BT-Drucksache 14/6694

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink gemäß § 44b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) (Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit / Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)

Vom 17. Juli 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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6694

14. Wahlperiode

17. 07. 2001

Bericht

des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

zu dem Überprüfungsverfahren des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink
gemäß § 44b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes (AbgG)

(Überprüfung auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für das
Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Aus-
schuss) hat in seiner 54. Sitzung am 5. Juli 2001 im Überprüfungsverfahren ge-
mäß § 44b Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes mit der erforderlichen Mehrheit
von zwei Dritteln seiner Mitglieder eine inoffizielle Tätigkeit des Abgeordne-
ten Dr. Heinrich Fink für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik als e r w i e s e n festgestellt.
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

Inhaltsübersicht

A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44b AbgG

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur Durchführung der Richtlinien

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

II. Verfahrensgrundsätze

B. Ablauf des Verfahrens

C. Unterlagen des MfS zu Dr. Heinrich Fink

1. Erfassung als IM

2. Führungsdokumente

3. Treffberichte und Informationen

4. Dezentrale Karteikarten und andere Unterlagen

5. Finanzbelege

6. Auszeichnungen und Prämierungen

7. Untersuchungsergebnisse des MfS über eine Strafanzeige Dr. Heinrich
Finks gegen Unbekannt vom 12. Oktober 1989

D. Gerichtliche Verfahren

E. Vortrag des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink

F. Feststellungen des 1. Ausschusses

Stellungnahme des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink
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A. Grundsätze des Verfahrens gemäß § 44b AbgG

§ 44b AbgG regelt die Überprüfung von Mitgliedern des
Bundestages auf Tätigkeit oder politische Verantwortung für
das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Si-
cherheit der ehemaligen DDR. Eine solche Überprüfung
wird im Regelfall nur auf einen entsprechenden Antrag des
oder der jeweiligen Abgeordneten durchgeführt. Lediglich
dann, wenn der 1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei
Dritteln seiner Mitglieder das Vorliegen von konkreten An-
haltspunkten für den Verdacht einer Tätigkeit oder Verant-
wortung für den Staatssicherheitsdienst feststellt, erfolgt die
Überprüfung gemäß § 44b Abs. 2 AbgG auch ohne Zustim-
mung des oder der Betroffenen.

In der 14. Wahlperiode haben bislang 150 Mitglieder des
Bundestages ihre Überprüfung gemäß § 44b Abs. 1 des Ab-
geordnetengesetzes beantragt. Diese Verfahren sind bereits
abgeschlossen worden; der 1. Ausschuss hat hierüber auf
den Drucksachen 14/1900 und 14/3228 berichtet. In zwei
Fällen hat der 1. Ausschuss gemäß § 44b Abs. 2 AbgG eine
Überprüfung ohne Zustimmung der Betroffenen beschlos-
sen; hierzu gehört auch das Verfahren des Abgeordneten
Dr. Heinrich Fink. Über den anderen Fall der Überprüfung
gemäß § 44b Abs. 2 AbgG hat der 1. Ausschuss auf Druck-
sache 14/3145 berichtet.

I. Rechtliche Grundlagen des Überprüfungsverfahrens

1. Gesetz, Richtlinien und Absprache zur
Durchführung der Richtlinien

Seit der 12. Wahlperiode werden die Überprüfungen von
Mitgliedern des Bundestages auf Tätigkeit oder politische
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemali-
gen DDR auf der Grundlage des § 44b AbgG durchgeführt.
Die Vorschrift wurde mit dem Vierzehnten Gesetz zur Ände-
rung des Abgeordnetengesetzes vom 20. Januar 1992 einge-
fügt (BGBl. I S. 67; s. a. Drucksachen 12/1324 und 12/1737).
Zuvor fanden Überprüfungen von Mitgliedern des Bundesta-
ges auf eine Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst
der ehemaligen DDR ihre Grundlage lediglich in Beschlüs-
sen des Deutschen Bundestages vom 31. Oktober und
20. Dezember 1990, die auf einer Empfehlung des Ältesten-
rats (Drucksache 11/8386) beruhten.

Die gesetzliche Regelung wird ergänzt durch die „Richtli-
nien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Ver-
antwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für
Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokrati-
schen Republik“ und die „Absprache zur Durchführung der
Richtlinien gemäß § 44b AbgG“. Während die Richtlinien
im Rang von Geschäftsordnungsrecht stehen, handelt es sich
bei der Absprache um Verfahrensgrundsätze, die sich der
1. Ausschuss für die Überprüfungen gegeben hat. Ebenso
wie § 44b AbgG gehen diese Verfahrensregeln auf die
12. Wahlperiode zurück. Die Richtlinien wurden vom
12. Deutschen Bundestag erstmals am 5. Dezember 1991
beschlossen (vgl. BGBl. 1992 I S. 76) und der 1. Ausschuss
vereinbarte seine Absprache zur Durchführung dieser Richt-
linien erstmals am 30. April 1992. Beide Regelungswerke
wurden unverändert für die 13. und zunächst auch für die
14. Wahlperiode übernommen. Der 14. Deutsche Bundestag
hat dann in seiner Sitzung am 1. Oktober 1999 auf Empfeh-

lung des 1. Ausschusses einige Änderungen der Richtlinien
beschlossen (s. Drucksache 14/1698 sowie BGBl. 1999 I
S. 2072). Auch die Absprache des 1. Ausschusses zur
Durchführung der Richtlinien wurde überarbeitet. Einzelhei-
ten über die vom 1. Ausschuss am 30. September 1999 be-
schlossenen Änderungen können dem Bericht der Abgeord-
neten Stephan Hilsberg und Joachim Hörster auf Drucksache
14/1698 sowie der Amtlichen Mitteilung des Präsidenten
vom 5. November 1999 entnommen werden.

2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der 13. Wahlperi-
ode mehrfach mit den Verfahren nach § 44b AbgG auseinan-
dergesetzt und die hierzu getroffenen Regelungen als ver-
fassungsgemäß bestätigt (siehe die Entscheidungen vom
21. Mai 1996, BVerfGE 94, 351 ff.; und vom 20. Juli 1998,
BVerfGE 99, 19 ff.). Speziell die Entscheidung vom 21. Mai
1996 enthält grundlegende Aussagen zur Gestaltung der
Überprüfungsverfahren.

II. Verfahrensgrundsätze

Den Regelungen in § 44b AbgG liegt der Gedanke zugrunde,
dass grundsätzlich jedes Mitglied des Bundestages selbst
entscheiden soll, ob es sich auf eine Tätigkeit oder politische
Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst der ehemali-
gen DDR überprüfen lassen will. Dementsprechend be-
stimmt § 44b Abs. 1 AbgG als Regelfall, dass solche Über-
prüfungen nur auf einen entsprechenden Antrag des oder der
jeweiligen Abgeordneten durchgeführt werden. Eine Über-
prüfung ohne Zustimmung des/der Betroffenen findet gemäß
§ 44b Abs. 2 AbgG nur dann statt, wenn der 1. Ausschuss
das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für den Ver-
dacht einer Tätigkeit oder Verantwortung für den Staatssi-
cherheitsdienst feststellt. Diese Feststellung muss mit einer
Mehrheit von zwei Dritteln der Ausschussmitglieder getrof-
fen werden (Nummer 1 Abs. 4 der Richtlinien).

Zur Feststellung des Prüfungsergebnisses stehen dem
1. Ausschuss gemäß Nummer 4 der Richtlinien die Mittei-
lungen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Bundesbe-
auftragter) sowie sonstige dem 1. Ausschuss zugeleitete oder
von ihm beigezogene Unterlagen zur Verfügung. Damit wird
auf die Beweismittel des Zeugen- und des Sachverständigen-
beweises verzichtet; die Verfahren sind auf eine Überprü-
fung anhand von Urkunden und Angaben des/der Betroffe-
nen beschränkt. Die Richtlinien und die Absprache enthalten
außerdem eine Reihe von Mitwirkungsrechten und Schutz-
bestimmungen zugunsten des betroffenen Mitglieds des
Bundestages. Hierzu gehören insbesondere das Aktenein-
sichtsrecht des betroffenen Mitglieds (Nummer 2 Abs. 1 der
Richtlinien), seine Anhörung (Nummer 5 Abs. 1 der Richtli-
nien) sowie das Recht, den zu veröffentlichenden Feststellun-
gen des 1. Ausschusses eine eigene Erklärung hinzuzufügen
(Nummer 6 der Richtlinien). In seiner nunmehr geltenden
Fassung stellt Nummer 2 Abs. 2 und 3 der Richtlinien darüber
hinaus ausdrücklich klar, dass der vertrauliche Charakter der
Überprüfungsverfahren das Akteneinsichtsrecht der Mitglie-
der des Bundestages (§ 16 GO-BT) sowie das Zutrittsrecht
zu den Ausschussberatungen (§ 69 Abs. 2 GO-BT) be-
schränkt. Weiterhin enthalten die überarbeiteten Feststel-
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lungskriterien in Nummer 6 der Absprache zur Durchfüh-
rung der Richtlinien einen Katalog von Indizien, die nach der
Erfahrung des 1. Ausschusses in der Regel auf eine inoffizi-
elle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen
DDR hinweisen. Dieser Katalog ist allerdings nicht als ab-
schließende Aufzählung zu verstehen und ersetzt auch nicht
die zur Feststellung einer Tätigkeit für den Staatssicherheits-
dienst in jedem Einzelfall notwendige Würdigung der kon-
kret vorliegenden Beweismittel.

Auch die Feststellung des Prüfungsergebnisses bedarf
schließlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder
des 1. Ausschusses (Nummer 1 Abs. 4 der Richtlinien). So-
weit nach diesem Ergebnis eine hauptamtliche oder inoffizi-
elle Tätigkeit oder eine politische Verantwortung des über-
prüften Mitglieds des Bundestages für den Staatssicherheits-
dienst der ehemaligen DDR erwiesen ist, wird diese Fest-
stellung unter Angabe der wesentlichen Gründe als Bundes-
tagsdrucksache veröffentlicht (Nummer 6 der Richtlinien).
Eine Beeinträchtigung der parlamentarischen Rechte des be-
troffenen Mitglieds oder gar eine Verpflichtung zur Man-
datsniederlegung ist damit nicht verbunden. Die Beurteilung
der getroffenen Feststellungen soll vielmehr der Öffentlich-
keit, den Wählern, vorbehalten bleiben.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
21. Mai 1996 (2 BvE 1/95; BVerfGE 94, 351 ff.) wird das
vom Deutschen Bundestag festgelegte und durch Richtlinien
und Absprachen näher ausgestaltete Verfahren – auch soweit
es auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigen-
beweises verzichtet und sich auf die Überprüfung anhand
von Urkunden und Angaben des Betroffenen beschränkt –
den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Das Ge-
richt weist jedoch darauf hin, dass der 1. Ausschuss für eine
belastende Feststellung von der Verstrickung des Abgeord-
neten eine so sichere Überzeugung gewinnen muss, dass
auch angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten ver-
nünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung ausge-
schlossen sind. Andernfalls steht es dem Ausschuss offen, in
den Gründen die Beweislage darzustellen. Mutmaßungen
sind dem Ausschuss verwehrt.

B. Ablauf des Verfahrens

Im Fall des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink stellte der
1. Ausschuss in seiner Sitzung am 28. Januar 1999 auf An-
trag des Abgeordneten Jörg van Essen das Vorliegen kon-
kreter Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit oder
politischen Verantwortung für das Ministerium für Staats-
sicherheit der ehemaligen DDR fest und beschloss, ein Über-
prüfungsverfahren ohne Zustimmung des Betroffenen ge-
mäß § 44b Abs. 2 AbgG einzuleiten. Den Hintergrund dieser
Entscheidung bildete die Tatsache, dass seit dem Jahre 1991,
als Dr. Heinrich Fink mit der Begründung, mit dem Staatssi-
cherheitsdienst der ehemaligen DDR zusammengearbeitet
zu haben, als Rektor der Berliner Humboldt-Universität ent-
lassen worden war, Vorwürfe einer Tätigkeit als „IM“ in der
Öffentlichkeit diskutiert wurden. Der 1. Ausschuss erachtete
es als notwendig, eine mögliche Stasi-Verstrickung des Ab-
geordneten in einem förmlichen Überprüfungsverfahren zu
klären.

Mit Schreiben vom 9. Februar 1999 ersuchte deshalb der
Präsident des Deutschen Bundestages den Bundesbeauftrag-
ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehe-
maligen Deutschen Demokratischen Republik (im Folgen-
den: der – bzw. ab Herbst 2000 – die Bundesbeauftragte) um
die Mitteilung von Erkenntnissen über Dr. Heinrich Fink.
Der Bundesbeauftragte informierte unter dem 22. Juni 1999
über die in seiner Behörde aufgefundenen Hinweise auf eine
inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehe-
maligen DDR. Die der Mitteilung beigefügten Ablichtungen
von Dokumenten aus den Beständen des Staatssicherheits-
dienstes wurden seitens des Bundesbeauftragten mit Erläute-
rungen zur Interpretationshilfe versehen.

Im November 1999 nahmen die Berichterstatter des 1. Aus-
schusses Einsicht in die beim Bundesbeauftragten vorliegen-
den Originalakten.

Mit Schreiben vom 21. Januar 1999 und vom 22. Februar
2000 übersandte der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink fol-
gende Ablichtungen aus den Gerichtsverfahren anlässlich
der Kündigung als Rektor der Humboldt-Universität:

– Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 1992

– Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Dezem-
ber 1992

– Verfassungsbeschwerde vom 15. März 1993 sowie deren
Erweiterung vom 5. November 1993

– seine Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung des
Bundesverfassungsgerichts in Leipzig

– die Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vor
dem Bundesverfassungsgericht

– Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997

Am 3. März 2000 übergab der Abgeordnete Dr. Heinrich
Fink eine Ablichtung des Beschlusses des Bundesarbeitsge-
richts vom 23. September 1993.

Unter dem 24. März 2000 wurde Dr. Heinrich Fink auf
seinen Antrag hin sowie den Berichterstattern des 1. Aus-
schusses ein kompletter Satz der vom Bundesbeauftragten
zu dem Überprüfungsverfahren übermittelten Unterlagen
zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens vor dem 1. Aus-
schuss hatte der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink Gelegenheit,
zu den zu seiner Person vorliegenden Unterlagen aus den
Beständen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR Stellung zu nehmen. So wurde er am 29. März 2001
von den zu seinem Verfahren eingesetzten Berichterstattern
des 1. Ausschusses angehört. Eine schriftliche Stellung-
nahme hatte er bereits am 27. März 2001 abgegeben. Im
Nachgang zu seiner Anhörung gab er am 5. April 2001 eine
weitere schriftliche Stellungnahme ab, am 15. April 2001
übersandte er eine Bescheinigung des Bundesbeauftragten
vom 1. Februar 1991, derzufolge sich zum damaligen Zeit-
punkt anhand der bis dahin erschlossenen Unterlagen keine
Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen
Staatssicherheit ergeben hatten, sowie Unterlagen im Zu-
sammenhang mit der Verleihung des Vaterländischen Ver-
dienstordens in Bronze. Die Einlassungen des Abgeordneten
wurden bei der Entscheidungsfindung des 1. Ausschusses
berücksichtigt.
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In seiner 53. Sitzung am 28. Juni 2001 stellte der 1. Aus-
schuss das Ergebnis seiner Prüfung im Verfahren des Abge-
ordneten Dr. Heinrich Fink vorläufig fest. Hiervon unterrich-
tete die Vorsitzende den Präsidenten des Deutschen Bundes-
tages, den Vorsitzenden der Fraktion der PDS sowie den Be-
troffenen.

Der 1. Ausschuss stellte in seiner 54. Sitzung am 5. Juli 2001
das Prüfungsergebnis endgültig fest. Der Abgeordnete Dr.
Heinrich Fink machte am 13. Juli 2001 von der Möglichkeit
Gebrauch, diesen Feststellungen eine eigene Erklärung hin-
zuzufügen.

C. Unterlagen des MfS zu Dr. Heinrich Fink

Der vom Bundesbeauftragten zu Dr. Heinrich Fink über-
sandte Aktenbestand umfasst 58 Dokumente und den Zeit-
raum vom 12. Juni 1968 bis zum 8. Dezember 1989. Der
Bundesbeauftragte hat hierzu erläutert, Dr. Heinrich Fink sei
von der Hauptabteilung XX/4 (im Folgenden: HA XX/4)
vom 20. Juni 1968 an zunächst als Vorlauf-IM

1)

und vom
12. Februar 1969 an als IM „Heiner“ unter der Registrier-
nummer XV/1827/68 erfasst gewesen. Diese Erfassung sei
aufgrund eines Auftrages vom 4. Dezember 1989 am
11. Dezember 1989 gelöscht und die zu diesem IM-Vorgang
geführten formgebundenen Akten seien vernichtet worden.
Dies betreffe insgesamt fünf Bände, davon jeweils zwei
Bände der IM-Personalakte und der IM-Arbeitsakte sowie
eine Beiakte.

