BT-Drucksache 14/6054

Entwurf eines Gesetzes zur Versorgungsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Versorgungsangleichungsgesetz)

Vom 16. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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6054

14. Wahlperiode

16. 05. 2001

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Paul K. Friedhoff, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Klaus Haupt, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Günther Friedrich Nolting, Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Entwurf eines Gesetzes zur Versorgungsangleichung in der gesetzlichen
Krankenversicherung (Versorgungsangleichungsgesetz)

A. Problem

Mit dem Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung (GKV) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2657) sind die für die neuen
Bundesländer geltenden besonderen Vorschriften in der gesetzlichen Kranken-
versicherung aufgehoben und die noch vorhandenen unterschiedlichen recht-
lichen Rahmenbedingungen für Versicherte, Leistungserbringer und Kranken-
kassen abgebaut worden. Bestehen geblieben sind aber beträchtliche
Unterschiede im Versorgungs- und Ausgabenniveau in den Leistungsbereichen
der GKV, in denen zum Ausgangszeitpunkt der Ausgabenbudgetierung durch
das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) eine Angleichung der Versorgungsstruk-
turen der neuen Bundesländer an diejenigen des übrigen Bundesgebietes noch
nicht abgeschlossen war. Hierdurch ist – insbesondere in den letzten Jahren –
durch die gegenüber den ursprünglichen Erwartungen niedrigere Entwicklung
der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassen-Ost der Angleichungs-
prozess ins Stocken geraten. § 313a Abs. 3 SGB V i. d. F. des Rechtsanglei-
chungsgesetzes verhindert dabei ausdrücklich, dass zusätzliche Finanzmittel,
welche den Krankenkassen in den neuen Bundesländern als Folge des ab
1. Januar 2001 bundesweit durchgeführten Risikostrukturausgleiches zufließen,
zur Finanzierung dieses Angleichungsprozesses eingesetzt werden dürfen.

Nachteile sind ebenfalls dadurch entstanden, dass überbereichliche Kranken-
kassen, die ihren Sitz im Westen haben, jedoch einen starken Mitgliederzu-
wachs aus den neuen Bundesländern hatten, für deren Versorgung Vergütungen
an die Kassenärztlichen Vereinigungen im Westen nach niedrigeren „Ostpau-
schalen“ zahlen, die im Wege des Fremdkassenzahlungsausgleiches an die
Kassenärztlichen Vereinigungen weitergeleitet worden sind. Diese erhebliche
Ausweitung des komplizierten Fremdkassenausgleichs hat insgesamt zu einem
Übermaß an Bürokratie und zu inkonsistenten Verwerfungen in der Vergü-
tungsstruktur geführt.
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Betroffen sind von den unterschiedlichen Versorgungs- und Vergütungsbedin-
gungen in den neuen Bundesländern insbesondere die vertragsärztliche Versor-
gung und die Heilmittelversorgung. In diesen Leistungsbereichen liegt der An-
teil der Leistungsausgaben je Versicherten in den neuen Bundesländern nach
wie vor deutlich unter 80 Prozent der jeweiligen Leistungsausgaben je Ver-
sicherten in den alten Bundesländern. Dass damit die ambulante Versorgung in
den neuen Bundesländern bereits aufgrund der unterschiedlichen demogra-
fischen Struktur unterfinanziert ist, geht exemplarisch aus einem Gutachten des
IGES Institut für Gesundheits- und Sozialforschung zur Entwicklung der ver-
tragsärzlichen Versorgung in den neuen Bundesländern hervor. Zahlreiche
Untersuchungen belegen überdies die höhere Krankheitslast in den neuen Bun-
desländern. Vor diesem Hintergrund beschleunigt das Fortdauern von deutlich
niedrigeren Ausgaben je Versicherten in einzelnen Leistungsbereichen in den
neuen Bundesländern die Gefahr einer versteckten Rationierung in der wohn-
ortnahen ambulanten Versorgung. In einigen Gebieten gelingt es heute schon
nicht mehr Nachfolger für freiwerdende Arztpraxen zu gewinnen. Eine solche
Entwicklung gefährdet die Versorgung in nicht zu verantwortender Weise.

