BND-Beamten“ (Bundestagsdrucksache 14/6667)
sind mehrere Fragen ausweichend, einige überhaupt nicht beantwortet worden.

So wird die Frage, seit wann die Bundesregierung über die Kontakte zwischen
dem Europol-Beamten N. P. (gegen den inzwischen wegen Verdachts auf
schweren Betrug und Urkundenfälschung ermittelt wird) und (dem inzwischen
nach Albanien versetzten bayerischen Kriminaldirektor) K. E. S. informiert
war, nicht beantwortet.

Auch die Frage, welche Verbindungen zwischen dem Mitarbeiter des Bundes-
nachrichtendienstes (BND) C. R. K. und der Firmengruppe Radial bestanden
und ob C. R. K. diesbezüglich im Auftrag des BND oder als Privatmann han-
delte, werden nicht bzw. ausweichend beantwortet.

So erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort, dass C. R. K. „als Privat-
mann“ „je zehn Aktien“ an drei von der Firma Radial 1998 gegründeten Start-
Ups erworben und später wieder verkauft habe. Bei diesen drei Start-Ups han-
delt es sich nach Berichten um die Firmen Farsi Development Company N.V.,
Slavic Development Company N.V. und Bahassa Development Company N.V.
Im Unterschied dazu wird C. R. K. in öffentlichen Firmendokumenten jedoch
bei der Farsi Development als Alleingesellschafter („Vennot“) geführt, bei den
beiden anderen Start-Ups ist Alleingesellschafter die Radial Belgium/Cestus,
bei der C. R. K. Mitglied der Geschäftsführung ist. Die drei Gesellschaften
verfügen über eine für Start-Ups beachtliche Kapitalausstattung von jeweils
278 Mio. belgischen Franc, also ca. 13,9 Mio. DM (vgl. Neues Deutschland
vom 18. Juli 2001).

Diese Start-Ups wurden ab September 1998 gegründet und erwarben kurze Zeit
später Lizenzen für Sprach- und Übersetzungstechnologie von der belgischen
Firma Lernout & Hauspie Speech Products N.V. Nach Bekanntgabe des Jahres-
ergebnisses 1999, das im Hinblick auf Lizenzgeschäfte mit den Start-Ups sehr
positiv aussah, stieg der Aktienkurs der LHSP innerhalb von fünf Monaten auf
annähernd das Vierfache, von 16 US-Dollar im November 1999 auf ca. 70 US-
Dollar im April 2000. Aufgrund seiner direkten und indirekten Involvierung in
die Start-Ups ist der BND-Mitarbeiter C. R. K. vermutlich als „Insider“ im
Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes zu verstehen.

Im Verlauf des Jahres 2000 stellte sich dann heraus, dass es sich bei den zwi-
schenzeitlich geschlossenen Lizenzabkommen zwischen Lernout & Hauspie
und den Start-Ups im Wesentlichen um Scheingeschäfte gehandelt hat. In

Drucksache 14/6700 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Folge musste Lernout & Hauspie die Geschäftsergebnisse der Jahre 1998 und
1999 im 2. Quartal 2000 um ca. 277 Mio. US-Dollar nach unten korrigieren. In
Belgien werden strafrechtliche Ermittlungen gegen das Management von
Lernout & Hauspie und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geführt, ersteren
wird u. a. Aktienkursmanipulation vorgeworfen.

Offen bleibt nach der Antwort der Bundesregierung auch, ob es beim BND er-
laubt ist, dass BND-Angestellte unter ihrem Decknamen Privatgeschäfte täti-
gen oder ob nicht, und wenn nicht, wie dann ein solches Verhalten sanktioniert
wird.

Erstaunlich ist schließlich die Antwort der Bundesregierung, wonach sie erst
„im Dezember 2000“ von den Verbindungen zwischen ihrem BND-Mitarbeiter
C. R. K. und der Firmengruppe Radial erfahren haben will. Schließlich wurde
über diese Geschäfte bereits am 26. Oktober 2000 im „Wall Street Journal“ be-
richtet.

Nach allem, was bisher bekannt ist, verdichtet sich der Eindruck, dass der BND
über den BND-Mitarbeiter C. R. K. und sein Firmennetzwerk die einzig rele-
vante Entwicklungsschmiede für automatische Sprach- und Texterkennung aus
mitgehörten Daten und Nachrichten wirtschaftlich kontrolliert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Dürfen BND-Mitarbeiter unter ihrem Decknamen Privatgeschäfte tätigen
bzw. durfte der BND-Angestellte C. R. K. solche Geschäfte tätigen?