Der Bundesbeauftragte hat hierzu ausgeführt, trotz der Ver-
nichtung dieser Akten hätten seine Recherchen eine Anzahl
Unterlagen mit Hinweisen auf den Abgeordneten Dr. Hein-
rich Fink erbracht. Dies habe seine Ursache darin, dass die
internen Arbeitsabläufe und Aufgaben im MfS verlangt hät-
ten, dass bestimmte Unterlagen in Form von Karteien oder
Kopien von Berichten an verschiedene MfS-interne Stellen
hätten weitergeleitet werden müssen. Auf diese Weise seien
personenbezogene Unterlagen an verschiedene Stellen im
MfS gelangt und könnten dadurch Informationen über das
tatsächliche Verhältnis zwischen der betreffenden Person
und dem MfS geben.

Der Bundesbeauftragte führt in seinen Erläuterungen zu den
von ihm übersandten 58 Dokumenten weiter aus, zur Beur-
teilung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen der betref-
fenden Person und dem MfS sei wesentlich, inwieweit Kar-
teien und Erfassungsbelege existierten, die

– aufeinander bezogen seien,

– über einen längeren Zeitraum eine Erfassung von Perso-
nen auswiesen,

– Angaben enthielten, wonach nacheinander verschiedene
MfS-Offiziere für den betreffenden Vorgang verantwort-
lich gewesen seien,

oder wenn aus den Erfassungsbelegen hervorginge, dass IM-
Kategorien wegen neuer Richtlinien oder Befehle des Minis-
ters für Staatssicherheit neu festgelegt worden seien.

Zu den Unterlagen im Einzelnen:

1. Erfassung als IM

Nach einem „Beschluss“ habe der Mitarbeiter Laux der HA
XX/4 am 12. Juni 1968 entschieden, im Rahmen eines „IM-
Vorlaufes“ eine Person unter der Kategorie „IMF“

2)

zu erfas-
sen, für die die Wohnadresse „1157 Berlin-Karlshorst,
Stechlinstr. 17“ angegeben war. Als Begründung für das An-
legen dieses IM-Vorlaufes wurde vermerkt:

„KP [Kontaktperson] verfügt über umfassende Ver-
bindungen in kirchliche Kreise und Gremien nationa-
len wie internationalen Charakters. Sie verfügt über
die erforderliche Voraussetzung der Aufklärung die-
ser innerkirchlichen Einrichtungen wie der Differen-
zierung und Zersetzung.“ (Dok. 1)

Dieser „Beschluss“, ein weiteres Dokument mit der Bezeich-
nung „Index über Personen“ (Dok. 2) mit den Angaben
„Fink, Heinrich“ und „31. 3. 35“ [Geburtsdatum] mit der
Registriernummer XV 1827/68 sowie die Karteikarte mit
den Personalien von Dr. Fink (F 16

3)

, Dok. 3) seien durch die
Hauptabteilung XX/4 der Abteilung XII vorgelegt worden,
damit diese für die Erfassung von Personen, Registrierung
von Akten sowie für Archivierung und Auskunftserteilung
zuständige Diensteinheit ihrerseits die betreffende Person als
IM-Vorlauf erfassen und den damit verbundenen Vorgang
mit einer Registriernummer habe versehen können. Aus-
weislich der Vorgangskarteikarte F 22

4)

(Dok. 4) sei dies am
20. Juni 1968 geschehen. Von diesem Zeitpunkt an sei in der
Abteilung XII ein zentraler Nachweis über die Erfassung
von Dr. Heinrich Fink und über die registrierte Vorlauf-Akte
geführt worden, dies anhand der Klarnamenkarteikarte F 16
(Dok. 3) sowie der Vorgangskarteikarte F 22 (Dok. 4). Die
Vorlauf-Akte habe die Registriernummer XV/1827/68 erhal-
ten.

Der Bundesbeauftragte führt in diesem Zusammenhang wei-
ter aus, aus der Vorgangskarteikarte (Dok. 4) und dem
„Beschluss“ (Dok. 1) ergebe sich, dass der IM-Vorlauf am
12. Februar 1969 zum IM-Vorgang umregistriert worden sei
und den Decknamen „Heiner“ erhalten habe. Er sei zunächst
in die Kategorie IMF

5)

und am 9. Dezember 1980 (Dok. 5) in

1)

Registrierte Akte, in der die Eignung/Nichteignung eines Kandidaten
für die inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS dokumentiert wurde
– zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl.,
Berlin 1996.

2)

Inoffizieller Mitarbeiter der inneren Abwehr mit Feindverbindungen
zum Operationsgebiet (Bezeichnung für den Handlungsraum der
Diensteinheiten der HV A und der Abwehr in nichtsozialistischen
Staaten und Territorien [Berlin{-West}], hauptsächlich in NATO-
Staaten) – zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeich-
nis, 2. Aufl., Berlin 1996.

3)

Zentraler Datennachweis des MfS zu Personen – zitiert aus: Der Bun-
desbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996.

4)

Die Vorgangskartei F 22 erschließt den Zugang zu den archivierten re-
gistrierten Vorgängen und Akten. Die Vorderseite der Karteikarte ent-
hält auf der oberen Hälfte Rubriken für die internen Angaben (Vor-
gangsart, Registriernummer, Deckname, IM-Kategorie usw.), auf der
unteren Hälfte und auf der Rückseite Eintragungen von „Veränderun-
gen“ (z. B. Wechsel des Mitarbeiters usw.) – zitiert aus: Der Bundes-
beauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996.

5)

Siehe Fußnote 2.
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die Kategorie IMB

6)

eingestuft worden. Die Kategorie IMB
habe zu diesem Zeitpunkt im MfS die Kategorie IMF ersetzt.

Am 8. Januar 1971 sei es zu einem Wechsel der Führungsof-
fiziere von „Heiner“ gekommen: An diesem Tage habe der
MfS-Offizier Roßberg den IM-Vorgang übernommen. Dies
erschließe sich aus der Vorgangskarteikarte F 22 (Dok. 4)
und aus den Vorgangsheften der MfS-Offiziere Laux und
Roßberg (Dok. 6, S. 5 und Dok. 7, S. 7).

In der Abteilung XII sei außerdem eine Arbeitskarteikarte
geführt worden (Dok. 5). Danach seien von der Abtei-
lung XII jeweils zwei Aktendeckel Teil I (Personalakte) und
Teil II (Arbeitsakte) zum IM „Heiner“ ausgegeben worden.
Im Verlaufe der Jahre hätten sowohl Personalakte als auch
Arbeitsakte des IM-Vorgangs „Heiner“ mindestens aus
jeweils zwei Bänden bestanden, von denen jeder maximal
300 Seiten habe enthalten können.

Die vorliegenden Unterlagen enthalten nach den Ausführun-
gen des Bundesbeauftragten weder Dokumente über eine ex-
plizite Anwerbung noch eine von Dr. Heinrich Fink unter-
zeichnete Verpflichtungserklärung.

2. Führungsdokumente

Der Bundesbeauftragte hat zu den sog. Führungsdokumen-
ten ausgeführt, hierunter seien im Ministerium für Staats-
sicherheit Jahrespläne, Einsatz- und Maßnahmepläne und
Angaben/Aufstellungen über den IM-Bestand verstanden
worden. In diesen Führungsdokumenten sei erkennbar, in
welchen Bereichen die IM einsetzbar gewesen seien.

Der Bundesbeauftragte weist hier darauf hin, dass Dr. Hein-
rich Fink in diesen und auch in anderen Unterlagen häufig
mit dem Decknamen „Heino“ bezeichnet worden sei. Das
Zusammenziehen der Endsilbe „er“ aus „Heiner“ zum End-
buchstaben „o“ aus „Heino“ lasse sich aus der Handschrift
des MfS-Offiziers Roßberg erklären, da von anderen, z. B.
Schreibkräften, „Heiner“ tatsächlich als „Heino“ habe gele-
sen werden können. Die Recherchen des Bundesbeauftrag-
ten hierzu hätten eindeutig ergeben, dass „Heiner“ und
„Heino“ identisch seien, da weder MfS-Offizier Laux noch
MfS-Offizier Roßberg jemals einen anderen IM mit dem
Decknamen „Heino“ geführt hätten. Einen anderen IM mit
diesem Decknamen habe es in der gesamten HA XX nicht
gegeben.

Die aufgefundenen Unterlagen enthalten einen „Plan zur
Aufdeckung der Pläne und Absichten feindlicher Zentren
und Gruppen im Zusammenhang mit den Ereignissen in der
CSSR“ der Hauptabteilung XX/4, datiert vom 22. Juli 1968
(Dok. 9). Dieser „Plan“ enthält

– unter I: „Zentren und Gruppen in Westdeutschland,
Westberlin und dem kapitalistischen Ausland“, „die in-
tensiv mit feindlichen Absichten gegen die CSSR wir-
ken“. Weiterhin sind verschiedene IM genannt, die „zur
Aufklärung und op. Bearbeitung“ verschiedener West-
berliner Institutionen eingesetzt werden können, darun-
ter auch IM „Heino“;

– unter II: Ausführungen zu „Überwachung und operative
Kontrolle reaktionärer kirchlicher Organisationen und
Gruppen in der DDR“. Hier ist ebenfalls der Einsatz von
IM „Heino“ vorgesehen;

– unter III: Hinsichtlich „Perspektivaufgaben an IM“ wird
„zur Aufklärung der feindlichen Pläne kirchlicher Orga-
nisationen und Gruppierungen in der CSSR“ der ge-
plante Einsatz von IM „Heino“ damit begründet, er habe
„Verbindungen zu der so genannten evangelischen
Gruppe ‚Neue Orientierung‘. Diese Gruppierung ist ak-
tiv am Liberalisierungsprozess beteiligt und steht in en-
ger Verbindung mit Personen aus dem Schriftstellerver-
band in der CSSR.“ Weiterhin könne mit Hilfe von IM
„Heino“ „in Erfahrung gebracht werden, inwieweit das
ständige Büro der CFK [Christliche Friedenskonferenz]
in Prag für konterrevolutionäre Pläne und Absichten
ausgenutzt wird.“

Der Führungsoffizier von IM „Heiner“, Andreas Laux, hat
mit Datum 21. November 1968 einen „Vorlauf-Operativ-
Vorgang ‚Skorpione‘“ angelegt, wonach der Einsatz von IM
„Heiner“ an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Uni-
versität Berlin vorgesehen ist (Dok. 11) mit dem Vermerk:

„Verdacht der Gruppenbi[l]dung § 107
inoffizielle Hinweise über vertrauliche Zusammen-
künfte, die sich gegen die Politik von Partei und Re-
gierung richten. Dabei Ausnutzung der Hochschul-
reform (aktive Teilnahme am gesellschaftlichen
Entwicklungsprozess der DDR) als Deckmantel. An
den Zusammenkünften nehmen anarchistische Ver-
treter des SES Westberlin teil.

IM ‚Harry‘ [und] IM ‚Heiner‘ – Verbindung zu Stu-
denten, die an Zusammenkünften teilnahmen“

Eindringen in Gruppierung, Zielstellung der Grup-
penbildung feststellen, Konzeption.“ (Dok. 11)

In einer „Einschätzung der Arbeit mit dem IM-System in der
Diensteinheit XX/4“ der Hauptabteilung II/4 vom
27. Dezember 1968 (Dok. 12) wird unter III „Einschätzung
der Qualität der Neuwerbung von IM, entsprechen die Neu-
werbungen den Schwerpunkten?“ ausgeführt:

„So wurden 1968 die Werbungen von neuen IM an
solchen zentralen Schwerpunkten durchgeführt, wie
z. B. in Kirchenleitungen der evangelischen und ka-
tholischen Kirche in der DDR, in Leitungsgremien
kirchlicher Organisationen und Werke und in einigen
Zentren und operativen Schwerpunkten im Operati-
onsgebiet. Der Wert solcher neugeworbener IM auf
evangelischer Linie wird durch ihre Funktion und
Stellung deutlich. So wurde z. B. der IM ,Heino‘ als
Mitarbeiter im Christlichen Weltstudentenbund, …
geworben.“

Die Unterlagen enthalten mehrere ähnliche „Maßnahme-
pläne“ oder „Einsatzpläne“ zur Beobachtung verschiedener
Veranstaltungen im kirchlichen Bereich wie z. B. „Synoden
des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (Dok.
13 bis 19). So wird auch in der Anlage zu einem detaillierten
„Maßnahmeplan zur politisch-operativen Sicherung des Kir-
chentages der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg
vom 24. 6. – 28. 6. 1987 in Berlin“ der Hauptabteilung XX

6)

Inoffizieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung bzw. zur
unmittelbaren Bearbeitung im Verdacht der Feindtätigkeit stehender
Personen – zitiert aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeich-
nis, 2. Aufl., Berlin 1996.
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(undatiert) unter „Hauptabteilung XX/4“ und „OSL Roß-
berg“ „Heino“ genannt. (Dok. 20)

Außerdem existiert eine Aufstellung des IM-Bestandes von
MfS-Offizier Roßberg, die nach den Erläuterungen des Bun-
desbeauftragten vorvernichtet gewesen sei, aber vom Bun-
desbeauftragten habe rekonstruiert werden können (Dok. 21).
Hinter „IMB Heiner“ steht die Abkürzung „KW“, was nach
Auskunft des Bundesbeauftragten bedeutet, dass mit „Hei-
ner“ Treffen in konspirativen Wohnungen durchgeführt wor-
den seien. In einer Übersicht ist IMB „Heiner“ unter den „IM
zur operativen Kontrolle bzw. Abschöpfung feindlicher Per-
sonen“ aufgeführt. Auf Seite 28 wird die Hauptrichtung des
Einsatzes von „Heiner“ mit „CFK“ [Christliche Friedens-
konferenz] und „Theologische Sektion der Humboldt-Uni-
versität“ angegeben.

Bei den Dokumenten 22, 23 und 24 handele es sich um Un-
terlagen, deren Inhalt sich zu verschiedenen Zeitpunkten
(3. November 1980, undatiert und 20. Februar 1986) auf die
Ausstattung und Nutzung der konspirativen Wohnung
(„KW“) „Hagen“ beziehe. Nach Dok. 22 war diese konspira-
tive Wohnung „als Treffobjekt für IM in leitenden Positio-
nen, wie IM …, ‚Heiner‘, … vorgesehen …“. Im undatierten
„Abschlussbericht zur Archivierung des IMK/KW-Vorgan-
ges

7)

‚Hagen‘ Reg.-Nr. XV/1935/76“ wird von Herrn Roß-
berg ausgeführt:

„Die KW wurde von den IM …, „Heiner“, … be-
nutzt. Die Treffs in der KW wurden durchgeführt
durch die Gen. Oberst Wiegand, OSL Roßberg und
…“ (Dok. 23).

3. Treffberichte und Informationen

In den aufgefundenen Unterlagen ist keine Unterlage vor-
handen, die von IM „Heiner“ verfaßt oder unterzeichnet
worden ist. Der Bundesbeauftragte hat hierzu erläutert, dass
es nach seinen Erkenntnissen bei der inoffiziellen Zusam-
menarbeit mit IM aus dem kirchlichen Bereich gängige Pra-
xis gewesen sei, dass die MfS-Offiziere Berichte oder
schriftliche Informationen nach den mündlichen Berichten
der IM anfertigten.

In einem „Auszug aus Treffbericht ‚Heiner‘ vom 31. 1.
1969“ wird über jemanden, dessen Name geschwärzt ist,
ausgeführt, sein theologisches Wissen sei das Ergebnis in-
tensiven Selbststudiums und er sei in der Lage, die Prüfung
als Diplom-Theologe abzulegen. Dies sei aber rechtlich nicht
möglich. Nach einigen weiteren Details werden als vorgese-
hene „Maßnahmen“ genannt:

„1.) Welche politische Haltung und Konzeption vertritt …
(Name geschwärzt) gegenüber der DDR?

2.) Ist seine äußerliche Haltung als ehrlich einzuschätzen?

3.) Wer gehört zu seinem engsten Freundeskreis?

4.) In welcher Beziehung steht … zu … (Namen ge-
schwärzt)?

Diese Fragen müsste IM ‚Heiner‘ beantworten.“ (Dok. 25)

In den Unterlagen sind mehrere ähnliche „Treffberichte“
bzw. „Informationen“ vorhanden (Dok. 26 bis 37).

