BT-Drucksache 14/668

Änderung des Ausländergesetzes

Vom 25. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/668 vom 25.03.1999

Antrag der Fraktion der PDS Änderung des Ausländergesetzes =

25.03.1999 - 668

14/668

Antrag
der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Ulla Jelpke, Petra Pau, Sabine
Jünger, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS
Änderung des Ausländergesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des
Ausländerrechts (Ausländergesetz - AuslG) zur Beratung vorzulegen, mit
dem die §§ 92 a und 92 b gestrichen und die Rechtslage vor
Inkrafttreten der Änderungen durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom
28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186) wiederhergestellt werden sowie § 92
Abs. 2 in der Fassung vom 14. Juli 1990 dahin gehend geändert wird, daß
nur absichtliche oder wissentliche Beihilfe bestraft wird.
Bonn, den 25. März 1999
Dr. Evelyn Kenzler
Ulla Jelpke
Petra Pau
Sabine Jünger
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Seit Inkrafttreten der strafverschärfenden Bestimmungen der §§ 92 a, 92
b AuslG in den Jahren 1994 bzw. 1997 ist es vermehrt zu Verurteilungen
von Taxifahrern, insbesondere durch sächsische Gerichte, zunehmend
jedoch auch durch Gerichte anderer Bundesländer, gekommen.
So wurden in dem Zeitraum von 1996 bis 1998 allein im Raum
Zittau/Görlitz weit über 70 Ermittlungsverfahren gegen Taxifahrer
eingeleitet, wovon eine Reihe zu teilweise erheblichen Haftstrafen
zwischen 12 und 48 Monaten verurteilt wurden, die meist nicht zur
Bewährung ausgesetzt wurden. Im Land Brandenburg wurden bislang ca. 45
Ermittlungsverfahren gegen Taxifahrer wegen Einschleusens von
Ausländern eingeleitet. Auch in Bayern werden sowohl gegen deutsche als
auch in größerem Umfang gegen ausländische Taxifahrer
Ermittlungsverfahren durchgeführt, wobei gegen letztere verstärkt auch
Haft- bzw. Geldstrafen verhängt wurden.
Mit der Einführung der §§ 92 a und 92 b AuslG wurden die
Teilnahmehandlungen, d. h. die Anstiftung oder Beihilfe zum
Einschleusen von Ausländern, im Verhältnis zur Haupttat verselbständigt
und zugleich strafverschärft. Beide Bestimmungen wurden durch das
Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186)
eingeführt. Mit dem Gesetz zur Änderung ausländer- und
asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S.
2584) wurde § 92 a Abs. 1 hinsichtlich der Tathandlungen weiter
verschärft. Der Entwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Stärkung des
Rechtsfriedens und zur Bekämpfung des Schlepperunwesens (Drucksache
12/5683), auf dem die vorgenommenen Gesetzesänderungen im wesentlichen
basieren, sollte dazu dienen, dem organisierten Schlepperunwesen
entgegenzuwirken und auf die Praxis gewerblicher Schleusergruppen
sowohl im Bereich der Anstiftung als auch der Beihilfe mit erhöhter
Strafandrohung und Qualifizierung der Straftatbestände zu reagieren. In
der Gesetzesbegründung findet sich jedoch kein Hinweis darauf, daß der
Gesetzgeber hiermit im Bereich der Personenbeförderung Tätige, d. h.
insbesondere Taxifahrer sowie Mitarbeiter öffentlicher
Beförderungsunternehmen wie Zugpersonal oder Busfahrer, als
Hauptzielgruppe der organisierten Schleuserkriminalität im Auge hatte.
Dies trifft auch für die Begründung des Ausländergesetzes vom 28.
Oktober 1994 zu (Drucksache 12/6853).
Die Rechtspraxis und insbesondere die Rechtsprechung im grenznahen
Bereich Sachsens hat jedoch deutlich gemacht, daß die Strafbestimmungen
der §§ 92 a und 92 b aufgrund des zu breiten Auslegungsspielraumes
entgegen der eigentlichen gesetzgeberischen Konzeption in erster Linie
zu einer Kriminalisierung von Taxifahrern geführt haben.
Die bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich ist darüber hinaus
geprägt von einer unzulässigen Ausweitung der Anwendung auf die
vorgenannte Personengruppe, wobei die Gefahr besteht, daß auch eine
Ausweitung auf Mitarbeiter anderer Beförderungsunternehmen erfolgt,
sowie von einer Überdehnung des Straftatbestandes und von
Strafmaßexzessen. Der Umstand, daß einerseits Freiheitsstrafen von z.
T. über zwei Jahren ausgesprochen wurden, obwohl die Angeklagten in der
Regel nicht vorbestraft und sozial integriert sind, zeigt deutlich die
generalpräventive, auf Abschreckung zielende Motivation für diese
unverhältnismäßig hohen Strafen. Hinzu kommt die reale Gefahr, daß
diese extensive Gesetzesanwendung im Bereich der Beihilfe
