BT-Drucksache 14/6188

Sperrzeiten für Gaststätten und Biergärten kundenfreundlicher gestalten

Vom 30. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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6188

14. Wahlperiode

30. 05. 2001

Antrag

der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Ina Albowitz,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich,
Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L.
Kolb, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Marita Sehn, Dr. Hermann
Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Jürgen Türk,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Sperrzeiten für Gaststätten und Biergärten kundenfreundlicher gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Außengastronomie (Biergärten)

Für die Außengastronomie und die Verbraucher ist die derzeitige Gesetzeslage,
die zum Schließen von Biergärten um 22.00 Uhr führt, unbefriedigend. Die all-
gemeine Sperrzeit, die grundsätzlich auch für die Außengastronomie gilt, be-
ginnt je nach Bundesland zwischen 1.00 Uhr und 5.00 Uhr . Die Sperrzeitenre-
gelungen für die Außengastronomie werden im V orhinein durch Länder bzw .
kommunale rechtliche Bestimmungen in V erbindung mit immissionsschutz-
rechtlichen Vorschriften eingeschränkt und in der Regel auf 22.00 Uhr festge-
legt. Das Hauptproblem der Außengastronomie ist der Lärmschutz. Deshalb
genügt für die Außengastronomie (z. B. Bier gärten) allerdings die alleinige
Änderung des § 18 Gaststättengesetz nicht, da für die Festlegung der Sperr -
zeiten immer die von der Freiluftgaststätte ausgehenden Geräuscheinwirkun-
gen berücksichtigt werden müssen. In der Regel führt das in der Praxis zum
Schließen der Bier gärten um 22.00 Uhr . Weil die Freiluftgaststätten aus dem
Anwendungsbereich der T A-Lärm herausgenommen wurden, sind zurzeit
keine gesetzlichen V orschriften vorhanden, die die Immissionen/Geräusch-
einwirkungen von Freiluftgaststätten beurteilen und bewerten. Dennoch ziehen
Gemeinden und Gerichte bei Rechtsstreitigkeiten zur Beurteilung der
Geräuschimmissionen von Biergärten die TA-Lärm in entsprechender Anwen-
dung heran. Das bedeutet, dass die Geräusche, die von Freischankf ächen aus-
gehen, also hauptsächlich menschlicher Kommunikationslärm, wie technischer
Lärm gemessen und nach der T A-Lärm bewertet werden. Diese kompromiss-
lose Anwendung der auf die Bewertung von Industrielärm zugeschnittenen TA-
Lärm führt zu einer Überbewertung des individuellen Nachbarschutzes und zu
sozial unverträglichen Er gebnissen. Menschliche Kommunikationsgeräusche,
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etwa das Reden, Lachen oder Singen sollten daher nicht wie technische Geräu-
sche, wie zum Beispiel Bohren, Hämmern oder Sägen bewertet werden. Mess-
verfahren und Immissionsrichtwerte für Geräuscheinwirkungen von außen-
gastronomischen Betrieben sind – genauso wie bei Sportstätten bereits in der
18. BImSchVO „Sportstätten“ vorgeschrieben – erforderlich.

Die Verkürzung des Sperrzeitenbeginns für die Außengastronomie (Biergärten
u. Ä.) in V erbindung mit einer immissionsschutzrechtlichen Er gänzung trägt
der Erkenntnis Rechnung, dass zu einem f orierenden Stadtwesen eine f orie-
rende Gaststättenstruktur gehört. Dies verlangt aber auch eine entsprechende
Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Außengastronomie. Die Nachfrage
nach außengastronomischen Leistungen hat sich infolge eines gewandelten
Konsumentenverhaltens in den letzten Jahren mehr und mehr auf die späteren
Abendstunden verlagert. Diesem gewandelten Konsumentenverhalten haben
bereits einige Länder mit ähnlichen Initiativen entsprochen. Die V erkürzung
der Sperrzeiten ermöglicht es der Außengastronomie, auf Gästewünsche ent-
sprechend flexibel zu reagieren, und trägt in vielen Fällen zur Belebung und At
traktivität der Innenstädte bei.

Auch aus „Tourismusstädten“ wird immer wieder die Forderung vor getragen,
die Sperrzeiten für die Außengastronomie durch V erschieben des Sperrzeiten-
beginns zu verkürzen, da eine erhöhte diesbezügliche Nachfrage vorliegt und
diese Städte in der Regel über eine außengastronomische Infrastruktur verfü-
gen, bei der eine längere Nutzung sinnvoll ist. Insbesondere die südeuropäi-
schen Länder Spanien, Frankreich und Italien haben liberale Sperrzeiten. Des-
halb muss sich auch das T ourismusland Deutschland als ein gastfreundliches
und offenes Land präsentieren: Zu einem attraktiven Tourismusstandort gehört
eine ausgeprägte Biergartenkultur.