In einer Aufstellung der „Lagegruppe“ der Hauptabteilung
XX/4 über Telefonate in Zusammenhang mit dem Kirchen-
tag Berlin-Brandenburg 1987 (Dok. 39) wird unter dem Zeit-
raum „27. 6. 87, 8 Uhr“ und „28. 6., 8 Uhr“ verzeichnet:

„08.30 [Uhr], IM ‚Heiner‘ für Klaus“:
„Informierte über die Teilnahme am Podiumsge-
spräch mit Bonhoeffer/BRD, Pickhard, Tschiche,
Garstecki, Falcke Gumlich/BRD, in der Sophienkir-
che. Die Moderati[o]n durch Pickhard sei auf Kon-
frontation angelegt gewesen. Der IM schätzte ein,
dass in diesem Kreis ein Forum für Tschiche geschaf-
fen werden sollte.
Besuch beim ‚Kirchentag von unten‘: …“

Neben dieser Notiz ist vermerkt:
„Gen. OSL Roßberg wurde informiert.“

Weiterhin ist in diesem Dokument unter der laufenden Num-
mer 39 notiert:

„23.15 IM ‚Heiner‘
IM teilt für ‚Klaus‘ mit: Eröffnungsveranstaltung in
der Sophienkirche verlief ohne Vorkom[m]nisse.
Teilnehmerzahl ca. 500 bis 600 Personen. Veranstal-
tung in der Erlöserkirche vorwiegend von Jugend-
lichen besucht.
Mitteilung an zust. Gen.“

Der Bundesbeauftragte hat hierzu ausgeführt, es handele
sich um einen sog. „Lagefilm“, in dem chronologisch alle
auf ein bestimmtes Ereignis bezogene Meldungen festgehal-
ten worden seien, die bei der HA XX/4 von inoffiziellen Mit-
arbeitern oder anderen operativen Kräften eingegangen
seien. Beide Meldungen seien für „Klaus“ bestimmt gewe-
sen. Bei „Klaus“ handele es sich um den Vornamen des MfS-
Offiziers Roßberg. Dem IM „Heiner“ müsse die extra ge-
schaltete Telefonnummer der „Lagegruppe“ übergeben und
er instruiert worden sein, dass er seine Berichte auch noch
nachts absetzen könne, ohne dabei mit seinem Führungsoffi-
zier Roßberg direkt Kontakt aufnehmen zu müssen. Diese
Eintragungen seien Ausdruck der Umsetzung der in der be-
reits genannten Anlage zum Maßnahmeplan vom 24. Juni
1987 (Dok. 20) getroffenen Festlegungen der HA XX/4, wo-
nach ‚Heiner‘, gesteuert vom MfS-Offizier Roßberg, zur po-
litisch-operativen Sicherung dieses Kirchentages eingesetzt
werden sollte.

4. Dezentrale Karteikarten und andere Unterlagen

Dezentrale Karteien waren nach den Ausführungen des Bun-
desbeauftragten im Ministerium für Staatssicherheit Find-
hilfsmittel auf der Basis von Personendaten, die einzelnen
Diensteinheiten zum Abrufen vielfältigster Informationen
dienten. Es war auch möglich, dass für ein und dieselbe Per-
son in mehreren Diensteinheiten gleichzeitig solche Find-
hilfsmittel existierten. Über solche Karteien wurde im MfS
kein zentraler Nachweis geführt.

Unter den zu Dr. Heinrich Fink aufgefundenen dezentralen
Karteien befindet sich eine aus der Hauptabteilung XX/4. Es
handelt sich um eine Mitteilung vom 13. Dezember 1984 der
Abt. XII an MfS-Offizier Roßberg, der darüber informiert

7)

Inoffizieller Mitarbeiter, der ein Zimmer oder seine Wohnung zur
Durchführung von konspirativen Treffs zur Verfügung stellt – zitiert
aus: Der Bundesbeauftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin
1996.
Drucksache

14/

6694

– 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wurde, dass Dr. Heinrich Fink Besuchsziel für eine in Düs-
seldorf wohnhafte Person war. Unter der Registriernummer
ist der Deckname „Heiner“ handschriftlich vermerkt (Dok.
40).

In einem „Aktenvermerk“ der Hauptabteilung XX/4 vom
11. April 1978 (Dok. 41) heißt es:

„Am 03. 03. 1978 fand eine operative Absprache
zwischen Mitarbeitern der Hauptabteilung XX/4 und
der Abteilung XX/4 der BV Berlin zu Fragen der the-
ologischen Sektion der HUB [Humboldt-Universität
Berlin] statt.
Teilnehmer waren: Gen. Roßberg …

… Dabei wurde besonders hervorgehoben, dass es
darauf ankommt, die führende Rolle der Partei in der
Hochschulpolitik durchzusetzen. Dies erfordere stö-
rende Aktivitäten einer Gruppierung an der Sektion,
der meist CDU-Mitglieder angehören, mit Entschie-
denheit zu begegnen. Diese Gruppierung besteht aus
… (Namen geschwärzt) und ist gegen eine Kandida-
tur von Dr. Fink als Nachfolger für Prof. Bernhardt
als Sektionsdirektor. Es wurde dazu hervorgehoben,
dass die Kandidatur Fink zwischen der Arbeits-
gruppe Kirchenfragen, Gen. Dr. Hüttner, und dem
MHF [Ministerium für das Hoch- und Fachhoch-
schulwesen], Gen. Janott, abgestimmt und im Kader-
perspektivplan der Sektion enthalten ist. … Die Kir-
chenleitung Berlin-Brandenburg habe sich gegen
Fink und für eine Kandidatur von … (Namen ge-
schwärzt) ausgesprochen … Im Ergebnis der Diskus-
sion wurde folgende politisch-operative Linie festge-
legt:

– …

– die Ablösung von Bernhardt sollte um ein Jahr
verschoben werden;

– in dieser Zeit sollen bei Fink die erforderlichen
Qualifikationsmaßnahmen realisiert werden (Pro-
motion B und Berufung zum Professor) …

– …“.

Dokument Nr. 42 beinhaltet Auszüge aus einer in der Be-
zirksverwaltung (BV) Potsdam angelegten OPK-Akte (Ope-
rative Personenkontrolle). Der darin enthaltene Sachstands-
bericht vom 14. April 1978 enthält, bezogen auf Dr. Heinrich
Fink, auf Seite 517 folgende Aussage:

„F. ist für die Hauptabteilung XX positiv erfasst. Von
dieser Diensteinheit ist die Klärung operativer Fra-
gen zugesichert worden:“ .

Positiv erfasst gewesen zu sein, bedeutete nach den Ausfüh-
rungen des Bundesbeauftragten, dass mit der betreffenden
Person inoffiziell zusammengearbeitet wurde. Diese Be-
zeichnung sei üblich gewesen, obwohl es darüber keine Re-
gelung gegeben habe.

In einem „Bericht über die bilaterale Beratung mit den Si-
cherheitsorganen der CSSR am 11. 4. 1985 in Zinnwald/
Güst“ der Hauptabteilung XX/4 vom 16. April 1985 heißt es:

„Seitens der CSSR-Sicherheitsorgane wird darum ge-
beten, auf Prof. Fink einzuwirken, offensiv gegen

feindliche Angriffe aufzutreten und sich aktiv für die
Interessen der CFK [Christliche Friedenskonferenz]
einzusetzen.“ (Dok 43).

5. Finanzbelege

Aufgefunden wurden nach den Erläuterungen des Bundes-
beauftragten u. a. eine Statistik über „operative Ausgaben“
der HA XX/4 im Jahre 1976 (Dok. 45), bez. „IMF ‚Heino‘“
sind 140,– Mark und 100,– DM („Mark der Bundesbank“)
vermerkt.

Weiterhin existiert eine handschriftliche Notiz des MfS-Offi-
ziers Roßberg vom 14. Dezember 1981:

„Für die Treffs mit IMS

8)

‚Horst‘, IM ‚Sekretär‘, ‚Di-
rektor‘ u. ‚Heiner‘ wurden 100,– M für Verpflegung
verauslagt.“ (Dok. 46).

Diese Notiz ist mit „W“ abgezeichnet, was nach Auskunft
der Bundesbeauftragten zeigt, dass die Abzeichnung durch
Abteilungsleiter Wiegand erfolgte. Der Bundesbeauftragte
hat weiter ausgeführt, es seien Operativgeld-Kassenbücher
mit Aufzeichnungen zu Ausgaben bezüglich der für den IM-
Vorgang „Heiner“ angelegten Registriernummer XV/1827/
68 aus den Jahren 1968, 1969, 1970, 1971 und 1983 vorhan-
den. (Dok. 47, 48, 49 und 50).

Der Bundesbeauftragte hat zu diesen Unterlagen ausgeführt,
außer dieser handschriftlichen Notiz von MfS-Offizier Roß-
berg, die vom Leiter der HA XX/4, MfS-Offizier Wiegand,
bestätigt worden sei, seien alle anderen Dokumente im Se-
kretariat des Leiters der HA XX von der Haushaltssachbear-
beiterin dieser HA erarbeitet worden. Sie erfassten gemäß
der Operativgeldordnung des Ministers für Staatssicherheit
in Verbindung mit der Registriernummer einzelner Vorgänge
Operativgelder, die in Anspruch genommen worden seien,
also tatsächlich ausgegeben worden seien. Nach der Opera-
tivgeldordnung Nr. 3/83 des Ministers für Staatssicherheit
sei das Untersachkonto (USK) Nr. 6000 eingerichtet worden
für Zuwendungen an IM (Übergabe von Bargeld und Sach-
geschenken). Das USK Nr. 6001 sei für Treffauslagen einge-
richtet worden, das USK Nr. 6011 habe „Sonstiges“ erfasst
und das USK Nr. 6103 sei für die Ausgabe von Devisen im
Zusammenhang mit der inoffiziellen Zusammenarbeit einge-
richtet worden.

6. Auszeichnungen und Prämierungen

Der Befehl Nr. K[ader] 5455/84 (Dok. 51), unterschrieben
von „Armeegeneral Mielke“, besagt, laut Auskunft der Bun-
desbeauftragten, dass der IM „Heiner“ am 7. Oktober 1984
mit der Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in
Gold auszuzeichnen war. Die Auszeichnungsordnung Nr. 8/
83 des Ministers für Staatssicherheit habe festgelegt, wie
hoch die finanzielle Zuwendung bei der Verleihung derarti-
ger Medaillen zu sein habe. Die Geldprämie habe bei der
Verdienstmedaille der NVA in Gold 750 Mark betragen. Die
Rückseite des Befehls weise mit dem Stempelaufdruck und
darin vorgenommenen Eintragungen aus, dass die sich mit
diesem Befehl verbundenen weiteren Maßnahmen, z. B. Be-

8)

Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und
Sicherung des Verantwortungsbereichs – zitiert aus: Der Bundesbe-
auftragte, Abkürzungsverzeichnis, 2. Aufl., Berlin 1996.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 –

Drucksache

14/

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reitstellung der Medaille, der Urkunde sowie der Geldprämie
in Höhe von 750 Mark realisiert worden seien.

Weiterhin existiere ein „Vorschlag zur Auszeichnung mit ei-
nem Sachgeschenk in Höhe von 500 Mark des IMB ‚Hei-
ner‘“ vom 1. November 1989, unterzeichnet vom Leiter der
HA XX/4, Oberst Wiegand. Hier wird unter „Alle bisher er-
haltenen Aufzeichnungen“ genannt: „Verdienstmedaille der
NVA in Gold“. Die Begründung für diesen Vorschlag lautet:

„Der IM unterstützt das MfS seit über 20 Jahren. Er
hat große Verdienste bei der Profilierung der theolo-
gischen Sektionen als Bestandteil der sozialistischen
Universitäten. Als Vorsitzender einer weltweiten Ver-
einigung progressiver Christen hat er großen Anteil
an der Herausbildung eigenständigen kirchlichen
‚Friedensengagements‘“ (Dok. 52).

Drei Tage nach diesem Vorschlag wies MfS-Offizier Wie-
gand die Vernichtung der IM-Akte „Heiner“ an (Dok. 8).

7. Untersuchungsergebnisse des MfS über eine
Strafanzeige Dr. Heinrich Finks gegen Unbekannt
vom 12. Oktober 1989

In einem „Bericht zur Personenkontrolle Professor Dr. Fink“
der Abteilung VIII vom 11. Oktober 1989 heißt es:

„Durch einen Genossen Rembacz der BV Cottbus
wurde der Prof. Dr. Fink, … [Personalien], erfasst HA
XX/4 an Gen. Major Jesche übergeben.“ (Dok. 53).

Nach einer Schilderung der Personenkontrolle von Dr. Hein-
rich Fink zusammen mit seinen beiden Kindern am 8. Okto-
ber 1989 nach dem Besuch einer Veranstaltung in der
Gethsemane Kirche in Berlin, Prenzlauer Berg, um ca. 22.30
Uhr, heißt es weiter:

„Er äußerte, dass er sich beschweren würde und ver-
langte den Namen des Genossen, der ihn zum Gen.
Major Jesche gebracht habe. Da der Genosse andere
Aufgaben löste und er namentlich nicht bekannt war,
stellte sich der Gen. Major Jesche mit seinem Deck-
namen und als Einsatzleiter vor. Damit wollte Gen.
Major Jesche eine schnelle Beruhigung der Situation
erreichen, was seiner Meinung nach auch eintrat und
sich darin äußerte, dass der Prof. Dr. Fink ihm anver-
traute ‚ich arbeite doch auch für Euch‘.“

Dokument 54 enthält eine Strafanzeige von Rechtsanwalt
Lothar de Maizière zu diesem Vorfall wegen Verdachts einer
vorsätzlichen Körperverletzung und wegen des Verdachts ei-
ner Beleidigung. Der Ablauf der Geschehnisse wird in dieser
Strafanzeige wie folgt geschildert:

„Mehrfach wurde Herr Prof. Dr. Fink mit einem
Schlagstock auf den Rücken geschlagen, was erhebli-
che Verletzungsfolgen zeitigte. … Beim Besteigen
des Pkws wurde er von einem Mitglied der Einsatz-
gruppe ergriffen, ihm wurde ein Arm im Polizeigriff
auf den Rücken hochgedreht und gleichzeitig wurde
sein Kopf nach vorn gebeugt. Es wurde der Versuch
unternommen, seinen Kopf auf das Fahrzeug zu sto-
ßen. Mit einer freien Hand zog Herr Prof. Dr. Fink
seinen Ausweis heraus und wies die ihn misshan-
delnde Person darauf hin, dass er Prof. und Hoch-
schullehrer sei. Dieser Hinweis führte nicht etwa

dazu, dass von ihm abgelassen wurde, im Gegenteil,
er wurde mit Ausdrücken wie, … Sie Schwein, Sie
wollen Studenten erziehen, Sie werden schon sehen,
was wir jetzt aus Ihnen machen,‘ belegt.“

In einer „Information zum bisherigen Stand der Prüfung der
Anzeige des Rechtsanwaltes de Maizière“ der Hauptabtei-
lung Untersuchung vom 24. Oktober 1989 (Dok. 55) werden
insbesondere folgende Ergebnisse der Untersuchung festge-
halten:

„ …

– dass Hptm. Rembacz in der dargestellten Situa-
tion Prof. Fink mit dem bereits genannten
Schimpfwort beleidigte,

– dass gegenüber Prof. Fink und seinen Kindern am
8. 10. 1989 im Zusammenhang mit den polizeili-
chen Maßnahmen keine körperliche Gewalt ange-
wandt wurde,

– dass Prof. Fink am 8. 10. 1989 über keine körper-
liche Gewaltanwendung gegen sich und seine
Kinder oder über daraus folgende körperliche
Schäden Beschwerde führte beziehungsweise sich
dazu erklärte, …“

D. Gerichtliche Verfahren

Die oben erwähnten von Dr. Heinrich Fink dem 1. Ausschuss
übergebenen Unterlagen zu den von ihm angestrengten Ge-
richtsverfahren enthalten Entscheidungen folgenden Inhalts:

Im Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. April 1992 wird
die Kündigung des Dienstverhältnisses von Dr. Heinrich
Fink als Rektor seitens der Humboldt-Universität für rechts-
widrig erklärt, da ein bewusstes und gewolltes Zusammen-
wirken mit dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR
nicht erwiesen sei. Dr. Heinrich Fink habe sich zu den Vor-
würfen dahin gehend geäußert, er habe nie wissentlich
direkte und konspirative Kontakte zu hauptamtlichen Mit-
arbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gehabt und
sei ohne sein Wissen über Dritte „abgeschöpft“ worden.

Das Landesarbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom
14. Dezember 1992 die erstinstanzliche Entscheidung in der
Überzeugung aufgehoben, dass Dr. Heinrich Fink wissent-
lich für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen
sei. Hierbei stützte das Gericht seine Überzeugung insbeson-
dere auf die Angaben der „Lagegruppe“ zu Telefonaten in
Zusammenhang mit dem Kirchentag Berlin-Brandenburg
1987 (Dok. 39) und auf die Unterlagen zur Verleihung einer
Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee (Dok. 51). Die
Beschwerde von Dr. Heinrich Fink gegen die Nichtzulas-
sung der Revision gegen diese Entscheidung wurde vom
Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23. September
1993 zurückgewiesen.

Die Verfassungsbeschwerde von Dr. Heinrich Fink gegen
den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts und das Urteil des
Landesarbeitsgerichts wurde vom Bundesverfassungsge-
richt mit Urteil vom 8. Juli 1997 (BVerfGE 96, 189) zurück-
gewiesen, wobei die Verfassungsbeschwerde gegen die
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts als unzulässig und
diejenige gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Drucksache

14/

6694

– 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

mangels Grundrechtsverletzungen als unbegründet festge-
stellt wurde.

