BT-Drucksache 14/6346

zu der Unterrichtung der Bundesregierung -14/5326- Agrarbericht 2001 - Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung

Vom 20. Juni 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6346
14. Wahlperiode 20. 06. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Matthias Weisheit, Brigitte Adler,
Ernst Bahr, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Rainer Brinkmann (Detmold),
Christel Deichmann, Peter Dreßen, Annette Faße, Iris Follak, Günter Graf
(Friesoythe), Reinhold Hemker, Gustav Herzog, Iris Hoffmann (Wismar), Eike
Hovermann, Barbara Imhof, Ilse Janz, Marianne Klappert, Ute Kumpf, Werner
Labsch, Lothar Mark, Holger Ortel, Silvia Schmidt (Eisleben), Wilhelm Schmidt
(Salzgitter), Heinz Schmitt (Berg), Karsten Schönfeld, Reinhard Schultz
(Everswinkel), Antje-Marie Steen, Reinhold Strobl (Amberg), Jella Teuchner,
Dr. Norbert Wieczorek, Heino Wiese (Hannover), Dr. Wolfgang Wodarg, Heidemarie
Wright, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/5326 –

Agrarbericht 2001
Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Fortschritte in der Neuorientierung der
Lebensmittelproduktion in Deutschland.

 Dem Verbraucherschutz, der Lebensmittelsicherheit, dem Tierschutz und
einer umweltgerechten Landbewirtschaftung wird Vorrang eingeräumt.

 Die Maßnahmen zur Bewältigung der BSE-Krise waren erfolgreich: Das
umfassende Verbot der Tiermehlverfütterung, der Ausschluss von Risiko-
materialien aus der Nahrungsmittelkette, die breite Anwendung der verfüg-
baren Testverfahren und ihre Weiterentwicklung sowie die Intensivierung
der Forschung dienen der Lebensmittelsicherheit und der Wiederherstellung
des Vertrauens der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Unbedenklich-
keit ihrer Lebensmittel.

 Durch umfangreiche Vorsorgemaßnahmen konnte ein Ausbruch der Maul-
und Klauenseuche in Deutschland verhindert werden. Wirtschaftliche Nach-
teile mussten in Kauf genommen werden. Die drohende Seuche wurde aber
auch als Chance genutzt, um bezüglich des Umfangs von Tiertransporten
und der Strategien zur Seuchenbekämpfung einen Prozess des Umdenkens
in der EU zu initiieren.

Drucksache 14/6346 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

 Alle an der Neuorientierung der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelpro-
duktion beteiligten Akteure – Verbraucher, Landwirte, Futtermittelindustrie,
Lebensmittelindustrie, Handel und die Politik – haben Verhandlungen auf-
genommen, damit die Nahrungsmittelproduktion auch langfristig den Be-
dürfnissen eines optimalen Verbraucherschutzes entspricht und die einzel-
nen Schritte der Lebensmittelproduktion transparent gestaltet werden.

 Es wurde eine breite Übereinstimmung über die Kriterien für das neue Öko-
siegel erreicht. Das neue Ökosiegel bedeutet eine größere Vereinheitlichung
und mehr Markttransparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, trägt
zur Entwicklung der Nachfrage nach Erzeugnissen des ökologischen Land-
baus und zur nachhaltigen Entwicklung der Produktion bei.

 Auch konventionelle Lebensmittel müssen sicher sein, eine hohe Qualität
aufweisen und umweltverträglich produziert werden. Die Arbeiten an einem
Qualitätssiegel für die konventionelle Landwirtschaft, das höhere Standards
dem Verbraucher transparent machen soll, schreiten voran.

 Mit dem Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-
Richtlinie und weiterer Richtlinien zum Umweltschutz wurden die Anforde-
rungen an Intensivtierhaltungsanlagen heraufgesetzt. Dies bringt Vorteile für
den Schutz der Umwelt, aber auch für die Viehhaltung in Deutschland. So
wird die dringend benötigte Akzeptanz der Viehhaltung in der Bevölkerung
erhöht und ein Beitrag zu seiner Standortsicherung geleistet.

 Die Bundesregierung hat erreicht, dass in Deutschland und auf EU-Ebene
weitere Verbesserungen beim Tierschutz, insbesondere in der Haltung land-
wirtschaftlicher Nutztiere und beim Tiertransport, in Angriff genommen
wurden. Der Entwurf einer Legehennen-Haltungsverordnung mit dem Ziel
des Verbots der Käfighaltung, zeigt in die richtige Richtung.

