BT-Drucksache 14/5845

Gewaltverherrlichende Computerspiele

Vom 4. April 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5845
14. Wahlperiode 04. 04. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Klaus Haupt, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael
Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich,
Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Marita Sehn,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

Gewaltverherrlichende Computerspiele

In letzter Zeit werden vermehrt Computerspiele gewaltverherrlichenden Inhalts
auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um Computerspiele, die auf teil-
weise äußerst gewaltsame Weise das virtuelle Töten von Spielfiguren, zum Teil
mit menschlichem Aussehen, zum Ziel haben. Zu diesen Spielen haben bereits
Minderjährige häufig über die Erziehungsberechtigten – oder durch ihre eige-
nen Fähigkeiten im Computerbereich – über das Internet, ungehinderten Zu-
gang.

Auf vielen Internetseiten wird z. B. unter dem Namen solcher Spiele gewalt-
verherrlichendes, zum Teil pornographisches Material zugänglich gemacht.
Zu beobachten ist zudem, dass spezielle Programmergänzungen (so genannte
patches) angeboten werden, die die speziell für den deutschen Markt angepass-
ten und daher als jugendfrei eingestuften Spiele so verändern, dass die Darstel-
lungen eindeutig eine Gewaltdarstellung im Sinne des § 131 Strafgesetzbuch
(StGB) sind.

Die Detailgenauigkeit der Darstellungen dieser Computerspiele wird dabei un-
ter anderem etwa mit folgendem Wortlaut angepriesen: „So können sie (die
Spielfiguren ) eine ganze Palette an menschlichen Gefühlen ausdrücken, wobei
die Mimik für Schmerz am häufigsten Verwendung finden wird…“.

Psychologen und Erzieher warnen vor den Auswirkungen solcher Spiele auf
die kindliche aber auch jugendliche Psyche, da bei diesen Spielen nicht ledig-
lich die Perspektive eines unbeteiligten Beobachters eingenommen wird, son-
dern die Kinder und Jugendlichen selbst in die Rolle des „Täters“ schlüpfen.

Eine altersabhängige Zugangsbeschränkung zu diesen Spielen oder Programm-
ergänzungen im Internet kann – insbesondere aufgrund der gewollten techni-
schen Vorgaben des world-wide-web – nicht oder nur sehr dürftig hergestellt
werden, es sei denn, man wollte in unverantwortbarer Weise die Strukturen des
Internet verändern und die Freiheiten der Nutzer einengen.

Drucksache 14/5845 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Die Verantwortung für richtigen Umgang mit solchen Inhalten muss – wie bis-
her – bei den Sorgeberechtigten liegen. Auf sie muss bei Missbrauch einge-
wirkt werden, im äußersten Notfall mit der Ultima Ratio des Strafrechts.

Leider ist vermehrt zu vernehmen, dass Sorgeberechtigte ihren Kindern den
Zugang zu solchem Material nicht nur erleichtern, sondern erst ermöglichen
und dieses dann durch die Kinder unter ihren Altersgenossen verteilt wird.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der § 131 Abs. 4, § 184 Abs. 6
Satz 1 StGB (Gewaltdarstellung und Verbreitung pornographischer Schriften)
finden § 131 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB, die die Strafbarkeit
normieren, bewusst keine Anwendung, wenn der Sorgeberechtigte gehandelt
hat. Daraus ergibt sich eine Straflosigkeit, wenn dieser seinem Kind den Zu-
gang zu Gewaltdarstellungen und/oder pornographischen Schriften, hierunter
fallen auch entsprechende Computerspiele, ermöglicht.

Das Erzieherprivileg gibt den Erziehungsberechtigten ein wohlabgewogenes
Abwehrrecht gegen staatliche Einflussnahme im Bereich der Familie, insbeson-
dere bei Fragen der Erziehung.

Da Eingriffe des Staates in die Erziehung die Ausnahme bilden müssen und der
Schutz der Familie von Artikel 6 Grundgesetz grundrechtlich verbürgt ist, er-
gibt sich ein Konflikt zwischen dem staatlichen Schutzauftrag gegenüber Min-
derjährigen und dem Erzieherprivileg.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen scheinen der Bundesregierung geeignet, um gegen die
Weitergabe von gewaltverherrlichendem oder pornographischem Material
an Minderjährige durch die Erziehungsberechtigten vorzugehen?

2. Treffen Befürchtungen zu, dass die Bundesregierung zum Schutz der Min-
derjährigen das Erzieherprivileg einschränken will?

3. Plant die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Änderungen im Straf-
recht und im Bürgerlichen Recht zum Schutz von Minderjährigen?

4. Beabsichtigte die Bundesregierung einen Schutz der Minderjährigen vor
Spätfolgen, die sich aus dem Konsum gewaltverherrlichenden Materials er-
geben können?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, die durch Programmergänzungen, so
genannte patches, eröffneten Strafbarkeitslücken zu schließen oder fallen für
sie Programmergänzungen unter den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB?

Berlin, den 13. März 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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