BT-Drucksache 14/6629

Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland - Konzeption eines integrativen "Ein-Säulen-Modells" -

Vom 6. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6629
14. Wahlperiode 06. 07. 2001

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Pieper, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz,
Rainer Funke, Dr. Max Stadler, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, JürgenKoppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Günther
Friedrich Nolting, Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Frakion der F.D.P.

Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland
– Konzeption eines integrativen „Ein-Säulen-Modells“ –

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die Bundesrepublik Deutschland begründet eine Stiftung bürgerlichen

Rechts zur Förderung und Bewahrung der Kunst und Kultur von gesamt-
staatlicher Bedeutung.

2. Die Stiftung trägt den Namen „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutsch-
land“.

3. Das Stiftungskapital in Höhe von mindestens 2 Mrd. Euro ergibt sich aus
der Veräußerung von Gold- und Devisenreserven der Deutschen Bundes-
bank.

4. Mittelvergabe und Steuerungsentscheidungen werden durch einen unabhän-
gigen Stiftungsvorstand bestimmt.

5. Sitz der Stiftung ist Halle an der Saale.

Berlin, den 3. Juli 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/6629 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung
Kunst und Kultur sind von überragender gesellschaftlicher Bedeutung. Sie die-
nen der regionalen und nationalen Identität. Künstlerisches Schaffen und die
Bewahrung von Kulturgütern früherer Generationen sind Aufgaben, die auf
Unterstützung und Förderung durch Staat und Gesellschaft angewiesen sind.
Der hohen Bedeutung von Kunst und Kultur stehen vergleichsweise geringe
Ausgaben des Staates gegenüber. Der Gesamtetat des Beauftragten der Bundes-
regierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien beträgt für das Haus-
haltsjahr 2001 rund 900 Mio. Euro – verglichen schon allein mit den Ausgaben
für Steinkohlesubventionen (3,5 Mrd. Euro), denen für Verkehr und Woh-
nungsbau (24,8 Mrd. Euro), Verteidigung (24 Mrd. Euro) oder gar dem Etat des
Ministeriums für Arbeit und Soziales (86,7 Mrd. Euro) ein verhältnismäßig
kleiner Betrag.
Die Hauptlast der Finanzierung von Kunst und Kultur in Deutschland tragen
die Länder und Kommunen. Bei einem Gesamtbetrag von jährlich über 7 Mrd.
Euro entfällt allein auf die Kommunen ein Anteil von 85 Prozent. Trotz der
großen Anstrengungen und Leistungen der Kommunen leiden gerade zahlrei-
che Städte an kultureller und künstlerischer Verarmung.
Diesen Umständen soll eine gemeinsame Kulturstiftung des Bundes und der
Länder, eine „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“, Rechnung tra-
gen. Der Bund sieht es als seine Verpflichtung an, sich auf diesem Gebiet finan-
ziell stärker zu beteiligen.
Die „Kulturstiftung der Länder“ (KSL) hat seit ihrer Errichtung im Jahre 1988
wertvolle und effektive Arbeit für die Förderung und Bewahrung von Kunst
und Kultur geleistet. Vor allem im Hinblick auf die europäische Einigung er-
scheint es sinnvoll, die Kunst- und Kulturförderung in Deutschland stärker zu
bündeln. Des Weiteren fehlen der „Kulturstiftung der Länder“ die finanziellen
Mittel, die bisher vernachlässigten Bereiche der Restaurierung mobiler Kunst-
schätze sowie der Förderung zeitgenössischer Formen und Entwicklungen auf
dem Gebiet von Kunst und Kultur in angemessenem Umfang zu würdigen. Mit
der Gründung einer „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ als Nati-
onalstiftung geht es auch darum, Konkurrenzen zwischen der von Bund und
Ländern hälftig finanzierten „Kulturstiftung der Länder“ und einer Bundeskul-
turstiftung zu vermeiden. Kompetenzstreitigkeiten werden von vornherein um-
gangen, indem die Verantwortung für die Entscheidungen über die Vergabe der
finanziellen Mittel einem unabhängigen Expertengremium übertragen werden.
Diesem Entscheidungsgremium gehören Vertreter von Bundesrat und Deut-
schem Bundestag an. Die Mehrheit der Stimmen liegt bei den Kunst- und Kul-
tursachverständigen. Im Gegenzug für diese Verlagerung der Entscheidungs-
kompetenz der Länder in der „Kulturstiftung der Länder“ zugunsten
unabhängiger Fachleute stellt der Bund das Stiftungskapital in Höhe von min-
destens 2 Mrd. Euro aus dem Bestand der Goldreserven der Deutschen Bundes-
bank zur Verfügung, ohne daraus seinerseits einen Anspruch auf Stimmen-
majorität abzuleiten.
Die Kulturhoheit der Länder wird durch diese Organisation der neuen, nationa-
len Kulturstiftung des Bundes und der Länder nicht untergraben. Gleichzeitig
stärkt diese unabhängige Stiftung bürgerlichen Rechts den Gedanken der Bür-
gergesellschaft. Denn in ihrer Konzeption bietet die „Kulturstiftung der Bun-
desrepublik Deutschland“ den Anreiz und die Aufforderung an Privatleute und
die Wirtschaft, sich stärker in den Bereichen Kunst und Kultur zu engagieren.
Die Stiftung versteht sich auch als Wegbereiterin moderner Formen der Kultur-
finanzierung wie z. B. Matching Funds, Sponsoring, Public Private Partnership
etc.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6629