E. Vortrag des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink

Der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink hat eine wissentliche Tä-
tigkeit als IM für das MfS stets bestritten. Die aufgefundenen
Unterlagen zeigten zwar, dass er als IM ‚Heiner‘ beim MfS
über viele Jahre erfasst worden sei. Dies könne er sich aber
nur so erklären, dass er ‚abgeschöpft‘ worden sei. Es gebe
weder eine schriftliche Verpflichtungserklärung noch eine
Schweigeverpflichtung gegenüber dem MfS noch ein Proto-
koll über eine mündliche Verpflichtung. Es seien auch keine
handschriftlichen oder von ihm unterzeichneten Berichte
oder von ihm unterzeichnete Quittungen über erhaltene Ge-
schenke o. Ä. vorhanden. Soweit laut Bundesbeauftragtem
bei der inoffiziellen Zusammenarbeit mit „IM aus Kirchen“
gängige Praxis gewesen sein sollte, dass die MfS-Offiziere
Berichte oder schriftliche Informationen nach den mündli-
chen Berichten der IM anfertigt hätten, habe er schon deswe-
gen kein „IM aus Kirchen“ gewesen sein können, weil er
längst Angestellter des Staates gewesen sei. Seine Anstel-
lung im kirchlichen Dienst habe bereits am 31. August 1961
geendet.

Dr. Heinrich Fink betonte, ihm sei der Begriff „IM“ erst sehr
viel später bekannt geworden. Die vorgefundenen Unterla-
gen ließen sich nur als Resultat einer langjährigen Abschöp-
fung erklären. So habe er im Rahmen seiner dienstlichen
Tätigkeit zwangsläufig Kontakte mit dem MfS gehabt, was
im damaligen System der DDR nicht zu umgehen gewesen
sei. Ihm wären allerdings die einzelnen Personen in den un-
terschiedlichen Gremien, mit denen er Kontakt gehabt habe,
nicht vollständig bekannt gewesen. Er habe erst sehr viel
später erfahren, dass an allen drei Stellen innerhalb der Mi-
nisterien, mit denen er dienstlich zu tun gehabt habe, sog.
OibE (Offiziere im besonderen Einsatz) der Staatssicher-
heitsoffiziere eingesetzt gewesen seien. Außerdem habe im
oberen Stockwerk seines Wohnhauses ein Stasioffizier ge-
wohnt, von dessen Wohnung ein Richtmikrofon direkt auf
seinen Schreibtisch gerichtet gewesen sei. Dieses habe sämt-
liche Gespräche innerhalb der Familie aufgezeichnet und sei
in den Akten der Stasi auch als „IM“ geführt worden. Des
Weiteren habe das MfS in den Jahren 1969 bis 1973 eine Se-
kretärin eingeschleust, die für ihn und seine Ehefrau Schreib-
arbeiten erledigt und stets einen Durchschlag an das MfS
weitergeleitet habe.

Die Vielzahl an Kontakten und damit auch an Unterlagen er-
kläre sich auch daraus, dass er sich zu DDR-Zeiten an der
Humboldt-Universität stets für seine Studenten eingesetzt
und sie vor staatlichen Stellen verteidigt habe, wenn es bei-
spielsweise um eine Ausreise in den Westen gegangen sei.
Üblicherweise hätten Studenten, die einen Ausreiseantrag
gestellt hätten, die Universität sofort verlassen müssen, wäh-
rend er dagegen erreicht habe, dass die Studenten an seiner
Fakultät bis zur Ausreise das Studium hätten fortsetzen kön-
nen. An der Fakultät hätten insgesamt elf IMs über ihn be-
richtet, was in seinen Augen überflüssig gewesen wäre, falls
er selbst IM gewesen wäre.

Wären 1989 die Akten zu seiner Person nicht vernichtet wor-
den, gäbe es Belege darüber, dass er abgehört und abge-

schöpft worden sei. Bevor er nach der Wende zum Rektor der
Humboldt-Universität gewählt worden sei, habe er bei dem
Sonderbeauftragen der Bundesregierung für die personenbe-
zogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdiens-
tes seine Unterlagen prüfen lassen und habe eine schriftliche
Bestätigung vom 1. Februar 1991 erhalten, derzufolge sich
keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemali-
gen Staatssicherheitsdienst ergeben hätten.

Auch die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Berlin sei
1996 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ermittlungen
aufgrund einer Strafanzeige gegen Zeugen in dem Kündi-
gungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht nicht mit der
erforderlichen Sicherheit den Nachweis für eine wissentliche
IM-Tätigkeit erbracht hätten.

Was die angeblichen Anrufe bei der „Lagegruppe“ beim Kir-
chentag Berlin-Brandenburg im Juni 1987 betreffe, so habe
er dort nicht angerufen. Er habe über diesen Kirchentag nur
mit dem damaligen Staatssekretär für Kirchenfragen, Klaus
Gysi, am Telefon gesprochen. Überdies habe er auch über
keine Telefonnummer eines Lagezentrums o. Ä. verfügt.

Er habe auch nie eine Verdienstmedaille der Nationalen
Volksarmee oder eine finanzielle Zuwendung vom MfS er-
halten. Während der DDR-Zeit sei ihm 1989 lediglich der
Vaterländische Verdienstorden in Bronze verliehen worden.
Nur in diesem Zusammenhang sei auch eine Geldzuwen-
dung geflossen. Wenn Geschenke, die er vom Staatssekretär
für Kirchenfragen bzw. vom Magistrat erhalten habe, aus
Mitteln des MfS gestammt haben sollten, so sei ihm dies un-
bekannt gewesen.

Soweit der ehemalige MfS-Offizier Klaus Roßberg vor
Gericht ausgesagt und auch in seiner Autobiographie nieder-
gelegt habe, es sei zu fünf bis sechs Treffen mit ihm,
Dr. Heinrich Fink, gekommen, so habe es sich hierbei nicht
um Treffen im Sinne von Begegnungen gehandelt, sondern
Klaus Roßberg habe Gelegenheiten geschildert, zu denen er
ihn lediglich gesehen habe. Klaus Roßberg habe derartige
Gelegenheiten wohl auch gesucht. Ebenso wenig habe er
sich in konspirativen Wohnungen aufgehalten und habe auch
nie konspirative Gespräche unter vier Augen geführt. Die
diesbezüglichen, eine bestimmte Wohnung betreffenden An-
gaben in den bei dem Bundesbeauftragten aufgefundenen
Unterlagen zu zwei weiteren Personen und auch zu ihm
selbst seien hinsichtlich aller drei Personen unzutreffend.

Anlässlich der Vorgänge an der Gethsemane Kirche am
8. Oktober 1989 habe er sich mit dem Einsatzleiter dahin ge-
hend verständigen können, dass seine Tochter und sein Sohn
nicht festgenommen und abgeführt worden seien. Der in den
Unterlagen zitierte Satz „ich arbeite doch auch für Euch“ sei
nicht gefallen. Auf welche Weise der angebliche Ausspruch
in die Akten gelangt sei, sei ihm persönlich unerklärlich. Ge-
genüber dem uniformierten Einsatzleiter sei eine derartige
Aussage ohnehin unverständlich. Eine derartige Äußerung
wäre auch unsinnig, da er zwei Tage später Strafanzeige ge-
gen die beteiligten Einsatzkräfte gestellt habe. Es könne sich
hier nur um eine Schutzbehauptung des Einsatzleiters han-
deln, um das Verhalten der Sicherheitskräfte nachträglich zu
beschönigen. Der Bericht des MfS zu seiner Strafanzeige
enthalte darüber hinaus bewusst wahrheitswidrige Angaben,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

Drucksache

14/

6694

indem eine körperliche Beeinträchtigung in Abrede gestellt
werde.

Zu den in den Unterlagen vorhandenen Einsatz- und Opera-
tivplänen zu „IM Heiner“ könne er nur feststellen, dass es
nie zu einem aktiven Einsatz seiner Person bei den genann-
ten Anlässen gekommen sei. Daher lasse sich aus der Ver-
wendung des Begriffs „IM Heiner“ in diesem Zusammen-
hang nicht auf eine wissentliche Tätigkeit schließen.

Schließlich habe sich in den vergangenen Jahren niemand
bei ihm mit der Behauptung gemeldet, von ihm durch eine
angebliche IM-Tätigkeit belastet oder geschädigt worden zu
sein. Er habe im Gegenteil von allen Seiten der Bevölkerung
Unterstützung und Anerkennung erhalten. Die Tatsache,
dass der Bundesbeauftragte kurz vor seiner erwarteten Wie-
derwahl zum Rektor mit der Behauptung der IM-Tätigkeit
hervorgetreten sei, sei für große Teile der Öffentlichkeit ein
Indiz dafür gewesen, dass seine Reformbestrebungen als
Rektor der Humboldt-Universität offensichtlich nicht er-
wünscht gewesen seien und er auf diesem Wege „kaltge-
stellt“ werden soll.

F. Feststellungen des 1. Ausschusses

Der 1. Ausschuss sieht eine inoffizielle Tätigkeit von Dr.
Heinrich Fink für das Ministerium für Staatssicherheit der
ehemaligen DDR als erwiesen an.

Diese Feststellung ist das Ergebnis einer Würdigung der dem
Ausschuss vorliegenden Unterlagen in Kenntnis der Tatsa-
che, dass keine Verpflichtungserklärung oder vergleichbare
Dokumente und auch keine von Dr. Heinrich Fink unter-
zeichneten Berichte o. Ä. vorliegen, sowie unter Berücksich-
tigung der Einlassung des Abg. Dr. Heinrich Fink, nicht für
die Stasi als IM tätig gewesen zu sein.

Dem 1. Ausschuss lagen bei seiner Überprüfung hinsichtlich
der Erfassung von Dr. Heinrich Fink als „IM Heiner“ unter
der identischen Registriernummer ein sog. Index, die Klar-
namenkarteikarte sowie die Vorgangskarteikarte in Kopie
vor. Darüber hinaus existieren außerhalb der im Dezember
1989 vernichteten fünf Aktenordner zu Dr. Heinrich Fink an
anderen Stellen eine Vielzahl von Unterlagen, aus denen für
das Überprüfungsverfahren wesentliche Angaben oben im
Wortlaut wiedergegeben sind. Die Existenz dieser Unterla-
gen sowie der bereits erwähnten, ursprünglich vorhandenen
fünf Aktenordner lassen sich entgegen der Einlassung von
Dr. Heinrich Fink nicht damit erklären, er sei nur abge-
schöpft worden. Vielmehr belegen diese Unterlagen, wie
nachfolgend noch näher zu zeigen sein wird, eine Tätigkeit
von Dr. Heinrich Fink als „IM Heiner“.

Die Feststellung stützt sich auf eine Reihe von Indizien, zu
denen insbesondere die Umstände und Vorgänge im Zusam-
menhang mit dem Kirchentag 1987, der Verleihung der
NVA-Verdienstmedaille in Gold, die Äußerung „ich arbeite
doch auch für Euch“ anlässlich von Maßnahmen von DDR-
Sicherheitsorganen im Anschluss an eine Veranstaltung in
der Gethsemane Kirche 1989, die Vielzahl der Berücksichti-
gung des „IM Heiner“ in Operativplänen der Staatssicherheit
sowie die gezielte Vernichtung der zu „IM Heiner“ geführten
Akten im Herbst 1989 zählen. Auf diese Indizien wird im

Folgenden auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen
von Dr. Heinrich Fink näher eingegangen.

a) Von ganz wesentlicher Bedeutung für die Auffassung
des 1. Ausschusses, dass der Abg. Dr. Heinrich Fink als
IM tätig gewesen ist, ist sein Verhalten im Zusammen-
hang mit dem Kirchentag Berlin-Brandenburg im Juni
1987. Nach den oben wiedergegebenen Unterlagen hat
„IM Heiner“ unter einer speziell für diesen Kirchentag
eingerichteten Telefonnummer des MfS bei der für die-
sen Kirchentag eingerichteten sog. Lagegruppe des MfS
angerufen und dort für seinen Führungsoffizier Klaus
Roßberg Informationen über den Verlauf des Kirchen-
tages hinterlassen. Insoweit hat der 1. Ausschuss im
Ergebnis aufgrund der konkreten Umstände und der
jeweils beteiligten Personen keinen Zweifel, dass die
beiden Anrufe tatsächlich von „IM Heiner“ und damit
von Dr. Heinrich Fink getätigt worden sind. Er sieht sich
in seiner Bewertung bestätigt durch das Landesarbeits-
gericht Berlin, das mit Urteil vom 16. Dezember 1992
im Rahmen des Kündigungsverfahrens bezüglich des
Dienstverhältnisses als Rektor die anderslautende Ent-
scheidung des Arbeitsgerichtes Berlin aufgehoben und
damit die Kündigung für rechtmäßig erklärt hatte. Aus-
zugsweise sei aus der Urteilsbegründung hier wiederge-
geben:

„4.

Die beiden Vermerke der aus Anlass des Kirchenta-
ges Berlin-Brandenburg gebildeten Lagegruppe der
Hauptabteilung XX/4 des MfS über je einen Anruf
von ,„IM Heiner“ für Klaus‘ lassen bei nüchterner
Betrachtung nur den Schluss zu, dass der notierte An-
rufer mit der Person identisch ist, die als ‚„IM
Heiner“‘ in den Akten des MfS registriert war bzw.
(mit anderen Worten) dass jeweils der Kläger der An-
rufer war. Dafür sprechen die folgenden Überlegun-
gen:

4.1

Ein Hörfehler des den Anruf jeweils entgegenneh-
menden Offiziers der Hauptabteilung XX/4 ist auszu-
schließen. Die Lagegruppe war am 24. 06. 1987 mit
den Offizieren Thieme und Großmann und am 27. 06.
1987 mit den Offizieren Krüger und Heidel, also zu
den beiden unterschiedlichen Zeitpunkten, für die ein
Anruf von ‚„IM Heiner“‘ vermerkt ist, mit jeweils
zwei unterschiedlichen Personen besetzt. Dement-
sprechend müssen die für den 24. 06. 1987, 23.15
Uhr und für den 27. 06. 1987, 8.30 Uhr notierten An-
rufe von jeweils unterschiedlichen Personen entge-
gengenommen worden sein. Ein vorangegangener
Hörfehler mag sich bei einer den Anruf entgegenneh-
menden Person so verfestigen, dass ihr zweieinhalb
Tage später der gleiche Hörfehler wiederum unter-
läuft. Bei zwei verschiedenen Personen kann jedoch
ein derart identischer Hörfehler ausgeschlossen wer-
den.“

Das Landesarbeitsgericht hat im Weiteren überzeugend
den Gedanken verworfen, dass ein Dritter bei den Anru-
fen den Decknamen „Heiner“ benutzt habe oder dass ei-
Drucksache

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– 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nem dritten Anrufer versehentlich dieser Deckname zu-
geordnet worden sein könnte:

„4.2

Ebenso erscheint es ausgeschlossen, dass sich eine
andere Person als der Kläger als IM gemeldet und
den Decknamen ‚Heiner‘ benutzt hat. Denn ange-
sichts der von sämtlichen Zeugen insoweit einleuch-
tend geschilderten Konspiration im Zusammenhang
mit IM ist davon auszugehen, dass anderen Personen
der Deckname ‚Heiner‘ nicht bekannt gewesen ist.

4.3

Es gibt keinen auch nur in Ansätzen plausiblen
Grund für die Annahme, eine andere Person als der
Kläger habe sich mit ‚Heiner‘ oder einem ähnlich
klingenden Namen gemeldet und sei von dem den
Anruf jeweils entgegennehmenden Offizier fälschlich
als ‚„IM Heiner“‘ identifiziert worden. Die von den
Zeugen Roßberg und Wiegand insoweit dargestellten
Mutmaßungen erscheinen der Berufungskammer
nach gerade unsinnig und – neben anderen Gründen
– auch schon deshalb vollkommen unglaubhaft.

4.3.1

Soweit von beiden Zeugen ein hauptamtlicher Mitar-
beiter der Bezirksverwaltung Halle namens Peter
Heinrich, der ‚Heiner‘ gerufen worden sei, als poten-
tieller Anrufer ins Spiel gebracht worden ist, hält die
Berufungskammer diese Mutmaßung für eine freie
Erfindung der beiden Zeugen, die nur durch ihr Be-
mühen erklärt werden kann, den Kläger zu decken.
Einmal kann es bei rationaler Betrachtung ausge-
schlossen werden, dass sich ein hauptamtlicher Mit-
arbeiter mit seinem Spitznamen meldet und außer-
dem noch von dem den Anruf entgegennehmenden
Offizier fälschlich als IM eingeordnet wird. Schließ-
lich waren die Aufzeichnungen der Lagegruppe Ar-
beitsmaterialien, die präzise zu sein hatten, so dass
eine zuverlässige Identifizierung des Anrufers auch
von der Sache her geboten war. Für den Adressaten
der telefonisch übermittelten Nachricht, also Herrn
Roßberg, war die Identifizierung des Anrufers nicht
unwichtig. Denn der Wert einer Information be-
stimmt sich – generell gesehen – auch nach der Zu-
verlässigkeit des Informanten.

Zum anderen hat der Zeuge Roßberg keinen auch nur
in Ansätzen einleuchtenden Grund dafür benennen
können, dass die für ihn bestimmten Informationen
von dem hauptamtlichen Mitarbeiter Peter Heinrich
hätten stammen können.