B. Lösung

Die aufgezeigten Probleme lassen sich dadurch lösen, dass die Kopfpauschalen
im Rahmen von Regelleistungsvolumina durch feste Punktwerte ersetzt wer-
den, eine schrittweise Angleichung der zurzeit deutlich unter Westniveau
liegenden Preise und Vergütungen in den neuen Bundesländern binnen drei
Jahren erfolgt sowie Vergütungsvereinbarungen vor Ort für alle GKV-Ver-
sicherten, die dort wohnen, getroffen werden.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Für Bund und Länder keine. Den Krankenkassen in den neuen Bundesländern
entstehen zusätzliche Kosten durch den stufenweisen Angleichungsprozess.
Dem stehen jedoch erhöhte Einnahmen aus dem Risikostrukturausgleich
gegenüber.
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Entwurf eines Gesetzes zur Versorgungsangleichung in der gesetzlichen
Krankenversicherung (Versorgungsangleichungsgesetz)

Der Bundestag hat folgendes Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Kran-
kenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezem-
ber 1988, BGBl. I S. 2477) zuletzt geändert durch Artikel 1
des Gesetzes vom 22. Dezember 1999, BGBl. I S. 2657,
wird wie folgt geändert:

1. § 83 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt neu gefasst:

„Die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen mit den
für ihren Bezirk zuständigen Landesverbänden der
Krankenkassen und Verbänden der Ersatzkassen Ge-
samtverträge mit Wirkung für die Krankenkassen der je-
weiligen Kassenart über die vertragsärztliche Versor-
gung der Versicherten mit Wohnort in ihrem Bereich.“

2. § 85 Abs. 1 und 2 werden wie folgt neu gefasst:

„(1) Die Krankenkasse entrichtet mit befreiender Wir-
kung nach Maßgabe der Gesamtverträge, an denen sie
beteiligt ist, eine Gesamtvergütung für die vertragsärztli-
che Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Be-
reich dieser Kassenärztlichen Vereinigung.

(2) Die Höhe der Gesamtvergütung wird im Gesamt-
vertrag mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen
vereinbart. Die Gesamtvergütung ist als Punktwert für
die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten
ärztlichen Leistungen zu vereinbaren. Gleichzeitig sind,
bezogen auf den an der vertragsärztlichen Versorgung
teilnehmenden Leistungserbringer oder auf Gemein-
schaften von Leistungserbringern, arztgruppenspezifi-
sche oder indikationsbezogene Regelleistungsvolumen
zu vereinbaren, innerhalb derer der vereinbarte Punkt-
wert gilt und bei deren Überschreiten die Höhe des
Punktwertes in zu vereinbarenden Stufen absinkt. Die
Arztgruppen sind an den landesrechtlichen Regelungen
zur ärztlichen Berufsausübung unter Berücksichtigung
bedarfsgerechter Versorgungsstrukturen auszurichten.
Indikationsbezogene Regelleistungsvolumen sollen zur
Förderung der auf die medizinische Versorgung be-

stimmter, insbesondere chronischer Erkrankungen aus-
gerichteten Versorgungsstrukturen (Disease-Manage-
ment) vereinbart werden. Die Partner der Bundesmantel-
verträge vereinbaren einheitliche Grundlagen für die
Bildung arztgruppenspezifischer und indikationsbezoge-
ner Regelleistungsvolumen.“

3. § 85 Abs. 2a sowie 3a bis 3c werden gestrichen.

