BT-Drucksache 14/6032

Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft

Vom 15. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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6032

14. Wahlperiode

15. 05. 2001

Antrag

der Abgeordneten Petra Bläss, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Ruth Fuchs,
Uwe Hiksch, Dr. Heidi Knake-Werner, Ursula Lötzer, Heidemarie Lüth, Pia Maier,
Kersten Naumann, Rosel Neuhäuser, Dr. Ilja Seifert und der Fraktion der PDS

Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest,

1. dass das Grundgesetz in Artikel 3 Abs. 2 die Gleichberechtigung von Män-
nern und Frauen postuliert. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die Durchset-
zung der tatsächlichen Gleichberechtigung zu fördern. Trotz dieses verfas-
sungsrechtlichen Gebots und des Verbots der Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts (Artikel 3 GG) sind Frauen in der gesellschaftlichen Realität
weiterhin gegenüber Männern benachteiligt und haben im Erwerbsleben
keinen gleichberechtigten Zugang zu qualifizierten Positionen und allen Tä-
tigkeitsbereichen. Dies gilt auch für die meisten bedeutungsvollen gesell-
schaftlichen Einflusssphären wie Politik und öffentliche Ämter;

2. dass sich trotz unterschiedlicher Strukturen und Branchen in der Privatwirt-
schaft noch immer bestimmte Grundmuster zu Lasten von Frauen ausbilden:
Es sind die Frauen, die zuerst entlassen oder deren Arbeitsverhältnisse zu-
nehmend in flexible und ungeschützte Arbeitsverhältnisse umgewandelt
werden. Neuere Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit sowie des Statistischen
Bundesamtes belegen ein weiteres Mal, dass der Arbeitsmarkt in der Bun-
desrepublik Deutschland geschlechtsspezifisch geteilt ist. Frauen sind über-
proportional in den unteren Ebenen der Betriebshierarchie vertreten, stellen
einen Großteil der Teilzeitbeschäftigten und ausschließlich geringfügig
Beschäftigten und sind von Arbeitslosigkeit ebenfalls stärker betroffen.
Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede existieren weiterhin. Auch die
direkten und die subtilen Aufstiegsblockaden gegenüber Frauen jüngerer
Generationen mit hohem Ausbildungsniveau nehmen zu;

3. dass in den 90er Jahren der Gesetzgeber nicht die notwendigen Konsequen-
zen gezogen hat, um die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung
zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken“:
Das individuelle Diskriminierungsverbot des § 611a BGB ist noch immer
rechtlich schwach ausgestaltet und hat die systematischen Diskriminierun-
gen von Frauen bei Einstellungen, Beförderungen oder Kündigungen nicht
wirksam verhindert. Ebenso hat auch die Umsetzung der EU-Richtlinie zur
Lohngleichheit in innerdeutsches Recht zur Beseitigung der Lohnunter-
schiede kaum beitragen können;

4. dass die Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland dem Verfassungs-
auftrag zur Gleichberechtigung der Geschlechter nur ungenügend nachge-
kommen sind. Das Prinzip der freiwilligen Durchsetzung von Geschlechter-
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gleichstellung in der Privatwirtschaft hat nicht zum Ziel geführt. Ein
unternehmenspolitischer Konsens, Chancengleichheit von Frauen und Män-
nern in den Betrieben zu realisieren, existiert nach wie vor in der Bundesre-
publik Deutschland nicht. Nur in ca. 200 Unternehmen – also weniger als
0,01 Prozent – werden Konzepte zur Chancengleichheit verfolgt;

5. dass es nicht ausreicht, die Privatwirtschaft zu freiwilligen Maßnahmen auf-
zufordern. Ebenso unzureichend ist es, die Akteure in Unternehmen und auf
der Tarifebene per Gesetz lediglich zu allgemeinen Regelungszielen zu ver-
pflichten. Die Inhalte gleichstellungspolitischer Regelungen würden gänz-
lich auf die Betriebs- und Tarifebene verlagert. Damit jedoch enthebt sich
die Bundesregierung ihres gesetzgeberischen Spielraums. Das in diesem Zu-
sammenhang immer wieder angeführte Argument, dass allgemeine Vorga-
ben der Unterschiedlichkeit der Unternehmen und Branchen nicht Rechnung
tragen könnten, trifft jedoch nicht zu, da die Diskriminierungsmuster sich
über alle Branchen hinweg als gleichermaßen resistent erweisen. Erfahrun-
gen der Vergangenheit belegen überdies, dass die Betriebs- und Tarifpar-
teien bisher selten von allein und nicht in effektiver Weise zur Gleichstel-
lung der Frauen beigetragen haben;

6. dass die EU-Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich
des Zugangs zu Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen
Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 7. Juni 2000
ausdrücklich feststellt, dass Mitgliedstaaten das Recht haben, positive Maß-
nahmen beizubehalten oder zu beschließen. Gemäß Artikel 141 des Amster-
damer Vertrages sind also Maßnahmen erlaubt, die zur Beseitigung von Dis-
kriminierung eine Bevorzugung von Frauen vorsehen;

