BT-Drucksache 14/5984

Mit einem individuellen Ausbildungspass durchs Leben - für ein liberales, duales und modulares Berufsausbildungssystem in Deutschland

Vom 9. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5984

14. Wahlperiode

09. 05. 2001

Antrag

der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, Ernst Burgbacher, Birgit
Homburger, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Horst Friedrich
(Bayreuth), Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van
Essen, Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae,
Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Mit einem individuellen Ausbildungspass durchs Leben – für ein liberales, duales
und modulares Berufsausbildungssystem in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine der großen sozialen Herausforderung an die Politik ist es, die Bedingun-
gen dafür zu schaf fen, jedem jungen Menschen mit einem Ausbildungsplatz
eine berufliche Perspektive zu erö fnen. Der Beruf ist das gesellschaftliche
Identifikationsmerkmal und seine transparente De nition sichert den Bür gern
berufliche Flexibilität und Mobilität. Heute noch stellen die Berufsausbildun
im Dualen System und die sich darauf aufbauende beruf iche Weiterbildung ein
international beachtetes Markenzeichen des deutschen Bildungssystems dar .
Derzeit absolvieren rund zwei Drittel aller Jugendlichen eine Berufsausbildung
im Dualen System. Die Hauptlast der beruf ichen Ausbildung trägt dabei die
Wirtschaft. Sie sichert eine praxisverbundene Berufsausbildung, die zu einer
vollen Berufsfähigkeit führt. In Verantwortung der Wirtschaft wird der Auszu-
bildende zu einem Ausbildungsabschluss geführt, der ihm eine qualif zierte
Tätigkeit und die Anwendung des Erlernten im Beruf ermöglicht. Eine derar-
tige Ausbildung passt sich an veränderte wirtschaftliche Bedingungen an, ver-
mittelt die notwendigen Inhalte, schaf ft T ransparenz und gewährleistet die
Mobilität des Auszubildenden.

Im Prozess des Zusammenwachsens der Staaten der Europäischen Union und
vor dem Hintergrund der Aufnahme weiterer osteuropäischer Staaten steht das
Duale System der Berufsausbildung jedoch zunehmend in einem nationalen
und internationalen Spannungsfeld des W ettbewerbs von Berufsbildungsange-
boten, die von dif ferenzierten vollzeitschulischen Ausbildungsangeboten über
plurale Ausbildungsangebote der Betriebe, Ausbildungsverbünde bis hin zu
außerbetrieblichen Angeboten von Bildungsstätten reichen.
Drucksache

14/

5984

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Strukturveränderungen in den Unternehmen, die V erkürzung von Innovations-
zyklen von Produkten und Leistungen, der schnelle W andel zur Dienstleis-
tungsgesellschaft und die V eränderung von Arbeitsinhalten führen zu neuen
Anforderungen an die Beschäftigten. Die Arbeitsor ganisation in den Betrieben
verändert sich von einer berufsbezogenen und funktionalen Arbeitsteilung hin
zu einem prozessorientierten kooperativen Arbeiten. Spezielle fachliche Kennt-
nisse und Fertigkeiten werden nur für eine kurze Phase der Lebensarbeitszeit
des Einzelnen benötigt. Grundlegende fachüber greifende Kenntnisse und Fer -
tigkeiten sowie eine generelle Disposition der Beschäftigten werden immer
stärker gefordert.

Diese, sich dynamisch verändernden Qualif kationsanforderungen in W irt-
schaft und Verwaltung, bringen neue W ege, hin zu einer modernen Beruf ich-
keit, hervor.

Daher ist die enge Partnerschaft von W irtschaft und Staat, von Betrieb und
Schule ein sicheres Fundament für die Ausbildung einer vollen Berufsfähig-
keit. Sie ist das Spiegelbild des Qualif kationsbedarfs der Unternehmen, er -
möglicht ein Lernen in der Arbeitswelt, bietet beste Chancen für den direkten
Übergang in den Beruf, sichert ein breites Spektrum bei der individuellen Aus-
bildungswahl, bildet die Grundlage für eine aufbauende W eiterbildung und
stärkt die Selbstverantwortung der Wirtschaft.