1. Aufgaben und Ziele
Der Stiftungszweck der „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ ist
der Erhalt des kulturellen Erbes der Deutschen, die Bewahrung und Pflege von
Kunst- und Kulturwerken von gesamtstaatlicher Bedeutung sowie die Förde-
rung von überregional und international bedeutsamen Kunst- und Kulturvor-
haben.
Im Einzelnen fördert und unterstützt die „Kulturstiftung der Bundesrepublik
Deutschland“ folgende Bereiche:
– den Erwerb für die deutsche Kultur besonders wichtiger und bewahrenswür-

diger Zeugnisse, vor allem wenn deren Abwanderung ins Ausland verhin-
dert werden soll oder wenn sie aus dem Ausland zurückerworben werden
sollen (Erwerb von Kunstgütern) [bis jetzt KSL]

– den Erhalt und Erwerb beweglicher Kunstschätze von gesamtstaatlicher
Bedeutung (Restaurierung von Kunstgütern)

– zeitgenössische Formen und innovative Entwicklungen von besonderer
Bedeutung auf dem Gebiet von Kunst und Kultur (Förderung innovativer
Kunst) [bis jetzt teils KSL]

– Vorhaben der Dokumentation und Präsentation deutscher Kunst und Kultur
(Wissenschaft) [bis jetzt KSL]

– künstlerische Nachwuchsförderung
– überregional und international bedeutsame Kunst- und Kulturvorhaben [bis

jetzt KSL]

2. Verhältnis zur „Kulturstiftung der Länder“ (KSL)
Die „Kulturstiftung der Länder“ geht in der neu zu gründenden „Kulturstiftung
der Bundesrepublik Deutschland“ auf. Die bisherigen Erfahrungen der „Kultur-
stiftung der Länder“ bieten wertvolle Anhaltspunkte für den Aufbau der neuen
„Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“. Eine personale und struk-
turelle Kontinuität ist im Hinblick auf die Nutzbarmachung der Erfahrung
wünschenswert. Die bei der KSL angesiedelten Fonds (z. B. der Literatur-
fonds) erhalten eine gemeinsame Verwaltungsstruktur unter Aufrechterhaltung
ihrer Vergabeautonomie.

3. Verhältnis zur „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“
Die „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“ setzt sich seit 1985 mit großem Erfolg
für den Erhalt bedrohter Baudenkmale und das Werben für den Gedanken des
Denkmalschutzes ein. Für diese Aufgaben stehen der privaten Initiative jähr-
lich circa 35 Mio. Euro zur Verfügung. Der Denkmalschutz, gerade in den
neuen Bundesländern, wird daneben über den Etat des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen jährlich mit circa 100 Mio. Euro für die
städtebauliche Denkmalpflege und circa 125 Mio. Euro für die Städtebauförde-
rung unterstützt. Die Beträge erhöhen sich in beträchtlichem Maße durch die
Komplementierungspflicht der Länder und Kommunen. Hinzu kommt der dem
Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Me-
dien zugeordnete Haushaltstitel „Substanzerhaltung und Restaurierung von
unbeweglichen Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung“ i. H. v. 15 Mio.
Euro (2001).
Diese großen Fördersummen lassen sich mit dem angestrebten Stiftungskapital
nicht annähernd realisieren. Daher soll die bewährte Förderung des Denkmal-
schutzes durch Bund, Länder und Kommunen sowie die private Initiative der
„Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ in dieser Form bestehen bleiben und

Drucksache 14/6629 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nicht zu den Zielen der „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ ge-
hören.
Die von Bund und Ländern bisher bereitgestellten Zuwendungen für die „Kul-
turstiftung der Länder“ in Höhe von jeweils 16 Mio. DM jährlich kommen der
„Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ zugute.

4. Verhältnis zur „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ (SPK)
Die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ wird von der Errichtung einer „Kultur-
stiftung der Bundesrepublik Deutschland“ nicht berührt und besteht in ihrer
bewährten Struktur und Finanzierungsform weiter. Denkbar sind projektorien-
tierte Zuschüsse, die jedoch nicht als Ersatz für ausfallende Haushaltsmittel
dienen dürfen.