7. dass der Entwurf zur Novellierung der EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung
von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung, zur
Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Ar-
beitsbedingungen (KOM(2000) 334, Brüssel, den 7. Juni 2000) die bessere
Durchsetzung der Gleichstellung dadurch erreichen will, dass u. a. die Ein-
richtung unabhängiger Stellen auf nationaler Ebene, erweiterter Rechts-
schutz, Sanktionen und Schadensersatz sowie ein Verbandsklagerecht vor-
sieht.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Pri-
vatwirtschaft vorzulegen, der für Betriebe gültig ist, auf die das Betriebsverfas-
sungsgesetz Anwendung findet. Er soll folgende Maßnahmen enthalten:

1. Schaffung von Gleichstellungsbeauftragten in der Privatwirtschaft. Zur
Durchsetzung der Gleichberechtigung in der Privatwirtschaft ist eine wir-
kungsvolle Interessenvertretung von Frauen nötig. Die Gleichstellungsbe-
auftragten sind zusammen mit den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern dafür
zuständig, frauen- und familienfreundliche Maßnahmen in den Unterneh-
men zu vereinbaren. Den Gleichstellungsbeauftragten obliegt es ebenso, die
Umsetzung dieser Maßnahmen zu kontrollieren und bei Nichteinhaltung zu
intervenieren.

a) Kleinbetriebe mit bis zu 20 Beschäftigten brauchen keine eigene Gleich-
stellungsbeauftragte zu bestellen (siehe auch Punkt b). Größere Betriebe
müssen eine Gleichstellungsbeauftragte bestellen;

b) für Kleinbetriebe mit bis zu 20 Beschäftigten werden überbetriebliche
Gleichstellungsbeauftragte mit Sitz bei den Kammern eingerichtet, die
für die Einhaltung des Gesetzes in mehreren Betrieben zuständig sein
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können. Sie erhalten ein Zugangsrecht in den Betrieben und können
gleichzeitig eine Beratungsfunktion für Kleinbetriebe in Gleichstellungs-
fragen übernehmen;

c) die Teilfreistellung bzw. Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten, ge-
stuft nach der Beschäftigtenzahl, ist verbindlich festzuschreiben:

Für Gleichstellungsbeauftragte in kleineren Betrieben soll es eine Teil-
freistellung geben: in Betrieben unter 100 Beschäftigten werden sie in
erforderlichem Umfang von ihrer sonstigen Arbeit freigestellt; ab 100
Beschäftigten wird die Gleichstellungsbeauftragte mit der Hälfte der re-
gelmäßigen Arbeitszeit freigestellt; in Betrieben ab 200 bis 400 Beschäf-
tigten muss eine Stelle mit voller Regelarbeitszeit eingerichtet werden; in
Betrieben ab 400 bis 800 Beschäftigten müssen zwei Stellen mit voller
Regelarbeitszeit eingerichtet werden; in Unternehmen mit über 2 000 Be-
schäftigten ist für je angefangene Tausend Beschäftigte eine weitere
Stelle mit voller Regelarbeitzeit einzurichten. Darüber hinaus ist eine
Stellvertretungsregelung zu treffen, nach der jeweils eine Stellvertreterin
der Gleichstellungsbeauftragten bestellt wird.

2. Die Gleichstellungsbeauftragten müssen sämtliche personellen, sachlichen
und räumlichen Mittel sowie alle zur Durchführung ihrer Aufgaben notwen-
digen Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte erhalten:

a) Gleichstellungsbeauftragte müssen an allen personalwirtschaftlichen, or-
ganisatorischen und sozialen Maßnahmen, die die Gleichstellung von
Frauen und Männern betreffen, sowie bei Maßnahmen zur Bekämpfung
von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz beteiligt werden.

b) Sie müssen in der Ausübung ihres Amtes weisungsfrei sein und in ihrer
Funktion wie Betriebsräte vor Kündigungen und sonstigen Nachteilen
geschützt werden.

c) Sie müssen hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte ein Akteneinsichts-
recht, ein Initiativrecht sowie das Recht auf rechtzeitige und umfassende
Information erhalten. Hierbei sind für die Beteiligung der Gleichstel-
lungsbeauftragten konkrete und handhabbare Fristen auszugestalten.

d) Die Gleichstellungsbeauftragte erhält ein Widerspruchsrecht mit auf-
schiebender Wirkung bei allen ihren Aufgabenbereich betreffenden Maß-
nahmen. Darüber hinaus erhält sie das Recht, eine paritätisch mit Frauen
und Männern zu besetzende Einigungsstelle nach dem Muster des Be-
triebsverfassungsgesetzes anzurufen.