Auch das Verhältnis der Anteile von Aus- und W eiterbildung im lebenslangen
Prozess des Lernens verändert sich zunehmend.

In diesem W andlungsprozess stehen die deutschen Berufsschulen vor großen
Herausforderungen. Immer neue Berufe mit vielfältigen Berufsbildungsbau-
steinen und differenzierte Ausbildungszeiten bedingen ein, an die Bedürfnisse
des Lernortes „Betrieb“ angepasstes, Berufsschulangebot.

Ihre fachliche Ausrichtung, die Or ganisation des Bildungsprozesses und ihre
materiell-technische Ausstattung entsprechen vielerorts nicht mehr den Anfor-
derungen an eine moderne Berufsschule.

Die Ausbildung von Berufsschullehrern liegt weit hinter dem tatsächlichen Be-
darf der Berufsschulen. Schon heute ist ein drohender Lehrermangel erkenn-
bar, der kurzfristig nicht zu beheben ist. Eine Neuausrichtung der Ausbildung
von Berufsschullehrern ist dringend erforderlich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Die Attraktivität der Dualen Berufsausbildung gegenüber anderen Ausbil-
dungsgängen im Schul- und Hochschulbereich ist weiter zu erhöhen. Das
setzt mehr denn je die praktische Umsetzung der Gleichwertigkeit von allge-
meiner und beruflicher Ausbildung voraus

2. Die Berufsausbildung ist, als die zentrale Zukunftsinvestition der Wirtschaft
anzusehen und mit gezielten staatlichen Maßnahmen zu begleiten. Diese
sind darauf auszurichten, die V erantwortung der W irtschaft, insbesondere
der Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU), ihren eigenen Fach-
kräftenachwuchs primär auch selbst auszubilden, weiter zu stärken.

3. Staatlich geförderte außerbetriebliche Ausbildungsgänge sind, wenn auch
zeitlich gerade in den neuen Bundesländern begrenzt durchaus notwendig,
auf Dauer kein Ersatz für eine betriebliche Ausbildung.

4. Es ist sicherzustellen, dass eine Berufsausbildung auch künftig zu einem
Berufsprofil führt, das die volle berufliche Kompetenz gewährleistet
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

14/

5984

5. Es ist darauf hinzuwirken, dass bei der Entwicklung neuer oder der Moder-
nisierung bestehender Berufe die Ausbildung künftig sowohl in zwei- als
auch in drei- und dreieinhalbjähriger Ausbildung zu realisieren ist. Ein der-
artiges System erlaubt es den Ausbildungsbetrieben, auf die Ausbildungs-
erfordernisse und auf die Persönlichkeit der Auszubildenden zugeschnit-
tene Ausbildungsangebote zu unterbreiten.

6. In den Staatlichen Ausbildungsordnungen sind die V oraussetzungen für
eine Modularisierung der beruf ichen Ausbildung zu schaf fen. Den Unter-
nehmen ist somit die Möglichkeit zu eröffnen, eine Berufsausbildung nach
einem Baukastensystem eigenverantwortlich zu entwickeln und diese,
ihrem Bedarf entsprechend, weiter zu differenzieren und zu flexibilisieren
Vollwertige Berufsabschlüsse auf der Grundlage von Ausbildungsberufen,
die die Ausbildung einer breiten beruf ichen Handlungsfähigkeit zum Ziel
haben, bleiben dabei gesichert.

7. Die Einbeziehung von Unternehmen mit eingeschränkten Ausbildungs-
möglichkeiten ist ein dringendes Erfordernis. Durch eine Modularisierung
der Berufsausbildung und der Einführung eines Baukastensystems werden
gezielt Teilausbildungskapazitäten von Betrieben erschlossen werden. Das
fördert Ausbildungsverbünde und führt zur V ernetzung unterschiedlicher
Lernorte.

