BT-Drucksache 14/5965

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregleung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fermeldegeheimnisses

Vom 9. Mai 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5965

14. Wahlperiode

09. 05. 2001

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Max Stadler, Jörg van Essen,
Rainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich
Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk
Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Irmgard
Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 14/5655 –

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post-
und Fernmeldegeheimnisses

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 14. Juli 1999
im Bereich der vom Bundesnachrichtendienst durchgeführten so genannten
strategischen Überwachung einige Bestimmungen des Gesetzes zu Artikel 10
Grundgesetz (G 10) beanstandet und dem Gesetzgeber zur Herstellung eines
verfassungsmäßigen Zustandes eine Frist bis zum 30. Juni 2001 eingeräumt.
Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag am 26. März 2001 den
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Beschränkungen des Brief-, Post-
und Fernmeldegeheimnisses zugeleitet. Dieser Gesetzentwurf beschränkt sich
nicht auf die Regelung der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten
Punkte, sondern nimmt zugleich Änderungen im Hinblick auf die fortschrei-
tende technische Entwicklung vor und enthält weitere Bestimmungen zur
Schließung von der Bundesregierung angenommener Lücken des bisherigen
Gesetzes.

I. Der Deutsche Bundestag hält es für unangemessen, dass die Bundesregie-
rung ihm den Gesetzentwurf erst 20 Monate nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts und lediglich 3 Monate vor Ablauf der vom Ge-
richt gesetzten Frist vorlegt. Die Notwendigkeit, innerhalb weniger Sit-
zungswochen einen verfassungsmäßigen Zustand herzustellen, erschwert
die parlamentarischen Beratungen des vor gelegten Gesetzentwurfs in einer
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Weise, die der Bedeutung des V orhabens eklatant widerspricht. Insbeson-
dere wird den Ausschüssen des Deutschen Bundestages faktisch die Mög-
lichkeit genommen, über diesen Beratungsgegenstand eine öffentliche Sach-
verständigenanhörung durchzuführen.

Der Deutsche Bundestag missbilligt die späte V orlage des Gesetzentwurfs
durch die Bundesregierung daher nachdrücklich.

II. Der Deutsche Bundestag bedauert, dass die Bundesregierung in dem Gesetz-
entwurf nicht die Bedenken der Datenschutzbeauftragten des Bundes und
der Länder berücksichtigt hat, die sich auf die in der Gesetzesnovelle enthal-
tenen neuen grundrechtlichen Beschränkungen beziehen. Die Datenschutz-
beauftragten kritisieren insbesondere, dass

– eine wirksame parlamentarische Kontrolle nach den derzeitigen Anforde-
rungen an die halbjährlichen Berichte des zuständigen Bundesministers
an das Parlamentarische Kontrollgremium nicht gewährleistet sei; es
müsse deshalb über Anlass, Umfang, Dauer , Ergebnis und Kosten aller
Maßnahmen nach dem G 10 sowie über die Benachrichtigung der Betei-
ligten berichtet werden;

– durch die Neuregelung das Trennungsgebot nach Artikel 87 Abs. 1 Satz 2
GG weiter infrage gestellt werde, da auch außerhalb der Staatsschutz-
delikte mutmaßliche Einzeltäter und lose Gruppierungen den Maßnah-
men nach dem G 10 unterliegen sollen; Ermittlungen von der Eingriffs-
schwelle eines konkreten Anfangsverdachts zu lösen und nach
nachrichtendienstlicher Art schon im V orfeld zur V erdachtsgewinnung
durchzuführen, weite die Gefahr unverhältnismäßig aus, dass auch gegen
Unbescholtene strafrechtlich ermittelt werde;

– die Neuregelungen wie z. B. zum Parteienverbotsverfahren, zur Verwen-
dung von G 10-Erkenntnissen bei Gefahren für Leib oder Leben einer
Person im Ausland und zu Spontanübermittlungen an den BND nicht be-
fristet und einer effizienten Erfolgskontrolle unterzogen worden sind

– die vor gesehenen Ausnahmen von der vom Bundesverfassungsgericht
geforderten Kennzeichnungspf icht bei der Übermittlung von Daten, die
aus G 10-Maßnahmen stammen, schwerwiegenden datenschutzrecht-
lichen Bedenken begegnen;

– der Gesetzentwurf eine dauerhafte Ausnahme von der Benachrichti-
gungspflicht vorsieht und gleichzeitig den Betro fenen vom Rechtsweg
ausschließt;

– dem BND nicht mehr nur die „strategische Überwachung“ des nicht
leitungsgebundenen, sondern künftig des gesamten internationalen
Telekommunikationsverkehrs ermöglicht wird; dies setze den Zugriff
deutscher Stellen auf T elekommunikationssysteme in fremden Hoheits-
gebieten voraus, und es müsse sicher gestellt werden, dass die Anforde-
rungen des Völkerrechts eingehalten werden;

– die Überwachung internationaler T elekommunikationsbeziehungen im
Fall einer Gefahr für Leib oder Leben einer Person im Ausland sehr
intensive Grundrechtseingriffe in großer Zahl und mit einer hohen Dichte
ermögliche; dies setze eine hohe Eingrif fsschwelle und enge zeitliche
Befristungen voraus, die der Entwurf nicht hinreichend vorsehe.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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III. Der Deutsche Bundestag ist der Auf fassung, dass die Überwachung der
Kommunikation einschließlich der neuen Medien und der so genannten
akustischen W ohnraumüberwachung insgesamt einer gründlichen Über -
prüfung bedarf. Die Zahl der Überwachungen in der Bundesrepublik
Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Das gilt ins-
besondere für die nach der Strafprozessordnung angeordneten T elefon-
überwachungen. Die Gründe für diesen Anstieg sind weitgehend unbe-
kannt. Um sicherzustellen, dass Eingrif fe in das Fernmeldegeheimnis nur
als Ultima Ratio eingesetzt werden, muss der Umfang der Berichtspf ich-
ten der zuständigen Behörden gegenüber den Parlamenten dringend erwei-
tert werden. Dies gilt insbesondere auch für die jeweiligen Landesbehör-
den. Nutzen und Kosten der Überwachung der verschiedenen Kom-
munikationsverkehre müssen auf Grund einer sor gfältigen Rechtstat-
sachenanalyse besser als bisher ermittelt werden. Darüber hinaus ist es
auch notwendig, die Ef fizienz der Kontrolle einer kritischen Prüfung z
unterziehen. Das vorliegende Gesetzesvorhaben wäre hierzu eine gute Ge-
legenheit gewesen. Der Deutsche Bundestag bedauert, dass die Bundesre-
gierung diese Gelegenheit versäumt hat.

Berlin, den 8. Mai 2001

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Max Stadler
Jörg van Essen
Rainer Funke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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