BT-Drucksache 14/6238

Auswirkungen der V-Leute-Tätigkeit von Neonazis auf das NPD-Verbotsverfahren

Vom 30. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

6238

14. Wahlperiode

30. 05. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Gerhard Jüttemann,
Kersten Naumann, Rosel Neuhäuser, Roland Claus und der Fraktion der PDS

Auswirkungen der V-Leute-Tätigkeit von Neonazis auf das NPD-Verbotsverfahren

Nach einer Meldung der „Thüringer Landeszeitung“ (TLZ) vom 16. Mai 2001
befürchtet der ehemalige Thüringer Innenminister Richard Dewes, „die ver-
meintliche Spitzelaffäre im Landesamt für V erfassungsschutz könnte negative
Auswirkungen auf den laufenden NPD-V erbotsantrag auf Bundesebene ha-
ben“. Und auch der stellvertretende V orsitzende der PDS-Landtagsfraktion,
Bodo Ramelow, sieht, laut „Thüringer Allgemeine“ (T A) vom 14. Mai 2001,
aufgrund der Af färe „Gefahren für das NPD-V erbotsverfahren“. „Sollte sich
zeigen, dass bei den kritisierten Verbindungen der NPD zu gewaltbereiten Ex-
tremisten der Verfassungsschutz öfter die Finger im Spiel habe, sei der Erfolg
des Verbots gefährdet“, gibt die T A eine Äußerung des Landtagsabgeordneten
wieder.

Hintergrund der Kritik ist die Enttarnung des führenden Thüringer Neonazis
und zeitweiligen stellvertretenden V orsitzenden des NPD-Landesverbandes
T. B. als langjährigen V -Mann des Thüringer Landesamts für V erfassungs-
schutz. T. B. erhielt dafür , laut TA vom 12. Mai 2001, „insgesamt eine sechs-
stellige Summe, die er vor allem zur Or ganisation von rechten Aufmärschen
verwendet hat“.

Vor dem Hintergrund, dass T. B. als einer der virulentesten Neonazis in Thürin-
gen gilt und einen wesentlichen Anteil an der or ganisatorischen und personel-
len Verschmelzung von NPD und militanter Neonazi-Szene in Thüringen hat,
werden nun Befürchtungen laut, die NPD könne im Rahmen des NPD-Verbots-
verfahrens die offenbar hochbezahlte V-Mann-Tätigkeit B.’s dafür nutzen, ihre
Radikalisierung der letzten Jahre als bewusste Strategie des V erfassungsschut-
zes darzustellen.

Womit die Gefahr bestehe, dem Thüringer V erfassungsschutz könne die Rolle
eines „Agent Provokateur“ zugewiesen werden.

Erste Hinweise in diese Richtung of fenbart ein Eintrag im Internet-Diskus-
sionsforum des rechtsextremen „Thüringer Heimatschutzes“ (THS) vom
18. Mai 2001. Darin verlautbart ein Diskussionsteilnehmer: „Gewinnen wir der
Sache mal was Positives ab. Durch die T atsache, wenn es so sein sollte, dass
die Schlapphüte Aufmärsche f nanziert haben, einmal Dankeschön. W eiterhin
wird diese T atsache den V erbotsantrag gegen die NPD mächtig ins W ackeln
bringen. Karlsruhe, wir schauen auf dich. W ir werden sehen wer am Ende
lacht.“

Darüber hinaus gibt es bereits Stimmen, die auch den Beitrag Thüringens zum
NPD-Verbotsantrag selbst scharf kritisieren. In der TA vom 12. Mai 2001 wird
etwa der bündnisgrüne Innenpolitiker Cem Özdemir zitiert, der die Thüringer
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Zuarbeit zum NPD-V erbotsantrag „schlicht ein Nichts“ genannt haben soll.
Und als, so die T A im selben Beitrag, die Nordhäuser SPD-Bundestagsabge-
ordnete Gisela Schröter kürzlich den Chef des Bundesverfassungsschutzes
nach der Thüringer Zuarbeit fragte, antwortete Heinz Fromm nur kurz: „Das ist
ein Thüringer Problem, das in Thüringen gelöst wird.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung zur V orbereitung des NPD-V erbotsantrages aus
dem Bundesland Thüringen wichtige und/oder aussagekräftige Materialien
bekommen?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn nein, worauf führt die Bundesregierung dies zurück?

c) Wie bewertet die Bundesregierung diese Zuarbeit vor dem Hintergrund
der aktuellen Verfassungsschutzaffäre um den V-Mann T. B.?

2. Hat die Bundesregierung vom Landesamt für V erfassungsschutz Thüringen
in den letzten fünf Jahren Zuarbeiten für die Einschätzung des bundesweiten
Rechtsextremismus (etwa für den Bericht des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz) bekommen?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese im Hinblick auf ihre
Aussagekraft?

c) Wenn nein, warum nicht?

3. Sind der Bundesregierung aus den letzten 10 Jahren ähnliche Fälle des Ein-
satzes von hohen Neonazi-Funktionären als V -Leute aus anderen Bundes-
ländern bekannt?

a) Wenn ja, wie viele und welche (bitte nach Bundesländern auf isten)?

b) Wenn ja, wie bewertet sie diese Einsätze?

4. Sieht die Bundesregierung im Einsatz von hohen Neonazi-Funktionären als
V-Leute für den V erfassungsschutz grundsätzliche Probleme oder Schwie-
rigkeiten (beispielsweise in Bezug auf die Verwendung der finanziellen er-
gütungen der V-Leute)?

a) Wenn ja, welche?

b) Wenn ja, wie begegnet sie diesen?

c) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 22. Mai 2001

Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Roland Claus und Fraktion

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