e) Die Gleichstellungsbeauftragte hat einen Anspruch auf Unterlassung ei-
ner Maßnahme: Wenn der Arbeitgeber in einer mitbestimmungspflichti-
gen Angelegenheit ohne eine Einigung mit der Gleichstellungsbeauftrag-
ten und ohne den Spruch der Einigungsstelle eine Maßnahme durchführt,
hat die Gleichstellungsbeauftragte einen Unterlassungsanspruch, bis eine
Einigung erzielt oder der Spruch der Einigungsstelle gefällt wurde.

f) Entsprechend der Klage- und Sanktionsbefugnis des Betriebsrats erhält
die Gleichstellungsbeauftragte ein Klagerecht vor den Arbeitsgerichten.
Bei der Zuwiderhandlung kann ein Zwangsgeld erlassen werden.

3. Schaffung von verbindlichen Gleichstellungsplänen für Unternehmen mit
einer Betriebsgröße ab 100 Beschäftigten. Auf der Grundlage einer ge-
schlechtsbezogenen Bestandsaufnahme und der wirtschaftlichen Daten des
Unternehmens wird ein Plan erstellt, in welchem Zeitraum welche frauen-
und familienfördernden Maßnahmen umgesetzt werden müssen.

a) Die Erstellung des Gleichstellungsplans erfolgt durch die Leitung des Un-
ternehmens im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten. Die
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Umsetzung des Gleichstellungsplans liegt im Aufgabenbereich der Vor-
gesetzten;

b) Der Gleichstellungsplan ist nach Absprache zwischen der Gleichstel-
lungsbeauftragten und dem Arbeitgeber für einen Zeitraum zwischen
einem und vier Jahren zu erstellen und muss als Grundlage für die ge-
planten Maßnahmen eine geschlechtsbezogene Bestandsaufnahme und
Analyse der Beschäftigtenstruktur enthalten. Kernstück des Gleichstel-
lungsplans sind die Vorgaben zur Einstellung und Beförderung von
Frauen in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind – diffe-
renziert nach Lohn-/ bzw. Gehaltsgruppe, Tätigkeitsbereich, Berufsfach-
richtung und Funktionsebene.

c) Wenn für den Geltungszeitraum des Gleichstellungsplans personalwirt-
schaftliche Maßnahmen vorgesehen werden, die Stellen sperren oder
wegfallen lassen, so ist im Gleichstellungsplan festzulegen, dass der
Frauenanteil je Bereich mindestens gleich bleibt.

d) Im Gleichstellungsplan sind weitere personalwirtschaftliche Maßnahmen,
die den Anteil von Frauen in den oberen Hierarchiestufen erhöhen, fest-
zulegen.

e) Bei Verstößen gegen den Gleichstellungsplan durch personalwirtschaft-
liche Maßnahmen oder ihre Unterlassung ist dem Betriebsrat und der
Gleichstellungsbeauftragten ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Ver-
stößt der Arbeitgeber ohne zulässigen Grund gegen die Vorgaben des
Gleichstellungsplans, so ist bei Verfehlung der Zielvorgaben eine Aus-
gleichsabgabe von 10 000 DM pro Arbeitsplatz an die Gleichstellungs-
kommission zu zahlen.

f) Die Zuständigkeit für die Festsetzung der Ausgleichsabgabe liegt bei der
neu einzurichtenden Gleichstellungskommission.

4. Schaffung eines transparenten und diskriminierungsfreien Einstellungs- und
Beförderungsverfahrens und Vermeidung mittelbarer Diskriminierungen.

a) Beurteilungs- und Auswahlkriterien sind so zu fassen, dass Gleichbe-
handlung von Frauen bei Einstellungen und Beförderungen gesichert
wird. Kriterien, die Frauen unmittelbar oder mittelbar diskriminieren,
dürfen bei der Auswahlentscheidung dementsprechend nicht angewendet
werden.

b) Es wird für die jeweiligen Stellenausschreibungen durch die entsprechen-
den Verantwortlichen des Unternehmens im Einvernehmen mit der
Gleichstellungsbeauftragten ein Anforderungsprofil festgelegt, an das das
Unternehmen in seinen Entscheidungen gebunden ist.

c) In Bereichen, in denen eine Unterrepräsentanz von Frauen vorliegt, sind
mindestens ebenso viele Frauen wie Männer zum Bewerbungsgespräch
einzuladen. Liegen nur wenige Bewerbungen von Frauen vor, sind alle
Frauen, die die im Anforderungsprofil geforderte Qualifikation besitzen,
zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

d) Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, alle Stellen in Bereichen, in denen
eine Unterrepräsentanz von Frauen vorliegt, intern und grundsätzlich
öffentlich auszuschreiben.