8. Die Nachfrage nach einzelnen Modulen der beruf ichen Ausbildung in den
Unternehmen wird als Früherkennungsindikator für eine kontinuierliche
Anpassung der Aus- und W eiterbildung an die Erfordernisse des rasanten
Wandlungsprozesses in Wirtschaft und Gesellschaft genutzt.

9. Mit der bundesweiten Einführung eines Ausbildungspasses, der jeden
Menschen durch sein gesamtes beruf iches Leben begleitet, wird die Mög-
lichkeit eröffnet, künftig berufliche Handlungskompetenzen, berufsfach
liche Qualifikationen, Sozial- und Methodenkompetenzen und praktisch
Erfahrungen zu dokumentieren. Er bietet die Chance für eine grenzüber -
schreitende Ausbildung in Europa.

10. Es sind die V oraussetzungen dafür zu schaf fen, dass Leistungsstärkeren
und Leistungsschwächeren gleichermaßen reale Ausbildungschancen ein-
geräumt werden. Jene Bildungsträger , die nicht berufsausbildungsfähige
junge Menschen auf eine Ausbildung vorbereiten wollen, können sich aus
zwei- oder dreigängigen Ausbildungsberufen geeignete Berufsbildungs-
bausteine auswählen, diese in ihrer Einrichtung vermitteln und im Ausbil-
dungspass ausweisen. Die Teilnehmer haben dann nicht nur für sich selbst
eine bessere Orientierungsgrundlage, sondern auch konkret nachweisbare
Teilkompetenzen, die sie in eine anschließende Ausbildung oder auch
spätere Nachqualifizierung einbringen können

11. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei den Län-
dern darauf einwirken, den Lernort „Berufsschule“ stärker auf die Bedürf-
nisse der Unternehmen auszurichten. Die staatlichen Berufsschulen müs-
sen schrittweise auf einen künftigen W ettbewerb mit privaten Berufs-
schulen, Akademien, freien T rägern und betrieblichen Eigenangeboten
vorbereitet werden.

12. Es ist darauf hinzuwirken, dass sich künftig beruf iche Abschlussprüfun-
gen stärker als bisher auf das Gesamtsystem der Berufsausbildung bezie-
hen. Die Entwicklung von Berufen auf der Grundlage von Grund- und Spe-
zialisierungsbausteinen und der Anrechnung von weiterführenden Aufbau-
bausteinen bedingen ein flexibles Prüfungssystem, was auf die spezi -
schen Bedingungen der Ausbildungsstruktur abgestellt ist.
Drucksache

14/

5984

– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

13. Den Berufsschulen wird im Rahmen einer Autonomie ein hohes Maß an
Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Handlungsfreiheit bei der Ein-
stellung des Personals, seiner leistungsorientierten Vergütung, bei der Aus-
gestaltung von Bildungsangeboten übertragen.

14. Schrittweise sind die Berufsschulen zu Kompetenzzentren für die W eiter-
bildung auszubauen. Sie sind als regionale Kompetenz- und W issenszent-
ren in die Lage zu versetzen, in enger Zusammenarbeit mit den Unterneh-
men, Weiterbildungskonzepte zu entwickeln und anzubieten.

15. Im Rahmen einer Reform der Bildungsf nanzierung wirkt die Bundesregie-
rung darauf ein, in allen Bundesländern Bildungsschecks zur Finanzierung
der Berufsschulausbildung auszugeben. Ein derartiges System versetzt
staatliche und private Berufsschulen gleichermaßen in die Lage, sich wett-
bewerblich zu organisieren und positionieren.

III. Begründung

Stärker als jeder andere Bildungsbereich muss besonders die Duale Berufsaus-
bildung als Einstieg in die Arbeitswelt für alle Jugendlichen verstanden wer-
den. Heute werden insgesamt ca. 1,6 Millionen junge Menschen von der W irt-
schaft, davon in der Industrie und dem Handel etwa 736 000, im Handwerk
etwa 631 000, ausgebildet. Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 621 693 Aus-
bildungsverträge abgeschlossen. Dem stehen 307 574 Studienanfänger an den
Hochschulen gegenüber.