4. § 85 Abs. 3 erhält folgende Fassung:

„(3) Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages verein-
baren die Veränderungen der Gesamtvergütungen unter
Berücksichtigung von Änderungen im Versorgungsbe-
darf sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Beitrags-
satzstabilität (§ 71 SGB V).“

5. § 85 Abs. 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die Ge-
samtvergütungen an die Vertragsärzte. Sie wendet dabei
den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkas-
sen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Bei der Vertei-
lung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der
Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen. Der
Verteilungsmaßstab soll sicherstellen, dass eine übermä-
ßige Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes ver-
hindert wird.“

6. § 85 Abs. 4a bis 4f werden gestrichen.

Artikel 2
Übergangsvorschriften, Inkrafttreten

§ 1
Übergangsvorschrift

Für das in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet
findet § 71 SGB V mit der Maßgabe Anwendung, dass in
einer Zeitspanne von drei Jahren nach Inkrafttreten des
Gesetzes abweichend von der Veränderungsrate des § 71
Abs. 2 Veränderungsraten zu vereinbaren sind, die eine
stufenweise Angleichung ermöglichen.

§ 2
Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am 1. Januar 2002 in Kraft.

Berlin, den 16. Mai 2001

Dr. Dieter Thomae
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff

Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Klaus Haupt
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Günther Friedrich Nolting
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
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Begründung

A. Allgemeines

Die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversi-
cherung in den neuen Bundesländern ist nach Ablauf der
durch das Gesundheitsstrukturgesetz eingeführten gesetzli-
chen Budgetierungsphase ab 1996 für die einzelnen Versor-
gungsbereiche sehr unterschiedlich verlaufen. Während für
die meisten Versorgungsbereiche das Ausgabenniveau der
gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zwischen
den neuen Bundesländern und dem übrigen Bundesgebiet
weitgehend angeglichen ist, stehen für die ambulante Versor-
gung der Patienten in den neuen Bundesländern je Versicher-
ten nur 77 Prozent der Mittel in den alten Bundesländern zur
Verfügung. Bei der Heilmittelversorgung beträgt dieser An-
teil nur 69 Prozent. Die seit 1997 durch das GKV-Solidari-
tätsstärkungsgesetz eingeführte bundeseinheitliche Grund-
lohnsummensteigerung als Maßstab für die Entwicklung der
Gesamtvergütungen und für die vereinbarten Leistungsent-
gelte mit Heilmittelerbringern führt nicht zu einer Verringe-
rung des Abstandes zwischen Ost und West, sondern wegen
der unterschiedlich hohen Ausgabenbasen zu einem weiteren
Auseinanderklaffen der Ausgabenentwicklung.

Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass in den neuen
Bundesländern eine schlechtere Altersstruktur besteht und
erfahrungsgemäß bei einem höheren Durchschnittsalter der
GKV-Versicherten ein höherer Versorgungsbedarf je Ver-
sicherten besteht. Eine Untersuchung des IGES-Institutes zu
diesen Fragen hat ergeben, dass unter Berücksichtigung von
Alters- und Geschlechtsunterschieden die Ost-West-Aus-
gabenrelation im Jahr 1998 nicht bei knapp 78 Prozent, son-
dern um rund 1,5 Prozentpunkte niedriger, nämlich bei nur
76,5 Prozent liegt. Um diese altersbedingt wachsenden Aus-
gleichsansprüche bei gleichbleibender Ost-West-Relation
auszugleichen, müssten nach dieser Studie die Vergütungen
pro Versicherten in den neuen Bundesländern im Jahr 1999
um zwei Prozent, im Jahr 2002 bereits um knapp 3,1 Prozent
und im Jahr 2005 bereits um nahezu 3,9 Prozent angehoben
werden. Für die Heilmittelversorgung sind vergleichbare
Auswirkungen zu vermuten.

Die Auswirkungen des niedrigeren Ausgabenniveaus für die
ambulante Versorgung der Versicherten in den neuen Bun-
desländern zeigen sich ebenfalls nach einer Studie von IGES
in einer deutlich höheren Häufigkeit vermeidbarer Krank-
heiten, einer wesentlich schlechteren Personalsituation und
einer sinkenden Zahl von Ausbildungsplätzen in den neuen
Bundesländern.