Biergärten erfüllen insbesondere in den Sommermonaten einen wichtigen
gesellschaftspolitischen Zweck, da die Gäste verstärkt draußen sitzen möchten.
Sie sind eine Stätte der Begegnung und der Kommunikation und stellen für die
Bewohner von Innenstädten oftmals eine „Oase“ im Grünen dar.

Das Ausgehverhalten hat sich, auch bedingt durch längere Ladenöffnungs-
zeiten, zeitlich nach hinten verlagert und die Gäste möchten bis 24.00 Uhr oder
länger verweilen. Die Bundesregierung trägt diesem geänderten Ausgehver-
halten hingegen nicht Rechnung. Durch Einführung der Sommerzeit Mitte der
70er Jahre sind die Abende gerade in den Sommermonaten noch taghell und
die Temperaturen auch um 23.00 oder 24.00 Uhr noch sehr hoch. Die Gäste
und die gastgewerblichen Unternehmer erwarten von der Bundesregierung eine
Angleichung der Öf fnungszeiten für Bier gärten an das veränderte Ausgehver -
halten.

Schließlich ist mit dem Erlass einer BImSchVO „Außengastronomie“ ein spür-
barer und nachhaltiger Rechtsfrieden bei Nachbarschaftsstreitigkeiten verbun-
den.

Sperrzeitenregelung für das Gaststättengewerbe

Die Sperrzeitenregelungen sind für das Gaststättengewerbe von herausragender
Bedeutung. Insbesondere die Gastronomie im Außenbereich (Biergärten) und
bestimmte gastgewerbliche Formen (z. B. Nachtcafés, Diskotheken) hängen
existenziell von einer großzügigen Sperrzeitregelung ab. V eränderte Lebens-
verhältnisse der Bürger und Bürgerinnen, die insbesondere auch ihre Freizeit-
gestaltung prägen, erfordern große Freiräume und ein hohes Maß an individuel-
len Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die jetzigen Sperrzeitenregelungen ist das
jedoch nur unzureichend sicher gestellt. Immer mehr Länder (z. B. Rheinland-
Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Hessen) gehen
zu liberalen Sperrzeiten über. Eine Verlängerung oder Verkürzung der Sperrzei-
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ten im Einzelfall oder aus bestimmten Anlässen erfordert bürokratischen Auf-
wand und ist mit Kosten für den Antragsteller verbunden. Bei Verlängerung be-
fristeter Ausnahmegenehmigungen sind Neuanträge erforderlich, die wiederum
gebührenpflichtig sind und so zu einer weiteren Belastung des Gaststättenge
werbes führen.

Mit der Veränderung des § 18 Gaststättengesetz und der Festlegung auf eine
bundesweite, einheitliche Regelung wird den Bedürfnissen des Gaststätten-
gewerbes und der Bür ger und Bür gerinnen entsprochen. Zudem wird so eine
Entwicklung in den Ländern aufgegriffen, die ebenfalls die Sperrzeiten verkür-
zen. Eine bundeseinheitliche Regelung wirkt vorbildhaft. Länderregelungen
werden zum Teil obsolet. Das führt zu einer Entbürokratisierung in den Län-
dern und Gemeinden, mindert den Verwaltungsaufwand und spart Kosten.

Die neue Regelung eröf fnet die Chance, staatliches Handeln in erheblichem
Umfang einzuschränken. Im gemeinsamen Interesse von W irtschaft und Ge-
sellschaft wird eine praxisgerechte Regelung gefunden, die den Anforderungen
an eine zukunfts- und wettbewerbsorientierte Dienstleistungsbranche ent-
spricht.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Vorschlag zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes in Form
einer BImSchVO „Außengastronomie“ vorzulegen, damit die Freiluftgaststät-
ten, wie z. B. Biergärten, ebenfalls von einer Liberalisierung der Sperrzeiten
profitieren. Dazu müssen Bie gärten bis mindestens 24.00 Uhr öf fnen dürfen.
Ein gesondertes Messverfahren und gesonderte Grenzwerte für Geräuschim-
missionen – wie z. B. bei Sportstätten – sind auch für die Außengastronomie
sinnvoll und erforderlich;

den § 18 Gaststättengesetz wie folgt zu ändern:

Die örtlich zuständigen Behörden können bei Vorliegen eines öffentlichen Be-
dürfnisses oder besonderer örtlicher V erhältnisse eine Sperrzeit für Schank-
und Speisewirtschaften sowie für öf fentliche Vergnügungsstätten für einzelne
Betriebe festlegen. Der derzeit geltende § 18 Abs. 1 Satz 1 Gaststättengesetz
entfällt. Den Ländern verbleibt noch eine neue Zuständigkeitsregelung für die
Neufassung des § 18 Gaststättengesetz zu treffen.

Berlin, den 29. Mai 2001

Ernst Burgbacher
Gudrun Kopp
Rainer Brüderle
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer

Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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