5. Quotierungsregelungen zur Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen:

a) Bei Einstellung und Beförderung:

Die Quotierungsvereinbarungen werden zwischen der Leitung des
Unternehmens und der Gleichstellungsbeauftragten getroffen, wobei die
Instrumente der Entscheidungsquoten und Zielvorgaben bzw. eine Kom-
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bination von beiden gesetzlich zu verankern sind. Ziel der Quotierungsre-
gelung muss sein, dass Frauen bei Einstellung, Beförderung und Über-
tragung höherwertiger Tätigkeiten bei entsprechender Qualifikation in
Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, solange vorrangig zu be-
rücksichtigen sind, bis sie in den jeweiligen Lohn- und Gehaltsgruppen,
Funktionsebenen, Tätigkeitsbereichen und Berufsfachrichtungen mindes-
tens zur Hälfte vertreten sind. Die bei der Quotierungsregelung anzuwen-
dende Härtefallklausel darf dabei nur für außergewöhnliche Fälle gelten
(lange Arbeitslosigkeit, Behinderung, allein erziehende Verantwortung)
und ihrerseits nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Aus tra-
ditionellen Familienstrukturen resultierende Gründe, z. B. die sog. Er-
nährer-Eigenschaft bzw. Unterhaltsverpflichtungen, sind daher nicht zu
berücksichtigen.

b) Bei der Ausbildung:

Um die gleichberechtigte Teilhabe von Mädchen und Frauen an den Aus-
bildungsplätzen zu gewährleisten, sind sie im Fall von Unterrepräsentanz
bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen je Ausbildungsgang ebenfalls
mindestens zur Hälfte zu berücksichtigen. Für den Fall, dass nicht genü-
gend Bewerbungen von Frauen vorliegen, können die noch freien Plätze
an männliche Bewerber vergeben werden. Um zu gewährleisten, dass
auch nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss Frauen und Mädchen
gleichberechtigt berücksichtigt werden, ist überdies eine Regelung zu
schaffen, nach der auch bei der Übernahme von Auszubildenden Frauen
mindestens zur Hälfte zu berücksichtigen sind.

6. Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes

a) Zur Erhöhung des Frauenanteils in den Betriebsratsgremien wird eine
Quotierungsregelung verankert, nach der Frauen sowohl in den Betriebs-
räten einschließlich seiner Ausschüsse und Leitungspositionen als auch
bei der Einstellung zum gleichen Anteil vertreten sein müssen wie in der
Belegschaft. Wird diese Vorgabe nicht eingehalten, kann die Wahl ange-
fochten werden.

b) Die Einigungsstelle ist geschlechterparitätisch zu besetzen. Der Vorsitz
der Einigungsstelle wird alternierend nach Geschlecht besetzt.

c) Teilzeitbeschäftigte Mitglieder des Betriebsrats erhalten einen Ausgleich
entsprechend der aufgewendeten Zeit, wenn die Tätigkeit außerhalb der
arbeitsvertraglich festgelegten Arbeitszeit liegt, damit auch diejenigen
Beschäftigten, die Beruf und Familie vereinbaren wollen oder müssen,
vollwertig an der Betriebsratsarbeit teilnehmen können. Diesem Ziel
dient auch, dass Frauen entsprechend ihrem Anteil im Betriebsrat an der
Freistellung beteiligt werden.

d) Der Betriebsrat hat dafür Sorge zu tragen, dass Betriebsrätinnen entspre-
chend ihrem Anteil im Betriebsrat in Schulungen und Bildungsveranstal-
tungen vertreten sind.

e) Dem Betriebsrat wird das Recht zur Ausarbeitung und Kontrolle von
Frauenförderplänen eingeräumt, die insbesondere die gleichberechtigte
Teilnahme an beruflicher Fort- und Weiterbildung, die Einführung und
Ausgestaltung von Teilzeitarbeit sowie Maßnahmen zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf vorsehen sollen.

7. Schaffung effektiver Sanktionen durch ein Verbandsklagerecht für Gewerk-
schaften und Verbände. Sie sollen zum einen die Berechtigung erhalten, in-
dividuelle Ansprüche einzelner Betroffener gerichtlich geltend zu machen,
ohne dass diese Mitglied der Organisation sein müssen. Zum anderen erhal-
ten sie das Recht, in einem Abmahnverfahren bei Verletzung des Gleich-
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berechtigungsgesetzes die Unterlassung einer beanstandeten Maßnahme
geltend zu machen.