Bei einer in nahezu allen neuen Bundesländern in der Rela-
tion zu den übrigen Bundesländern niedrigeren Kranken-
hausbettendichte mit einer geringeren Zahl von Pflegetagen
je Versicherten im Vergleich zu den übrigen Bundesländern
ist davon auszugehen, dass die ambulante Versorgung ent-
sprechend stärker in Anspruch genommen wird, was sich
aber im Ausgabenvolumen nicht niederschlägt.

Dabei entsprechen die neuen Bundesländer mit einem Anteil
von 60 Prozent Allgemeinärzten und 40 Prozent Fachärzten
genau den Planungsvorgaben, die die Bedarfsplanungsricht-
linien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen

seit Jahren für das Verhältnis von hausärztlicher zu fachärzt-
licher Versorgung anstreben. Die fachärztliche Versorgung
hat sich jedoch insbesondere im medizinisch-technischen
Bereich erst im Verlaufe der letzten fünf Jahre auf das jetzt er-
reichte Niveau entwickelt. Die Zuwachsraten in der fachärzt-
lichen Versorgung einschließlich der Anschaffung medizi-
nisch-technischer Großgeräte sind bedarfsgerecht und nicht
als Überversorgung zu werten. Die mit dem GKV-Gesund-
heitsreformgesetz 2000 bundeseinheitlich durchgeführte
Aufteilung der vertragsärztlichen Gesamtvergütung in einem
hausärztlichen und einem fachärztlichen Gesamtvergütungs-
anteil auf der Grundlage des Jahres 1996 hat sich trotz dieser
bedarfsgerechten Entwicklung dramatisch auf die Vergü-
tungslage der fachärztlichen Versorgung ausgewirkt. Beson-
ders negativ wirkt sich dabei in den neuen Bundesländern die
aus dem fachärztlichen Vergütungsanteil zu finanzierende
psychotherapeutische Versorgung aus. Da in den neuen Bun-
desländern „Erstattungspsychotherapeuten“ nur in sehr ge-
ringer Zahl durch die Krankenkassen in Anspruch genom-
men wurden, spiegeln die Budgets, die auf Vergangenheits-
daten rekurrieren, den tatsächlichen Bedarf nicht aus-
reichend wieder, mit der Folge, dass jetzt der fachärztliche
Gesamtvergütungsanteil extrem durch die stark wachsenden
Ausgaben für die psychotherapeutische Versorgung belastet
wird.

Die neuen Bundesländer sind durch diese Entwicklungen be-
sonders stark betroffen. In einem ersten Schritt müssen des-
halb innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren die Vergü-
tungen an das Westniveau angepasst werden.

Die Anpassung der Vergütung allein reicht jedoch nicht aus.
Auch die alten Bundesländer haben zunehmend mit den Fol-
gen der gesetzlichen Budgetierung und ihrer nicht bedarfs-
gerechten jährlichen Fortschreibung zu kämpfen. Eine neue
Grundlage für das Vergütungssystem muss deshalb dafür sor-
gen, dass medizinischer Fortschritt, eine steigende Zahl älte-
rer Menschen, eine steigende Zahl kranker Menschen sowie
die Zunahme von Schwersterkrankten adäquate Berücksich-
tigung finden und die Ärzte auf einer verlässlichen Kalkula-
tionsgrundlage wirtschaftlich arbeiten können. Feste Punkt-
werte ersetzen deshalb die heutige Budgetierung mit ihren
Konsequenzen der floatenden Punktwerte.