Schließlich waren sämtliche Bekundungen der Zeu-
gen Roßberg und Wiegand im Zusammenhang mit
den beiden vermerkten Telefonaten widersprüchlich
und darüber hinaus von dem offenkundigen Bemü-
hen getragen, die den Vermerken zugrundeliegenden
realen Vorgänge zu verschleiern bzw. bei den übrigen
Prozessbeteiligten Verwirrung zu stiften.



4.3.3

… Nachdem aufgrund der ergänzenden Recherche
des Bundesbeauftragten vom 30. 3. 1992 nunmehr
feststand, dass es einen inoffiziellen Mitarbeiter mit
Vornamen ‚Heiner‘ oder einem ähnlich klingenden
Vornamen gar nicht gab, haben weder der Zeuge
Wiegand noch der Zeuge Roßberg diese Version bei
ihrer Vernehmung wiederholt. …“

Die vorgenannten Erwägungen des Landesarbeitsge-
richts erscheinen dem 1. Ausschuss überzeugungskräftig
auch im Verhältnis zu den Ausführungen in einem – von
Dr. Heinrich Fink vorgelegten – Schreiben der Staatsan-
waltschaft Berlin vom 3. April 1996, wonach ein Anruf
einer anderen Person bei der Lagegruppe nicht ausge-
schlossen werden könne bzw. ein Dritter den Anruf zur
Stützung der „Legende“ eines „IM Heiner“ getätigt oder
aber der Zeuge Roßberg den Anruf selbst entgegenge-
nommen und die Telefonate weitergegeben habe. In
demselben Schreiben stellt die Staatsanwaltschaft im
Übrigen fest, dass bezüglich dieses Zeugen ein Tatnach-
weis wegen falscher uneidlicher Aussage habe geführt
werden können, als bewusst der Wahrheit zuwider ange-
geben worden sei, dass es sich bei dem Anrufer um ei-
nen hauptamtlichen Mitarbeiter aus Halle mit dem Spitz-
namen „Heiner“ gehandelt habe. Insoweit ist nach
Kenntnis des 1. Ausschusses ein Strafverfahren vor dem
Amtsgericht Tiergarten noch anhängig.

b) Ein vergleichbares Indiz für die Annahme einer inoffi-
ziellen Tätigkeit als IM ist für den 1. Ausschuss die Ver-
leihung der Verdienstmedaille der NVA in Gold, deren
Erhalt Dr. Heinrich Fink bestritten hat. Nach den vorlie-
genden Unterlagen ist aber von einer Verleihung auszu-
gehen und es erscheint dem 1. Ausschuss nicht stichhal-
tig, einer Person für ihre Verdienste einen Orden
zuzuerkennen, die gerade nicht mit der verleihenden
Stelle zusammengearbeitet habe, sondern nur abge-
schöpft worden sein will. Zur Verleihung selbst ist an
den oben zitierten, von „Armeegeneral Mielke“ unter-
zeichneten Befehl und die Bezugnahme auf die Verlei-
hung der Verdienstmedaille im Zusammenhang mit der
späteren Begründung für ein Sachgeschenk zu erinnern,
die zudem ausführt, dass der IM das MfS seit über 20
Jahren unterstütze und große Verdienste bei der Profilie-
rung der theologischen Sektionen als Bestandteil der so-
zialistischen Universitäten habe. Diese Erwähnung der
Unterstützung des MfS seit über 20 Jahren korreliert
wiederum mit den aufgefundenen Karteikarten über die
Erfassung von IM „Heiner“ aus den Jahren 1968 und
1969.

Auch zu diesem Indiz der Verleihung der NVA-Ver-
dienstmedaille in Gold sieht sich der 1. Ausschuss durch
die Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts Berlin
bestätigt, in der ausgeführt wird:

„Zum Komplex ‚NVA-Medaille in Gold‘ ... hat die
Berufungskammer die Überzeugung gewonnen, dass
der Zeuge Roßberg dem Kläger seinerzeit diese Aus-
zeichnung bekannt gemacht und die damit verbun-
dene Zuwendung von 750,– Mark erkennbar als sol-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 –

Drucksache

14/

6694

che des MfS übergeben hat. Diese Überzeugung
beruht auf folgenden Überlegungen:

5.1

Die einschlägigen Unterlagen des ehemaligen MfS
belegen, dass dem „IM Heiner“ diese Auszeichnung
zuerkannt worden ist und dass die für die Abwick-
lung der Verleihung zuständige Hauptabteilung XX/4
sowohl die Medaille als auch den damit verbundenen
Geldbetrag von der zuständigen Abteilung Kader und
Schulung des MfS erhalten hat. Für den Normalfall
folgt daraus, dass der Ausgezeichnete sowohl über
die Auszeichnung informiert worden ist als auch den
Betrag erhalten hat. Davon muss trotz der gegenteili-
gen Beteuerung des Klägers und der gegenteiligen
Bekundungen des Zeugen Roßberg auch im Streitfall
ausgegangen werden.“

Das Landesarbeitsgericht hat sich im Weiteren auch mit
der Einlassung auseinandergesetzt, dass die Medaille
zwar beantragt, aber nicht zur Aushändigung an
Dr. Heinrich Fink vorgesehen gewesen sei:

„5.2

Die Darstellung des Zeugen Roßberg, er habe die
Medaille beantragt und den ihm mit derselben zuge-
leiteten Betrag von 750,– Mark entsprechend einer
vorangegangenen Absprache mit dem Zeugen Wink-
ler diesem für operative Zwecke übergeben, ist so ab-
strus, dass die Berufungskammer ihr keinen Glauben
schenken konnte. Sie hält diese Aussage im Gegen-
teil für frei erfunden. Gerade diese Einschätzung be-
stärkt die Berufungskammer in ihrer Annahme, der
Kläger habe – entsprechend dem Normalfall – eine
Information über die Auszeichnung und den Geldbe-
trag selbst erhalten.

5.2.1

Zunächst erscheint es nachgerade unsinnig, wenn der
Zeuge Roßberg glauben machen will, er habe diese
Auszeichnung beantragt, obwohl er sich von vorn-
herein darüber klar gewesen sei, diese dem Kläger
gar nicht übergeben oder wenigstens bekannt machen
zu können …

5.2.4

Indessen sind all diese Plausibilitätserwägungen
nicht der alleinige Grund, den einschlägigen Bekun-
dungen des Zeugen keinen Glauben zu schenken.
Noch entscheidender ist die Überzeugung der Beru-
fungskammer, dass der Zeuge Roßberg ein so heik-
les, ja pflichtwidriges Vorhaben nicht ohne Infor-
mation und Zustimmung seines unmittelbaren
Vorgesetzten Wiegand in die Tat umgesetzt hätte.
Dies insbesondere deshalb, weil der entsprechende
Antrag auch über den Tisch des Zeugen Wiegand
ging und von diesem abgezeichnet werden musste
…“

c) Von ebenfalls entscheidender Bedeutung ist für den
1. Ausschuss die in den Unterlagen dokumentierte Äu-
ßerung „ich arbeite doch auch für Euch“ von Dr. Hein-
rich Fink im Zusammenhang mit Maßnahmen der

Sicherheitskräfte nach einer Veranstaltung in der Gethse-
mane Kirche in Berlin am 8. Oktober 1989. Dem Aus-
schuss ist bewusst, dass Abg. Dr. HeinrichFink eine der-
artige Äußerung bestritten hat. Für den Ausschuss
ergeben sich jedoch keine Zweifel am Wahrheitsgehalt
der Ausführungen in den Untersuchungsergebnissen des
MfS über die von Dr. Heinrich Fink erstattete Strafan-
zeige aus Anlass der Maßnahmen der Sicherheitsbehör-
den. Abgesehen davon, dass es Dr. Heinrich Fink durch
sein Auftreten gegenüber dem Einsatzleiter gelungen ist,
seine Kinder vor einem Abtransport zusammen mit an-
deren festgenommenen Teilnehmern der Veranstaltung
zu bewahren, lässt sich die Äußerung auch als mögliche
spontane Reaktion in Empörung darüber verstehen, dass
trotz intensiver Arbeit für die Interessen der DDR er von
deren Sicherheitskräften beleidigt, körperlich attackiert
und seine Kinder vom Abtransport bedroht waren. Die
Einlassung, es handele sich nur um eine Schutzbehaup-
tung der Einsatzkräfte um vorheriges rechtswidriges
Verhalten nachträglich zu rechtfertigen, erscheint dem
Ausschuss ebenso wenig plausibel wie der Einwand,
dass die in Rede stehende Formulierung gegenüber ei-
nem uniformierten Einsatzleiter unsinnig wäre. Aus der
Sicht des Ausschusses wird durch die in Rede stehende
Formulierung nicht eine Zugehörigkeit zu den konkret in
Erscheinung getretenen Sicherheitskräften geäußert,
sondern nur eine ebenfalls für den Staat aktive Tätigkeit
dokumentiert. Auch der Hinweis auf die einige Tage spä-
ter erstattete Strafanzeige führt nicht zu einem anderen
Ergebnis. Einer derartigen Strafanzeige können ver-
schiedene Motive zu Grunde liegen. Zum einen ist sie als
Reaktion aus Empörung über das Vorgehen der Sicher-
heitsorgane denkbar. Zum anderen erscheint eine Straf-
anzeige schlüssig, um gerade nicht eine Tätigkeit für die
DDR erkennbar werden zu lassen, was im Verzichtsfall
angesichts der vorgetragenen Beleidigung und körperli-
chen Beeinträchtigung nicht auszuschließen gewesen
wäre.

d) Das vierte für die Feststellung des 1. Ausschusses maß-
gebliche Indiz ist die Vernichtung der fünf Dr. Heinrich
Fink betreffenden Aktenordner im Dezember 1989. Der
Befehl unter der Überschrift „Löschung von Erfassun-
gen zu ausgewählten IM“ zeigt für den 1. Ausschuss,
dass es sich bei diesen „ausgewählten IM“ um aus der
Sicht des MfS prominente IM handelte, die man unbe-
dingt vor späterer möglicher Verfolgung habe schützen
wollen. Eine derartige, sehr eilig kurz vor der absehba-
ren Beendigung der Tätigkeit des MfS durchgeführte
Maßnahme spricht eindeutig für eine IM-Tätigkeit und
erschiene demgegenüber im Falle einer „Abschöpfung“
nicht als plausibel. Anhaltspunkte dafür, dass die Akten-
vernichtung, die von Dr. Heinrich Fink ausdrücklich mit
der Begründung bedauert worden ist, ansonsten auf Ent-
lastendes zurückgreifen zu können, von einem Motiv zur
Schädigung getragen gewesen sein könnte, haben sich
nicht ergeben. Auch Dr. Heinrich Fink hat in der Anhö-
rung nichts diesbezügliches ausgeführt. Der Ausschuss
sieht sich in seiner Einschätzung, dass die Maßnahme
dem Schutz bestimmter Personen auf hochrangiger
Ebene im kirchlichen Bereich dienen sollte, durch die
Auskunft der Bundesbeauftragten bestätigt, dass es sich
Drucksache

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– 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

bei den beiden anderen im Löschungsbefehl genannten
IM um zwei Persönlichkeiten an herausragender Stelle
im kirchlichen Bereich gehandelt hat.

e) Die in den Akten zahlreich vorhandenen Einsatz- und
Maßnahmepläne, in denen ein Einsatz von „IM Heiner“
vorgesehen gewesen war, sprechen ebenfalls nach Über-
zeugung des 1. Ausschusses für eine lange und frucht-
bare Zusammenarbeit von Dr. Heinrich Fink mit dem
MfS. Sein Einwand, die Pläne seien hinsichtlich seiner
Person in keinem Fall ausgeführt worden, überzeugt
nach Auffassung des Ausschusses nicht, da es völlig un-
plausibel wäre, falls das MfS über viele Jahre hinweg
den Einsatz zu verschiedensten Anlässen vorgesehen ha-
ben sollte, ohne dass jemals ein derartiger Einsatz „er-
folgreich“ im Sinne des MfS durchgeführt worden wäre.
Aus den vorgenannten Indizien folgt für den 1. Aus-
schuss eine langjährige, aufgrund der Akteneinträge mit
mehr als 20 Jahren anzunehmende Tätigkeit von
Dr. Heinrich Fink für das MfS. Alle genannten Gesichts-
punkte sprechen somit gegen die von ihm vorgetragene
„Abschöpfung“ durch andere Stellen, insbesondere
durch das MfS. In diesem Zusammenhang ist ergänzend
für die Annahme einer IM-Tätigkeit und gegen eine Ab-
schöpfung darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Doku-
mente und Einsatzpläne stets als Quelle „IM Heiner“ an-
geben und es an einer Stelle (Dok. 25) explizit heißt:
„Diese Fragen müsste „IM Heiner“ beantworten.“ Auch
die Tatsache, dass keine von „IM Heiner“ unterzeichne-
ten Berichte aufgefunden worden sind, spricht nicht ge-
gen eine wissentliche Tätigkeit des „IM Heiner“. Wie
der Bundesbeauftragte ausgeführt hat, entsprach es
durchaus der Praxis bei IM im kirchlichen Bereich, dass
die Berichte vom jeweiligen Führungsoffizier nach der
mündlichen Berichterstattung durch den IM schriftlich
niedergelegt wurden. Der Einwand von Dr. Heinrich
Fink, bereits seit 1961 staatlicher Angestellter gewesen
zu sein, ist nach Auffassung des 1. Ausschusses hier
nicht von Belang, da die von Dr. Heinrich Fink wahrge-
nommenen Funktionen und gepflegten Kontakte, auch
im Rahmen der Christlichen Friedenskonferenz, als
kirchlicher Bereich im weiten Sinne verstanden werden
kann. In gleicher Weise sind die Unterlagen zum Wech-
sel der Führungsoffiziere im Januar 1971 zu werten. Ei-
nen solchen Wechsel nur bezüglich einer für die Akten
fingierten IM-Tätigkeit vorzunehmen, hält der 1. Aus-
schuss angesichts der intensiven Kontroll- und Siche-
rungsmechanismen im ehemaligen MfS für ausgeschlos-
sen. Es liegen im Übrigen auch keinerlei Anzeichen
dafür vor, dass Unterlagen zu Lasten von Dr. Heinrich
Fink manipuliert sein könnten. In diesem Zusammen-
hang erscheinen auch die Einwände gegen Belege über
Zuwendungen an „IM Heiner“ oder die Nutzung einer
konspirativen Wohnung nicht stichhaltig.

Auch das Landesarbeitsgericht Berlin hat sich ausführ-
lich mit der „Abschöpfungsversion“ befasst und hierzu
ausgeführt:

„7.2.1.3

Schließlich steht der vom Zeugen Roßberg durchgän-
gig bekundeten Abschöpfungsversion eine – offen-
kundig unbedachte – Äußerung im Zusammenhang

mit den Auflösungstendenzen innerhalb des MfS und
seinen von ihm geschilderten Absetzbewegungen
entgegen. Insoweit hat der Zeuge auf eine entspre-
chende Frage des Prozessbevollmächtigten der Be-
klagten erklärt, er habe sich von regulär geführten
IM, wie zum Beispiel Herrn Stolpe, persönlich
verabschiedet, während dem Kläger ‚der Schluss‘
sicherlich von den Herren Winkler oder Wilke erklärt
worden sei, und schließlich diese Frage des Prozess-
bevollmächtigten der Beklagten als ‚unsinnig‘ quali-
fiziert. Diese Aussage ist aufschlussreich, weil sie
deutlich macht, dass der Zeuge hier offenkundig
seine Linie (Abschöpfungsversion) kurzzeitig außer
acht gelassen hat. Seine entsprechende Äußerung ist
nämlich ein bedeutsamer Hinweis darauf, dass der
Kläger tatsächlich vom ‚Schluss‘ (der Zusammenar-
beit mit dem MfS) erfahren hat und der Zeuge, nach-
dem er seinen Lapsus bemerkt hat, nunmehr wieder
auf die Abschöpfungsversion eingeschwenkt ist und
deshalb die Herren Winkler oder Wilke als Übermitt-
ler des Abschieds bezeichnet hat. Es liegt auf der
Hand, dass auch ein solcher ‚mittelbarer Abschied‘
mit dem irregulären Status des Klägers als IM bzw.
der Abschöpfungsversion unvereinbar ist; denn es
hätte keiner ‚Erklärung über den Schluss‘ bedurft,
wenn der Kläger von seiner Tätigkeit für das MfS
nichts gewusst hätte. Offenbar hat der Zeuge diesen
‚black out‘ schon während der Protokollierung seiner
Äußerungen erkannt und mit dem Hinweis auf die
Unsinnigkeit der vom Prozessbevollmächtigten der
Beklagten gestellten Frage den bereits eingetretenen
‚Schaden‘ begrenzen wollen. Letztlich ist diese Äu-
ßerung des Zeugen Roßberg ein besonders gewichti-
ges Indiz dafür, dass die von ihm geschilderte Ab-
schöpfungsversion nicht zutrifft …“

Dabei hat sich das Landesarbeitsgericht auch mit der
Frage auseinandergesetzt, was die beiden Führungsoffi-
ziere Roßberg und Wiegand zu der von ihnen geltend ge-
machten Abschöpfungsversion veranlasst haben könnte:

„7.3

Selbstverständlich lassen sich die Motive, die die
Zeugen Roßberg und Wiegand zu ihren Falschaussa-
gen veranlasst haben, nicht im Einzelnen ergründen.
Es liegt jedoch nahe, dass sie sich dem politischen
und gesellschaftlichen System der untergegangenen
DDR und insbesondere dem Korpsgeist des MfS im-
mer noch – möglicherweise nicht ganz freiwillig –
verbunden fühlen und deshalb die von ihnen geführ-
ten IM, die nach ihrer Enttarnung öffentlicher Bloß-
stellung sowie privat- und strafrechtlichen Sanktio-
nen ausgesetzt sein werden, decken wollen. Dieses
Bestreben kommt auch darin zum Ausdruck, dass
beide Zeugen die von ihnen geführten Akten vernich-
tet haben. Im Übrigen hat insbesondere der Zeuge
Wiegand bis zuletzt zu erkennen gegeben, dass er die
IM seiner Abteilung, soweit es geht, decken will.
Wahrscheinlich ist dieses Bestreben letztlich auch der
Motor für die Falschaussagen, die den Zeugen als
notwendig erschienen, um den Kläger zu decken
bzw. zu entlasten …“
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 –

Drucksache

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Auch vor dem Hintergrund dieser überzeugenden Darlegun-
gen stand es der Festlegung des 1. Ausschusses nicht ent-
gegen, dass laut o. g. Schreiben der Staatsanwaltschaft vom
3. April 1996 die Ermittlungen nicht mit erforderlicher
Sicherheit den Nachweis einer wissentlichen IM-Tätigkeit
von Dr. Heinrich Fink erbracht hätten und dass die Angaben,
abgeschöpft worden zu sein, nicht hätten widerlegt werden
können. Ebenso wenig konnte es für den 1. Ausschuss ange-
sichts der Vielzahl der oben zitierten und zuvor gewürdigten
Unterlagen von Bedeutung sein, dass der Sonderbeauftragte
der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen
des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes mit Schreiben vom

1. Februar 1991 Dr. Heinrich Fink mitgeteilt hat, dass sich
aus den überprüften Unterlagen keine Hinweise auf eine
Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Staatssicherheitdienst
ergäben. Bereits diese Auskunft war mit dem ausdrücklichen
Vorbehalt versehen, dass nur die durch archivische Hilfs-
mittel bereits zu dem Zeitpunkt erschlossenen Unterlagen
zur Verfügung gestanden hätten. Nach Auskunft der Bundes-
beauftragten sind erste Aktenstücke, die auf ein inoffizielles
Verhältnis zwischen Dr. Heinrich Fink und dem MfS hinge-
wiesen hätten, unmittelbar nach Ausstellen dieser Bescheini-
gung gefunden worden.