8. Verbesserung der Individualrechte bei Diskriminierung aufgrund des Ge-
schlechts (§ 611a BGB) und bei Lohndiskriminierung (§ 612 Abs.3 BGB):

a) In § 611a BGB muss im Einzelnen konkretisiert werden, was unter den
„Tatsachen, die eine Diskriminierung vermuten lassen“, zu verstehen ist.
Sie sind daher um mittelbar diskriminierende Kriterien zu erweitern.

b) Im Falle einer vermuteten Diskriminierung muss es eine Umkehr der Be-
weislast geben – das Unternehmen muss nachweisen, dass keine Diskri-
minierung vorliegt.

c) Der Geltungsbereich des § 611a BGB ist auf die Diskriminierung auf-
grund sexueller Orientierung hin auszuweiten und in Anlehnung an die
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs eine Definition der mit-
telbaren Diskriminierung einzufügen. Dabei ist darauf zu verzichten, im
Fall von Diskriminierung sachlich begründete Ausnahmen zuzulassen, da
kein sachlicher Grund eine Diskriminierung rechtfertigt.

d) Ein Auskunftsanspruch des Bewerbers/der Bewerberin bei vermuteter
Diskriminierung über die Gründe der Nichtberücksichtigung ist gesetz-
lich zu gewährleisten.

e) In § 611a BGB sind effektive Sanktionen durch Ersatz des materiellen
und immateriellen Schadens von mindestens zwölf Monatsgehältern für
die qualifizierteste Person sowie ein Einstellungsanspruch vorzusehen.
Weitere im Einstellungsverfahren diskriminierte Personen müssen einen
Schadensersatz von mindestens sechs Monatsgehältern erhalten.

f) Der Tatbestand der sexuellen Diskriminierung am Arbeitsplatz muss in
den Geltungsbereich des §611a BGB aufgenommen werden.

g) Mit einer Neuregelung des § 612 Abs. 3 BGB erhalten die Betroffenen
einen Auskunftsanspruch über Tätigkeit und Vergütung vergleichbarer
Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen.

9. Schaffung einer nationalen Gleichstellungskommission analog des Ent-
wurfes zur EU-Richtlinie zur Novellierung der Gleichbehandlungsrichtlinie.

a) Ihre Aufgabe umfasst die Überprüfung allgemeiner gleichstellungspoliti-
scher Regelungen und die Beratung von Unternehmen und einzelnen Be-
troffenen.

b) Analog den Möglichkeiten der Gewerbeaufsichtsämter beim Mutter-
schutz ist der Kommission das Recht einzuräumen, Untersuchungen in
den Betrieben durchzuführen.

c) Bei der Ausgestaltung der Gleichstellungskommission können die Rege-
lungen der österreichischen Kommission als Orientierungsmaßstab die-
nen. In strittigen Angelegenheiten sollte die Kommission auf Antrag der
Arbeitnehmerin berechtigt sein, ein Verfahren durchzuführen. Hauptziel
des Verfahrens ist es dabei, zwischen den Streitparteien zu vermitteln,
diese zu beraten und ggf. eine außergerichtliche Einigung herbeizufüh-
ren.

d) Die Kommission hat ein Auskunftsrecht, d. h., sie kann den Arbeitgeber
bei vermuteter Nichteinhaltung des Gleichberechtigungsgesetzes auf-
fordern, schriftlich Bericht über Beschäftigungsbedingungen, Aus- und
Weiterbildungsmaßnahmen und Aufstiegsmöglichkeiten zu erstatten.
Die Kommission schließt ihr Verfahren mit einem Gutachten oder Vor-
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schlägen an den Arbeitgeber ab, wobei die Gutachten zu veröffentlichen
sind.

e) Um der Gleichstellungskommission wirksame Mittel der Rechtsdurch-
setzung zu gewähren, ist sie behördlich auszugestalten, d. h., sie kann
den Unternehmen bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
Auflagen machen sowie Bußgelder auferlegen.

f) Der Kommission kann eine Anwältin für Gleichbehandlungsfragen bei-
gestellt werden, die die Arbeitnehmerinnen berät, einen Antrag an die
Gleichbehandlungskommission stellt sowie ebenfalls Auskunftsrechte
gegenüber den Betrieben hat.

10. Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe und Subventionen an Frauen-
fördermaßnahmen:

a) Die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand bei der Beschaffung
von Waren-, Bau- und Dienstleistungen und die Vergabe von Finanzhil-
fen sind grundsätzlich an frauenfördernde Maßnahmen zu binden. Der
Abschluss von Verträgen über Leistungen durch Bundes-, Landes- oder
Kommunalbehörden ist nur unter der Auflage zulässig, dass der Ver-
tragspartner die Vorschriften des Gesetzes einhält (Frauenförderung als
Vertragsvorbedingung).

b) Bei den wirtschaftlich gleichwertigen Angeboten ist darüber hinaus
demjenigen Anbieter der Zuschlag zu erteilen, der die weitestgehenden
Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung belegen kann.

c) Bei der gleichstellungsbezogenen Auftragsvergabe müssen Regelungen
vorgesehen werden, die eine angemessene Kontrolle der Einhaltung des
Vertrags ermöglichen: Während der gesamten Laufzeit der Verträge
muss sichergestellt werden, dass frauenfördernde Maßnahmen eingehal-
ten werden.

d) Bei Verstoß müssen ein Rücktrittsrecht, bei dem Leistungen zurückver-
langt werden können, Vertragsstrafen sowie ggf. ein Ausschluss aus
künftigen öffentlichen Auftragsverfahren vorgesehen werden.

e) Es sind Regelungen zur gleichberechtigten Besetzung der Vergabeprüf-
stellen und Vergabekammern mit Frauen zu verankern.