unkontrolliert auf weitere Mitarbeitergruppen von
Beförderungsunternehmen oder mit ausländischen Mitbürgern beruflich
häufig in Kontakt tretenden Berufsgruppen sowie auch auf private
Kraftfahrer ausgedehnt wird und sich damit vom ursprünglichen Strafziel
des § 92 AuslG immer weiter entfernt. Eine solche Strafpraxis verletzt
rechtsstaatliche Maßstäbe, wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und das Übermaßverbot, und ist gänzlich ungeeignet, die sich aus der
faktischen Abschaffung des Asylrechts im Jahre 1993 ergebenden
politischen und sozialen Konflikte auf dem Rücken privater und
öffentlicher Dienstleister im Personenbeförderungsbereich auszutragen
und diese zu kriminalisieren. Um sich nicht dem Verdacht einer Straftat
auszusetzen, sahen sich z. B. Taxifahrer in grenznahen Gebieten wie
Zittau dazu gezwungen, ausländisch aussehende Bürgerinnen und Bürger
nicht mehr zu befördern. Mit einem Flugblatt an alle Taxifahrerinnen
und Taxifahrer "Nein zu Schleppern und Schleusern" fordert der
Bundesgrenzschutz, "keine offensichtlich illegal eingereisten Personen
in Ihrem Taxi mit(zunehmen)". Mangels entsprechender
Kontrollmöglichkeiten läuft diese auch von Gerichten aufgestellte
realitätsferne Forderung auf einen Generalverdacht gegen alle
ausländischen Mitbürger hinaus. Die betroffenen Berufsgruppen befinen
sich damit in einem für sie unlösbaren Konflikt zwischen drohender
Strafbarkeit einerseits und gemäß § 22 Personenbeförderungsgesetz
bestehender Beförderungspflicht andererseits.
Da die strafbare Beihilfe zum illegalen Aufenthalt bzw. zur illegalen
Einreise hinsichtlich des Schuldvorwurfs insbesondere von sächsischen
und brandenburgischen Gerichten in unzulässig extensiver Weise auch auf
den bedingten Vorsatz ausgedehnt wurde, ist die ausdrückliche
Begrenzung des § 92 Abs. 2 AuslG auf Fälle des direkten Vorsatzes durch
Einfügung der Wörter "absichtlich oder wissentlich" geboten. Es muß dem
Täter auf den Erfolg ankommen, oder er muß ihn als sichere Folge seiner
Handlung voraussehen und im Hinblick darauf tätig werden. Es genügt
nicht, wenn er den illegalen Aufenthalt oder die illegale Einreise
lediglich billigend in Kauf nimmt oder aufgrund der "äußeren Umstände"
darauf hätte schließen müssen. Mangels entsprechender
Kontrollmöglichkeiten sind Taxifahrer nicht dazu in der Lage und
berechtigt, anhand "äußerer Umstände" zu erkennen, wer sich
"offensichtlich" illegal im Bundesgebiet aufhält oder dorthin einreist,
so daß die Anwendung des bedingten Vorsatzes auf Beihilfehandlungen
unzulässig hohe Anforderungen an den betroffenen Personenkreis stellt.
Die Unsicherheit der Taxifahrer über die Rechtslage hat bereits zu
Verweigerungen des Beförderungsauftrages geführt.
Durch das gleichzeitige Wiederherstellen der Gesetzeslage vor
Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. Oktober 1994
fallen zum einen die Strafverschärfungen in § 92 Abs. 2 in dieser
Fassung des Gesetzes von nunmehr bis zu drei Jahren (vorher bis zu
einem Jahr) Freiheitsstrafe und zum anderen die Verschärfung des
Tatbestandes nach § 92 Abs. 1 Nr. 4 i. d. F. vom 29. Oktober 1997 weg.
Beide Gesetzesänderungen sind im Zuge der Streichung der §§ 92 a und 92
b AuslG und Wiederherstellung der früheren Rechtslage ebenfalls
aufzuheben, da sie sich als wenig praktikabel erwiesen haben, zumal das
Machen unrichtiger und unvollständiger Angaben nach § 92 Abs. 1 Nr. 7
AuslG i. d. F. vom 15. Juli 1993 ohnehin strafbar war und eine weitere
Strafverschärfung nicht zur Eindämmung der sog. Schleuserkriminalität
geführt hat.
Da die §§ 92 a und 92 b AuslG im Bereich der Teilnahmehandlungen zu
einer extensiven und immer weniger kontrollierbaren Anwendung nicht
gegen die vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehenen organisierten
Schleusergruppen, sondern gegen in der Personenbeförderung tätige
Taxifahrer geführt haben und die Gefahr einer weiteren Überdehnung
dieser Straftatbestände besteht, ist es dringend geboten, beide
Bestimmungen außer Kraft zu setzen und die Rechtslage vor Inkrafttreten
der Änderungen des AuslG durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.
Oktober 1994 wiederherzustellen.
Diese Gesetzesänderungen dienen dem Rechtsfrieden und der
Rechtssicherheit in den betroffenen Gebieten und Regionen, wenngleich
die grundsätzliche Problematik der Existenz von Sondergesetzen gegen
Teile der Bevölkerung weiterhin ungelöst bleibt.

25.03.1999 nnnn

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