Berlin, den 5. Juli 2001

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Erika Simm

Vorsitzende
Drucksache

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– 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Erklärung zur „Feststellung im
Überprüfungsverfahren des Abgeordneten
Dr. Heinrich Fink gemäß § 44b Abs. 2
Abgeordnetengesetz“ vom 5. Juli 2001

I.

(Zum Verfahren)

Das gegen mich durchgeführte Überprüfungsverfahren war
geprägt von Vorverurteilung, Voreingenommenheit und of-
fenbar einseitige Fixiertheit auf das Ergebnis. Es wurde auf
Antrag des Abgeordneten Jörg van Essen (F.D.P.) in der Sit-
zung des 1. Ausschusses vom 28. Januar 1999 – also vor
zweieinhalb Jahren (!) – eingeleitet. Nachdem ich bereits im
Januar 1999 die wesentlichen Dokumente und meine Stel-
lungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht vor-
gelegt und die Berichterstatter des Ausschusses im Novem-
ber 1999 Einsicht „in die beim Bundesbeauftragten vorlie-
genden Original-Akten“ genommen hatten, begannen die
Medien überwiegend einseitig und für mich negativ über das
Überprüfungsverfahren zu berichten. In dem Zusammen-
hang mit der am 29. März 2001 stattfindenden Anhörung vor
dem Ausschuss habe ich auf das bisherige Ergebnis des straf-
rechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen mich bzw. die bei-
den Stasi-Offiziere, die als Zeugen im arbeitsgerichtlichen
Verfahren vernommen worden waren, hingewiesen und ein
Schreiben der Staatsanwaltschaft aus dieser Akte an den Se-
nator für Wissenschaft und Forschung vom 3. April 1996
vorgelegt, wonach der Nachweis für meine angebliche IM-
Tätigkeit nicht erbracht werden könne. Obwohl der Aus-
schuss sich auch seinerseits über dieses Verfahren informiert
hat, geht er hierauf nur ganz am Rande und wiederum voll-
kommen einseitig zu meinem Nachteil ein. Er stützt sich statt
dessen im Wesentlichen auf die Indizien, die der Entschei-
dung des Landesarbeitsgerichts Berlin vom Dezember 1992
über meine fristlose Kündigung zugrunde lagen. Diese sind
jedoch durch die Ergebnisse des strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahrens inzwischen eindeutig widerlegt. Bevor dies
im Einzelnen dargelegt wird, ist auf ein weiteres gerichtli-
ches Urteil hinzuweisen, das erneut die Fragwürdigkeit des
Vorgehens gegen mich unterstreicht.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung
vom 4. Juli 2001 der Klage des früheren Bundeskanzlers Dr.
Helmut Kohl gegen die Bundesbeauftragte für die Unterla-
gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR statt-
gegeben und die Herausgabe der personenbezogenen Stasi-
Unterlagen ohne dessen Einwilligung abgelehnt. Andern-
falls werde er in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletzt, zu dem auch das Recht auf informationelle Selbst-
bestimmung gehöre, weshalb er einen Anspruch auf die be-
gehrte Unterlassung habe.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Per-
sönlichkeitsschutz und informationelle Selbstbestimmung)
wiege schwerer, als das Aufklärungs- und Informationsbe-
dürfnis der Öffentlichkeit (VG 1 A 389.00).

Die Bundesbeauftragte hat öffentlich erklärt, dass man auf-
grund dieses Urteils „die Aufarbeitung der Akten von DDR-
Funktionsträgern, also früheren Richtern oder Bürgermeis-
tern, jedes Mal von deren Einwilligung abhängig machen

müsste“ (SZ Interview vom 6. Juli 2001; im Interview mit
der „taz“ vom gleichen Tage betont sie in diesem Zusam-
menhang, dass das Gesetz nicht zwischen Tätern und Opfern
unterscheide). Diese Entscheidung ist von vielen Seiten kri-
tisiert worden, u. a. vom Bundestagspräsidenten Wolfgang
Thierse, der von dem „Eindruck“ spricht, dass mit zweierlei
Maß gemessen werde, der „im nachhinein den Verdacht er-
zeuge, dass Ostdeutsche einen geringeren Grundrechts-
schutz genießen, als Westdeutsche, weil sie immer schon im
Verdacht stehen, Täter zu sein und nicht Betroffene, während
bei Westdeutschen das genaue Gegenteil der Fall ist“ (FR
6. Juli 2001). Der Bundesminister des Innern, Otto Schily,
wird mit einer Weisung an die Bundesbeauftragte zitiert, bei
Prominenten Auskünfte und Akten nur mit deren Einwilli-
gung herauszugeben.

Ich habe von Anfang an – auch in diesem Verfahren – betont,
dass ich nachweisbar selbst Opfer der Stasi war. Wie ich erst
im nachhinein anlässlich der Akteneinsicht durch mich er-
fahren habe: Ich wurde bereits seit 1954 observiert. In dem
Haus, in dem ich damals mit meiner Familie wohnte (Stech-
linstr. 17), wohnte seit 1969 über uns ein Stasi-Offizier, von
dessen Wohnung direkt ein Richtmikrophon auf meinen
Schreibtisch gerichtet wurde, der sämtliche Gespräche, die
wir in der Familie hatten, aufgezeichnet hat. Auch diese Ab-
höranlage wurde bei der Stasi als IM geführt. Außerdem war
bei uns eine Sekretärin von 1969 bis 1973 (ihrem Todesda-
tum) eingeschleust worden, die von Briefen, Manuskripten
usw., die sie geschrieben hat, einen Durchschlag bei der Stasi
abgegeben hat. Weiter ergab sich aus den Akten, dass zehn
Mitarbeiter aus meiner Fakultät verpflichtet wurden, regel-
mäßig über mich zu informieren. Außerdem sind Studenten
aufgefordert worden, aus meinen Vorlesungen und Semina-
ren zu berichten.

Die theologische Fakultät, deren Dekan ich von 1980 bis
1990 war, war unter ständiger Observation der Staatssicher-
heit. Ich bin wiederholt von Studenten und Kollegen auf-
merksam gemacht worden, dass dieser oder jener mich be-
spitzeln würde.

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass Studenten, die bei den
Bausoldaten gemustert waren, studieren durften. Wegen stu-
dentischer Probleme, die um pazifistische Einstellung, Aus-
reiseersuchen und politische Nonkonformität gingen, habe
ich ständig um Gespräche beim Staatssekretär für Kirchen-
fragen oder beim Minister für Hoch- und Fachschulwesen
ersucht. Erst nach der Wende habe ich erfahren, dass sowohl
Mitarbeiter beim Staatssekretär für Kirchenfragen als auch
beim Minister für Hoch- und Fachschulwesen Offiziere im
besonderen Einsatz waren, die von den Gesprächen Proto-
kolle anfertigten, die direkt zum MfS weitergeleitet wurden,
wie es die Protokolle jetzt zeigen.

Es ist bezeichnend für das einseitige Vorgehen des Aus-
schusses, dass er diesem meinem Vortrag genauso wenig
nachgegangen ist, hierzu keinerlei Auskünfte und Stellung-
nahmen der Beauftragten angefordert hat o. Ä., wie er sich
mit den Ergebnissen des strafrechtlichen Ermittlungsverfah-
rens gegen mich und die beiden Zeugen beschäftigt hat und
es mir bzw. meinem Rechtsanwalt vorbehalten blieb, dies zu
ermitteln und wichtige Unterlagen vorzulegen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 –

Drucksache

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So verstärkt sich mein Eindruck, dass die Feststellung durch
den 1. Ausschuss eine Fortsetzung meiner fristlosen Entlas-
sung als Rektor der Humboldt-Universität auf politischer
Ebene ist. Bekanntlich war ich der erste basisdemokratische
frei gewählte Rektor der traditionsreichen Humboldt-Uni-
versität zu Berlin.

Ich habe zusammen mit dem Akademischen Senat und Kon-
zil Reformen im Sinne einer Demokratisierung der Universi-
tät durchgeführt, die beim zuständigen CDU-Senator nicht
akzeptiert wurden und zu permanenten, auch öffentlichen
Auseinandersetzungen führten.

Der damalige „Sonderbeauftragte der Bundesregierung für
die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staats-
sicherheitsdienstes“ hatte auf meinen Antrag mit Schreiben
vom 1. Februar 1991 mitgeteilt, „aus den geprüften Unterla-
gen habe sich aufgrund der … eingereichten Daten ... keine
Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen
Staatssicherheitsdienst ergeben“. Kurz nachdem aber von
Studenten bekannt gegeben wurde, dass sie bei den anste-
henden Neuwahlen meine Wiederwahl befürworten würden,
erhielt ich dann ohne vorherige Anhörung die fristlose Kün-
digung vom Senator aufgrund angeblich jetzt neu aufgefun-
dener Stasi-Unterlagen. Aufgrund massiver Proteste der Stu-
dentinnen und Studenten und der Vertreter des Lehrkörpers
lud das Konzil den damaligen Leiter der Behörde, Joachim
Gauck, zu einer öffentlichen Vollversammlung in das Audi-
torium Maximum der Humboldt-Universität ein. Auf kriti-
sche Nachfrage des Vizepräsidenten, Prof. Bank, ob Herr
Gauck sich vorstellen könne, „dass Prof. Fink von diesem
IM-Vorgang nichts gewusst hat“, antwortete dieser:

„Außerhalb meiner Behördenkompetenz und meiner be-
hördlichen Aufgabe sage ich Ihnen sehr gerne, dass ich
mir das vorstellen kann. Und ich habe in stürmischen
Zeiten in der Volkskammer meine Abgeordneten Kolle-
gen davor gewarnt, eine Verurteilung aufgrund einer
Karteilage vorzunehmen, weil ich nämlich schon er-
kannt hatte, als ich ganz wenig Kenntnis nur von Akten
hatte, … dass es solche Fälle gab. … Aber es ist so, dass
ich ohne Mühe im Stande bin, mir vorzustellen, dass ein
Mann wie Heinrich Fink …, dass ich mir sehr gut vor-
stellen kann, dass gerade ein Mann wie er möglicher-
weise das nicht gewusst hat.“
(abgedruckt in: UTOPIE kreativ, Januar 1992, Seite 47)

Trotz dieser deutlichen Warnung, von der später nie mehr die
Rede war, wurde das Kündigungsverfahren gegen mich
durchgezogen, obwohl der Akademische Senat der Hum-
boldt-Universität sich einstimmig hiergegen ausgesprochen
hatte. Die Kündigung wurde seinerzeit in der Öffentlichkeit,
auch von internationalen Beobachtern, als willkürliches Vor-
gehen gegen einen offensichtlich unliebsamen Rektor kriti-
siert.

Die Einschätzung der Staatsanwaltschaft beim
Landgericht Berlin zur Frage meiner angeblichen
IM-Tätigkeit:

Vor meiner Anhörung vom 29. März 2001 habe ich dem
Ausschuss das bereits erwähnte Schreiben der Staatsanwalt-
schaft beim Landgericht Berlin vom 3. April 1996 vorgelegt,

das mir bis dato nicht bekannt war und in dem die Staatsan-
waltschaft auf vier Seiten zu den zentralen Fragen meiner
angeblichen IM-Tätigkeit Stellung genommen hat und zu
dem klaren Ergebnis kommt, dass der Nachweis hierfür
nicht erbracht werden könne.

Jedenfalls ergibt sich aus dem Schreiben auch, dass ich 1996
selbst von den Rechtsanwälten des Senats mit einer Strafan-
zeige wegen der Vorlage einer angeblichen falschen eides-
stattlichen Versicherung überzogen worden bin, von der ich
ebenfalls bis heute nichts wusste. Von meinem Rechtsanwalt
habe ich mich belehren lassen, dass eine Unterrichtung sei-
tens der Ermittlungsbehörden auch nicht erforderlich ge-
wesen sei, wenn diese offenbar insoweit nicht einmal von
einem konkreten Verdacht gegen mich ausgingen, der für die
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich ist. In
dem Schreiben an die Senatsverwaltung heißt es hierzu, ein
hinreichender Tatverdacht sei bezüglich der eidesstattlichen
Versicherungen nicht gegeben.

In dem erwähnten Schreiben berichtet die Staatsanwalt-
schaft weiter über das Ergebnis der Ermittlungen aufgrund
der Strafanzeige durch die Rechtsanwälte Bräutigam u. a.
gegen die in meinem arbeitsgerichtlichen Verfahren als Zeu-
gen vernommenen Herren Klaus Roßberg und Joachim Wie-
gand wegen falscher uneidlicher Aussage und falscher Versi-
cherung an Eides Statt. Auch dieses Verfahren sei mangels
hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 der Strafpro-
zessordnung (StPO) eingestellt worden. Wörtlich heißt es:

„Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Si-
cherheit den Nachweis erbracht, dass Prof. Dr. Fink wis-
sentlich IM war.

Für eine bewusste Mitarbeit von Prof. Fink für das MfS
liegen nämlich ausschließlich Indizien vor. Hingegen ha-
ben die Zeugen, soweit es sich um ehemalige MfS-Mit-
arbeiter handelt und sie in irgendeiner Form näher mit
dem IM ‚Heiner‘ bzw. ‚Heino‘ … zu tun hatten, angege-
ben, Prof. Dr. Fink wäre ‚abgeschöpft‘ worden. Diese
Angaben konnten nicht widerlegt werden. Das Landesar-
beitsgericht Berlin stützt sich in seinem Urteil vom
16. 12. 1992 im Wesentlichen auf den Lagefilm für den
Berlin-Brandenburgischen Kirchentag 1987 in dem fest-
gehalten ist, dass in zwei Fällen ein IM ‚Heiner‘ eine
Nachricht für einen ‚Klaus‘ hinterlassen hatte sowie dar-
auf, dass der Beschuldigte Roßberg Prof. Dr. Fink als IM
‚Heiner‘ für die Verleihung der Verdienstmedaille der
NVA in Gold vorgeschlagen hat, die diesem auch verlie-
hen worden sein soll.

Es steht zwar fest, dass Prof. Dr. Fink unter dem Deck-
namen ‚Heiner‘ und ‚Heino‘ beim MfS geführt wurde,
es ergaben sich aber bei dem Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemali-
gen Deutschen Demokratischen Republik kein weiteres
Beweismittel dafür, dass er bewusst als IM tätig war.

Es konnte auch nicht der Nachweis erbracht werden,
dass es Prof. Dr. Fink war, der beim Kirchentag 1987 als
IM ‚Heiner‘ zweimal eine Nachricht für ‚Klaus‘ hinter-
lassen hat. Zwar haben die bei der Lagegruppe einge-
setzten Zeugen … angegeben, dass, soweit der Anrufer
nur einen Namen oder Vornamen nannte, klar war, dass
es sich um einen IM handelte und deshalb von ihnen das
Drucksache

14/

6694

– 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Kürzel IM eingesetzt wurde. Es kann aber auch nicht
ausgeschlossen werden, dass eine andere Person beim
Lagedienst angerufen hat.