Darüber hinaus muss der viel zu komplizierte und viel zu bü-
rokratische Fremdkassenausgleich, der in den letzten Jahren
erheblich angewachsen ist, wieder auf ein vernünftiges Maß
reduziert werden. Er war ursprünglich dafür gedacht, einen
Ausgleich zu schaffen, wenn Versicherte außerhalb ihres
Wohnortes, der im Normalfall mit dem Sitz der Kranken-
kasse zusammenfiel, sich in ärztliche Behandlung begeben
mussten. Nunmehr wird vorgesehen, dass die Verträge zwi-
schen Kassenärztlicher Vereinigung und Landesverband der
Krankenkassen einer Kassenart eine Vereinbarung für alle
Versicherten treffen, die ihren Wohnort in diesem Bereich ha-
ben, unabhängig davon, bei welcher Krankenkasse sie versi-
chert sind. Der Ausgleich erfolgt dann auf der Basis dieser
Vergütungen zwischen der Krankenkasse des Versicherten
und der Kassenärztlichen Vereinigung, der die behandelnden
Ärzte angehören.
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B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 Nr. 1

§ 83 Abs. 1 Satz 2

Durch die Zunahme der Fälle, in denen Krankenkassen
außerhalb ihres Sitzes eine Vielzahl von Versicherten ver-
sichern, ist der Fremdkassenausgleich in den letzten Jahren
auf ein unakzeptables Maß ausgeweitet worden. Die Kompli-
ziertheit des Verfahrens sowie durch das Verfahren entste-
hende Ungereimtheiten in der Vergütungsstruktur machen
eine Änderung erforderlich.

Der Fremdkassenausgleich wird deshalb durch diese Rege-
lung auf seine ursprünglich Funktion reduziert, einen Aus-
gleichsmechanismus zwischen Kassenärztlichen Vereini-
gungen für Versicherte zu schaffen, die sich während eines
vorübergehenden Aufenthaltes außerhalb ihres Wohnortes
einer ambulanten ärztlichen Behandlung unterziehen müs-
sen. Die neue Regelung beinhaltet, dass für alle Versicherten
einer Kassenart mit Wohnsitz in einem KV-Bezirk ein Ver-
trag zwischen KV und Landesverband dieser Krankenkasse
geschlossen wird, egal an welchem Ort die versichernde
Krankenkasse ihren Sitz hat. Für Versicherte mit Wohnort
Berlin, die bei einer Krankenkasse mit Sitz in Hamburg versi-
chert sind, bedeutet das z. B., dass die Vergütung der nieder-
gelassenen Ärzte gemäß der Vereinbarung zwischen der KV
Berlin und dem Landesverband dieser Kassenart Berlin er-
folgt.

Zu Artikel 1 Nr. 2

§ 85 Abs. 1

Es wird sichergestellt, dass die Krankenkasse für ihre Ver-
sicherten einschließlich deren mitversicherter Familienange-
höriger, die ihren Wohnsitz nicht am Sitz der Krankenkasse
haben, an die KV des Wohnortes eine Gesamtvergütung mit
befreiender Wirkung entrichtet. Die Abrechnung erfolgt auf
diese Weise direkt zwischen KV und zuständiger Kranken-
kasse und nicht über den Fremdkassenausgleich.

§ 85 Abs. 2

Die heutige Vergütung nach Kopfpauschalen ist kontrapro-
duktiv. Sie führt kollektiv zu sinkenden Punktwerten, wenn
mehr oder teurere Leistungen erbracht werden und zwar auch
dann, wenn diese notwendig sind, um die gesundheitliche
Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Erschwerend
kommt hinzu, dass die Kopfpauschalen historisch gewach-
sen sind und nicht etwa den Versorgungsbedarf widerspie-
geln. Diese Situation hat sich durch die jahrelange unreflek-
tierte Fortschreibung aufgrund der gesetzlichen Budgetie-
rung deutlich verschärft.

Die Regelung sieht deshalb feste vereinbarte Punktwerte für
ärztliche Leistungen vor, die ab einer vereinbarten Leistungs-
menge differenziert nach Arztgruppen oder Indikationen ab-
gestaffelt werden können. Der Indikationsbezug soll dabei si-
cherstellen, dass adäquate Vergütungsregelungen für Versor-
gungsstrukturen geschaffen werden können, die insbeson-
dere auf chronische Erkrankungen ausgerichtet sind, also so
genannte Disease-Management-Projekte.