In den zurückliegenden Jahren wurden von mittelständischen und Handwerks-
betrieben rund drei V iertel aller Ausbildungsplätze angeboten. Die Zahl der
Ausbildungsplätze im Handwerk ging aber in den letzen zwei Jahren, im Jahr
2000 allein um 11 068 Ausbildungsplätze, zurück, was als ein Indikator für die
mittelstandsfeindliche Politik der rot/grünen Bundesregierung zu werten ist.

Besonders im Osten Deutschlands ist die Ausbildungsplatzsituation noch im-
mer unbefriedigend. Der Ausbildungsstellenmarkt ist hier allein im Jahr 2000
insgesamt um 6,9 % auf jetzt 138 611 neue Ausbildungsverträge zurückgegan-
gen. 9 428 Bewerber blieben ohne Ausbildungsplatz. Würden nicht 14 000
junge Menschen in die westlichen Bundesländer abgewandert sein und dort
eine Ausbildung aufgenommen haben, wäre das Er gebnis noch bedeutend
schlechter.

Immer mehr Abiturienten entscheiden sich bei der W ahl ihrer Ausbildung
gegen ein Hochschulstudium und für eine Ausbildung im Dualen System. Das
sind heute rund ein Drittel aller Abiturienten. Durch diese Entwicklung steigen
die Ansprüche der Unternehmen an die Auszubildenden bezüglich des erreich-
ten Schulabschlusses.

Für die Unternehmen steht das Berufskonzept, das Fundament einer betrieb-
lichen Ausbildung, die den Auszubildenden für ein ganz bestimmtes Berufspro-
fil die volle berufliche Kompetenz vermittelt, im Mittelpunkt

Die statische Festschreibung der Berufsprof le bir gt allerdings Gefahren in
sich. Sie äußern sich u. a. in der Abnahme der Zahl jener Unternehmen, die im
eigenen Betrieb das volle Berufsbild vermitteln können. Zunehmend mehr
Betriebe sind heute nicht mehr in der Lage, das komplette Berufsprof l zu
vermitteln.

Es ist leider auch eine T endenz zu erkennen, wonach immer weniger Ausbil-
dungsbetriebe Übernahmeangebote nach Abschluss der Ausbildung unterbrei-
ten, was zu einer Arbeitslosigkeit nach Abschluss der Lehre führt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 –

Drucksache

14/

5984

Mit ihrem Baukastensystem für die beruf iche Ausbildung zeigt die F .D.P.-
Bundestagsfraktion ein alternatives Modell zur derzeitigen Berufsausbildung in
Deutschland auf. In ein derartiges System einzubindende Ausbildungsberufe
sind offen zu konzipieren und sind gekennzeichnet durch ihr breit angelegtes
berufliches Orientierungswissen und -können, an das sich ein ergänzende
Vertiefungswissen anschließen kann. Derartig aufgebaute Ausbildungsberufe
versetzen die Auszubildenden in die Lage, während oder im Anschluss an die
Berufsausbildung, eigenverantwortlich ihre eigene beruf iche W eiterbildung
und Spezialisierung zu betreiben.

Insofern bildet der Beruf die Grundlage für ein Berufskonzept, das die Notwen-
digkeit lebenslangen Lernens einschließt. Die Modularisierung der Berufsaus-
bildung und die damit verbundene Schaf fung eines Baukastenprinzips stellt
einen geeigneten Ansatz dar , verschiedene, das Berufsprof l prägende Tätig-
keitsfelder zeitlich getrennt voneinander , in den Unternehmen zu vermitteln.
Flexibel einsetzbare Zusatzqualif kationen sowie das V orziehen von Inhalten
der beruflichen Fortbildung erhöhen die gesellschaftliche Anerkennung de
Stellenwertes der Absolventen der Dualen Berufsausbildung.

