BT-Drucksache 14/6020

Wehrtechnische Forschung im Bereich Gentechnik und biologische Waffen

Vom 4. Mai 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/6020
14. Wahlperiode 04. 05. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidi Lippmann, Eva-Maria Bulling-Schröter, Dr. Ruth Fuchs,
Wolfgang Gehrcke, Uwe Hiksch, Carsten Hübner, Kersten Naumann,
Dr. Ilja Seifert, Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS

Wehrtechnische Forschung im Bereich Gentechnik und biologische Waffen

Nach Meldungen der Medien soll die Bundeswehr im Rahmen gentechnischer
Experimente Krankheitserreger, die als biologische Waffen eingesetzt werden
können, gegen Antibiotika resistent gemacht haben. Dabei handelt es sich z. B.
um den Erreger der Hasenpest, Francisella tularensis, dem ein Gen für das
Grüne Fluoreszenz Protein eingesetzt wurde, um das Infektionsgeschehen
intrazellulär verfolgen zu können. Als Markergen wurde zusätzlich – wie oft
in der Molekularbiologie üblich – eine Antibiotikaresistenz (gegen Tetra-
cycline) eingesetzt. Das wirft Fragen zur Ausweitung der Schutzforschung und
zu möglichen Alternativen auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche der vom Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, im
Rahmen des Berichts der Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der
Gentechnologie“ benannten Projekte (Stand Mai 2000) sind sowohl im
wehrmedizinischen als auch humanmedizinischen Bereich angesiedelt?

Welche zivilen Forschungseinrichtungen sind an welchen Projekten im Ein-
zelnen beteiligt?

2. Welche Projekte werden ausschließlich in wehrmedizinischen Einrichtun-
gen und wo durchgeführt?

3. Welche über die im Rahmen des Berichts der Enquete-Kommission „Chan-
cen und Risiken der Gentechnologie“ hinausgehenden Projekte betreffen
Forschungsvorhaben im Rahmen gentechnischer Experimente mit Krank-
heitserregern?

Welche zivilen und anderen Forschungseinrichtungen sind daran beteiligt?

4. Wie schätzt die Bundesregierung das Risikopotential von Krankheitserre-
gern ein, die gegen Antibiotika resistent gemacht werden und als biologi-
sche Waffen eingesetzt werden können?

5. Wenn wehrmedizinische Forschung in Entwicklungsprojekten der zivilen
Forschung durchgeführt werden, worin besteht dann die spezielle Problema-
tik der Anwendung dieser Erreger und Toxine in Verbindung mit Waffen?

6. Welche Forschungsprojekte mit Bacillus anthracis, Francisella tularensis,
Botulinum-Toxin, Yersinia pestis, Orthopocken-Viren, hochtoxischen My-
cotoxinen sowie Coxiella burnetii laufen ohne Verwendung gentechnischer
Methoden?

Drucksache 14/6020 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

7. In welchen Haushaltstiteln sind diese ausgewiesen?

8. In welchen Haushaltstiteln sind die dem Verteidigungsausschuss nicht
benannten Projekte (s. Liste im Schreiben des Parlamentarischen Staats-
sekretärs im Bundesministerium der Verteidigung, Walter Kolbow, an den
Ausschussvorsitzenden vom 24. Mai 2000 und WELT am SONNTAG,
22. Oktober 2000) ausgewiesen?

9. Entspricht es der Auffassung der Bundesregierung, dass – da nach dem
Fortfall der Pflichtimpfung gegen Pockenviren (Variola- und Affenpocken-
virus als potentielle B-Waffen) die Immunität gegen Pocken in der Bevöl-
kerung rapide abnimmt – die Anwendung gentechnischer Verfahren zum
schnellen Schutz gefährdeter Personen beitragen kann?

a) Welche Personengruppen sind konkret gefährdet?

b) Warum werden nicht bekannte, sichere, alternative Verfahren zur
Pockenimpfung angewendet?