Folgt man den Angaben der ehemaligen Mitarbeiter des
Staatssicherheitsdienstes von der ‚Abschöpfungsthese‘,
die schon aus dem Grund nicht von der Hand zu weisen
ist, dass es sich bei Prof. Dr. Fink nicht um den einzigen
IM handelt, der abgeschöpft worden sein will …, dann
wäre nicht auszuschließen, dass der Anruf von einer drit-
ten Person getätigt wurde, um auch gegenüber dem eige-
nen Dienst die ‚Legende‘ des IM ‚Heiner‘ zu stützen.

In Anbetracht der Tatsache, dass hier insgesamt nur un-
zureichende Informationen über den Staatssicherheits-
dienst der ehemaligen DDR gewonnen werden konnten,
kann die ‚Abschöpfungsthese‘ nicht zweifelsfrei wider-
legt werden und deshalb die für Prof. Dr. Fink spre-
chende Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, zumal
nach den Angaben des Zeugen Heidel auch nicht ausge-
schlossen werden kann, dass der Beschuldigte Roßberg
selbst den Anruf vom 27. 06.1987 entgegengenommen
und die Telefonnotiz dann der Lagegruppe zum Eintrag
in die Liste des Lagefilms weitergeleitet hat.



Es ist nicht nachzuweisen, dass er (d. h., der frühere Be-
schuldigte D.W.) Prof. Dr. Fink eine Medaille oder sonst
eine Auszeichnung überreicht hat bzw. von einer eventu-
ell tatsächlich stattgefundenen Verleihung gewusst hat.
Ihm ist nicht zu widerlegen, dass er ihm lediglich zu
einem ‚runden‘ Geburtstag ein Geschenk gemacht hat,
welches aus Mitteln des MfS gezahlt wurde, zumal auch
Prof. Dr. Fink eine Verleihung der NVA-Medaille be-
stritten hat. … “
(Anlage Brief vom 4. März 1996 an die Senatsverwal-
tung)

Dieses Schreiben ist für mich klar und eindeutig: Wenn
schon die zuständige Staatsanwaltschaft nach jahrelangen
Ermittlungen zum Ergebnis kommt, der Nachweis, ich sei
als IM tätig gewesen, sei nicht zu führen, wie will dies der
1. Ausschuss?

Das Arbeitsgericht Berlin hatte am 1. April 1992 bekannt-
lich meine Kündigung für unwirksam erklärt. Das Urteil des
Landesarbeitsgerichts im Dezember 1992 halte ich für ein
Fehlurteil. In dieser Ansicht sehe ich mich bestärkt durch das
Schreiben der Staatsanwaltschaft von 1996. Zwar hatte ich
mit der Verfassungsbeschwerde und der Beschwerde vor
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keinen
Erfolg, diese haben jedoch bekanntlich in der Sache selbst
kein Urteil gefällt. Das Bundesverfassungsgericht hat nach
jahrelanger Verfahrensdauer lediglich in seinem Urteil fest-
gestellt, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
meine Grundrechte nicht verletze. Damit hat es sich – das
wird jeder Jurist bestätigen – nicht dazu geäußert, ob dieses
Urteil richtig ist.

Auf dieses Schreiben geht der erste Ausschuss in der Be-
gründung seiner Feststellung ein, indem er lediglich lapidar
behauptet, die Seiten weise zitierten Ausführungen des Lan-

desarbeitsgerichts Berlin zur fehlenden Glaubhaftigkeit der
Angaben der Zeugen Roßberg und Wiegand erschienen auch
„im Verhältnis zu den Ausführungen in einem Schreiben der
Staatsanwaltschaft Berlin … überzeugungskräftig“, ohne
diese Überzeugungskraft und die Gründe hierfür auch nur
mit einem Satz weiter zu erläutern.

Statt dessen meint der Ausschuss im Folgenden darauf hin-
weisen zu müssen: In demselben Schreiben habe die Staats-
anwaltschaft im Übrigen festgestellt, „dass bezüglich dieses
Zeugen ein Tatnachweis wegen falscher uneidlicher Aussage
habe geführt werden können, als bewusst der Wahrheit zuwi-
der angegeben worden sei, dass es sich bei dem Anrufer um
einen hauptamtlichen Mitarbeiter aus Halle mit dem Spitz-
namen Heiner gehandelt habe. Insoweit ist nach Kenntnis
des 1. Ausschusses ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht
Tiergarten noch anhängig“.

Hierzu ist festzustellen:

– Zum einen ist keineswegs die Rede, dass der Nachweis
habe geführt werden können, sondern lediglich von
einem dringenden Tatverdacht;

– vor allem wird mit dem abschließenden Satz, dass das
Strafverfahren noch anhängig sei, der Eindruck erweckt,
als gehe es bei dem Strafverfahren immer noch darum,
dass ein Tatverdacht wegen meiner IM-Tätigkeit beste-
hen könnte. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Ein Ermitt-
lungsverfahren gegen mich wegen des Vorwurfs des Pro-
zessbetruges war nicht einmal eingeleitet worden. Bei
dem noch andauernden Strafverfahren gegen die beiden
Zeugen geht es um angeblich falsche Behauptungen in
Bezug auf einen anderen Stasi-Mitarbeiter (ganz abgese-
hen davon, dass der zuständige Richter beim Amtsge-
richt Tiergarten und der Dezernent der Staatsanwalt-
schaft das Verfahren längst einstellen wollten, was aber
nach Auskunft der Verteidigung an der Haltung der
staatsanwaltschaftlichen Behördenleiters scheiterte).

– Mit keinem Wort wird auf den weiteren Akteninhalt, ins-
besondere auf die Aussage des Zeugen Heinrich einge-
gangen, der das Konstrukt von Landesarbeitsgericht und
ersten Ausschuss eindeutig widerlegt (siehe unten).

Der Ausschuss unterschlägt also diesen für meinen Fall we-
sentlichen Zusammenhang. Sicherlich kann der Ausschuss
zu einem anderen Ergebnis als Gerichte oder Staatsanwalt-
schaft kommen. Aber wenn es der Ausschuss nicht einmal
für nötig hält, das Ergebnis der gerichtlichen und staatsan-
waltschaftlichen Überprüfung von sich aus, nachdem ich es
zum Teil vorgelegt habe, gründlich zu überprüfen, korrekt
und umfassend wiederzugeben und sich mit den dort vertre-
tenen Auffassungen auseinander zu setzen, beweist dies ein-
deutig eine einseitige Herangehensweise. Dieses Vorgehen
steht im auffälligen Widerspruch zu Seiten weisen Zitaten
aus der problematischen Entscheidung des Landesarbeitsge-
richts, die vollkommen kritiklos wiedergegeben werden.

Auch zu den weiteren, von mir in meiner Stellungnahme
vom 27. März 2001 schriftlich vor der Anhörung vorgeleg-
tem Resümee zur Aktenlage des Bundesbeauftragten nimmt
der Ausschuss keine Stellung.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 –

Drucksache

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Resümee zur Aktenlage des Bundesbeauftragten

– Es gibt keine Verpflichtungserklärung oder wenigsten
eine Schweigeverpflichtung von mir gegenüber dem
MfS. Es gibt aber auch kein Protokoll über eine mündli-
che Verpflichtung. Es gibt keine handschriftlichen oder
mit Klar- oder Decknamen von mir unterzeichneten Be-
richte. Es gibt nicht einmal einen Bericht eines MfS-Of-
fiziers mit der Behauptung, dass die darin enthaltene In-
formation von mir – Prof. Dr. Heinrich Fink – stamme.
Es gibt auch nicht die sonst üblichen Berichts- oder
Treffstatistiken. Es gibt keine von mir unterzeichneten
Quittungen, auch nicht über die erhaltenen Geschenke
o. Ä. Insofern erspare ich es mir auf die Indizien unter 5
und 6 im Einzelnen einzugehen, betone aber nochmals,
dass ich nie Geld oder Auszeichnungen von dem MfS er-
halten habe. Wenn dagegen Geschenke, die ich vom
Staatssekretär für Kirchenfragen bzw. vom Magistrat,
Abteilung Kirchenfragen, erhalten habe, aus Mitteln des
MfS gestammt haben sollten, so war mir dies unbekannt.
Besonders absurd erscheint mir die Auszeichnung mit
einer Verdienstmedaille der NVA in Gold, bin ich doch
Pazifist aus Überzeugung und deshalb als „Bausoldat“
gemustert worden, wie bereits in meiner Stellungnahme
vom 31. Januar 2001 erwähnt.

– Zu keinem Zeitpunkt war ich als inoffizieller Mitarbeiter
beim MfS registriert. Demgemäß gibt es weder eine IM-
Akte noch eine einzige Karteikarte aus der sich eine IM-
Tätigkeit von mir herleiten ließe.

Soweit behauptet wird, in Ausnahmefällen gäbe es IMs auch
ohne schriftliche Verpflichtungserklärung, ist zweierlei zu
berücksichtigen:

– Auch eine solche mündliche Verpflichtung wäre zu pro-
tokollieren gewesen. Aber ein solches Protokoll gibt es
nicht und wird nirgendwo auch nur behauptet.

In meiner Stellungnahme vom 27. März hatte ich weiter aus-
geführt:

– „Noch dubioser ist die Behauptung auf Seite 10 des
Sachberichtsentwurfs, der Bundesbeauftragte habe
hierzu erläutert, dass es nach seinen Erkenntnissen bei
der inoffiziellen Zusammenarbeit mit IM aus Kirchen
gängige Praxis gewesen, dass die MfS-Offiziere Be-
richte oder schriftliche Informationen nach den mündli-
chen Berichten der IM anfertigten:

Ich konnte zurzeit meiner angeblichen IM-Tätigkeit kein
„IM aus Kirchen“ sein, weil ich längst Angestellter des Staa-
tes war, meine Anstellung im kirchlichen Dienst endete am
31. August 1961 – wie bereits in meiner Erklärung vom Ja-
nuar mitgeteilt.

Dies müsste natürlich auch dem Bundesbeauftragten bestens
bekannt sein. Da er sich trotzdem zu dieser Behauptung ent-
scheidet, belegt er damit nur unfreiwillig seine offensichtli-
che Voreingenommenheit und Einseitigkeit. Dies sollten die
Ausschussmitglieder beachten, die Angaben ungeprüft zu
übernehmen.“

Auch mit diesem Argument setzt sich der Ausschuss nicht
inhaltlich auseinander, sondern macht etwas Anderes:

– Aus dem „IM aus Kirche“ wird plötzlich und ohne jede
Erläuterung „IM aus dem kirchlichen Bereich“ in zwei
Passagen (S. 12 und S. 25), jeweils wie im Entwurf unter
Bezugnahme auf angebliche Auskünfte bzw. Ausführun-
gen des Bundesbeauftragten, die nicht belegt oder zitiert
werden. Statt sich mit einem Einwand ernsthaft ausein-
ander zu setzen und die Auskunftslage des Bundesbeauf-
tragten in Frage zu stellen, zieht es der Ausschuss also
vor, die Auskunft einfach in einem wesentlichen Punkt
umzuformulieren, um nicht zu sagen zu verfälschen.
Denn auch dem Ausschuss muss klar gewesen sein, dass
zwischen „IM aus Kirche“ und „IM aus dem kirchlichen
Bereich“ ein wesentlicher Unterschied besteht, sonst
hätte er ja diese Umformulierung aufgrund meines Ein-
wandes nicht vorgenommen.

II.

(Einseitigkeit der Auswertung von Unterlagen
und der Ergebnisse meiner Anhörung durch den

Ausschuss)

1. Zum Beweiswert von Indizien

Rechtsstaatlich überzeugen kann die Feststellung auch aus
anderen Gründen nicht:

Ein großer Mangel besteht darin, dass keine einheitlichen
Kriterien für eine Beweiswürdigung aufgestellt werden.

Die vorläufigen Feststellungen stützen sich ausschließlich
auf Indizien. Auch wenn die Feststellung immer wieder be-
tont, er habe „… im Ergebnis … keine Zweifel“, „keine
Zweifel am Wahrheitsgehalt der Ausführungen in den Unter-
suchungsergebnissen des MfS“ und die detaillierten Stel-
lungnahmen zur Entkräftung der Indizien als „nicht stichhal-
tig“ einschätzt, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen: Die
Indizien sind äußerst dürftig und werden nicht dadurch bes-
ser, dass die Feststellung sich weitgehend auf Passagen aus
dem Urteil des Landesarbeitsgerichts stützt und vom Bun-
desverfassungsgericht nur insoweit abgesegnet wurde, als es
nicht gegen Grundrechte der Verfassung verstoße und dieses
durch neuere Erkenntnisse überholt ist.

Die Feststellung der angeblichen Tätigkeit des Abgeordne-
ten Dr. Heinrich Fink beruht auf bloßen Indizien. Indizien
bzw. Hilfstatsachen sind nur dann ausreichend, wenn von ih-
rem Vorliegen auf die unmittelbar entscheidungserhebliche
Tatsache geschlossen wird. Nicht ausreichend sind also Ver-
mutungen, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder
Erfahrungssätze gibt. Auch Erfahrungssätze müssen aber
wissenschaftlich abgesichert sein und dürfen sich nicht in
bloßen Alltagstheorien o. Ä. erschöpfen. Weiter sind Indi-
zien nur dann tragfähig, wenn sie ihrerseits eindeutig festste-
hen, also unstreitig oder bewiesen sind.

Diesen selbstverständlichen Grundsätzen und der im Vor-
spann wiedergegebenen Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts, wonach für eine belastende Feststellung von
der Verstrickung des Abgeordneten eine so sichere Überzeu-
gung gewonnen werden muss, dass auch angesichts der be-
schränkten Beweismöglichkeiten vernünftige Zweifel an der
Drucksache

14/

6694

– 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Richtigkeit der Feststellung ausgeschlossen sind, wird der
Entwurf in keiner Weise gerecht.

2. Zu den Vorwürfen im Einzelnen

2.1 Zu dem wesentlichen Indiz („... sein Verhalten
im Zusammenhang mit dem Kirchentag
Berlin-Brandenburg im Juni 1987“)

2.1.1 Eine weitere genauere Überprüfung der
Akte im Strafverfahren des Amtsgerichts
Tiergarten ergibt, dass das Gericht beim
Stasi-Bundesbeauftragten um Mitteilung
gebeten hatte, wo sich die „Lagefilme der
Hauptabteilung XX/4 des Kirchentages
Berlin-Brandenburg im Original befinden“

– Zunächst versuchte der Staatsanwalt die Anforderungen
abzublocken („m. E. reichen die vorliegenden Ablich-
tungen der Lagefilme aus. Ich stelle aber anheim, die
Originale nach Eingang der Antwort beim Bundesbeauf-
tragten zu erfordern“ (Band III, Bl. 154).

Im Antwortschreiben des Stasi-Bundesbeauftragten vom
5. November 1997 heißt es:

„Die Recherchen in den Unterlagen des ehemaligen MfS
haben ergeben, dass die Originale der Lagefilme im bis-
her erschlossenen Bestand nicht vorhanden sind und
auch keine Aussage zu ihrem Verbleib getroffen werden
kann.

Es liegen hier aus dem Zeitraum des Kirchentages ledig-
lich teilweise unvollständige Durchschläge der Lage-
pläne vor, die umfassende Aussagen zu den von Ihnen
angefragten Tagen (gemeint wohl Fragen – RA Schultz)
nicht ermöglichen.“

In einem weiteren Schreiben vom 8. Februar 1999 heißt es
hierzu:

„Nach erneuter Recherche kann ich Ihnen mitteilen, dass
unter den aufgefundenen ,Lagefilmen‘ der Hauptabtei-
lung XX des MfS nur wenige Schriftstücke Originale
(Urschriften bzw. 1. Exemplare) sind und es sich über-
wiegend um Durchschriften oder Kopien handelt. Bei
den Durchschriften bzw. Kopien, die nach § 6 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. BStUG Originalen gleichstehen, handelt es
sich nach hiesiger Ansicht um Arbeitsmaterial der Ab-
teilung XX/4, was aus hand- und maschinenschriftlichen
Korrekturen, Einfügungen und Bemerkungen ersichtlich
ist. … Herr Prof. Dr. Fink findet aber in diesem Material
nur in einem Bericht Erwähnung, worin über den Teil-
nehmerkreis einer kirchlichen Veranstaltung berichtet
wird und zwar im Klarnamen.“

Damit steht fest, dass die Grundlage, auf die sich die angeb-
lichen Anrufe stützen, mehr als dürftig ist – ganz abgesehen
davon, dass selbst der Bundesbeauftragte sehr einschränkend
formuliert: „Nach hiesiger Ansicht um Arbeitsmaterial …“
usw. Wenn der Abgeordnete Dr. Heinrich Fink in dem Lage-
film mit seinem richtigen (Klarnamen) genannt wird, ent-
kräftet dies das angebliche Indiz ganz entscheidend. Wäre es

doch widersinnig und den Grundsätzen eines konspirativ ar-
beitenden Geheimdienstes im hohen Maße widersprechend,
wenn im gleichen Zusammenhang eines Dokuments („Lage-
film“) der Betreffende einmal mit dem Klarnamen, an ande-
rer Stelle aber mit seinem angeblichen Decknamen geführt
wird.