In jedem Fall bleibt die berufsbezogene fachliche Qualif zierung der Kern der
Ausbildung. Die berufliche Handlungskompetenz wird durch die fachlich
Qualifikation gesichert. Eng damit verbunden wird durch die ermittlung von
Sozial- und Methodenkompetenzen und die im Prozess der Tätigkeit erworbe-
nen praktischen Erfahrungen ein beruf iches Kompetenzpaket vermittelt.

Ein Baukastensystem realisiert mit seinem Durchgängigkeitsprinzip die Gleich-
wertigkeit von allgemeiner und beruf icher Ausbildung und gibt leistungs-
schwachen und leistungsstarken Jugendlichen gleichermaßen die Chance, eine
ihrem Leistungsvermögen adäquate Qualif kation zu erreichen.

Die Modularisierung von Ausbildungsgängen mit berufsqualif zierenden
Abschlüssen bietet die Möglichkeit, Berufsbilder auch auf jene zuzuschneiden,
die nicht durch ihre guten theoretischen Begabungen auffallen und eher prakti-
sche Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweisen. Diese jungen Menschen erhalten
in diesem System eine echte Chance für ihren Einstieg in den Beruf, denn
Ungelernte haben heute immer weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Die berufliche Grund- (Grundbaustein) und Spezialisierungsbildung (Speziali
sierungsbausteine) stellen gewissermaßen die Initialqualif kation (Berufsfähig-
keit) für eine spätere praxisorientierte W eiterbildung in Form einer Aufbau-
bildung (Aufbaubausteine) dar.

Wir verstehen alle Ausbildungsbausteine des Baukastensystems als eine durch
die jeweiligen Ausbildungsbetriebe zu vermittelnde und geprüfte Qualif kation,
die sich in der Summe zu einem Ganzen, also zu einem Berufsabschluss, zu-
sammenfügen lassen.

Somit wird die individuelle Konstruktion von Grundbausteinen, Spezialisie-
rungsbausteinen und Aufbaubausteinen T eil des Berufsprofils, was an unte -
schiedlichen Lernorten mit unterschiedlichen Zeithorizonten vermittelt werden
kann.

Bei der Bestimmung von Berufsprof len und der damit verbundenen Strukturie-
rung von Grund-, Spezialisierungs- und Aufbaubausteinen wird man sich, wie
auch heute schon üblich, von der Def nition von Kompetenzkategorien leiten
lassen. Jeder Baustein umfasst die V ermittlung klar definierter beruflich
Kompetenzen.

Dabei kommt es darauf an, einzelne Bausteine der Berufsbilder allgemein gül-
tig zu formulieren, um so ein gemeinsames Verständnis über die Teilkompeten-
zen zu erreichen.
Drucksache

14/

5984

– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bei der Entwicklung der Bausteine wird es nicht mehr darauf ankommen, diese
eingeschränkt als Teil eines speziellen Berufsprof ls zu betrachten, sondern als
Bestandteil mehrerer Berufsprof le. Somit sind diese künftig für viele Aus- und
Weiterbildungsberufe als Grund-, Spezialisierungs- und Aufbaubaustein ein-
setzbar.

Grundsätzlich wird jedoch ein Modulverständnis abgelehnt, was das Ziel ver-
folgt, nicht mehr alle Bausteine eines kompletten Berufsbildes zu vermitteln,
sondern nur noch Teile davon zu einem neuen „Ganzen“ zusammenzufügen.

Bei veränderten Ausbildungsanforderungen und -bedingungen muss in einem
Baukastensystem nicht immer das gesamte Berufsbild verändert werden, son-
dern jeweils nur einer oder mehrere Bausteine.

Das erleichtert den Abstimmungsprozess zwischen den Bundesländern und den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union und stärkt die Eigenverantwortung der
Wirtschaft.

Durch eine Auswahlmöglichkeit von Qualif zierungsbausteinen kann schnell
auf den tatsächlichen Ausbildungsbedarf der einzelnen Betriebe und ganzer
Wirtschaftsbereiche reagiert werden.