11. Novellierung des Beschäftigtenschutzgesetzes zur Beseitigung sexueller
Diskriminierung am Arbeitsplatz: Zu verankern sind insbesondere:

a) eine verbesserte Definition der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz,

b) effektive Beschwerdemöglichkeiten,

c) wirksame Sanktionen bei sexueller Belästigung durch die Regelung von
angemessenen Schadensersatzansprüchen.

12. Geschlechterparitätische Besetzung aller Gremien, die personelle, wirt-
schaftliche und organisatorische Entscheidungen zu treffen haben.

13. Gleichmäßige Verteilung der Mutterschutzkosten auf alle Betriebe. Die
derzeitige Regelung bürdet die Mutterschutzkosten nur den Unternehmen
auf, in denen Frauen tatsächlich Kinder bekommen – was häufig einer Ein-
stellung von Frauen entgegensteht. Da insbesondere für kleine Unterneh-
men diese zusätzlichen Kosten häufig schwer zu verkraften sind, ist es
nötig, die Kosten gerecht umzuverteilen und dadurch kleine und mittlere
Unternehmen zu entlasten. Dies wird eine vermehrte Einstellung von
Frauen befördern.

Der Gesetzgeber soll mit gesetzlichen Rahmenbedingungen die Unterneh-
men dazu verpflichten, einen Mutterschutz-Fonds einzurichten, in den alle
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Unternehmen entsprechend ihrer Leistungskraft einzahlen müssen. Die an-
fallenden Mutterschutzkosten werden dann für alle Unternehmen jeglicher
Größe aus diesem Fonds getragen.

14. Für eine Übergangszeit von fünf Jahren sollen Unternehmen, die Gleich-
stellungsmaßnahmen ergreifen, einen materiellen Vorteil davon haben. Die
Bundesregierung soll prüfen, welche Finanzhilfen oder Steuererleichterun-
gen diesen Unternehmen gewährt werden können. Dies gilt auch für Unter-
nehmen, die schon in der Vergangenheit die entsprechenden Maßnahmen
ergriffen haben.

15. Die Bundesregierung soll die Teilnahme und Bedingungen für Qualifizie-
rungsmaßnahmen prüfen, mit denen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber,
Betriebsrätinnen und Betriebsräte sowie Gleichstellungsbeauftragte finan-
ziell oder personell unterstützt werden können.

16. Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die nächsten fünf Jahre Geld
für Aufklärungskampagnen und Informationsmaterial in den Haushalt ein-
zustellen.

Berlin, den 15. Mai 2001

Roland Claus und Fraktion

Begründung

Zu den einzelnen Forderungen an die Bundesregierung:

1. Zu den Punkten 1 und 2: Für die Durchsetzung der Gleichberechtigung in
der Privatwirtschaft ist eine wirkungsvolle Interessenvertretung von Frauen
von entscheidender Bedeutung. Hierfür müssen klare Vorgaben für das Amt
der Gleichstellungsbeauftragten, eine umfassende Aufgabenbeschreibung
sowie effektive Rechte vorgesehen werden.

2. Für die eigenständige Einrichtung von Gleichstellungsbeauftragten unab-
hängig vom Betriebsrat spricht, dass damit ihre Interessenvertretung auch in
Betrieben gewährleistet ist, in denen kein Betriebsrat existiert, da lediglich
ein Drittel der Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland einen
Betriebsrat hat. Weiter spricht für dieses Modell, dass die Interessenvertre-
tung von Frauen im Betrieb auch bei Vorhandensein eines Betriebsrats durch
eine eigene Infrastruktur weiter gestärkt wird. Eine Konkurrenzsituation
zwischen Betriebsräten und Frauenbeauftragten ist – wie langjährige Erfah-
rungen im öffentlichen Dienst zeigen – nicht zu befürchten.

3. Bisher gibt es in der Bundesrepublik Deutschland für die betriebliche Praxis
keine Struktur, die eine verbindliche Durchsetzung der Gleichberechtigung
zwischen den Geschlechtern im Bereich der Personalentwicklung ermög-
licht. Während in den USA auf gesetzlicher Ebene das Instrument der
Gleichstellungspläne etabliert wurde, werden in der Bundesrepublik
Deutschland nur in wenigen Großunternehmen auf freiwilliger Basis be-
triebliche Konzepte zur Chancengleichheit von Frauen und Männern prakti-
ziert. Dieses Manko verweist auf die geringe Bereitschaft der Mehrzahl der
Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, Chancengleichheit von
Frauen und Männern im Betrieb zu gewährleisten, so dass hier Vorgaben des
Gesetzgebers notwendig sind. Verbindliche Gleichstellungspläne können
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hier im Rahmen unternehmerischer Personalentwicklung das Gebot der
Chancengleichheit wirksam verankern.