5. Rechtsform
Die „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ wird als rechtsfähige
Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet. Dadurch wird eine möglichst große
Ferne von staatlicher Einflussnahme sowie eine größere Flexibilität gewähr-
leistet. Darüber hinaus bietet dieser privatrechtliche Charakter die Grundlage
für private Zustiftungen, die bei einer Stiftung öffentlichen Rechts in der Haus-
haltsverantwortung des Bundes nicht zu erwarten sind. Auf diese Weise kann
die Kulturstiftung zu einem Kristallisationspunkt für die Wirtschaft und Privat-
personen werden, sich im Bereich von Kunst und Kultur zu engagieren.

6. Finanzielle Ausstattung
Als Vorbild insbesondere hinsichtlich der Finanzierung kann die „Deutsche
Bundesstiftung Umwelt“ dienen. Das Kapital der 1990 errichteten Stiftung bür-
gerlichen Rechts in Höhe von circa 1,3 Mrd. Euro entstammt dem Erlös des
Verkaufs der Salzgitter AG.
In Bezug auf die „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ sollte das
notwendige Stiftungsvermögen durch Veräußerungen aus den Goldreserven der
Deutschen Bundesbank gewonnen werden. Es ist nicht ersichtlich, warum es
bisher eine mit einem solchen Kapital ausgestattete Stiftung nicht auch für den
Bereich der Kultur gibt. Die dadurch gewonnene haushaltspolitische Unabhän-
gigkeit ermöglicht längerfristige Planungen und verhindert parteipolitische
Einflussnahme.
Die Bundesbank verfügt über hohe Gold- und Devisenreserven. Diese sind
heute für die Stabilität der Währung nicht mehr notwendig. Die Bundesbank-
reserven beliefen sich Ende Mai 2001 auf circa 32 Mrd. Euro in Gold und
52 Mrd. Euro in Devisen. Diese hohen Reserven hatten für die D-Mark noch
eine gewisse Berechtigung, da ein großer Teil der Gesamtmenge an D-Mark im
Ausland gehalten wurde und wird. Seit der Euro-Einführung 1999 ist die Bun-
desbank aber nur noch zur anteiligen (20,41 %) Bereitstellung von Reserven
verpflichtet. Nach dem gegenwärtigen Stand hat sie der Europäischen Zentral-
bank (EZB) 20,4 Mrd. Euro nach Anforderung durch diese zur Verfügung zu
stellen. 12,3 Mrd. Euro davon sind bereits übertragen. Weitere Erhöhungen der
Verpflichtung sind denkbar, können aber kaum die Reserven der Bundesbank
aufzehren, da die Reserven anderer europäischer Zentralbanken proportional
kleiner sind.
Die stillen Reserven, die durch die europäischen Bilanzierungsvorschriften auf-
gedeckt wurden, lassen sich nur durch Verkäufe realisieren. Eine maßvolle Re-
duzierung der Reserven widerspricht der Erfüllung der Aufgaben des Europäi-
schen Systems der Zentralbanken (ESZB) nicht, da die Bundesbank absolut,
aber auch proportional über deutlich höhere Reserven verfügt als andere natio-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/6629

nale Zentralbanken. Bei der Gesetzesänderung ist der aus den europarecht-
lichen Verpflichtungen erwachsende Rahmen zu berücksichtigen.

7. Stiftungsorgane
Die „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ erhält einen Stiftungs-
vorstand, dessen Mitglieder erstmalig von Deutschem Bundestag und Bundes-
rat berufen werden. Die Mitglieder müssen unabhängige Persönlichkeiten sein.
Spätere Berufungen erfolgen durch den Stiftungsvorstand selbst im Einverneh-
men mit Deutschem Bundestag und Bundesrat. Der Stiftungsvorstand erledigt
die laufenden Geschäfte der Verwaltung. Der Vorsitzende des Vorstands vertritt
die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich.
Der Stiftungsvorstand beruft einen Stiftungsrat, dessen Mitglieder angesehene
Wissenschaftler, Kunst- oder Kultursachverständige sind sowie Vertreter von
Deutschem Bundestag, Bundesrat und Wirtschaft. Sie werden auf fünf Jahre
berufen. Eine Wiederberufung ist möglich. Der Stiftungsrat berät den Stif-
tungsvorstand in allen Angelegenheiten, die in Zusammenhang mit der Erfül-
lung des Stiftungszwecks stehen.

8. Sitz der Stiftung
Sitz der „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ wird Halle an der
Saale. Die dort sich im Wiederaufbau befindenden Franckeschen Stiftungen
sind wegen ihrer kulturhistorischen Bedeutung für ganz Deutschland ein idea-
ler Standort für die „Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland“ und ver-
fügen zugleich über die notwendigen räumlichen Kapazitäten. Sie sind als Teil
des kulturellen Erbes Mitteldeutschlands zugleich Symbol der über die Jahre
der Teilung Deutschlands hinweg stets bestehenden kulturellen Einheit der
deutschen Nation.

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