2.1.2 Die im Entwurf auszugsweise angefügte
Urteilsbegründung des LAG Berlin, auf die
sich die Begründung beschränkt, ist nach
dem bisherigen Ergebnis des
Strafverfahrens nicht mehr haltbar

„Soweit von beiden Zeugen ein hauptamtlicher Mitar-
beiter der Bezirksverwaltung Halle namens Peter Hein-
rich, der ,Heiner‘ gerufen worden sei, als potentieller
Anrufer ins Spiel gebracht worden ist, hält die Beru-
fungskammer diese Mutmaßung für eine freie Erfindung
der beiden Zeugen, die nur durch ihr Bemühen erklärt
werden kann, den Kläger zu decken“ (Entwurf S. 21).

Die im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht
Tiergarten durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass
es sehr wohl einen hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS in
Halle mit dem Familiennamen ,Heinrich‘ gab. Dieser Zeuge
wurde am 19. März 1997 richterlich vernommen und hat
u. a. bekundet,

„… dass mich Herr Roßberg nicht immer korrekt mit
meinem richtigen Vornamen angesprochen hatte, son-
dern auch den Namen Heinrich, Heini, Heiner fiel. Mög-
licherweise hat mich auch Herr Wiegand nicht immer
korrekt mit meinem Vornamen angesprochen, sondern
verwendete ähnlich klingende Namen wie oben ange-
führt …

Mir ist erinnerlich, dass ich anlässlich des Kirchentages
Berlin-Brandenburg zeitweise an zentralen Veranstaltun-
gen teilgenommen habe. In dieser Zeit habe ich auch in
der Lagegruppe angerufen und kurz Informationen über
durchgeführte Veranstaltungen abgegeben. Ich habe
mich nie selbst mit dem Namen Heiner gemeldet, son-
dern mit meinem Nachnamen Heinrich. Ob ich am
24. 06. 1987, 23.15 Uhr und am 27. 06. 1987 gegen 8.30
Uhr bei der Lagegruppe angerufen habe, kann ich nicht
mehr sagen“ (Bl. 139f – Hervorh. vom Verf.).

Im Klartext: Entgegen den Annahmen des LAG gab es nicht
nur einen Zeugen namens „Heinrich“, sondern dieser war
auch hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS in Halle und bestä-
tigt nicht nur, dass er oft mit seinem Vornamen u. a. als „Hei-
ner“, sondern vor allem, dass er es war, der bei der Lage-
gruppe angerufen hat.

Dass der Ausschuss meinen Hinweis auf die Erkenntnisse
aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in
dem Zusammenhang statt gründlicher Recherche ausgerech-
net mit längeren Zitaten aus der LAG-Entscheidung kontert,
wonach aufgrund der ergänzenden Recherche des Bundesbe-
auftragten nunmehr festgestanden habe, dass es einen offizi-
ellen Mitarbeiter mit dem Vornamen „Heiner“ o. Ä. klingen-
den Vornamen nicht gab und das Gericht die Angaben der
Zeugen „für eine freie Erfindung der beiden Zeugen (hält),
die nur durch ihr Bemühen erklärt werden kann, den Kläger
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 –

Drucksache

14/

6694

zu decken“, ist wiederum für das einseitige Vorgehen des
Ausschusses kennzeichnend, der sich offenbar mit Fakten
nicht auseinandersetzen will und hinter der vorgeblichen
Autorität der LAG-Entscheidung verschanzt.

Mit der Zeugenaussage des früheren Stasi-Mitarbeiters
Heinrich sind nicht nur die wesentlichen Aussagen der Zeu-
gen Roßberg und Wiegand bestätigt, sondern auch meine
bisherigen Einlassungen. Damit ist m. E. die mehr als prob-
lematische „freie Beweiswürdigung“ des LAG Berlin
endgültig widerlegt, und die Unterlagen der Gauck-Birthler-
Behörde dürfen nicht mehr als Indiz verwendet werden.

2.2 Zur „Verleihung der Verdienstmedaille
in Gold“

Die Begründung in der Feststellung des Ausschusses er-
wähnt zwar, dass ich den Erhalt der Verdienstmedaille der
NVA in Gold bestritten habe, geht jedoch mit keinem Wort
auf die hierzu vorgetragenen Argumente und Unterlagen ein.
Bei der Anhörung hatte ich vorgetragen, dass ich keine Ver-
dienstmedaille, sondern den Vaterländischen Verdienstorden
in Bronze mit der dazugehörigen Geldzuweisung erhalten
habe. Die Verleihung fand im Roten Rathaus in Berlin statt,
zusammen mit weiteren hundert Personen und der Übergabe
einer Urkunde. Dazu habe ich eine Reihe von Unterlagen
dem Ausschuss überreicht.

2.3 Zur angeblichen Äußerung „ich arbeite doch
auch für Euch“ anlässlich des Polizeieinsatzes
vor der Gethsemane-Kirche im Oktober 1989

Hierzu hatte ich bereits in meiner Stellungnahme vom
27. März u. a. vorgetragen:

In dem Sachberichtsentwurf werden unter „7. Untersu-
chungsergebnisse des MfS über meine Strafanzeige gegen
Unbekannt vom 12. Oktober 1989“ zusammengefasst. Nach
einem „Bericht zur Personenkontrolle“ Abteilung VIII vom
11. Oktober 1989 soll ich einem Gen. Major Jesche gegen-
über anvertraut haben „ich arbeite doch auch für Euch“.

Eine solche Äußerung stelle ich entschieden in Abrede, auch
wenn ich mich selbstverständlich heute nicht mehr an alle
Einzelheiten erinnern kann und nicht nur ich seinerzeit in
dem turbulenten Geschehen verständlicherweise erregt war,
nachdem man mich nicht nur grundlos beleidigt, sondern vor
allem uniformierte Polizeibeamte mir gegenüber eine Kör-
perverletzung begangen hatten. Ein genaues Studium der
Dokumente und der Umstände der Strafanzeige führt zwin-
gend zu der gleichen Schlussfolgerung:

– Die angebliche Äußerung steht am Ende eines Satzes in
dem Bericht, wonach Major Jesche eine schnelle Beruhi-
gung der Situation erreichen wollte, die seiner Meinung
nach auch eingetreten sei „und sich darin äußerte, dass
der Prof. Dr. Fink ihm anvertraute …“. Mit anderen
Worten: Meine behauptete Äußerung soll der Beleg da-
für sein, dass Major Jesche durch sein Eingreifen eine
schnelle Beruhigung erreicht habe.

Die mir zugeschriebene Äußerung soll also als Be-
weis dafür dienen, dass sich ein Stasi-Offizier hervor-
ragend verhalten habe, um damit den meiner Straf-

anzeige zugrunde liegenden Vorfall zu widerlegen.
Es handelt sich also ganz offensichtlich um eine reine
Schutzbehauptung der betroffenen Einsatzkräfte, um
das eigene Fehlverhalten zu kaschieren und davon
abzulenken.

– Die mir in den Mund gelegte Äußerung ist völlig abwe-
gig und sinnlos, weil ich, wie von mir gefordert, mit dem
Einsatzleiter, das heißt, einem uniformierten Polizisten,
gesprochen habe, an dessen Namen ich mich heute nicht
erinnere: Warum sollte ich einem uniformierten Polizei-
beamten sagen, „ich arbeite doch auch für Euch“? Sinn
gemacht und der Situation entsprochen hätte es doch
eher, wenn ich geäußert hätte, „ich arbeite doch nicht für
Euch“.

– Schließlich stünde die behauptete, mir in den Mund ge-
legte Äußerung im krassen und unauflösbaren Wider-
spruch zu meiner Teilnahme an dem Protest vor der
Gethsemane-Kirche und zu meiner Beschwerde und
meiner anschließenden Strafanzeige – ein seinerzeit un-
gewöhnlicher und aufsehenerregender Schritt (sowohl
der damalige Rektor der HU, Prof. Dr. Dieter Hass als
auch der erste Sekretär der Kreisleitung der SED Harry
Smettan haben mich dringend gebeten, die Anzeige zu-
rückzuziehen). Warum sollte ich diese erstatten, wenn
ich mit dem Einsatzleiter vertraulich gesprochen, ihm er-
klärt hätte, ich sei „einer von Euch“ und die Situation
durch das Eingreifen des Einsatzleiters schnell beruhigt
sei. Das Gegenteil war offensichtlich der Fall und ergibt
sich eindeutig aus meiner Strafanzeige, die bekanntlich
mit dem Absatz schließt:

„Das im Ganzen empörende Verhalten stellt sich hin-
sichtlich der Person des Anzeigeerstatters als vor-
sätzliche Körperverletzung … dar.

Herr Prof. Dr. Fink ist entsetzt über das ihm Wider-
fahrene. Verhaltensweisen der geschilderten Art wur-
den von ihm bisher für völlig unmöglich gehalten.“

– Der Bericht der Abteilung XX enthält auch sonst offen-
sichtliche Unwahrheiten, wenn er die erlittenen Körper-
verletzungen in Abrede stellt und behauptet, ich hätte
mich an dem Abend während des Einsatzes auch nicht
über Körperverletzungen beschwert.

Das Gegenteil ließe sich nicht nur leicht durch meinen Sohn
Daniel Fink und meine Tochter Rahel Fink und mehrerer
Studenten der Fakultät als Zeugen widerlegen. Vor allem er-
gibt es sich zunächst aus den detailliert geschilderten Verlet-
zungshandlungen:

„… mehrfach wurde Herr Prof. Dr. Fink mit einem
Schlagstock auf den Rücken geschlagen, was erhebliche
Verletzungsfolgen zeitigte …

Beim Besteigen des PKW wurde er von einem Mitglied
der Einsatzgruppe ergriffen, ihm wurde ein Arm im Poli-
zeigriff auf den Rücken hochgedreht und gleichzeitig
wurde sein Kopf nach vorne gebeugt. Es wurde der Ver-
such unternommen, seinen Kopf auf das Fahrzeug zu
stoßen. …“ (S. 2)

„Auf Bitten von Herrn Prof. Dr. Fink wurde sein Sohn
Daniel, der grundlos in einen der Busse verfrachtet wor-
den war, aus diesem wieder herausgeholt. Der Sohn Da-
Drucksache

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– 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

niel hatte einen schweren Schlag mit einem Schlagstock
auf einen Oberschenkel erhalten, der zu einer klaffenden
Wunde führte.“

Vor allem aber sind die Verletzungsfolgen eindeutig darge-
stellt und attestiert. So heißt es in der Strafanzeige hierzu:

„Herr Prof. Dr. Fink hat sich, da ihn unaufschiebbare
dienstliche Verpflichtungen zuvor daran hinderten, am
12. 10. 1989 in ärztliche Behandlung begeben. Frau Dr.
Schwarzbach, tätig im St. Hedwigs Krankenhaus, …
schrieb Herrn Prof. Dr. Fink arbeitsunfähig krank. Sie
stellte fest, dass sowohl in der Rückenwirbelsäule als
auch in der Halswirbelsäule ein Wirbel ausgerenkt ist.
Zum Zeitpunkt des Diktats, 12. 10. 1989, konnte ledig-
lich ein Wirbel unter großen Schmerzen wieder einge-
renkt werden. Weitere Behandlung wird erforderlich. Ein
ärztliches Attest wird nachgereicht werden.“

Wenn der Stasi-Bericht die Körperverletzung und die Verlet-
zungsfolgen in Abrede stellt, ist dadurch belegt, dass er zu
zentralen Fragen der Strafanzeige bewusst wahrheitswidrige
falsche Angaben enthält. Vor diesem Hintergrund muss die
angebliche mir in den Mund geschobene Bemerkung als eine
aus der Luft gegriffene reine Erfindung gewertet werden, mit
der versucht wird, das menschenrechtswidrige Vorgehen ge-
gen die Demonstranten und die Angriffe gegen meine Person
durch das angeblich korrekte und schnelle Eingreifen eines
Stasi-Offiziers nachträglich zu beschönigen.

3. Zur Vernichtung der fünf Dr. Heinrich Fink
betreffenden Aktenordner im Dezember 1989
als „maßgebliches Indiz“

Auch hier reduziert sich die Auseinandersetzung mit meinen
Einwänden gegen dieses Indiz auf die lapidare Feststellung:
„Anhaltspunkte dafür, dass die Aktenvernichtung, die von
Dr. Heinrich Fink ausdrücklich mit der Begründung bedauert
worden ist, ansonsten auf Entlastendes zurückgreifen zu
können, von einem Motiv zur Schädigung getragen gewesen
sein könne, habe sich nicht ergeben.“

Hier unterstellt der Ausschuss also ein Schädigungsmotiv
meiner Person als einzig möglichen Grund für die Vernich-
tung der Akten, um dann keine Anhaltspunkte für eine solche
unterstellte Schädigungsabsicht finden zu können. Eine viel
näher liegende Erklärung aufgrund meines Vortrages hierzu
wird also gar nicht erst in Erwägung gezogen:

Die Aktenbände betreffend meine Person dürften des-
halb im November vernichtet worden sein, weil man mir
und der Öffentlichkeit die darin enthaltenen Informatio-
nen und Enthüllungen – gerade auch über die Arbeits-
weise des Stasi mir gegenüber – vorenthalten wollte, zu-
mal ich kurz vorher im Oktober 1989 mit meiner
Strafanzeige gegen DDR-Sicherheitskräfte einen für
DDR-Verhältnisse einmaligen und aufsehenerregenden
Schritt unternommen hatte.

Diese Strafanzeige und die Tatsache,

– dass ein prominenter und über die DDR hinaus engagier-
ter und bekannter Theologe jahrzehntelang bespitzelt
und abgehört wurde,

– dass nicht nur meine umfangreiche regimekritische Tä-
tigkeit, u. a. durch den Einsatz für Kriegsdienstverwei-
gerer, die Versöhnung mit Israel, die Zusammenarbeit
und die Kontakte mit internationalen kritischen Theolo-
gen, mit Führern der westberliner und westdeutschen
Studentenbewegung, des „Prager Frühlings“, sondern
vor allem deren Bekämpfung, Bespitzelung usw. öffent-
lich dokumentiert und herausgekommen wäre und

– dass all dies ausgerechnet im kirchlichen Bereich statt-
fand,

sollen keine Anhaltspunkte sein?

Auch diese Passage in der Feststellung bestätigt: Wer keine
entlastenden Momente sehen will, nur Belastendes finden,
braucht darauf gar nicht erst einzugehen, damit die offen-
sichtliche Voreingenommenheit nicht in Frage gestellt wird.

4. Zu den Einsatz- und Maßnahmeplänen

Hier zeichnet sich die Argumentation durch eine umwer-
fende Logik aus, wenn es heißt:

„… da es völlig unplausibel wäre, falls das MfS über
viele Jahre hinweg den Einsatz zu verschiedensten An-
lässen vorgesehen haben sollte, ohne dass jemals ein der-
artiger Einsatz ,erfolgreich‘ im Sinne des MfS durchge-
führt worden wäre“.

Die Möglichkeitsform des doppelten Konjunktivs ist schon
entlarvend unter der Bedingung („falls“). Tatsächlich müsste
dem Ausschuss auch aus der Praxis bundesdeutscher Ge-
heimdienste, wie etwa dem in München anhängigen bekannt
sein, dass dort jahrelange Fehlplanungen und Fehleinsätze
an der Tagesordnung sind. Dies müsste doch für den Ge-
heimdienst der DDR umso mehr gelten. Wird doch immer
wieder betont, dass die DDR u. a. an einem völlig ineffekti-
ven Verwaltungs- und Behördensystem gelitten habe. Soll
das ausgerechnet für einen Geheimdienst nicht gelten, so
dass man schlussfolgern darf: Wenn es eine genügende An-
zahl von Plänen gibt, muss ja einer von diesen auch tatsäch-
lich erfolgreich gewesen sein …?

III. Zusammenfassung

Dazu fasse ich noch einmal zusammen, was ich als Erklä-
rung am 31. Januar 2001 dem 1. Ausschuss mitgeteilt habe.
Diese Erklärung ist durch die bisherigen Ergebnisse des
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im vollen Umfang
bestätigt und durch die Feststellungen des 1. Ausschusses
nicht erschüttert.

Ich bin zu keinem Zeitpunkt als informeller Mitarbeiter für
das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen. Ich habe
keine Verpflichtungserklärung, weder schriftlich noch
mündlich abgegeben. Die Erklärung der Gauck-Behörde,
dass bei kirchlichen Mitarbeitern eine Verpflichtung per
Handschlag mündlich abgenommen wurde, trifft für mich
nicht zu.

Ich möchte auch an dieser Stelle erklären, dass ich weder
konspirative Berichte für das MfS angefertigt habe, noch
mich in konspirativen Wohnungen getroffen habe, noch Ge-
schenke oder Geldzuwendungen erhalten habe.

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