Durch die festen Punktwerte erhalten die Ärzte die Planungs-
sicherheit, die sie brauchen, um ihre Arztpraxen unter wirt-

schaftlichen Gesichtspunkten effizient betreiben zu können.
Die Krankenkassen erhalten durch die Abstaffelung die
Sicherheit, dass die Anreizmechanismen so gesetzt sind,
dass sich ungerechtfertigte Mengenausweitungen nicht ren-
tieren.

Zu Artikel 1 Nr. 3

§ 85 Abs. 2a

Eine Sonderregelung zur Vergütung vertragsärztlicher Leis-
tungen zur Substitutionsbehandlung Drogenabhängiger ist
bei Vereinbarung fester Punktwerte im Rahmen von Regel-
leistungsvolumina nicht mehr erforderlich, weil den Be-
sonderheiten im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen
Rechnung zu tragen ist. Absatz 2a wird deshalb gestrichen.

§ 85 Abs. 3a bis 3c

Die Absätze 3a bis 3c entfallen mit der Abschaffung der
gesetzlich vorgegebenen Budgetierung, da sie Detail-
regelungen zur Ausgestaltung der Budgetanpassungen ent-
halten.

Zu Artikel 1 Nr. 4

§ 85 Abs. 3

Bei der Vereinbarung fester Punktwerte im Rahmen des Re-
gelleistungsvolumens kommt es entscheidend auf den Ver-
sorgungsbedarf an. Auf die gesonderte Berücksichtigung der
Praxiskosten und der Arbeitszeit, die im Übrigen auch bisher
kaum eine Rolle gespielt haben, kann deshalb verzichtet wer-
den. Statt dessen wird der Versorgungsbedarf zur maßgeb-
lichen Einflussgröße.

Zu Artikel 1 Nr. 5

§ 85 Abs. 4

Aufgehoben wird die gesetzlich vorgegebene Trennung der
Gesamtvergütungen für die Bereiche der hausärztlichen und
der fachärztlichen Versorgung sowie die Sonderregelungen
im Verteilungsmaßstab zur Vergütung der Leistungen der
Psychotherapeuten und ausschließlich psychotherapeutisch
tätigen Ärzte. Bei einer Vereinbarung von festen Punktwer-
ten, die für ärztliche Leistungen quasi vereinbarte Preise vor-
sieht, sind solche Regelungen überflüssig. Vielmehr müssen
die Verhandlungspartner in den Vereinbarungen den beson-
deren Belangen der unterschiedlichen Arztgruppen sowie der
unterschiedlichen Leistungsstrukturen Rechnung tragen.
Ebenfalls entfallen sind die Regelungen zu den so genannten
Regelleistungsvolumina, die nunmehr nicht mehr Option
sondern Obligatorium sind.

Zu Artikel 1 Nr. 6

§ 85 Abs. 4a

Die Regelungen des Absatzes 4a sind mit dem Übergang zu
einem System fester Punktwerte hinfällig geworden. Die
darin vorgesehenen Kriterien zur Verteilung der Gesamtver-
gütungen, die der Bewertungsausschuss bestimmen sollte,
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ergeben sich in einem System fester Punktwerte durch die
Festsetzung der Preisrelationen.

§ 85 Abs. 4b bis 4f

Die Absätze 4b bis 4f, die Sonderregelung zur Abstaffelung
im zahnärztlichen Bereich enthalten, sind in einem System
fester Punktwerte ebenfalls hinfällig.

Zu Artikel 2

§ 1 Übergangsvorschrift

Die Vorschrift gewährleistet für die neuen Bundesländer die
Angleichung der Vergütungen an das Westniveau über eine
Zeitspanne von drei Jahren hinweg. Der Grundsatz der Bei-
tragssatzstabilitiät findet insofern keine Anwendung.

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