10. Engagiert sich die Bundeswehr bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen
seltene Infektionskrankheiten wie z. B. Ebola, deren zivile Anwendbarkeit
bezweifelt wird?

11. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass die Entwicklung von Impfstof-
fen gegen seltene Infektionskrankheiten als Teil einer offensiv ausgerichte-
ten Forschung (Selbstschutz der Soldaten, die diese Erreger als Waffe ein-
setzen) empfunden werden und so ein biologisches Wettrüsten auslösen
kann?

12. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Zwischenberichte und Endberichte
von zivilen Auftragnehmern der Bundeswehr im Zuständigkeitsbereich des
Inspekteurs des Sanitätsdienstes dem Parlament bzw. der interessierten Öf-
fentlichkeit zugänglich zu machen?

Wenn nein, warum nicht?

13. Inwieweit wurde bei den im Auftrag des Bundesministers der Verteidi-
gung, Rudolf Scharping, durchgeführten Projekten der Mycotoxibfor-
schung auch die Fähigkeit zur Mycotoxin-Produktion erworben, d. h. wel-
che Mycotoxine können von der Bundeswehr und ihren Auftragsnehmern
isoliert oder synthetisiert werden?

14. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Auftragsforschung an die
Firma BioteCon in Potsdam vergeben, die erklärtermaßen Botulinum-
Toxine verschiedener Serotypen und Spezifitäten produziert?

Wenn ja, schließt dies auch die Produktion von Botulinum-Toxinen für die
Bundeswehr ein?

15. Wie wird sichergestellt, dass die im Rahmen der Forschung für die Bun-
deswehr erworbenen Kenntnisse bei BioteCon nicht an andere Parteien –
womöglich im Ausland – weitergegeben wird?

16. Trifft es zu, dass an der LMU München im Auftrag der Bundeswehr ein
Nachweissystem für Orthopoxviren entwickelt und in den Vereinigten Ara-
bischen Emiraten bei einem Ausbruch von Kamel-Pocken getestet wurde?

Wurde dieser Test in den VAE von der Bundeswehr oder von zivilen Auf-
tragnehmern durchgeführt?

Wurde die Regierung der VAE über den militärischen Hintergrund dieser
Versuche unterrichtet?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/6020

17. Trifft es zu, dass an der Universität Gießen im Auftrag des Bundesminis-
ters der Verteidigung, Rudolf Scharping, Nachweissysteme und Impfstoffe
gegen Clostridium perfringens Alphatoxin (Gasbrand) entwickelt und da-
bei Teilpeptide des Toxins in E. coli exprimiert wurden?

Wie ist sichergestellt, dass bei diesen Versuchen nicht zufällig toxische
Teilpeptide entstehen und somit versehentlich hochpathogene Darmbakte-
rien produziert werden?

Wurde ein solcher Vorfall bereits registriert?

18. Trifft es zu, dass in einem weiteren Projekt im Auftrag des BMVg an der
Universität Gießen, die Funktion bestimmter DNA-Sequenzen von Coxi-
ella burnetii, dem Erreger des Q-Fiebers, ermittelt wurden?

Wie ist sichergestellt, dass dabei nicht auch die Sequenzen für Virulenz-
und Pathogenitätsfaktoren ermittelt wurden?

Falls derartige Sequenzen ermittelt wurden: Wurden diese im Laufe der
Versuche in anderen Organismen exprimiert?

19. Wie kann die Bundesregierung sicherstellen, dass gentechnische For-
schungs- und Entwicklungsarbeiten in der genannten Einrichtung bzw. bei
Vertragsnehmern an anderen Forschungseinrichtungen nicht zu offensiven
Zwecken genutzt werden können bzw. einen entsprechenden Anschein er-
wecken?

Berlin, den 27. April 2001

Heidi Lippmann
Eva-Maria Bulling-Schröter
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Uwe Hiksch
Carsten Hübner
Kersten Naumann
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

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