4. Da Frauen durch die vorherrschende unternehmerische Einstellungs- und
Beförderungspraxis nach wie vor in massiver Weise diskriminiert werden,
muss auch ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren
sichergestellt werden. Beurteilungs- und Auswahlkriterien für die Stellenbe-
setzung sind daher so zu fassen, dass Benachteiligungen bei Einstellungen
und Beförderungen vermieden werden. Kriterien, die Frauen unmittelbar
oder mittelbar diskriminieren, wie u. a. Schwangerschaft, Familienstand,
Kinderwunsch oder Gewährleistung der Kinderbetreuung, Einkommenslage
des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin, Unterbrechungen der Er-
werbstätigkeit oder Verzögerungen beim Abschluss von Ausbildungsgängen
aufgrund von Kindererziehung oder häuslicher Pflege, Lebensalter, Be-
triebszugehörigkeit und Teilzeitbeschäftigung dürfen bei der Auswahlent-
scheidung dementsprechend nicht angewendet werden.

5. Nur mit konkreten Quotenvereinbarungen ist zu gewährleisten, dass der
Frauenanteil in der Privatwirtschaft auf allen Funktions- und Hierarchie-
ebenen angehoben wird. Quoten ermöglichen immer noch eine bessere Teil-
nahme von Frauen am Erwerbsleben. Abgesehen von den so genannten typi-
schen Frauenberufen sind Frauen dort, wo es keine Quoten gibt, weiterhin
unterrepräsentiert. In Bereichen, in denen eine 50-Prozent-Quotierung unre-
alistisch erscheint, weil sie als reine Männerberufe gelten und es erfahrungs-
gemäß nur wenige Bewerberinnen gibt, können Zielvorgaben vereinbart
werden. Anhand des realen Anteils der Frauen im Betrieb und einer Ab-
schätzung der Zahl potentieller Bewerberinnen kann jährlich zwischen
Arbeitgeber und Gleichstellungsbeauftragter ausgehandelt werden, wie die
Beschäftigung von Frauen verbessert und/oder ihr innerbetriebliches Fort-
kommen gefördert werden kann. Dazu kann auch gehören, dass für die Aus-
bildung von Frauen in dieser Branche mehr unternommen wird.

Klare Quotierungsvorgaben, die beispielsweise das Landesgleichstellungsge-
setz Hessen vorsieht, wurden vom Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil
vom 28. März 2000 ausdrücklich als europarechtskonform eingestuft (C-158/97).

6. Die Diskriminierung von Frauen muss in allen gesellschaftlichen Bereichen
und mit allen gesellschaftlichen Kräften bekämpft werden. Wichtige Orte
dafür sollten die Betriebsräte sein, wofür sie jedoch mit mehr Rechten hin-
sichtlich Frauenförderung ausgestattet werden müssen. Ebenso ausschlag-
gebend ist der Anteil der Frauen an den Betriebsräten sowie deren Freistel-
lung – auch im Falle einer Teilzeitbeschäftigung.

7. Ein Verbandsklagerecht ist dringend erforderlich, da insbesondere erheb-
liche Zugangsbarrieren der Einzelnen zu Rechtsschutzinstitutionen sowie
Ungleichgewichte aufgrund der unterschiedlichen Machtkonstellationen
im Betrieb zwischen Arbeitgeber und abhängig Beschäftigten bestehen.
Zum einen spielen dabei Bildungsbarrieren und Informationsdefizite eine
wesentliche Rolle, zum anderen haben einzelne Beschäftigte in aller Regel
selten mit Gerichten und Gerichtsverfahren zu tun, während Unternehmen
über größere Ressourcen an Wissen, Zeit und Energie verfügen.

Im europäischen und internationalen Vergleich hinkt das deutsche Recht hier-
bei hinterher: Die Niederlande, Frankreich und Österreich sowie die USA ha-
ben bereits arbeitsrechtliche Verbandsklagemöglichkeiten, die Fälle der Dis-
kriminierung wegen des Geschlechts meist mit umfassen. In der Schweiz
wurde 1996 eigens eine Verbandsklage im Antidiskriminierungsrecht einge-
führt. Die neue EU-Richtlinie sieht ebenfalls ein Verbandsklagerecht vor.

8. Die Individualrechte von Frauen müssen verbessert werden. Das individu-
elle Diskriminierungsverbot des § 611a BGB ist rechtlich nur schwach aus-
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gestaltet. Zu geringe Sanktionen, eine unzureichende Definition von Dis-
kriminierung aufgrund des Geschlechts, fehlende Auskunftsansprüche
sowie zu unkonkrete Regelungen im Hinblick auf die Beweiserleichterung
bei vermuteter Diskriminierung sind kennzeichnend dafür, dass das Gesetz
in der Praxis kaum wirksam werden konnte. Die mittelbare Diskriminie-
rung ist in die EU-Richtlinie aufgenommen worden.