Wenn ja: Handelte C. R. K. dabei in seinem persönlichen Interesse oder in
dem des BND?

Wem fließen etwaige Gewinne aus diesen Geschäften zu, wer haftet für evtl.
in diesem Zusammenhang entstandene Schäden?

Wenn nein, wie wird das sanktioniert?

Wurden diese Sanktionen auch gegen den BND-Mitarbeiter C. R. K. ergrif-
fen?

2. Wie viele Ermittlungsverfahren und abgeschlossene Strafverfahren laufen
gegen den BND-Mitarbeiter C. R. K. derzeit in der Bundesrepublik
Deutschland und in anderen EU-Staaten (bitte die Verfahren, die darin
erhobenen Vorwürfe und die bisher ergangenen Urteile im Einzelnen auf-
führen)?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnis von weiteren Ermittlungsverfahren ge-
gen Mitarbeiter des BND und von Europol im Zusammenhang mit dem
Projekt Sensus?

Wenn ja, welche Verfahren sind das im Einzelnen, gegen welche Mitar-
beiter des BND und von Europol richten sich diese Ermittlungen?

4. Wie hoch sind ggfs. die wirtschaftlichen Schäden, die Gegenstand dieser
Ermittlungen sind, wer ist der Geschädigte und wer muss für diese Schä-
den ggf. aufkommen (bitte nach den einzelnen Ermittlungsverfahren auf-
listen)?

5. Welche Schäden sind im Zusammenhang mit der geschilderten Tätigkeit
des BND-Mitarbeiters C. R. K. bisher bei Dritten entstanden und wer haf-
tet für diese Schäden?

Kommen nach Ansicht der Bundesregierung aus diesen Schäden eventuell
Schadensersatzansprüche auf den Bund zu oder sind solche Ansprüche
bereits erhoben worden?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6700

Wenn ja, von wem, in welchem Zusammenhang und in welcher Höhe?

Wie will die Bundesregierung mit diesen Ansprüchen verfahren?

6. Welche Funktionen hatte bzw. hat der BND-Mitarbeiter C. R. K. heute
noch in den genannten Start-Ups (bitte nach Firmen und Zeitperioden
einzeln auflisten)?

7. Wurden für die Kapitalausstattung oder sonstige Zwecke der Start-Ups
Mittel des BND eingesetzt?

Wenn ja, aus welchem Haushaltstitel?

Wenn nein: Woher stammt die beachtliche Kapitalausstattung der Farsi
Development Company N.V., deren Alleingesellschafter der BND-Ange-
stellte C. R. K. ist bzw. war?

8. Welche anderen Gesellschafter und Geschäftsführer hatten bzw. haben
diese Start-Ups und in welcher Verbindung standen bzw. stehen diese zu
dem BND-Mitarbeiter C. R. K. bzw. zum BND?

9. In welcher Weise war der BND-Mitarbeiter C. R. K. direkt oder indirekt
am Abschluss der Lizenzgeschäfte zwischen den Start-Ups und Lernout
& Hauspie beteiligt?

10. Hat der BND bzw. der BND-Mitarbeiter C. R. K. von dem zeitweisen
Kursanstieg der Aktie von Lernout & Hauspie zwischen November 1999
und April 2000 profitiert?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, ob gegen C. R. K. strafrechtliche Er-
mittlungen im In- oder Ausland geführt werden im Zusammenhang mit
Vorwürfen a der Aktienkursmanipulation und b Insidergeschäften?

12. Wie vereinbart die Bundesregierung ihre Antwort, sie habe erst im
Dezember 2000 von den privaten Geschäften des BND-Mitarbeiters
C. R. K. erfahren, mit der Tatsache, dass über seine Beteiligung an den
Start-Ups unter voller Namensnennung bereits zwei Monate vorher im
„Wall Street Journal“ berichtet wurde?

13. Hält die Bundesregierung die wirtschaftliche Kontrolle europäischer Fir-
men zur automatischen Sprach- und Texterkennung für eine Aufgabe des
BND?

Wenn ja, mit welcher Bestimmung im Gesetz über den BND ist das verein-
bar?

Wenn nein, welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um diese
Kontrolle zu beenden?

14. Hat die Bundesregierung die im Zusammenhang mit der Verurteilung des
BND-Mitarbeiters C. R. K. entstandenen Schäden bei der betroffenen
Firma inzwischen geheilt?

Wenn ja, in welcher Weise?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 12. Juli 2001

Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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