BT-Drucksache 14/6504

Haltung der Bundesregierung zu Werbeverboten für Nahrungs- und Genussmittel

Vom 27. Juni 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

27. 06. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, Dr. Helmut Haussmann,
Ina Albowitz, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff,
Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim
Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard
Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Haltung der Bundesregierung zu Werbeverboten für Nahrungs- und Genussmittel

Die Europäische Kommission hat am 30. Mai 2001 den Vorschlag für eine
Richtlinie über die Werbung für Tabakerzeugnisse und das damit in Verbindung
stehende Sponsoring vorgelegt (KOM-Drucksache 2001/283). Der Europäische
Gerichtshof hat eine frühere Richtlinie (98/43/EG vom 6. Juli 1998) durch
Urteil vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-376/98 für nichtig erklärt.
Auch der neue Vorschlag der Europäischen Kommission wirft über den ange-
sprochenen Regelungsbereich der Tabakerzeugnisse hinaus grundsätzliche Fra-
gen der Kompetenzabgrenzung zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft,
der Subsidiarität, der Medienpolitik, der wirtschaftlichen Rolle der Werbung
und der Folgen von Werbeverboten für Wirtschaft und Gesellschaft auf. Der
neue Richtlinienvorschlag kann sich zu einem Modellfall über das Verhältnis
gemeinschaftlicher und einzelstaatlicher Eingriffsbefugnisse, gesellschaftlicher
Subsidiarität und der Verantwortlichkeit des Einzelnen entwickeln.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Zur Wirtschaftspolitik

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch die Werbung für
Genuss- und Nahrungsmittel unverzichtbarer Bestandteil einer wettbewerbs-
orientierten Marktwirtschaft und der notwendigen Information der Verbrau-
cher ist?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für legale Produkte grund-
sätzlich auch geworben werden darf und dass an Beschränkungen der
Werbe- und Informationsfreiheit hohe Anforderungen, insbesondere im
Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit zu stellen sind?
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3. Wie hoch sind die von dem neuen Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion erfassten Werbeaufwendungen der Wirtschaft?

Welche Auswirkungen wird insbesondere ein allgemeines Verbot der Ta-
bakwerbung in Presseerzeugnissen für die Wirtschaftlichkeit und die Ar-
beitsplätze haben

a) in der Verlagswirtschaft,

b) in der Werbewirtschaft,

c) in der Tabakwirtschaft?

II. Zur Medienpolitik

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass unterschiedliche nationale
Vorschriften über die Werbung sich nicht zu Informations- und Medienhin-
dernissen im Binnenmarkt entwickeln dürfen?

5. Tritt die Bundesregierung dafür ein, dass jeder Bürger in der Union jede
Zeitung oder Zeitschrift frei beziehen kann, auch wenn im Herkunfts- und
im Bestimmungsland unterschiedliche Vorschriften über die Werbung gel-
ten?

6. Ist die Bundesregierung bereit, ähnlich wie beim „Fernsehen ohne Gren-
zen“ bei den Printmedien für eine „Presse ohne Grenzen“ einzutreten?

7. Wie hoch ist der Anteil der Auslandsauflage deutscher Zeitschriften und
Zeitungen in den Mitgliedstaaten der EU (in Zahlen und in Prozent der Ge-
samtauflage)?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Struktur der Leser-
schaft deutscher Zeitungen und Zeitschriften in anderen Mitgliedstaaten
der EU?

Wie hoch ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen an dieser Leser-
schaft?

9. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen deutsche Zeitungen und
Zeitschriften in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht verkauft werden durften,
weil sie Anzeigen für Tabakerzeugnisse enthielten?

III. Zur Europapolitik

10. Wird die Bundesregierung dem Richtlinienvorschlag der Europäischen
Kommission im Ministerrat zustimmen?

11. Erwägt die Bundesregierung, gegebenenfalls erneut vor dem Europäischen
Gerichtshof zu klagen?

12. Was wird die Bundesregierung tun, falls sie im Ministerrat überstimmt
wird?

13. Beachtet der neue Vorschlag der Europäischen Kommission nach Meinung
der Bundesregierung die vom Europäischen Gerichtshof im Urteil vom
5. Oktober 2000 gezogenen Grenzen für eine gemeinschaftsweite Rege-
lung der Tabakwerbung?

14. Wird die Bundesregierung dafür eintreten, dass der von der Europäischen
Kommission auf die Vorschriften über den Binnenmarkt gestützte Vor-
schlag auch von den für den Binnenmarkt zuständigen Ministern beraten
wird?

15. Wie gedenkt die Bundesregierung das Parlament über den Fortgang der
Verhandlungen zu unterrichten?
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IV. Zur Verbraucherpolitik

16. Wird die Bundesregierung dem Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestags über die Beratungen
laufend Bericht erstatten?

17. Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Beratungen
über den neuen Vorschlag der Europäischen Kommission im Rat der Ge-
sundheitsminister erfolgen, während nach dem Organisationserlass des
Bundeskanzlers für Fragen des Lebensmittelrechts und damit auch der Ta-
bakwerbung die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft zuständig ist?

18. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Wirkung von Ver-
boten der Tabakwerbung in anderen Ländern?

19. Wie hat sich die Zahl der jugendlichen Raucher in Ländern mit Werbever-
boten für Tabakerzeugnisse (z. B. Norwegen, Finnland, Italien und Frank-
reich) im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland entwickelt?

20. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Tabakwerbung keinen ent-
scheidenden Einfluss darauf hat, ob und wann Kinder und Jugendliche mit
dem Rauchen beginnen?

21. Teilt die Bundesregierung unsere Auffassung, dass auch bei der Regelung
der Werbung für Genussmittel Selbsthilfe und Selbstkontrolle Vorrang vor
staatlichen Regelungen haben sollten?

Ist sie bereit, darüber auch weiterhin mit der Tabakwirtschaft zu sprechen?

Berlin, den 26. Juni 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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