Bei den Regelungen zum Lohngleichheitsgebot des § 612 Abs. 3 BGB
fehlt ebenfalls ein Auskunftsanspruch der Betroffenen über Tätigkeit und
Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer. Gesetzlich unklar ist auch, ob sich
der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ nur auf individu-
elle Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern be-
zieht.

9. Die Überwachung gleichstellungspolitischer Regelungen sowie auch die
Informations- und Beratungsarbeit in Fragen der Gleichberechtigung ist in
der Bundesrepublik Deutschland kaum vorhanden. Es fehlt eine zentrale
Stelle in Form einer Behörde oder einer Kommission, die solche Aufgaben
gegenüber Unternehmen oder auch einzelnen Betroffenen wahrnimmt.

Die EU-Richtlinie sieht die Einrichtung unabhängiger Stellen auf nationa-
ler Ebene, die zur Förderung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beitragen
(nationale Gleichstellungskommissionen) vor.

10. Eine wirkungsvolle Maßnahme zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleich-
berechtigung von Frauen und Männern gemäß dem Auftrag des Grundge-
setzes besteht in der Bindung der staatlichen Auftragsvergabe an Frauen-
förder- und Antidiskriminierungsvorgaben.

Hierbei müssen Regelungen vorgesehen werden, die eine angemessene
Kontrolle der Einhaltung des Vertrags ermöglichen: Während der gesamten
Laufzeit der Verträge muss sichergestellt werden, dass frauenfördernde
Maßnahmen eingehalten werden, z. B. durch ein jederzeitiges Zugangs-
und Kontrollrecht im Betrieb und das Recht, Nachweise zu verlangen, z. B.
in Form von Personalstatistiken oder Betriebsvereinbarungen.

11. Das Beschäftigtenschutzgesetz, das am 1. September 1994 in Kraft trat, ist
äußerst lückenhaft und hat es bisher nicht vermocht, sexuelle Belästigung
am Arbeitsplatz in nennenswertem Umfang zu reduzieren: Betriebe, Ver-
waltungen und Ausbildungsstätten behandeln sexuelle Übergriffe nach wie
vor als „Kavaliersdelikt“. Insgesamt wurde der Schutz vor sowie im Fall
von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz rechtlich schwach ausgestaltet:
in den Betrieben existieren im Allgemeinen keine Beratungs- und Anlauf-
stellen für die Betroffenen – das Beschwerderecht ist zu allgemein und un-
bestimmt, ebenso wie der gesetzlich vorgesehene vorbeugende Schutz
durch den Arbeitgeber; es fehlt an angemessenen Schadensersatzregelun-
gen für die Betroffenen wie an Sanktionen gegenüber dem Arbeitgeber, der
das Gesetz nicht einhält oder nur unzureichend umsetzt. Sexuelle Belästi-
gung wird in der EU-Richtlinie als Diskriminierung aufgrund des Ge-
schlechtes definiert.

12. In wichtigen Entscheidungsgremien in der privaten Wirtschaft sind Frauen
entweder gar nicht oder ganz vereinzelt vertreten. Der Frauenanteil in den
Vorstandsetagen deutscher Unternehmen liegt bei rd. 0,5 %. In den 626
umsatzstärksten Aktiengesellschaften und GmbH gab es 1993 2286 männ-
liche und 12 weibliche Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder. In
den Aufsichtsräten ist der Frauenanteil von 0,3 % in den 80er Jahren auf
jetzt annähernd 5 % gestiegen.

13. Neben der derzeit ungerechten Verteilung der gesellschaftlichen Reproduk-
tionskosten auf einzelne Unternehmen sind die Mutterschutzkosten und die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

Drucksache

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Ausfallzeiten für solvente Unternehmen eher ein psychologisches Pro-
blem. Viele Unternehmen glauben, sie verlören die Frauen schneller wie-
der als die Männer. Zur selektiven Wahrnehmung verweist Heide Pfarr in
einem „taz“-Interview vom 8. März 2001 darauf, dass Personalleiter in
Hamburg befragt wurden, wie hoch die Ausfallzeiten durch Schwanger-
schaften seien. „Es wurde geschätzt, dass es zehn Prozent sind, es waren
aber nur zwei. Das Problem, das mit Frauen verbunden ist, wurde um das
Fünffache aufgebauscht“, wohingegen ein Ausfall durch Kuren, die Män-
ner häufig nehmen, realistisch eingeschätzt wurde.

14. Zu Punkt 14 bis 16: Das Gelingen eines solchen Gesetzes und damit die ef-
fektive Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen hängt wesentlich von
der Akzeptanz der Durchführenden ab. Deswegen sollte es für Unterneh-
men nicht nur Vorschriften und Sanktionen, sondern für eine Übergangs-
zeit auch Anreize und Unterstützung geben, durch die Gleichstellungs- und
Frauenfördermaßnahmen für sie attraktiv werden.

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