Die Umsetzung dieses Modells bringt als unabdingbare Voraussetzung die Ein-
führung eines Ausbildungspasses zur Dokumentation von Teilkompetenzen als
auch zum Nachweis der erbrachten gesamtheitlichen Leistungen in der beruf i-
chen Aus- und Weiterbildung mit sich.

Zugleich ergibt sich so die Möglichkeit, bei Ausbildungsabbruch oder Nichtbe-
stehen der Gesamtprüfung, Ausbildungsabschnitte zu prüfen und zu dokumen-
tieren. Die Einführung eines einheitlichen Ausbildungspasses sichert die Doku-
mentation und Bewertung einzelner Ausbildungsbausteine und ermöglicht eine
berufliche Ausbildung an unterschiedlichen Ausbildungsorten sowie in meh
reren Ausbildungsbetrieben. Das fördert Ausbildungsverbünde, Lernortkoope-
ration und überbetriebliche Ausbildung. Unter dem Aspekt der Erfassung von
Zusatzqualifikationen in Form von Aufbaubausteinen, schon während de
beruflichen Erstausbildung, ist eine generelle Einführung des Ausbildungspas
ses anzustreben.

Heute bleiben immer noch 10 bis 14 % der Jugendlichen eines Altersjahr gan-
ges trotz aller Fördermaßnahmen ohne Berufsausbildung. V iele von ihnen be-
werben sich gar nicht erst um eine Lehrstelle, andere f nden trotz intensiver
Suche keine, weil es für ihre Fähigkeiten keine adäquaten Ausbildungsmög-
lichkeiten gibt. Ein anderer T eil bricht die Ausbildung ab oder scheitert in der
Abschlussprüfung. Diesen jungen Menschen bleibt meist nur die Möglich-
keit, als an- oder ungelernte Kräfte Tätigkeiten aufzunehmen, die mit einem
weit überdurchschnittlichen Risiko arbeitslos zu werden behaftet sind.

Der Ausbildungspass stellt, im V ergleich zu den Abgangszeugnissen der Be-
triebe bzw. Ausbildungseinrichtungen, eine echte Alternative dar.

Verantwortlich für die Prüfung und die Dokumentation der erbrachten Leistun-
gen im Ausbildungspass ist der Ausbildungsträger, der den Ausbildungsvertrag
abgeschlossen hat.

Geprüfte und dokumentierte Ausbildungsbausteine bieten darüber hinaus für
Ausbildungsberufswechsler, Ausbildungsabbrecher und erfolglose Prüfungs-
teilnehmer gute Möglichkeiten, den bereits erreichten Stand in der Ausbildung
nachzuweisen und den Ausbildungsabschluss nachzuholen.

Ein Ausbildungspass soll daher auch dann von allen Ausbildungsbetrieben
bzw. Ausbildungseinrichtungen ausgestellt werden, sobald ein Ausbildungsver-
trag gelöst oder die Abschlussprüfung nicht bestanden wurde. Ein solches, die
Abschlussprüfung nicht ersetzendes, sondern zusätzliches Dokumentationsver-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 –

Drucksache

14/

5984

fahren ist wichtig, weil damit ohne Festlegung neuer Abschlussniveaus diffe-
renziert der individuell erreichte Leistungsstand dokumentiert werden kann.

Mit dem Ausbildungspass können auch Zusatzqualif kationen bescheinigt wer-
den. Dies wird als notwendig erachtet, weil im Kontext der gezielten Förderung
leistungsstärkere Jugendliche, der stärkeren V ernetzung von Aus- und W eiter-
bildung sowie der bildungspolitisch beabsichtigten V erkürzung von Ausbil-
dungszeiten damit zu rechnen ist, dass Auszubildende in zunehmendem Maße
zusätzliche Qualifikationen erwerben werden und diese transparent nachweise
müssen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt und für spätere W eiterbildungs-
abschlüsse verwertbar bzw. anrechenbar sind.

Berlin, den 8. Mai 2001

Cornelia Pieper
Ulrike Flach
Ernst Burgbacher
Birgit Homburger
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Horst Friedrich (Bayreuth)
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.