BT-Drucksache 14/6578

Rechtsnatur von Schreiben des Bundesministers der Finanzen

Vom 4. Juli 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6578
14. Wahlperiode 04. 07. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Gisela Frick, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Dr. Max Stadler, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Rechtsnatur von Schreiben des Bundesministers der Finanzen

Nach Artikel 108 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) werden die Länder im
Auftrag des Bundes tätig, soweit sie Steuern verwalten, die ganz oder zum Teil
dem Bund zufließen. Nach Artikel 108 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit
Artikel 85 Abs. 3 und 4 GG unterstehen die Landesbehörden den Weisungen
der zuständigen obersten Bundesbehörden. Der Vollzug der Weisung ist durch
die obersten Landesbehörden sicherzustellen.

Zwischen Bund und Ländern ist streitig und nie geklärt worden, ob Artikel 108
Abs. 3 GG dem Bund, vertreten durch den Bundesminister der Finanzen, ein
Recht zur Erteilung allgemeiner Weisungen gibt. An das Bundesverfassungsge-
richt ist diese Frage nicht herangetragen worden. In der Praxis werden seit 1970
Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF-Schreiben) herausgegeben,
die mit den Ländern abgestimmt sind. Der Bundesminister der Finanzen gibt
solche Schreiben nur heraus, wenn die Mehrzahl der Länder keine Einwendun-
gen dagegen erhoben hat.

Auch die so genannten AfA-Tabellen (AfA: Absetzung für Abnutzung) wurden
bzw. werden als BMF-Schreiben veröffentlicht. Die Verlängerung der Ab-
schreibungszeiten zum 1. Januar 2001 führt nach Schätzungen des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen (BMF) zu höheren Steuern für die Unternehmen von
wenigstens 3,5 Mrd. DM. Von der Wirtschaft wurde ein Vielfaches dieser Zah-
len genannt. Die Verlängerung der Abschreibungszeiten wurde auf ein Urteil
des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1997 zurückgeführt. Die Präsidentin des
Bundesfinanzhofs hat in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses
des Deutschen Bundestages ausdrücklich verneint, dass das genannte Urteil die
Verlängerung der Abschreibungszeiten notwendig mache.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Rechtsnatur hat ein BMF-Schreiben?

2. Welche Personen in welcher Funktion haben die Vereinbarung vom
15. Januar 1970 getroffen?

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3. Welche Rechtsgrundlage berechtigt zu dieser Vereinbarung?

4. Trifft es zu, dass beim Abstimmungsverfahren über ein BMF-Schreiben je-
des Land eine Stimme hat, eine Stimmverteilung nach Einwohnergewich-
tung wie im Bundesrat also nicht existiert?

5. Trifft es zu, dass der Bund bei Abstimmung eines BMF-Schreibens keine
Stimme hat?

6. Was kann in einem BMF-Schreiben geregelt werden?

7. Welche Norm des Grundgesetzes ermächtigt zur Herausgabe eines BMF-
Schreibens?

8. Für wen ist ein BMF-Schreiben rechtsverbindlich?

9. Gibt es eine faktische Bindungswirkung von BMF-Schreiben?

10. Hat nach Auffassung der Bundesregierung die Bundesregierung, vertreten
durch den Bundesminister der Finanzen, ein allgemeines Weisungsrecht
gegenüber den Landesfinanzbehörden in Bezug auf die Verwaltung der
Einkommensteuer?

11. Falls ja, kann die Bundesregierung benennen, in wie vielen Fällen seit
1990 vom Weisungsrecht nach Artikel 85 Abs. 3 GG Gebrauch gemacht
worden ist?

12. Falls nein, wo sieht die Bundesregierung den Anwendungsbereich von
Artikel 85 Abs. 3 GG?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es rechtlich zumindest
fragwürdig ist, wenn sich die Exekutive von Bund und Ländern darauf ver-
ständigt, das Grundgesetz in einem Punkt nicht anzuwenden?

14. Trifft es zu, dass die Berichterstatter des Hauptausschusses des Parlamen-
tarischen Rates anerkannt haben, dass die Weisungen des Artikels 85
Abs. 3 GG allgemeine Weisungen umfassen?

15. Welche Auffassung vertritt nach Kenntnis der Bundesregierung der Bun-
desrechnungshof hinsichtlich eines allgemeinen Weisungsrechtes des Bun-
des bei Auftragsverwaltung durch die Länder?

16. Welchen rechtlichen Stellenwert hat ein BMF-Schreiben im Verhältnis zu
einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift im Sinne von Artikel 108 Abs. 7
GG?

17. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Entscheidungen wie die
Verlängerung der Abschreibungszeiten mit erheblichen steuerlichen Aus-
wirkungen auch formal nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung ge-
troffen werden können?

18. Sind der Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf
die Herausgabe von BMF-Schreiben bekannt?

19. Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Bedenken?

Berlin, den 3. Juli 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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