 Sie hat auf EU-Ebene die durch die Agenda-Beschlüsse eröffneten Perspek-
tiven für eine umfassende Reform der EU-Agrarpolitik aufgegriffen und neue
Bündnispartner gefunden, damit der anstehende mid-term-review für eine
breit angelegte Umsteuerung in der EU-Agrarpolitik genutzt werden kann.

 Die Bundesregierung hat sich mit den Ländern über neue Prioritäten in der
Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes verständigt und die Weichen für eine umwelt-, natur- und tierge-
rechte Qualitätsproduktion sowie eine standort- und marktangepasste Land-
bewirtschaftung neu gestellt.

 Die neue Energiepolitik der Bundesregierung setzt auf Energieeinsparung,
Energieeffizienz und somit auf Luftreinhaltung und Klimaschutz. Der Ein-
satz regenerativer Energien kommt der Land- und Forstwirtschaft mittelbar
oder unmittelbar zugute, zum einen durch Reduzierung der Umweltbelas-
tungen, zum anderen durch verbesserten Absatz nachwachsender Rohstoffe
und die damit verbundenen neuen Einkommens-Perspektiven. Durch die
Vergütung von Strom aus Biomasse wird der Forstwirtschaft eine aktive
Rolle im Klimaschutz zuerkannt. Der Energieträger Holz wird zunehmend
wettbewerbsfähig und bietet auch ökonomisch eine echte Alternative zu
Mineralöl und Gas.

 Ökologische Waldnutzung und Vermarktung gehen Hand in Hand. Ein
wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Zertifizierung von Forstbetrieben.
Die Zertifizierung soll die deutsche Forstwirtschaft zu einer stetigen Verbes-
serung ihrer Bewirtschaftungspraktiken anregen. Dabei werden an Zertifi-
zierungsverfahren hohe Ansprüche im Blick auf Transparenz und Glaub-
würdigkeit gestellt.

 Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit werden der Steuersatz für Agrardie-
sel weiter auf 50 Pfennige je Liter Diesel gesenkt und die Mineralölsteuer
auf Heizstoffe für Unterglasanbaubetriebe teilweise vergütet.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6346

 Die Land- und Forstwirtschaft profitiert von der Unternehmens- und Ein-
kommenssteuerreform. Die überwiegend mittelständischen Betriebe haben
Anteil an erheblichen Tarifentlastungen.

 Die strukturelle Entwicklung der Betriebe wurde erleichtert. Für die Teil-
nehmer am Flächenerwerbsprogramm in den neuen Ländern wurde Rechts-
sicherheit geschaffen.

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft setzte sich entsprechend der langjäh-
rigen Entwicklung fort. Die Zahl der Beschäftigten hat sich stabilisiert.

Die Ertragslage der Haupterwerbsbetriebe verbesserte sich im Wirtschaftsjahr
1999/2000 insgesamt. Der Einkommensrückgang des letzten Jahres wurde ent-
gegen den Erwartungen des Vorjahres mehr als ausgeglichen. Dies gilt vor
allem für die Veredlungsbetriebe, für Marktfrucht- und Gemischtbetriebe.

Einen Einkommensrückgang mussten hingegen die Futterbaubetriebe hinneh-
men. Auch die Ertragsentwicklung der Betriebe des ökologischen Landbaus
war unbefriedigend. Gerade diese Betriebsgruppen sind für eine nachhaltige
Landbewirtschaftung besonders wichtig.

Diese Ergebnisse sind vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen nicht
befriedigend. Während einige Betriebsgruppen auch in diesem Jahr weitere
Einkommensverbesserungen verzeichnen werden, müssen insbesondere die
Betriebe mit Rinderhaltung trotz höherer Erlöse für Milch drastische Einbußen
verkraften.

Die gegenwärtige Entwicklung der Nachfrage nach ökologisch erzeugten Pro-
dukten zeigt aber auch, dass die Betriebe mit einer an den Verbraucherwün-
schen orientierten Produktion und Vermarktung bessere Einkommen erwirt-
schaften können.

Die Landwirtschaft braucht weiter die Unterstützung der Gesellschaft, damit
der notwendige Wandel hin zu einer verbraucherorientierten und nachhaltigen
Landbewirtschaftung bewältigt werden kann, der ländliche Raum als Arbeits-
und Wirtschaftsstandort gesichert und dabei den Ansprüchen von Umwelt und
Natur einschließlich der Tiere Rechnung getragen wird.

Die Neuausrichtung der Agrarpolitik ist nicht von heute auf morgen machbar.
Entscheidungsabläufe in der EU und mit den Beteiligten auf nationaler Ebene
brauchen Zeit und kontinuierliche Initiative.

III. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Ziele der neuen Landwirtschafts-
politik, die in den Drucksachen 14/4544 und 14/5228 (Anträge der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Nachhaltige Entwicklung ländlicher
Räume“ und „Neuausrichtung der Agrarpolitik: Offensive für den Verbraucher-
schutz – Perspektiven für die Landwirtschaft“) bereits formuliert worden sind.

Er fordert die Bundesregierung und alle Beteiligten auf, zügig daran zu arbei-
ten, damit diese Ziele in absehbarer Zeit erreicht werden können.

Der Bundestag fordert die Bundesregierung außerdem auf,

 die Verhandlungen mit den Ländern über die Neuausrichtung der Gemein-
schaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes
fortzusetzen und bald zum Abschluss zu bringen,

 die nationalen Spielräume bei der Förderung im Rahmen der Agenda 2000
zum Umsteuern in der Agrarpolitik auszunutzen und die durch Modulation
der EU-Prämienzahlungen eingesparten Mittel für die Neuausrichtung der

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Agrarpolitik und die Förderung des ländlichen Raums zu verwenden. Die
notwendige Kofinanzierung ist durch Bund und Länder sicherzustellen.

 den Faktor „Arbeitsplätze“ entschieden in der künftigen Förderstruktur ein-
zubringen.

 in den Verhandlungen auf EU-Ebene, insbesondere zu den aktuell anstehen-
den Entscheidungen über die Marktordnung Rindfleisch, dafür einzutreten,
dass die Stützungssysteme im Hinblick auf eine verbraucher- und marktge-
rechte, umwelt- und naturverträgliche Landbewirtschaftung sowie artge-
rechte Tierhaltung umgestaltet werden. Dabei sind soziale Komponenten
wie die Sicherung von Arbeitsplätzen mit einzubeziehen. Prämien sollen
von der Produktion abgekoppelt werden. Durch Umschichtung soll eine all-
gemeine Grünlandprämie eingeführt werden. Langfristiges Ziel ist der Aus-
stieg aus der Milchquotenregelung bei gleichzeitiger Sicherung der regiona-
len Produktion in den Grünlandgebieten.

 sich für den weiteren Abbau von Wettbewerbsverzerrungen in der EU einzu-
setzen, gegebenenfalls aber auch national abweichende Regelungen vorzuse-
hen.

 dafür Sorge zu tragen, dass die Maßnahmen den unterschiedlichen Betriebs-
strukturen in Deutschland gerecht werden.

 Projekte im Zusammenhang mit dem Bündnis für Arbeit im ländlichen
Raum sowie der Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung voranzutreiben.

 die BSE-Forschung und Maßnahmen gegen BSE weiterzuführen und zu
intensivieren.

 die Transparenz im Lebensmittel- und Futtermittelbereich durch verbrau-
cherfreundliche Etikettierung und offene Deklaration aller Inhaltsstoffe zu
verbessern. Gute Qualitäten und anspruchsvolle Produktionsverfahren ha-
ben ihren Preis. Verbraucherinnen und Verbrauchern müssen an der La-
dentheke die Chance erhalten, darüber mitzuentscheiden. Preisdumping
durch den Handel und Verkauf unter Einstandspreisen ist ebenso entschie-
den entgegenzutreten wie ungerechtfertigten Preissteigerungen.

 alle relevanten Tierhaltungsverordnungen im Sinne einer artgerechten Tier-
haltung zu überarbeiten und die Privilegierung der gewerblichen Tierhaltung
im Baurecht abzubauen.

 im Rahmen eines Aktionsprogramms Ökologischer Landbau den Absatz
ökologisch produzierter Lebensmittel zu fördern.

 in Zusammenarbeit mit den Bundesländern das Thema Gesundheit und Er-
nährung in Lehrpläne und Ausbildungsprogramme zu integrieren.

 die Möglichkeiten der Biomassenutzung im stofflichen und energetischen
Bereich für die Landwirtschaft weiterzuentwickeln.

 im Bereich der Forstwirtschaft dem Prozess der fortschreitenden Säurebelas-
tung des Waldes, dem Stickstoffeintrag aus der Landwirtschaft und den wei-
ter steigenden Ozonbelastungen durch den Autoverkehr entgegenzuwirken.

 den Prozess der Weiterentwicklung eines anspruchsvollen Forst-Zertifizie-
rungssystems voranzubringen mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit sowie die
ökonomisch, ökologisch und sozial relevanten Qualitäten des Waldes ange-
messen zu verbessern.

Berlin, den 20. Juni 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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